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Ausgabe 268 am 27. April 2019
Schnörkellose Energie Portrait Iggy Pop kommt zum Stimmen Festival nach Lörrach. Auch mit 71 Jahren tobt der „Godfather of Punk“ noch genauso über die Bühne. Seite 2
Stagnation spürbar
Afghan Box Camera
SC Freiburg
Tipps
Nach den Pleiten in Mainz, in Bremen und gegen Dortmund werden in Freiburg die typischen Reflexe bemüht: Es sei alles nicht so schlecht. Das kann man auch kritischer sehen. Seite 8
Ausstellung im Centre Culturel Français Freiburg sowie im Alten Wiehrebahnhof zur Straßenfotografie mit Holzboxen in Afghanistan. Seite 11
Ohne uns (?) Auch wenn es weh tut, sollten wir uns klarmachen, dass der Wahnsinn der Mörder wie zuletzt in Sri Lanka bewusst damit kalkuliert, dass er die größtmögliche Öffentlichkeit erreicht. Und dies, weil wir niedrigen Instinkten erliegen. Von Michael Zäh
E
igentlich kann man gar nicht über diesen Wahnsinn schreiben. Was soll man dazu denken können, wenn Menschen andere (wehrlose) Menschen beim Beten ermorden? In Neuseeland war es die Tat eines rechtsradiklaen Mörders und nun in Sri Lanka – angeblich als „Vergeltung“ – die Tat islamistischer Fanatiker. Schon das dafür benutzte Wort „Terror“ ist vielsagend. Denn das Morden lebt ganz besonders vom Widerhall, dem Echo, das es erzeugt. Das Wort „Terror“ beschreibt ziemlich präzise die Absicht, durch abscheuliche Gräueltaten gegen eine Gruppe von Menschen möglichst eine ganze Gesellschaft zu verunsichern. Die relativ wenigen Opfer, die es trifft, sollen die vielen potenziellen Opfer „terrorisieren“, die es ebenfalls hätte treffen können. Man kann daher aber auch sagen: Immer wenn das Wort „Terror“ benutzt wird, ist das schlicht im Interesse der Mörder. Denn ihnen wird damit immerhin Rationalität unterstellt, als könne das Morden jemals vernünftig sein. In ihren Augen ist das ein Triumph, den sie geplant haben, und zwar sogar unabhängig davon, ob sie dann noch am Leben sind. Ohne die mediale Verbreitung wäre das Morden weniger attraktiv. So pervers es ist, dass die Bestie im Menschen sich womöglich noch den „Ruhm“ für ihr Morden wünscht, so sehr tut aber auch die Frage weh, ob es nicht stimmt, dass jede Art von besonderer Abscheulichkeit die größtmögliche Öffentlichkeit findet. Und vor allem: Was ist der wahre Grund dafür? Ehrenhafte Journalisten werden hier sicherlich einwenden, dass es
HALLO ZUSAMMEN
Der Hut des Boris Palmer
eben der Job ist, Informationen zur Verfügung zu stellen. Wenn etwas in der Welt passiert, sollen also auch all diejenigen Menschen alles darüber erfahren, die nicht selbst dabei waren. Und dies möglichst nüchtern, in Fakten, auch damit sich nicht „Fake-News“ und gezielte Falschmeldungen über sogenannte „soziale Netzwerke“ durchsetzen können. Diese Argumentation ist nicht falsch. Aber es gibt da noch etwas anderes, das dabei nicht genannt wird. Wenn nach Gräueltaten wie dem Morden zuletzt in Kirchen und Hotels in Sri Lanka in allen Medien um die Wette berichtet wird, bedient das zwar ein Informationsbedürfnis. Dieses „Bedürfnis“ hat aber eine Seite, die gerne ausgeblendet wird. Dies ist nämlich diese Neugierde an der Katastrophe (die man ja auch nach schrecklichen Unfällen auf
der Autobahn kennt, wo Gaffer sogar mit ihren Handys filmen), und man darf sich schon die Frage stellen, ob wir nicht allesamt einem niedrigen Instinkt erliegen, wenn wir haarklein alles über Mord und „Terror“ wissen wollen, weshalb wir entsprechend von den Medien denn auch bedient werden. Ich war persönlich anwesend als ein solcher Massenmord am 14. Juli 2016 in Nizza geschah, wo arglose Menschen von einem Mörder mit einem Lastwagen totgefahren wurden. In den Tagen darauf sah ich hunderte von Übertragungswagen verschiedenster TV-Sender auf der Promenade geparkt. Da war die Tat bereits vorbei, da war der Mörder erschossen und seine Opfer tot. Trotzdem fahndeten die Reporter in allen Gassen in Nizza nach Leuten, die etwas gesehen haben könnten. Ein Barkeeper vielleicht, der einen
Knall gehört hatte, eine Touristin, die floh? Es war eine völlig sinnlose Gier nach Information. Weshalb? Weil es Abnehmer dafür gibt, für alle Bilder, Äußerungen, Leid und Tränen von Betroffenen. Diese Abnehmer sind wir alle, in unserer unseligen Neigung, ganz genau das wissen zu wollen, was unfassbar ist. Vielleicht weil der Tod selbst für uns alle unfassbar ist. Als Lebende nähern wir uns ihm durch den Tod anderer Menschen. Es nehme sich davon aus, wer kann! Wir sollten aber wissen, dass dies den Mördern auch bewusst ist, wenn sie ihre Taten planen. Das macht uns natürlich nicht zu Mittätern. Und doch ist es die Frage, was der Wahnsinn der Taten wie in Sri Lanka für die Selbstmordattentäter noch wert wäre, ohne uns.
Boris Palmer hat sich – mal wieder – auf Facebook zu Wort gemeldet: Er macht sich über die Werbung der Deutschen Bahn her, auf der Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe zu sehen sind. Also, genauer gesagt geht es ihm darum, dass einer wie er selbst nicht auf der Werbung drauf ist. Meint er halt, und das geht ja gar nicht! In seiner beleidigten Art schreibt er: „Ich finde es nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die ‚Deutsche Bahn‘ die Personen auf dieser Eingangsseite ausgewählt hat. Welche Gesellschaft soll das abbilden?“ Peinlich ist dabei ein bisschen, dass der grüne OB von Tübingen zwar sich selbst als prominent empfindet, die Personen auf der Werbung aber offenbar nicht erkannt hat. Die Bahn hat süffisant geantwortet: „Nico Rosberg, Nazan Eckes und Nelson Müller sind positive repräsentative Identifikationsfiguren. Die DB freut sich, mit ihnen zusammenzuarbeiten.“ Na gut, dass Grünen-Politiker den Hut von Palmer forderten, den er nehmen solle, zeigt nur: Der Boris hat ihn auf! Taugt aber nix auf Fotos für die Bahn. Michael Zäh