277. Ausgabe, ET 21.09.2019

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Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage

Ausgabe 277 am 21. September 2019

Präsenz bringt nichts

Zeichen für Zukunft

Trommelkurs

Interview

SC Freiburg

Tipps

Islamwissenschaftler Tilman Lüdke zur Situation in Afghanistan mit Blick auf die dortigen Präsidentschaftswahlen Ende September. Seite 2

Der dritte Tabellenplatz nach drei Siegen in vier Spielen ist kein Zufall. Die Qualitätsdichte im großen SC-Kader ist so hoch wie lange nicht mehr. Seite 10

An der Musikhochschule wird ein kostenfreier Trommelkurs für Erwachsene vom Studiengang Elementare Musikpädagogik angeboten. Seite 13

Die Logik der Eskalation Die Angriffe auf Öltanker in der Straße von Hormus und nun auf Ölanlagen in Saudi-Arabien sind selbst die Botschaft. Es ist die Antwort des Iran auf die Politik des maximalen wirtschaftlichen Drucks von US-Präsident Trump. Von Michael Zäh

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s ist ein absurdes Theater, das jedoch brandgefährlich ist. Nach dem Drohnenangriff auf Ölanlagen in Saudi-Arabien läuft das übliche falsche Spiel von Bezichtigung und Zurückweisung. Es deute alles darauf hin, „dass die Waffen, die bei beiden Angriffen genutzt wurden, aus dem Iran stammten“, hieß es aus Saudi-Arabien. Es sehe danach aus, dass der Iran hinter den Angriffen stecke, sagte auch US-Präsident Donald Trump. Und fügte in seiner typischen Art hinzu: „Das war ein sehr großer Angriff. Er könnte von unserem Land sehr leicht mit einem viel, viel größeren Angriff erwidert werden.“ Der Iran seinerseits wies alle Anschuldigungen vehement zurück und provozierte mit den Aussagen, dass nach der Politik des maximalen Drucks von Seiten der USA, die aber nichts gebracht habe, nun wohl zur Politik der „maximalen Täuschung“ übergegangen werde. Es gehört zu kriegerischen Auseinandersetzungen dazu, dass alle lügen, was das Zeug hält. Bloß keine Information preisgeben, nur nichts zugeben, ein Krieg der Worte, der dem Krieg mit Waffen voraus geht und ihn permanent begleitet. Es gibt aber Dinge, die auf der Hand liegen. Die Zuspitzung des Konfliktes mit dem Iran hat ganz klar ihren Anfang darin genommen, dass Trump einseitig das internationale Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt hat und seither massiven wirtschaftlichen Druck auf das Land ausübt. Dies betrifft vor allem den Ölexport, der eine wichtige Einnahmequelle für den Iran darstellt. Nach der maximalen Blockade dieses Exports wurden

HALLO ZUSAMMEN

Ein Begriff, der in die Irre geht

dann internationale Öltanker in der Straße von Hormus angegriffen. Der Subtext dieser Angriffe: Wenn wir kein Öl mehr exportieren können, dann greifen wir eure Versorgung mit Öl ebenso an. Und der massive Drohnenangriff auf das Herz der saudischen Petro-Industrie stellt nun also die nächste Stufe der kaum getarnten iranischen Aggression dar, die vom Iran wohl als Selbstverteidigung wahrgenommen wird. Es ist nur absurdes Theater, wenn nun nach Strich und Faden gelogen wird. Denn die Angriffe selbst sind ja schon die Botschaft. Die Angriffsziele beinhalten bereits, um was es geht. Die Logik dahinter ist jene der Eskalation. Am Ende wird es sogar egal gewesen sein, wer damit begonnen hat. Die Frage wird sein, was am Ende der Spirale der Gewalt sein wird. Und hier spricht die Botschaft des Angriffs auf die

Ölindustrie Saudi-Arabiens, die ja für die ganze Welt wichtig ist, auch eine Warnung aus. Im Kriegsfalle mit dem Iran würde es sich nicht vermeiden lassen, dass die Ölpreise explodieren. Womöglich würde die Versorgung über eine lange Zeit nicht mehr gesichert sein. Das aber hätte unabsehbare Folgen und kann auch Trump nicht recht sein, weil die heimische US-Industrie unter erhöhten Ölpreisen besonders schwer zu leiden hätte. Es würde jene hart treffen, die Trumps Stammwähler sind. Die Botschaft innerhalb der Botschaft heißt also sinngemäß: Wir scheuen die Eskalation nicht, weil wir wissen, welchen Schaden wir anrichten können, bis hin dazu, dass Trump die kommende Wahl wohl verlieren würde und dann bald nicht mehr US-Präsident ist. Ein Krieg mit dem Iran ist auch nicht im Handstreich zu gewinnen

und mit dem Bündnispartner Russland weiß der Iran eine Atommacht hinter sich. Die brandgefährliche Lage, die jetzt entstanden ist, ist die Folge einer Fehleinschätzung von Trump, der meinte, mit maximalem Druck den Iran zu Zugeständnissen zwingen zu können. Stattdessen hat der schwer bedrängte Iran nun den Weg gewählt, Trump herauszufordern. Wie ja doch jeder weiß, handelt es sich um eine lange Feindschaft zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien, was die Vormachtstellung in der Region betrifft, aber auch was die Religion und den Glauben angeht. Trump hat ja schon ganz früh Milliarden-Deals mit den Saudis gemacht und dann den Iran verteufelt. Er ist daher nicht gerade neutral in seiner Beurteilung der Lage.

In der EU-Kommission der künftigen Präsidentin Ursula von der Leyen soll der Grieche Margaritis Schinas als Vizepräsident für „Protecting our European Way of Life“ zuständig sein - zu Deutsch also in etwa: „Schützen, was Europa ausmacht“. Schinas soll dafür die Arbeit verschiedener EU-Kommissare koordinieren: Fachkräftemangel, Bildung, Kultur, Sport, Sicherheit. Und Migration. „European Way of Life“ im Zusammenhang mit Migration schützen zu müssen, klingt natürlich dramatisch. Aber schon dieser Begriff der europäischen Lebensweise geht in die Irre. Wodurch soll die denn definiert sein? Der einzig gemeinsame Nenner ist hier die Vielfalt der Lebensweisen, vom Espresso in Italien zu den Lederhosen der Bayern. Werte wie Demokratie werden auch außerhalb von Europa gelebt und sind es also auch nicht, die den „European Way of Life“ als spezielle Lebensweise kennzeichnen. Soll der Begriff sich vielleicht gegen den berühmten „American Way of Life“ absetzen? Ursula von der Leyen hat es nicht erklärt. Sie weiß es selbst nicht. Michael Zäh


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