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Ausgabe 237 am 16. Dezember 2017
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Magier in Äthiopien Und die Welt Zauberkünstler Willi Auerbach ist nach Äthiopien gereist, um dort die Projekte der Stiftung „Menschen für Menschen“ anzuschauen, für die er viel Geld gespendet hat. Seite 2
Amerikanischer Kurt Weill
Die Schmäh Bundesliga
Leben
Die urplötzliche Rochade des Peter Stöger vom Kultklub Köln zum Kultklub Dortmund wirft ein paar Fragen auf. Und seine Mutter kann nix dafür. Seite 7
Gelungene deutsche Erstaufführung des Kurt Weill-Musicals „Love Life“ am Theater Freiburg. Es zeigt die Entwicklung eines Ehepaares in einer Zeitreise. Seite 11
Ergebnisoffener Unsinn Angela Merkel hat den Bundestagswahlkampf quasi über sich ergehen lassen und mahnt seither an, dass die Wähler die Union damit beauftragt hätten, eine Regierung zu bilden. Aber das hat sie bisher nicht geschafft. Von Michael Zäh HALLO ZUSAMMEN
Wem die Kuh -Glocke läutet
U
m das Niveau derzeitiger Bemühungen von SPD und Union um die Bildung einer neuen Regierung zu ermessen, reicht es schon, wenn man sich den sprachlichen Unsinn anschaut, der vor den Treffen der Parteichefs von beiden Seiten verbreitet wurde: Martin Schulz hat sich von seiner SPD-Basis die Erlaubnis für „ergebnisoffene Gespräche mit der Union“ eingeholt, von Unionspolitikern ist überliefert, dass man „offen in die Gespräche“ gehe. Die Frage sei also erlaubt, was denn damit ausgesagt werden sollte. Was wäre hier das Gegenteil von „offen“? Vielleicht „verschlossen“? Und was wäre das, was Martin Schulz nicht darf: Ergebnisse bei den „ergebnisoffenen Gesprächen“ erzielen? Wie soll man sich denn überhaupt Gespräche vorstellen, die nicht „ergebnisoffen“ wären. Sind das Gespräche, deren Ergebnis schon fest steht, bevor sie geführt wurden? Also quasi Gespräche wie jetzt zwischen Merkel, Seehofer und Schulz? Offen gehen sie da alle rein.
Aber nicht nur das. Als ziemlich von der Bundestagswahl beschädigt führen sie alle diese Gespräche, dazu verdammt, ein Ergebnis zu erzielen, wenn sie nicht völlig untergehen wollen in der Gunst der Wähler, die das dann ja auch zeitnah zum Ausdruck bringen dürften. Unter Martin Schulz hat seine SPD ja eine historische Wahlniederlage erlitten, Horst Seehofer hat seine Quittung dergestalt bekommen, dass er den Intimfeind Markus Söder nun als Ministerpräsident in Bayern bei den Landtagswahlen kandidieren lassen muss und Angela Merkel hat ja nun auch ein schwaches Wahlergebnis erzielt. Fast wie ein Gnadenbrot mutet es an, dass Seehofer noch den Parteivorsitz behalten durfte. Wie ein fehlgeleiteter Trotzkopf verhielt sich Schulz nach der Wahl. Und geradezu paralysiert war Angela Merkel, als sie trotz des schlechten Abschneidens der Union verlauten ließ, dass sie nicht wüsste, was die Union anders (also gar: besser) hätte machen sollen. So ist der sprachliche Unsinn, Gespräche „ergebnisoffen“ führen
zu wollen (wie auch sonst?) nur der Anfang. Es ist gerne auch von den „roten Linien“ die Rede, die also jede Partei für sich zieht, um dann halt festzustellen, dass alle davon nur so umzingelt sind. Ein findiger SPD-Geist (natürlich aus dem linken Lager) hat jüngst gefordert, dass es statt „roter Linien“ lieber einen „roten Faden“ geben solle. Das hat natürlich Sprachwitz, aber auch einen Bezug zur Realität. Warum soll denn bitteschön dem Wähler nicht zu vermitteln sein, dass sein ja sowieso zum Ausdruck gebrachter Wille nun anhand ganz konkreter Koalitionsabsprachen zu einem guten Teil umgesetzt werden soll, also inhaltlich für das Land? Die neue Idee der SPD (die ja nicht von Martin Schulz stammt, sondern ebenfalls aus dem linken Lager) statt der erneuten Großen Koalition (GroKo) lieber nur eine Kooperationskoalition (KoKo) zu schmieden, hat ja durchaus den Charme, zumindest spannend zu sein. Weil im Koalitionsvertrag nur zentrale Projekte fixiert würden, kämen andere Dinge zur freien
Aushandlung im Bundestag, was also ein bisschen Stabilität für die neue Regierung hieße, aber dann auch viel Demokratie, im Sinne der Macht des Parlaments. Na ja, und die SPD hätte als „roten Faden“ dann die Doppelrolle, einerseits Minister in Merkels Kabinett zu stellen und andererseits Opposition im Bundestag zu spielen, wo dann gestritten werden darf. Dieser Vorstellung ist Merkel gar nicht hold. Sie hat verlauten lassen, dass Deutschland eine „stabile Regierung“ brauche, also bestimmt kein Zwischending wie eine KoKo. Na klar, denn stabile Verhältnisse sind für sie so bequem wie sie es sich in den letzten Jahren ja auch gemacht hat. Womöglich haben die Wähler ihr allerdings auch dafür die Quittung gegeben, dass sie es sich allzu bequem gemacht hat. Merkel hat den Wahlkampf quasi über sich ergehen lassen, wie jetzt auch all diese Verhandlungen mit Partnern, die nicht wirklich wollen. Wo bitte sind zündende Ideen für alle, für Deutschland?
Das nennen wir mal ein Brauchtum, das wir lieben. Hat doch ein Gericht in Bayern jetzt die Klage eines Mannes abgewiesen, der sich am Geläut der Kuhglocken vor seinem Haus störte. Dabei handelte es sich mutmaßlich um einen vermögenden Zugezogenen (igitt,bähbäh), der es sich in freier bayerischer Natur halt gut gehen lassen wollte, aber die Kühe mitsamt ihren Glocken (und ihren Gerüchen) einfach nicht tolerieren wollte. Der Anwalt des klagenden Hausbesitzers fragt: „Warum brauchen Kühe denn unbedingt Glocken?“ Sein Mandant habe der Gegenseite vorgeschlagen, die Tiere stattdessen mit GPS auszustatten. Worauf aber die beklagte Bäuerin gesagt hat, dass es dann mit Bayern bald zu Ende ginge und übrigens auch keine Touristen mehr kämen, ohne das Idyll vom Geläut. Dahinter verbirgt sich auch ein Streit über die Macht des Geldes. Manche Kinder von Einheimischen müssen wegen der explodierenden Grundstückspreise wegziehen, weil Reiche dort Land kaufen. „Wer keine Kühe mag, muss nicht aufs Land ziehen“, kontert die Bäuerin. Michael Zäh