Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage
Ausgabe 270 am 25. Mai 2019
Gute Laune
Volten über Kovac
Lebenswirklichkeiten
Porträt
DFB-Pokalfinale
Leben
George Ezra, der britische Sänger mit den sonnigleichten Songs und der megatiefen Stimme, kommt zum Stimmenfestival nach Lörrach. Seite 2
Die Bayern-Bosse geben ihrem Trainer Niko Kovac trotz der ersten deutschen Meisterschaft für den jungen Trainer keine ehrliche Rückendeckung. Seite 9
Das Filmfestival „Transcultural Cinema“ des Freiburger Filmforums zeigt vom 28.5. bis 2.6. Filme, die sich mit Globalisierung und postkolonialem Erbe befassen. Seite 13
Mit scharfem Witz Bereits 2017 tappte der rechte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in eine (Video-)Falle und phantasierte in tollster Satire, wie es wäre, wenn eine Russin mit Schwarzgeld die „Kronen Zeitung“ übernähme, um ihn zu „pushen“. Von Michael Zäh
S
atire ist, wenn Jan Böhmermann es macht. Denn dann und nur dann wird darüber gestritten, ob die Satire noch Satire war und ob das denn erlaubt ist. Laut Duden geht die Definition von „Satire“ so: „Kunstgattung (Literatur, Karikatur, Film), die durch Übertreibung, Ironie und [beißenden] Spott an Personen, Ereignissen Kritik übt, sie der Lächerlichkeit preisgibt, Zustände anprangert, mit scharfem Witz geißelt.“ Und jetzt das: In einer Videobotschaft, die bei der Verleihung des österreichischen TV-Preises „Romy“ schon Mitte April ausgestrahlt wurde, erklärte Böhmermann, er hänge „gerade ziemlich zugekokst und Red-Bullbetankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchenvilla auf Ibiza“ rum und verhandle über die Übernahme der „Kronen-Zeitung“. Diese satirische Übertreibung, wie damals im April noch jeder dachte, ist aber mittlerweile durch die Wahrheit übertroffen worden. Oder vielmehr: Die Satire ist real (oder die Wahrheit ist Satire) und Böhmermann wusste das. Denn er wusste von einem Video noch bevor dieses durch den „Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ jetzt Mitte Mai, also einen Monat später, in Auszügen veröffentlicht wurde. Das Video entstand im Juli 2017. Das war drei Monate vor der Nationalratswahl in Österreich. Da traf sich der Parteichef der FPÖ, Heinz-Christian Strache, stramm rechts, in einer Villa auf Ibiza mit einer vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen. Johann Gudenus, Straches Vertrauter und dessen Ehefrau sowie ein weiterer
HALLO ZUSAMMEN
In video (ist) vino veritas
Mann nahmen ebenfalls an dem Treffen teil, das etwa sieben Stunden dauerte und von mehreren, im Haus versteckten Kameras aufgezeichnet wurde. Es wird Alkohol getrunken und geraucht. Und es geht dabei um Angebot und Nachfrage. Dies jedoch in satirischer Art und Weise, etwa wenn Strache phantasiert, wie es wäre, wenn man mit russischem Schwarzgeld die „Kronen-Zeitung“ übernähme und diese dann seine FPÖ „pushen“ würde. Oder auch, wenn man auf dem Video sieht, wie Gudenus diese blühenden Reden von Strache ins Russische übersetzt, also dabei gar nicht so schnell mit dem Übersetzungen nachkommt wie sein Chef allen Versuchungen erliegt. Das Ergebnis: Kurz nach der Veröffentlichung des Videos trat Heinz-Christian Strache von allen politischen Ämtern zurück. Johann
Gudenus ebenso und verließ überdies auch die FPÖ. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte die Koalition mit der FPÖ auf. Bundespräsident Alexander Van der Bellen stellte für September Neuwahlen in Aussicht. Kommenden Montag könnte Kurz außerdem über einen Misstrauensantrag stolpern. Nach dem Bruch der rechtskonservativen Regierung kommt das Parlament dann nämlich zu einer Sondersitzung zusammen. Eine Mehrheit gegen den Kanzler ist möglich. Aber jetzt zurück zur Satire. Quasi Aufruhr in Österreich und der jüngste Kanzler in Europa, noch frischer und gepuderter als Kollege Macron in Frankreich, hat zum Wahlkampf schon jetzt aufgerufen, als hätte er gar keine Verantwortung für das Chaos, sondern wäre die ordnende Hand, die in schweren Zeiten durch eben dieses
Chaos durchführt. Ist nur deshalb ein bisschen komisch, weil es 2017 eben Kurz war, sich die Koalition mit der rechten FPÖ selbst ausgesucht hat. Er saß einem Kabinett vor, dem halt so Typen wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache angehörten, der nun also im „Ibiza-Video“ einer vermeintlich über die Maßen vermögenden Russin anbietet, dass der Staat (Strache himself) ihr Aufträge zuzschanzen könnte, wie etwa beim Autobahnbau. Also: Kurz wusste, mit wem er sich einlässt. Es ist nur schwer, der Satire jetzt allen Ernstes zu entkommen. Strache sprach von einer „b‘soffenen G‘schicht“, ja fürwahr, aber na klar: in vino veritas und im Wodka noch die russische Nichte dazu. Wenn die einen Bart gehabt hätte, dann würden wir glatt Satire, also Böhmermann hinter dem Video vermuten. Aber das mit dem Bart hätte Strache gemerkt.
Noch einmal bringt sich der Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen genau so ins Gespräch wie wir ihn als Geheimdienstchef in schlechter Erinnerung haben. Er ließ es sich nicht nehmen, sich zu der Affaire um den Ex-Vizekanzler Strache zu äußern. Maaßen hält die „Videofalle“ auf Ibiza für den eigentlichen Skandal. Damit trifft er wohl ziemlich genau das Bauchgrummeln der Rechtspopulisten. Denn diese würden die heimlichen Videoaufnahmen gerne so sehr skandalisieren, dass die darauf festgehaltenen Sprüche und Machtphantasien des strammen Rechten Strache in den Hintergrund rücken. Es besteht natürlich kein Zweifel, dasss heimliche Videos nicht rechtens sind. Komisch an der Sache ist aber dennoch, dass die Rechtspopulisten ja gern und hässlich von der „Lügenpresse“ schwadronieren. Nun hat die Presse ein Video veröffentlicht, von dem nicht einmal Strache selbst behauptet, dass es nicht echt sei. Daher klappt es dieses Mal nicht mit der Verächtlichmachung der Presse. In video veritas, rechtens oder nicht. Michael Zäh