257. Ausgabe, ET 03.11.2018

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Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage

Ausgabe 257 am 3. November 2018

Musik, die heilt

Neue Stabilität

Chiltic – die Farbe Rot

Portrait

SC Freiburg

Tipps

Jazzsänger Gregory Porter kommt mit der Jungen Philharmonie Frankfurt ins Festspielhaus Baden-Baden mit Songs von Nat King Cole Seite 2

Dass der SC Freiburg gegen die Schwergewichte Leverkusen, bei der Hertha und gegen Gladbach ohne Niederlage fünf Punkte holte, ist toll. Jetzt bei den Bayern. Seite 7

Eine Tanzperformance mit dem Vaya of Art Movement als Deutschlandpremiere im Südufer mit Tänzerinnen und Tänzern aus Russland, El Salvador und Deutschland. Seite 10

Ankündigung des Aufhörens Nur auf den ersten Blick scheint der Rückzug von Angela Merkel aus der Politik ein kraftvolles Signal der Selbstbestimmung. Bei genauerem Hinsehen befürchtete sie wohl eher, von den eigenen Leuten demontiert zu werden. Von Michael Zäh

A

uf den ersten Blick scheint die Klarheit und die Kraft der Rücktrittserklärung von Angela Merkel zu bestechen. Daraus könnte man dann einige Schlüsse ziehen: Etwa den, dass sie inzwischen bereut hat, überhaupt im letztenm Herbst noch einmal zur Wahl als Kanzlerin kandidiert zu haben (und diese Wahl zu gewinnen), da ihre vierte Amtszeit als Kanzlerin danach mit etlichen Erschwernissen, nun ja, vielleicht sogar Pannen, vollgepackt war. Erst klappte die Koalition mit FDP und Grünen nicht, was folglich zur gequälten Regierungsbildung mit der vor Schmerzen um sich schreienden SPD führte. Und dann gab es das Riesentheater mit Horst Seehofer, der als Innenminister in Merkels Kabinett nichts unterließ, was Land und Leute auf die Palme brachte. Bei der Ankündigung, nicht mehr als CDU-Chefin zur Wahl zu stehen und ab 2021 auch nicht mehr als Kanzlerin, sprach Merkel deutlich aus, was sie über die letzten Monate dachte: „Der Zustand der Bundesregierung ist inakzeptabel.“ Es gibt nicht viele Regierungschefs, die einen solchen Satz über eine von ihnen geführte Regierung sagen. Die Klarheit dieser Aussage hat man als Mut zur Wahrheit beklatscht. Aber hatte es Merkel auch so gemeint? Eher nicht. Angela Merkel wollte damit sagen, dass sie zwar als Regierungschefin die Verantwortung zu tragen habe, wenn das ganze Gebilde – ihr Gebilde – in der Öffentlichkeit ein desaströses Bild abgebe. Sie sieht aber die Schuld nicht bei sich. „Es ist eigentlich ein Treppenwitz der Geschichte, wenn man schon nach gut sechs Monaten

HALLO ZUSAMMEN

Nur Kepler darf ewig schweben

? den Stab über diese Bundesregierung brechen muss, nur weil sie sich nicht in der Lage sieht, so zu arbeiten, dass es die Menschen nicht abstößt“, sagte Merkel. Das ist starker Tobak. Aber bei dem hier verwendeten Begriff „abstoßend“wird schnell klar, dass Merkel nicht sich selbst meint. Das würde nämlich niemand über sich selbst sagen. Hier dreht sich die „Rücktrittserklärung“ in eine ganz andere Richtung. Merkel selbst ist es, die etwas „abstoßend“ findet. Und damit kommen wir dem Kern des Merkel-Rückzuges auf Raten schon näher. Die Frau, die seit 18 Jahren CDU-Chefin ist (und dabei etliche Konkurrenten auf dem „Friedhof hinterm Kanzleramt“ zur Ruhe brachte, wie etwa Friedrich Merz, der jetzt gleich seinen Hut um den CDU-Vorsitz in den Ring warf) und seit 13 Jahren Kanzlerin,

hat zwar einen kraftvollen Auftritt bei ihrer Ankündigung es Aufhörens hingelegt, aber dies war eben nicht aus einer Position der Stärke heraus. Sie griff vielmehr den (von ihr erwarteten) Scharmützeln vor, die auf dem Parteitag der CDU Anfang Dezember ziemlich wüst hätten werden können. Sie war am Ende die Getriebene und nicht die Mächtige. Nicht zufällig sprach Merkel daher davon, dass sie ihre Ämter „immer mit Würde tragen“ wollte und dementsprechend diese auch mit Würde abgeben wolle. Das heißt doch im Umkehrschluss, dass sie nach den Ergebnissen der Landtagswahlen in Bayern und in Hessen befürchtete, im Dezember auf dem nächsten CDU-Parteitag demontiert zu werden. Die innerparteilichen Konflikte schwelen längst und die Merkel-Gegner innerhalb der CDU

haben nach dem Ergebnis in Hessen (minus 11,3 Prozent) die Messer gewetzt. Ein weiteres Indiz dafür, dass Angela Merkel nicht kraftvoll die Brocken hinschmeißt, sondern ganz nüchtern nur tut, was eh nicht zu vermeiden ist, kann man an ihrer unglaubwürdigen Behauptung ablesen, dass sie die Entscheidung, nicht mehr als CDU-Vorsitzende zu kandidieren bereits im Sommer getroffen habe. Da will sie noch mal als jene kühle Strategin rüberkommen (die sie teilweise ja auch ist), die selbst die Fäden in der Hand hält. Es sei ihr gegönnt. Bei allzu viel Applaus auch aus den eigenen Reihen ist der Geschmack für Merkel eher bitter. Sie könnte das so verstehen: Alle freuen sich, wenn sie geht. Als Kanzlerin wird sie auch nicht bis 2021 bleiben.

Das ist mal ein Leben, so als Rentner. Obwohl dem rüstigen Teleskop (wie erwartet) nun also der Sprit ausgegangen ist, soll „Kepler“ künftig in seiner sicheren Umlaufbahn um die Sonne bleiben. So stellt man sich ein cooles Dasein im All nach getaner Arbeit vor. Das Teleskop - benannt nach dem deutschen Astronomen Johannes Kepler - war 2009 in die Erdumlaufbahn gebracht worden. Es hat seitdem mehr als 2600 Planeten außerhalb unseres Sonnensystems und Hinweise auf weitere entdeckt. Unter ihnen sind Planeten, die ähnlich groß wie die Erde sind und Leben beherbergen könnten. „Dank ‚Kepler‘ konnte gezeigt werden, dass 20 bis 50 Prozent aller im Nachthimmel sichtbaren Sterne wahrscheinlich von theoretisch bewohnbaren, erdähnlichen Planeten umkreist werden“, erklärte die NASA. Kepler habe „das Tor für die Menschheit geöffnet, den Kosmos zu erforschen“. Das sind mal Horizonte, die auf mehr verweisen als alle Trumps dieser Welt zerstören können. Kepler schwebt ohne Sprit und ohne Licht auf ewig dahin. Michael Zäh


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