250. Ausgabe, ET 07.07.2018

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Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage

Ausgabe 250 am 7. Juli 2018

Mozarts Zauberflöte

Mit Tempo

Oper

WM 2018

Bei der Aufführung von Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ in Baden-Baden wird Rolando Villazón erstmals den Papageno singen. Seite 2

Die Achtelfinalspiele haben nicht das Ende des Ballbesitzfußballs gebracht, aber gezeigt, dass Tempo und individuelle Frechheit immer wichtiger sind. Seite 9

Herzergreifende Komik Leben Im Vauban-Viertel schlägt ein Wandertheater aus der Schweiz sein Lager auf und veranstaltet ein Gaukler-Festival voller Musik, Akrobatik, Jonglage und Humor. Seite 13

Wirkungsträchtig Immer, wenn uns bürokratische Begriffe wie „Transitzonen“ oder „Ankerzentren“ ein X für ein U vormachen wollen, ist höchste Vorsicht geboten. Mit ihnen soll verborgen werden, was in Wirklichkeit dahinter steckt. Von Michael Zäh

W

ann ist etwas wirkungsgleich? Genau dann, wenn Politiker Begriffe in die Welt setzen, die nur dazu da sind, nichts auszusagen, und schon gar nicht, was sich hinter ihnen verbirgt. Es ist also wirkungsgleich, wenn ein Horst Seehofer auf dem Begriff „wirkungsgleich“ wie auf einem wilden Hengst davon galoppiert und wenn dann der österreichische Kanzler Sebastian Kurz ankündigt, dass man „Handlungen setzen“ werde, falls Deutschland nun wirklich die „Transitzonen“ einführt. Wirkungsgleich ist hier nämlich, dass die Wirkung stets verheerend ist und außerdem Europa in der Hand der militanten Abschotter. Und Merkel ist inzwischen nur noch ein Fähnlein im Wind, nach dem sie ihre Ansichten stets neu dreht. Immer nämlich, wenn solche bürokratische Begriffe wie jetzt die „Transitzonen“ (ausgerufen als Kompromiss im Asylstreit zwischen Merkel und Seehofer) oder schon zuvor die „Ankerzentren“ (die im Migrations-Masterplan von Horst Seehofer eine Hauptrolle spielen) uns ein X für ein U vorgaukeln wollen, ist allerhöchste Vorsicht geboten. Am Anfang wusste ja auch niemand so genau, was die Nazis mit „Konzentrationslager“ meinten. Was soll uns beispielsweise das Wortungetüm „Ankerzentren“ in Wirklichkeit sagen? Hat da ein Schiff seinen Anker ausgeworfen und liegt womöglich im sicheren Hafen? Klingt ja fast romantisch, so ein Ankerzentrum. Mensch Seehofer, da wir doch alle gerne Anker werfen (vielleicht Familie gründen oder so) und dabei am liebsten ins innere Selbst, also in

HALLO ZUSAMMEN

Und jetzt ein Espresso!

unser Zentrum finden möchten, sag uns, wo deine Ankerzentren (ent-) stehen. Ach so, die Bundesländer wollen sie alle gar nicht auf ihrem Boden haben? Na ja, da könnte doch eine echte Rücktrittsdrohung mal weiterhelfen! Mach den Horst, noch einmal, aber richtig! Den Seehofer-Streitonkel gab es allerdings gerade eben im Ehezwist mit Merkel. „Ich werde doch nicht akzeptieren, dass meine Frau sich scheiden lässt, wo sie doch nur durch mich zu meiner Frau wurde“, hat der Mann (sinngemäß) und schwer erzürnt gesagt. Das hat auch Eindruck hinterlassen. Merkel kam zur Verkündung der Aussöhnung im weißen Jackett, was sozusagen fast schon jungfräulich schlicht war. Das Zauberwort, das nun den Asylstreit in der Union beigelegt hat, heißt „Transitzonen“ (an der bayerischen Grenze zu Österreich).

Also klar, wir erinnern uns noch genau, wie wir als junge Menschen im „Transit“ durch die DDR mussten (oder durften), wenn wir nach WestBerlin reisen wollten. Es war zwar ziemlich gespenstisch, aber es war klar, dass wir da nur durch mussten. Manche haben dabei die Augen zu gemacht. Die neuen „Transitzonen“, auf die sich Merkel und Seehofer nun in ihrem gehässigen Streit „geeinigt“ haben (dürfen die SPD-Kinder in der Regierungskoalition eigentlich auch noch mitreden?), stellen den Begriff offensichtlich auf den Kopf. Es geht dabei eben gerade nicht darum, dass dies ein Durchgang irgendwohin sein könnte, sondern diese Zonen sind Endstationen. Man kann kaum noch vor und auch nicht mehr zurück, da Kurz diesbezüglich „Handlungen setzen“ wird. Das ist dann wirkungsgleich!

Das Problem der Flüchtlinge wird im Stile von Ungarns Viktor Orbán über Österreichs Kurz und Deutschlands Horst Seehofer mal möglichst „wirkungsmächtig“ (wie Bayerns Markus Söder den Begriff „wirkungsgleich“ weiter ausbaute) dahin verlagert, wo es uns Europäer nicht in Sichtweite liegt: Lager in Libyen oder Marokko, natürlich gegen Bares, wo sich korrupte Leute vor Lachen kaum halten können. So wird aus Horst Seehofers „wirkungsgleich“ schließlich ein „wirkungsträchtig“. Alle trachten nach Abschottung („niederträchtig“ liegt als Begriff hier nur zufällig in der Nähe). Wie lange noch, bis die AfD recht behält, dass an den Grenzen auf Flüchtlinge geschossen wird? Dafür wird sich ein Begriff finden: Vielleicht „Friedenswehr“, oder so?

Jetzt ist es raus: Wer täglich Kaffee trinkt, lebt länger! Die Krebsforscher der Nationalen Gesundheitsinstitute der USA haben 500.000 Briten zehn Jahre lang „studiert.“ Weniger Herzinfarkte, weniger Krebs, längeres Leben, und zwar umso mehr Kaffee man trinkt! Noch in unseren Jugendtagen hieß es ja, dass Kaffee ganz schlecht für die Gesundheit sei und außerdem gar nicht als Flüssigkeit zähle, sondern dem Körper solche sogar entzieht. Was waren das schwere Tage für uns Teenager, als wir uns über diese Kaffee-Gefahr einfach hinwegsetzen mussten. Wir haben das schwarze Zeug dennoch wie aus Eimern getrunken. Später dann erst recht, in Redaktionsstuben und in den Caféhäusern. Und immer war dieses klitzekleine, aber schlechte Gewissen dabei. Wir dachten und verdrängten, dass wir unser Leben mit dem Koffeindrink verkürzen würden. Und jetzt erfahren wir, dass wir dem Tod schon näher wären, wenn wir nicht schon immer viel Kaffee getrunken hätten. Gut, dass wir nicht brav gewesen sind. Und jetzt ein Espresso! Michael Zäh


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