Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage
Ausgabe 269 am 11. Mai 2019
Krieg ist nicht vorbei
Spannendes Finale
Isenheimer Altar
Interview
Bundesliga
Tipps
Der Leiter von Caritas international, Oliver Müller, ist gerade zurück aus Syrien. Er berichtet über seine Eindrücke. Seite 2
Der SC Freiburg hat zwar den Klassenerhalt sicher, ist jetzt aber in Hannover und gegen Nürnberg das „Zünglein an der Waage“. Seite 7
Das elsässische Musée Unterlinden in Colmar bietet Führungen zu den Restaurierungsarbeiten am berühmten Isenheimer Altar an. Seite 11
Hand in Hand, rückwärts! Logisch, dass die politischen Phantasien von Juso-Chef Kevin Kühnert vom politischen Gegner aufgebauscht werden, um die SPD noch weiter in den Keller der Umfragewerte zu schicken. Noch toller ist, was Sigmar Gabriel beiträgt. Von Michael Zäh
T
reffen sich ein alter und ein junger Mann. „Mein Auto, mein Haus, mein Boot“, legt der Alte seine Karten auf den Tisch. Er stammt halt noch aus der Zeit, als die Sparkasse augenzwinkernd mit diesem Werbeslogan die Utopie beförderte, dass man mit klugem Sparen reich an Besitz werden könne. „Brauche ich alles nicht. Ich teile Autos, Haus und Boot mit anderen“, sagt der Junge, der natürlich das „Teilen“ vom „Mitteilen“ in den sozialen Netzwerken hat. Ihm erscheint es sinnlos und sogar behindernd, Dinge ganz zu besitzen. Er will nur alles nutzen können. Wie das Internet, das ihm ja auch nicht gehört, das aber voll (und schnell) zu seiner Verfügung stehen muss. Kevin Kühnert ist ja auch ein junger Mann. Weil er aber auch noch Politiker ist, hat der Juso-Chef dem modernen „Teilen“ der neuen Generation (von Carsharing über Airbnb und Uber bis zu Wohnungstausch und gemeinsamer Nutzung von Kühlschränken) eine ganz alte Ideologie übergestülpt. Sozialismus, Kollektivierung, also praktisch Verstaatlichung. Das kommt ziemlich oll daher, quasi aus der Mottenkiste der Geschichte. Und zwar vor allem, weil es die Lebenstendenzen nachrückender Generationen in alte Klamotten kleiden will, wo gar keine Ideologie nötig wäre. Denn es scheint zum Glück ja so, dass junge Menschen längst erkannt haben, dass große Menschheitsprobleme wie etwa der Klimawandel eben nicht durch eine Ideologie, sondern nur durch ein anderes Lebensverhalten in den Griff zu kriegen sind. Und dass die soziale Marktwirtschaft in dieser
HALLO ZUSAMMEN
Merkel mag es gerne graublau
Hinsicht versagt, weiß ja auch jeder. Wozu also eine sozialistische Idee aus DDR-Zeiten ausbuchstabieren? Kühnert hat das ernst gemeint, etwa mit dem Kollektivieren von BMW. Das zeugt von einem großen Ego, aber auch von wenig Gespür. Dabei sind ja Themen wie etwa die überteuerten Wohnungen in den deutschen Großstädten tatsächlich ein Problem für die Gesellschaft. Das kann sich zuspitzen. Der Aufschrei über Kühnerts gar nicht so kühne (eher abgestandene) Utopien, ist riesig gewesen. Das mag ja noch angehen beim politischen Gegner in Wahlkampfzeiten zum Europaparlament. Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte: „Ich hätte nie geglaubt, dass unser alter Wahlslogan ‚Freiheit statt Sozialismus‘ noch mal bei einer Wahl so aktuell werden wird.“ Das klingt fast schon so, als
ob es ganz knapp stünde, im Kampf des ach so „freien“ Kapitalismus gegen Kühnert und Co. Dabei ist der Mann nur Chef der Jusos. Und selbst wenn er der SPD vorstünde, wäre diese mit ihren Umfragewerten derzeit wohl keine Gefahr für AKK und Co. Dies ist ja auch das wirklich Seltsame an der hitzigen Diskussion um Kühnerts politische Phantasien – er müsste dabei ja eine Mehrheit bei den Wählern finden, um seine Ideen umsetzen zu können. Glaubt das jemand? Wohl kaum. Selbst Leute, die nichts besitzen, haben vor Enteignungen eher Angst. Der Union geht es auch nicht um die Verteidigung der Freiheit, sondern nur darum, die SPD noch weiter in den Keller zu schicken. Dafür bauscht man Kühnerts Thesen künstlich auf. Viel unverständlicher ist allerdings, dass dasselbe auch innerhalb der SPD geschieht. Und
dies verdeckt dann die gute Arbeit innerhalb der Groko, was soziale Themen angeht. Da bewegt die SPD so manches, aber geredet wird dann über krude Utopien, die sowieso nicht verwirklicht werden. Und nun zum alten Mann, quasi Auto, Haus, Boot. Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel schrieb in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt: „Bewusste Tabubrüche, das Ignorieren von Fakten und Empirie, das Mobilisieren populistischer Sehnsüchte und die Inkaufnahme der Beschädigung der eigenen Partei: Das ist übrigens die Methode Donald Trump. Nur der mediale Effekt und das eigene Ego sind wichtig.“ Echt? Und wozu taugte Gabriels Beitrag, wenn nicht genau zum: Egotrip!? Hand in Hand, diese Genossen, jung und alt, rückwärts.
Als Kanzlerin bist du ja keine Monarchin und denkst du natürlich nicht an den eigenen Glanz. Wie das ZDF jetzt aber der breiten Öffentlichkeit verriet (und das ist Verrat, nichts sonst!) hat Angela Merkel ein fünfseitiges Papier zur Hand, das allen überreicht wird, die die Kanzlerin persönlich zu Besuch erwarten. Also zum Beispiel das ZDF selbst, falls die Kanzlerin dort mal eine Pressekonferenz abhält. Und in diesen (Regie-)Anweisungen ist alles minutiös geregelt, etwa, wie der Hintergrund aussehen soll: „Ein mittlerer Farbton als Grundfarbe ist ideal, zum Beispiel hellblau oder mittelgrau.“ Das Material soll nicht glänzen und nicht reflektieren. Deshalb sei die Farbe Weiß unbedingt zu vermeiden. Denn bei weißem Hintergrund, der noch dazu das Licht reflektiert kommt es zu einem Effekt, den (nicht nur) Kameraleute „Überstrahlen“ nennen. Die Kanzlerin will also zwar nicht monarchisch den großen Glanz, aber sie will auch nicht überstrahlt werden. Das kann man ihr ja nicht verdenken, in Zeiten von AKK, die gerne ihren Stern strahlen lässt. Michael Zäh