Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage
Ausgabe 274 am 20. Juli 2019
Baumsterben
Das Domino Dings
Freiheit & Menschenrechte
Klimawandel
Transfers
Tipps
Im Freiburger Wald werden viele Bäume gefällt, die durch die Trockenheit geschwächt, abgestorben oder von Borkenkäfern befallen sind. Seite 2
Mit dem Transfer von Griezmann zum FC Barcelona soll ein Stein ins Rollen gebracht worden sein, auf den der FC Bayern lange gewartet hat. Seite 7
Gedenkfeier und Schauspiel auf dem Alten Wiehrefriedhof, wo drei Freiheitskämpfer der Badischen Revolution 1849 erschossen wurden. Ein Mausoleum dort erinnert an einen der Toten. Seite 11
Die Bilder des Zitterns Angela Merkel hat immer viel Wert darauf gelegt, dass die Fotografen und Kameraleute nur aus einer bestimmten Distanz und aus bestimmten Perspektiven festhalten dürfen, was für die Geschichtsbücher gut ist. Und dann das! Von Michael Zäh
W
elchen Wert Angela Merkel auf ihr Bild legt, wissen Fotografen und Kameraleute, denen strengste Vorschriften darüber gemacht werden, aus welcher Distanz und welcher Perspektive (nicht von hinten oder von der Seite!) sie die Kanzlerin ablichten dürfen. Bei Merkels Auftritten wird sogar festgelegt, welche Farbe im Hintergrund sein darf, oder vielmehr nicht sein darf, um bloß nicht die Blässe ins Gesicht von Angela Merkel zu kaprizieren. Die Frau ist da ein bisschen eitel und durchaus streng. Denn es geht ja schließlich um Bilder, die auch für die Geschichtsbücher sind. Und dann kam die Sache mit dem Zittern. Die Kameras hatten zwar genau den Winkel, der von der Kanzlerin gewünscht ist. Aber sie fingen etwas ein, was Angela Merkel nicht unsympathisch macht, ihr aber wohl gewaltig gegen den Strich geht: Einen Kontrollverlust. Ihr eigener Körper hat sich da etwas rausgenommen, das unerhört ist. Er hat einfach zu zittern angefangen, ganz ohne Befehl von oben. Oder war es doch der Kopf? War da dieses verflixte Unbewusste im Spiel, das seit Freud die Gemüter erregt? Nicht genug, dass Angela Merkel gleich wusste, dass nun die Bilder des Zitterns halt ab sofort in allen Archiven gespeichert sind. Da hilft nix. Die Dings mit der Historie hat jetzt eine unerwünschte Delle, so rein vom Bildlichen her. Aber dazu kam dann auch noch die unsägliche Disskussion über ihre Gesundheit, an der sich von fern alle möglichen Experten beteiligten. Da war etwa Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD),
HALLO ZUSAMMEN
Gesichter auf Wanderschaft
der im ZDF-„Heute-Journal“ sagte, dass „leichte Anzeichen körperlicher Überlastung“ bei dem Stressjob der Kanzlerin normal seien. „Wenn ein solcher Job über viele Jahre ausgeübt wird, dann gehört dazu eine sehr, sehr gesunde Grundnatur. Und solche leichten Anzeichen von körperlicher Überlastung sollte man eher mit Nachsicht und vielleicht auch mit mehr Pausenzeiten beantworten und nicht mit einer öffentlichen Diskussion, was denn nun die Ursache sein sollte“, erklärte der frühere Diagnosemediziner, von dem aber nicht bekannt wäre, dass Merkel seine Patientin ist. Trägt schön öffentlich vor laufenden ZDF-Kameras zu genau der „öffentlichen Diskussion“ bei, von der gerade abgeraten hat, und dies ohne der Kanzlerin auch nur mal den Puls gefühlt zu haben. (Der allerdings bei Merkel etwas in die
Höhe gehen könnte, wenn ein SPDMann ihn fühlt). Auch die US-Schriftstellerin Siri Hustvedt, Autorin des Sachbuchs „Die zitternde Frau“ musste sich im „Spiegel“ passenderweise zu den Parallelen zwischen ihren eigenen Anfällen und denen, die Merkel nun zum dritten Mal bei öffentlichen Auftritten erlebt hat, äußern. „Mir kommt es sehr ähnlich vor“, sagt Hustvedt. Uns kommt das eher wie ein Auswuchs medialer Hysterie vor. Hat noch wer sachdienliche Hinweise beizutragen, möge die Sendung „Aktenzeichen XY“ mit dem Stichwort „Zittern“ solche doch bitte sammeln. Natürlich wurden jede Menge Mediziner zitiert, die das Phänomen in den Medien erklärten. „Mediziner sprechen beim Zittern von Tremor. Es finden sich einerseits organische und neurologische Krankheiten als
Grund: Schilddrüsen-oder Nierenfehlfunktionen, Parkinson oder Multiple Sklerose können die unwillkürlichen Muskelbewegungen auslösen. Andererseits führen oft auch psychosomatische Leiden wie Stress, Aufregung und Anspannung dazu.“ Na dann wissen wir jetzt ja Bescheid: Es kann alles oder nichts sein! Die Psychologen haben sich in der Causa auch hervor getan, und dies immerhin mit einer These, die den Äußerungen von Merkel ganz gut entspricht. „Ich glaube, dass es so, wie es gekommen ist, eines Tages auch vergehen wird. Aber es ist noch nicht so weit“, sagte die Kanzlerin zu ihren Beschwerden. Das hat sie gut gesagt und gleichzeitig dabei ein bisschen geschummelt. Denn es vergeht alles, irgendwie. Nur diese verflixten Bilder von ihrem Zittern bleiben halt.
Auf den ersten Blick ist es nur ein Spielzeug. Die „FaceApp“, eine Smartphone-Anwendung, die Gesichter auf Fotos manipuliert, dein eigenes wie das von anderen. Das heißt, dass du dich auf den zweiten Blick ein bisschen gruseln kannst, wenn etwa dein Gesicht um 20 Jahre älter gemacht wird. Oder aber du bist so albern, dass du dir dein Gesicht faltenfrei 40 Jahre jünger machst. Wenn du über den Tellerrand der Geschlechter gucken willst, kann die App dich ruckzuck vom Männchen zum Frauchen machen, und umgekehrt. Der dritte Blick wirft allerdings Fragen auf. Wie funktioniert die „FaceApp“ denn eigentlich, die so täuschend echte Veränderungen vornimmt, dass die Manipulationen kaum mehr zu erkennen sind? Sie funktioniert über eine künstliche Intelligenz, die auf einem Server auf deine Fotos wartet. Die Veränderungen der Bilder werden nicht auf deinem Gerät gemacht, sondern ganz anderswo. Die Firma stammt noch dazu aus Russland. Am besten also, du lässt dein Gesicht per „FaceApp“ auch mal lächeln, so als Bond 007. Michael Zäh