276. Ausgabe, ET 07.09.2019

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Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage

Ausgabe 276 am 7. September 2019

Der Weltversteher

Ein später Coup

Bloß kein Elterntaxi

Portrait

SC Freiburg

Leben

250. Geburtstag des Wissenschaftlers und Weltreisenden Alexander von Humboldt, über den zwei wunderbare Bücher erschienen sind. Seite 2

Der SC Freiburg hat am letzten Tag des Transferfensters noch einen Coup gelandet , Vincenzo Grifo verpflichtet und die Offensive gestärkt. Seite 9

Das Deutsche Kinderhilfswerk und der VCD kritisieren, dass fast die Hälfte der Grundschulkinder mit dem Auo zur Schule gebracht wird. Seite 13

Gestatten: Bond. Boris Bond! Mit dem „Zwangsurlaub“ für das britische Parlament hat Premierminister Boris Johnson die britischen Abgeordneten quasi als nutzlosen Debattierklub denunziert. Doch dagegen wuchs entsprechend auch der Widerstand. Von Michael Zäh

A

lso, wenn sogar die Queen grünes Licht gibt, kann die Sache nur very british sein. Man muss es außerhalb der Insel nicht unbedingt verstehen. „Bond. James Bond“, fällt einem ein, der ja im Namen Ihrer Majestät unterwegs ist, und zwar stets geheim. So stellt sich nun ein neuer Geheimagent vor, von dem aber nicht ganz sicher ist, ob er im Dienste Ihrer Majestät handelt oder nicht umgekehrt die Queen zum Handlanger eines Coups gemacht hat, das Parlament seines Landes auszutricksen: Boris Johnson, der Brexit-Brite. Da hat filmreif Hugh Grant, sonst so überaus charmant, den neuen Premierminister auf Twitter heftig attackiert: „Du wirst die Zukunft meiner Kinder nicht versauen. Du wirst die Freiheiten nicht zerstören, die mein Großvater in zwei Weltkriegen verteidigt hat. Hau ab, du überschätztes Gummi-Badespielzeug“, so Grant. Großbritannien sei von Johnson und seiner „kleinen Gang masturbierender Oberschüler“ angewidert, twittert er weiter. Die wüsten Worte (die im Englischen eher noch härter klingen: „You will not fuck with my Childrens Future...“) haben einen Grund. Premierminister Boris Johnson hat nämlich das britische Parlament in eine Art verlängerten Zwangsurlaub geschickt. Ab dem 9. September für fünf Wochen bis zum 14. Oktober wäre das Parlament dann nicht handlungsfähig, genau in der Zeit, in der es darum geht, dass Boris Johnson sein Land ohne Deal aus der EU heraus führen will, nämlich zum 31. Oktober. Er will offensichtlich den harten Brexit und hat befürchtet, dass das britische Parla-

HALLO ZUSAMMEN

Das geht doch nur gemischt!

ment dem nicht zustimmen würde. Das bestreitet er auch gar nicht: „Das Parlament hatte drei ganze Jahre Zeit für köstliche Streitgespräche („delectable disputations“) in dieser Angelegenheit (dem Brexit), ohne sie erfolgreich zu lösen“, sagte Johnson jetzt im Interview mit der „Sunday Times“. Das lässt tief blicken. Johnson stellt das britische Parlament damit als einen nutzlosen Debattierklub hin und will diesen ausschalten. Er will nicht wie seine Vorgängerin Theresa May von den Abgeordneten des Parlaments gegängelt werden, die May ja drei Mal die Zustimmung zu dem von ihr ausgehandelten Deal mit der EU versagten und sie so auch zum Rücktritt zwangen. Er will es anders machen, ohne Parlament, ohne Deal, nur nach seinem Kopf, unterstützt von den Hardlinern des Brexit (meist priviligierte Leute, die

sich ohnehin um sich selbst keine Sorgen machen müssen). Nun ja, der „Zwangsurlaub“ des Parlaments ist kein Rechtsbruch und der entsprechende Antrag wurde dann eben auch von der Queen unterzeichnet. Es geht eher um das Signal, das Boris Johnson damit aussendet und eben darum, ob der offene Affront gegen die britische Demokratie dann nicht doch ein bisschen zu dreist ist. Der mittlerweile berühmte Parlamentssprecher John Bercow (Oooorder!) war empört. Johnsons Schritt stelle einen „Verstoß gegen die Verfassung“ dar, und: „Die Schließung des Parlaments wäre ein Angriff gegen den demokratischen Prozess und gegen die Rechte der Parlamentarier als gewählte Volksvertreter“, sagte er. Die Chefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson, sagte, die zeitweise Schließung sei

ein „Akt der Feigheit“. Im Interview mit der BBC sprach sie sogar von „dem Tag, an dem Großbritanniens Demokratie stirbt“. Im „Independent“ hieß es: „Die Aussetzung des Parlaments für fünf Wochen mitten in der Brexit-Krise ist verschlagen und undemokratisch.“ „The Times“ schreibt: „ Nein, das ist kein Putsch. Ein Putsch ist ein plötzlicher Schlag. Was in Großbritannien passiert ist langsamer und schlimmer: die Erosion seiner Fundamente.“ Johnson hat ein Signal gesetzt, das zwar seiner von ihm selbst vermuteten eigenen „Größe“ entspricht, aber auch den Widerstand dagegen entfacht hat. Das Parlament brachte ein Gesetz gegen den No-Deal auf den Weg. Ja, da sind wir wieder im Film, wo 007 das Königreich und die ganze Welt retten muss. Gestatten: „Bond. Boris Bond!“

Es ist eine echt philosophische Frage, die an die Grundfesten des Lebens rührt. Mindestens! Will man die Goldbären von Haribo wie bisher gemischt, um sich dann quasi im Widerstreit aller Geschmäcke auf Gedeih und Zunge immer zuerst die sooo leckeren roten Bären (oder waren es die gelben, gar die goldenen?) rauszufischen, oder soll es so sein, dass in einer Packung einfach nur noch die bevorzugte Farbe ist? Haribo hat reagiert: Die künstlichen Geschmäckle von Erdbeere, Himbeere, Apfel, Orange, Zitrone oder Ananas sind jetzt einzeln verpackt zu haben. Wie langweilig ist das denn! Das ist ja fast so, als wäre Thomas Gottschalk immer seiner Thea treu geblieben, statt auf seine späten Jahre mal eine andere, neue Geschmacksrichtung zu probieren, um dann gleich auch noch eine Autobiographie zu schreiben und zu vermarkten. Also nein, im Mischmasch des Lebens sollte keine einfarbige Haribo-Kultur herrschen. Es sollte der alte Spruch gelten: „Haribo macht Kinder froh. Und Erwachsene ebenso!“ Und das geht ja nur gemischt. Michael Zäh


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