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Ausgabe 243 am 31. März 2018
Für Pluralität
Tore nur mit Ball
Tanz in das Leben
Kultur
SC Freiburg
Leben
Beeindruckende Rede gegen Populismus von Thorsten Schmidt, dem Intendanten des Heidelberger Frühlings, zur Eröffnung des internationalen Musik-Festivals. Seite 2
Auf Schalke darf das Streich-Team noch einmal in die Konterrolle schlüpfen. Dann wird es gegen Wolfsburg, Mainz, HSV und Köln aber auch offensive Lösungen brauchen. Seite 7
Tanz-Workshops für Krebserkrankte und deren Angehörige . Bewegen und Wohlfühlen fördert die Heilung, Tanzen spricht Körper und Geist an. Seite 11
Deutschland in der Nacht Wenn Horst Seehofer als neuer Innenminister gleich mal bestimmen will, was nicht zu Deutschland gehört und wer also mit seinem Glauben ausgesperrt bleibt, hat das nur den klitzekleinen Haken, dass es das Grundgesetz gibt. Von Michael Zäh
W
er oder was gehört zu Deutschland? Der VW-Konzern inklusive des Dieselbetrugs ganz sicher. Wohl auch der Schwarzwald, hoffentlich die ostfriesischen Inseln und der FC Bayern München, weil dort Thomas Müller, aber auch Mats Hummels kicken. Es kann nicht ausbleiben, dass im Lande der Dichter und Denker an dieser Stelle Heinrich Heine zu Wort kommt, mit „Nachgedanken“, 1844 im Exil in Paris verfasst: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, / Dann bin ich um den Schlaf gebracht.“ Heines geflügeltes Wort muss jetzt also dafür herhalten, dass ein deutscher Innenminister im Jahre 2018 die ebenso kühne wie spaltende Behauptung aufstellte, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, die im Lande lebenden 4,5 Millionen Muslime jedoch gleichwohl. Wie es sich für einen frisch vereidigten Innenminister gehört, sprach also Horst Seehofer diese Worte in einem Interview in der BILD-Zeitung. Das entscheidende Wort ist hier nicht etwa das „nicht“, das die BILD fett hervor hob. Sondern das „dazu gehören“, dem derzeit wohl alle deutschen VW-Diesel-Fahrer ebenso zustimmen werden wie die Bayern dem Satz, dass sie eher nicht zu Deutschland gehören, sondern höchstens ein gutes Vorbild für alle Heimat sind. Weshalb es nicht völlig unwichtig ist, dass nun eben genau in Bayern bereits im Oktober eine Landtagswahl stattfindet, quasi zwischen der CSU und der AfD. Also will sich Innenminister Seehofer
sogleich schwer beeilen, um seinem Intimfeind Söder in Bayern die absolute Mehrheit zu verschaffen. Und das geht am besten über die BILD und über rüde Spaltungspolitik. Spieglein, Spieglein an der Wand: Wer ist der härsteste Kerl im ganzen Land? Wenn Horst Seehofer also in seiner neuen Funktion als „Heimatminister“ mal eben den Muslimen in Deutschland ihren Glauben als nicht dazugehörend aberkennt, dann hat das nur den klitzekleinen Nachteil, dass das deutsche Grundgesetz, Artikel vier, allen in Deutschland lebenden Menschen garantiert, dass es hierzulande die Religionsfreiheit gibt. Jeder darf also glauben, was
er will und soll halt damit glücklich werden. Der Staat jedenfalls darf sich diesbezüglich auch mit dem neuen Innenminister (der hier eher alt aussieht) nicht einmischen. Denn was gehört zu Deutschland? Ganz sicher das Grundgesetz! Da es nun also in Deutschland neuerdings starke Kräfte gibt, die an dieser Stelle das Grundgesetz eher zugunsten ihrer Ideologie ändern möchten als es einfach einzuhalten, stellt sich die Frage, ob Seehofer mit seiner provokanten „Gehört-
nicht-zu-Deutschland“- Rhetorik wenigstens nach dem alten Motto, dass der Zweck die Mittel heilige (Achtung: Religionsfreiheit) eine gewisse Nachsicht verdient hätte. Doch leider scheint auch hier das Gegenteil wahrscheinlicher zu sein: Seehofer schwächt die AfD mit seinen Aussagen nicht, sondern macht deren Ausgrenzungspolitik salonfähig. Heutzutage meint ja offenbar jeder, dass er über dem Grundgesetz steht und sagen darf, wer zu Deutschland gehört und wer nicht. Dabei ist das Grundgesetz eine Antwort auf genau jenes dunkle Deutschland gewesen, in dem ebenfalls ausgegrenzt, gehasst und dann bestialisch getötet wurde. Bei der Frage, was zu Deutschland gehört, wird Hitlers „Drittes Reich“ (mit 60 bis 70 Millionen Toten im Zweiten Weltkrieg) und der Holocaust (mit der Ermordung von sechs Millionen europäischer Juden) auf rätselhafte Weise immer irgendwie vergessen. Aber unabhängig von all diesen Zusammenhängen gibt es noch eine andere Relevanz, warum Seehofer als Innenminister diesen heiklen Eifer des Spalters sein lassen sollte. Er ist nämlich Minister in Merkels Kabinett und hat einer gewissen Richtlinienkompetenz der Kanzlerin zu folgen. Diese hat ja dann auch prompt erklärt, dass der Islam sehr wohl zu Deutschland gehöre. Und darauf hat Horst Seehofer patzig wie ein kleines Kind reagiert. Ist das schon Altersstarrsinn?
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Wilde Tiger nahen auch Das Frühjahr, nun ja, es naht zumindest. Daher haben Diät und so wieder Hochkonjunktur - gerne soll es die Steinzeitdiät sein, die uns auf die richtigen Pfunde bringt, natürlich auch noch extrem gesund ist, weil sie aus Bürohengsten neueren Datums wieder wilde Jäger und Sammler macht. Diese Theorie will weismachen, dass unsere Gene nach rund zwei Millionen Jahren optimal mit der damals verwendeten Mahlzeit harmonieren würde: Fleisch, Fisch, Ost, Gemüse und Nüsse. Das Problem dabei: Es war keiner dabei, der etwa ein Handyfilmchen machen oder auch ein Buch darüber schreiben konnte, was unsere Vorfahren wirklich aßen und was nicht. Wenn sich also ein heutiger Autor eine goldene Nase mit einem Ratgeber für Steinzeit-Diät verdient, dann fehlt so ein bisschen die Glaubwürdigkeit. Die Vorfahren, von denen er uns erzählt, wurden gerade mal 25 Jahre alt. Nicht selten wurden sie von wilden Tieren gefressen, die halt auch auf lecker Eiweiß standen. Nun gut, das Frühjahr naht, und die wilden Tiger eben auch. Michael Zäh