278. Ausgabe, ET 05.10.2019

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Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage Samstag, 5. Oktober 2019

Samstag, 5. Oktober 2019

Samstag, 5. Oktober 2019

Ausgabe 278 am 5. Oktober 2019 Samstag, 5. Oktober 2019

Grüne Kreuze

Samstag, 5. Oktober 2019

Augenschmaus

Essay

50 Jahre Abbey Road

SC Freiburg

Konservative Landwirte stellen grüne Holzkreuze auf ihre Wiesen und Äcker. Sie protestieren damit gegen das Agrarpaket der Regierung. Seite 2

Leben

Es nervt, wenn beim SC die besten Fußballer auf der Bank versauern, während auf dem Spielfeld nur wüst geackert wird. Zuschauern wird da etwas vorenthalten Seite 9

Vor 50 Jahren erschien das letzte gemeinsame Album der Beatles, bevor sich die Band auflöste. Das Theater Rigiblick in Zürich präsentiert ein „Abbey Road-Tribute“-Musical. Seite 13

Die verstörende Erscheinung Über die zornige Klimaaktivistin Greta Thunberg streiten sich die Geister. Manche halten sie für die Wiederkehr von Jesus Christus, andere nennen sie „geisteskrank“. Nun hat Thunberg den Alternativen Nobelpreis erhalten. Von Michael Zäh

G

reta Thunberg ist mutmaßlich eine Erscheinung. Man möchte sich mitunter die Augen reiben, wenn man sieht, wie die 16jährige Schwedin sich unter die Großen und Mächtigen des Erdballs mischt. Ist das jetzt eine neue Blockbuster-Serie eines Streamingdienstes à la Netflix? Ein neuer Zeichentrickfilm von Walt Disney? In gewisser Hinsicht ist es ja großes Kino, was Greta Thunberg ausgelöst hat. Vor gut einem Jahr stellte sich das schmächtige Mädchen einfach in Stockholm auf die Straße anstatt zur Schule zu gehen. Aus „Fridays for Future“ wurde dann rasend schnell eine Jugendbewegung im Kampf gegen den Klimawandel. Zuletzt gingen über vier Millionen Menschen am Freitag auf die Straße, allein 1,4 Millionen in Deutschland. Greta Thunberg traf in New York Barack Obama (der sagte, sie seien ein Team, Greta und Barack), dann sprach sie vor dem US-Senat und schließlich hielt sie eine hochemotionale Rede beim UN-Klimagipfel, vor den Herrschern dieser Welt. „Menschen leiden, Menschen sterben, unsere Ökosysteme brechen zusammen, wir stehen am Anfang eines Massensterbens“, sagte Thunberg auf dem Klimagipfel in New York. „Und alles, worüber ihr sprechen könnt, ist Geld.“ Es wirkt verstörend, wenn das Mädchen hinter dem Rednerpult fast zu verschwinden scheint. Wie konnte Greta Thunberg überhaupt dahin kommen, noch ein Kind, das Reden hält, die authentischer wirken als die der Politprofis dieser Welt? Hier scheiden sich die Geister. Manche sehen in der Erscheinung

HALLO ZUSAMMEN

Alles ist immer in Bewegung

Greta Thunberg nichts weniger als eine Figur wie Jesus Christus, quasi von Gott erneut geschickt, damit die von ihm geschaffene Menschheit sich nicht selbst vernichtet. Am anderen Extrem der Skala bezeichnete Fox News, Lieblingsprogramm des US-Präsidenten Donald Trump, Greta Thunberg als „geisteskrankes Kind aus Schweden.“ Thunberg geht offen damit um, dass sie das Asperger-Syndrom hat, eine milde Form des Autismus. In ihrer Twitter-Biographie hatte denn auch gestanden: „16 year old climate activist with Asperger‘s.“ Bis dann Trump sich offenbar über ihren Auftritt auf dem UN-Klimagipfel lustig machte und twitterte: „Sie wirkt wie ein sehr fröhliches junges Mädchen, das sich auf eine glänzende und wundervolle Zukunft freut. So schön zu sehen.“ Nicht schwer zu erahnen, dass Trump dies höhnisch meinte,

da er dazu einen Link von der Rede Thunbergs stellte, als ihre Stimme vor Wut zitterte. Die Reaktion von Greta Thunberg hat etwas Geniales: Sie übernahm Trumps Beschreibung zu hundert Prozent in ihre Twitter-Biographie, wo seither steht: „A very happy young girl looking forward to a bright and wonderful future.“ Gretas Millionen Follower lesen es wie die Umkehrung des Hohns. Die Leugner des Klimawandels, zu denen auch Trump gehört, stören sich an den Auftritten und Erfolgen der kleinen Thunberg. Schnell sind da dann auch die typischen Geschichten in der Welt, dass das Mädchen doch nur fremdgesteuert und missbraucht würde, zuallererst von ihren Eltern, und ansonsten von allerhand dunklen Mächten, die natürlich aus dem Lager der politischen Gegner kommen. Darauf hat Thunberg allerdings auch geschickt reagiert. Sie verstehe

nicht, warum erwachsene Menschen ihre Zeit lieber damit verbrächten, Kinder und Jugendliche für ihre Hinweise auf die Wissenschaft zu verspotten und zu bedrohen, anstatt etwas Gutes zu tun. „Ich nehme an, sie fühlen sich einfach ziemlich bedroht von uns.“ Ihr ständiger Hinweis, dass nicht sie selbst und ihre Reden, sondern die Wissenschaftler und deren Expertise gehört werden sollen, ist schlicht überzeugend (Siehe auch Seite 4). Nun erhielt Greta Thunberg den Alternativen Nobelpreis. Zusammen mit ihr werden noch geehrt: Die chinesische Juristin Guo Jianmei, die afrikanische Menschenrechtlerin Aminatou Haidar sowie Davi Kopenawa, Sprecher der indigenen Yanomami im brasilianischen Regenwald, der sich für den Erhalt des Amazonas einsetzt. Four for Future!

Da dümpelt man mit den Füßen im Wasser, an den Stränden der Adria, und ahnt ja gar nicht, dass man gleichzeitig über einem längst verschwundenen Kontinent wandelt. Der ehemalige Kontinent ist laut Forschern vor etwa 240 Millionen Jahren von Afrika abgebrochen. Er sei etwa so groß wie Grönland gewesen. Doch vor 140 Millionen Jahren verschwand er schon wieder und wurde unter Süd-Europa begraben. Man fragt sich als Laie, woher die Wissenschaftler denn so etwas wissen. Anhand von seismischen Wellen sei „Greater Adria“ noch heute nachzuweisen. Da der Großteil heute unter Wasser liegt, kann man ihn allerdings nicht mehr sehen. Nicht nur über uns, das Weltall, die Erdatmosphäre und so, sondern auch unter uns ist also alles in Bewegung. Es geht um Plattentektonik in Europa. „Es ist ein geologisches Chaos: Alles ist verbogen, zerbrochen und gestapelt“, sagt Douwe van Hinsbergen, Autor der Studie über die Entdeckung des neuen Kontinents. Ganz wie bei uns Menschen halt auch, weshalb wir gerne in der Adria dümpeln. Michael Zäh


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