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Ausgabe 253 am 8. September 2018
Bloß nicht leiden Interview Motivations-Coach Andreas Winter über eine andere Haltung zu Geldverdienen, Arbeit und Erwartungsdruck. Seite 2
Neue, alte Köpfe Bundesliga Nach erst zwei Spieltagen scheint die Liga schon wieder den Kniefall vor den Bayern zu machen. Ist aber vielleicht auch nur ein Trick. Seite 9
Grenzenlose Energie Leben Das internationale Tanzprojekt „Power of Diversity“ des Freiburger Aktionstheaters Pan.Optikum hat seinen Abschluss gefunden. Dazu ist ein Buch erschienen. Seite 13
Blinder Hass - wählbar? Der Hass ist augenfällig bei den Filmaufnahmen aus Chemnitz. Er ist auch das Markenzeichen der AfD, deren Bosse Seite an Seite mit Neonazis marschierten. Doch Hass hat noch nie zu etwas geführt, nur zu Tod und Vernichtung. Von Michael Zäh
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as Filmaufnahmen von den „Demonstrationen“ in Chemnitz zeigen, sticht sofort ins Auge: Es ist Hass. Purer, ungefilterter Hass. Blinder Hass. Und das ist es auch, was von den Aufmärschen rechtsextremer Gruppierungen in Chemnitz hängen bleibt. Bilder des Hasses. Und auch Bilder davon, wie AfD-Bosse Seite an Seite mit denen marschieren, die voller Inbrunst den Hitlergruß zeigen. Heiß und innig ist also diese Verbindung des Hasses. Er wird bei genauerem Hinsehen so auch ein Kennzeichen, quasi zum Markenzeichen der AfD. Nichts was Politiker dieser Partei sagen, ist auf Gemeinsamkeit, auf Konsens, auf Verständigung aus. Alles ruht auf Provokation, Hass, Gemeinheiten, Ausgrenzungen, Ächtungen, und Häßlichkeiten. Jeder Satz, jedes Wort ist immer auf Spaltung aus. Man könnte sagen: Dies Partei hat Hass als Programm und hofft auf all jene, die Hass ebenfalls für die beste Idee halten, die man so haben kann. Der Hass ist übrigens ein ganz enger Verwandter zur Verächtlichmachung der Wahrheit. Und zwar greift der Hass die Wahrheit stets mit inbrünstigem Eifer an. Wenn AfD-Anhänger in KZ-Gedenkstätten mit ihrer so dreisten wie dummen Masche kommen, dass es den Holocaust ja gar nicht gegeben habe, dann liegt das in etwa auf gleicher Linie wie die Angriffe auf Journalisten (sogar vor laufender Kamera), die es in Chemnitz gab. Motto: Wir hassen eure Wahrheit, die nicht unsere Wahrheit ist, weil sich die Wahrheit nur gegen uns richtet. Wir greifeneuch an, wenn ihr nicht schnell die Flucht ergreift.
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Hey Google, weck mich!
Woran man sieht: Hass ist auch ein enger Verwandter von Gewalt und Größenwahn. Ließe man also diesen Leuten freien Lauf, würden sie das gerne nach dem Recht des Stärkeren regeln wollen (wenn zwei Kleiderschränke drohend auf das Kamerateam zustürmen), ohne zu realisieren, dass sie am Ende gar nicht die Stärkeren sind. Denn die Wahrheit lässt sich nicht verjagen: Die unmenschliche, brutale und industriell geplante Ermordung von Millionen Menschen in deutschen Gaskammern war ein Ausdruck von Hass und Größenwahn. Und der „Endsieg“ war eine Phantasie, die im Zweiten Weltkrieg zerschellt ist. Der ideologisch unterfütterte Hass von heute funktioniert ganz ähnlich. Die AfD wurde ja als Partei nur durch die historische Situation der „Flüchtlingskrise“ mit all den damit verbundenen Ängsten (die
als solche ja auch berechtigt sind) für etliche Deutsche wählbar. Was im Nationalsozialismus „die Juden“ als Hassobjekt waren, sind heute „die Muslime“. Und wie damals gibt es für den Hass keine Grenzen und scheinbar auch keine Möglichkeit der Verständigung. Die AfD ist hier der Brandstifter des Hasses, und nichts darüber hinaus. Gerne verweisen der Hass und die Hassmacher darauf, dass er ja schließlich seinen Grund habe. Im Falle der Chemnitzer Aufmärsche war es ein Messermord von zwei Asylbewerbern an einem Mann aus Chemnitz. Die Tatverdächtigen sind bereits in Haft (nach einem dritten Mann wird gefahndet) und der Tathergang ist noch völlig unklar. Diese Tat (wie jede Gewalttat) ist furchtbar und durch nichts wieder gutzumachen. Die Strafe wird in einem Rechtsstaat durch ein Gericht
verhängt werden. Versöhnt wird aber niemand werden, wenn ein Mensch sterben musste. Die Trauer als ein zutiefst menschliches Empfinden dann aber für Hass-Aufmärsche zu instrumentalisieren ist infam. Denn da zählt der tatsächliche Mensch, der Opfer der Gewalttat wurde, ja gar nichts. Er soll nur als Vorwand dienen, um Hass zu verbreiten. Und dies nicht einmal gegen die Täter (die ja schon gefasst sind), sondern gegen eine ganze Gruppe („die Flüchtlinge“, „die Ausländer“, „die Muslime“) und für eine Politik der Ausgrenzung. Wer wie die AfD eine Gewalttat so schamlos für seine Zwecke ausnutzt, dem ist nicht zu trauen. Und mal ganz grundsätzlich und pathetisch: Hass hat noch nie zu etwas geführt, außer zu Vernichtung und Tod. Ist das wirklich wählbar?
Man muss ja nicht immer alles verstehen: Wenn ein junger Mann mit Vorfreude in sein Handy spricht: „Hey Google, weck mich morgen um sieben Uhr!“, dann fragt man sich schon, ob das nicht auch ohne Preisgabe im Internet gegangen wäre (mit einem Wecker etwa). Aber gut, die werbliche Ausbeutung aller Daten durch Google hat schon auch ihren Gegenwert. Denn die von den Mathematikern Larry Page und Sergey Brin vor nun 20 Jahren (in Kalifornien, wo sonst?) ersonnenen Suchalgorithmen (die bis heute geheim gehalten sind) haben das Internet auf eine ganz neue Stufe gehoben. Da wird nämlich nicht einfach auf eine Suchanfrage alles, was es dazu an Daten gibt, schmucklos nebeneinander gestellt, womit die Nadel im Heuhaufen für alle verborgen bliebe. Sondern es wird nach Relevanz gewichtet, wobei diese Relevanz nicht von Google bestimmt wird, sondern von den Nutzern. Ein insgesamt schlauer Intelligenz-Kreislauf der Nutzer, mit Makeln wie beim „Autocomplete“, wo es idiotische Vorschläge gibt. Dennoch: Hey, Google, happy Birthday!“ Michael Zäh