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Ausgabe 279 am 19. Oktober 2019
Warum lesen?
Wahre Werte
Portrait
SC Freiburg
Der Literaturkritiker Denis Scheck hat einen unterhaltsamen Kanon der „100 wichtigsten Werke der Weltliteratur“ verfasst. Seite 2
SC-Trainer Christian Streich spricht viel von der „Demut“ seiner (Ersatz-) Spieler. Klingt fast schon, als seien das lauter Heilige im Kickstiefel. Seite 9
Gegen Verschwendung Leben In Gundelfingen haben engagierte Bürgerinnen einen „EssenRettenSchrank“ aufgestellt, in den jeder überschüssige Lebensmittel hinein legen kann. Seite 13
Der Weisheit letzter Schluss Donald Trump hat mit dem Abzug der US-Truppen den Weg für eine Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien frei gemacht. Dieser Krieg hat in kürzester Zeit an Brisanz gewonnen. Bis hin zu einem möglichen Nato-Bündnisfall. Von Michael Zäh
E
s ist wohl so, dass bei Donald Trump als US-Präsidenten alle Hemmungen umso mehr schwinden, je länger er im Amt ist. Und dies könnte den Grund haben, dass er sich unangreifbar findet, weil er den Rückhalt derer hat, die im Moment noch die Mehrheit stellen, nämlich der Republikaner im US-Senat. Und diese haben sich von Trumps abenteuerlichem Kurs bis jetzt Vorteile versprochen. Sie mochten es teilweise selbst nicht glauben, dass einer, der sich selbst schon früh als „stabiles Genie“ bezeichnet hat, damit tatsächlich die Wähler überzeugen könnte. Aber so war es und mittlerweile ist es zu spät für die Republikaner, sich von Trump ernsthaft abzuwenden. Denn die alles entscheidenden Wahlen sind ja schon in gut einem Jahr, im November 2020. Und es ist ja klar, dass die Republikaner mit Trump in diesen Wahlkampf gehen und sich daher maximal hinter ihn stellen müssen. Dagegen war das Amtsenthebungsverfahren, das die Demokraten in Kongress starten wollen, nicht von Gewicht. Da die Republikaner im Senat die Mehrheit haben, dort aber zwei Drittel der Stimmen am Ende für die Amtsenthebung stimmen müssten, ist das gesamte Prozedere eher eine Art Schlammschlacht und Wahlkampf auf beiden Seiten. Nun aber hat es Trump geschafft, auch seine Parteifreunde gegen sich aufzubringen, als er nach Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf Twitter verkündete, es sei an der Zeit, die „lächerlichen endlosen Kriege“ zu beenden. Dies hieß, dass er Erdogan praktisch und faktisch
HALLO ZUSAMMEN
Klima braucht den Sherlock
die Tür öffnete, seinerseits in Nordsyrien einzumarschieren und Krieg gegen die dort lebenden Kurden zu führen. Diese waren die treuesten Verbündeten der Amerikaner im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Und einen solchen Verrat an Verbündeten hat nun also auch Republikaner auf die Palme gebracht. Senator Lindsey Graham, sonst immer auf Trumps Seite, nannte dessen Entscheidung „kurzsichtig und unverantwortlich“- das sind Worte mit Klartextcharakter. Die Abgeordnete Liz Cheney sprach von einem „katastrophalen Fehler“, Senator Marco Rubio sprach von einem „schwerwiegenden Irrtum“, der Folgen haben werde, die weit über Syrien hinausgingen. Nikki Haley, frühere UN-Botschafterin, schrieb, die USA müssten immer treu zu ihren Verbündeten stehen. Vor allem der Trump-Unterstützer
Graham wurde noch deutlicher: Die USA hätten das gefährlichste Signal überhaupt gesendet. Die USA zeigten sich als ein unzuverlässiger Partner und es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich China, Russland, Iran und Nordkorea gefährlich verhalten würden, schrieb Graham auf Twitter. Das hat Trump dann schon ein bisschen beeindruckt. Das zeigte seine Twitter-Antwort, die alles enthält, was im Kopf von Trump vor sich geht: „Wenn die Türkei irgendetwas unternimmt, das ich, in meiner großen und unvergleichlichen Weisheit, als Grenzüberschreitung bewerte, werde ich die türkische Wirtschaft vollständig zerstören und auslöschen.“ Also: Die narzisstische Eigenlobhaltung (mit „unvergleichlicher Weisheit“ seiner selbst erhebt sich Trump schon in Richtung eines religiösen
Führers) in Kombination mit wüst drohender Attitüde. Das ist aber alles nur Blabla. Nach dem Abzug der US-Truppen ist der Krieg da. Der hat in kürzester Zeit an Brisanz gewonnen. Es sind schon 300.000 Menschen aus dem Kriegsgebiet auf der Flucht, außerdem sollen rund 780 IS-Extremisten aus einem Lager ausgebrochen sein. Und schließlich haben die von Trump im Stich gelassenen Kurden einen „Deal“ mit dem Assad-Regime gemacht, das umgehend Truppen in die Region schickte. Russland als Assad-Verbündeter will sogleich das Vakuum nutzen, das Trump mit seinem Abzug hinterließ. Das kann sogar zu einem Nato-Bündnisfall werden, wenn die Türkei angegriffen würde. Das wäre dann der unvergleichlichen Weisheit letzter Schluss.
Was für eine Schläue von der Art, die nur eines modernen Sherlock Holmes würdig ist! Da hat sich also „Sherlock“-Star Benedict Cumberbatch mal eben unter die Umwelt-Aktivisten gemischt. Der 43-Jährige nahm in London bei einer Aktion der Klima-Bewegung Extinction Rebellion teil. Inmitten einer Gruppe von Demonstranten sitzt Cumberbatch vor einem Leichenwagen und einem Sarg mit der Aufschrift „Our Future“ („Unsere Zukunft“). Prompt haben ihm Klimamenschen nach dem Motto: Waschet alle eure Hämde in Unschuld, ihr Sünder, vorgeworfen, dass dies doch gar nicht dazu passe, dass Cumberbatch andererseits doch auch Markenbotschafter des Autoherstellers MG India sei und erst im Mai mit einer Reihe von TV-Spots für den SUV MG Hector warb. Aber Leute, das ist ja gerade der Witz, den sich Sherlock alias Dr. Strange da erlaubt hat: Der Leichenwagen hinter ihm hatte bestimmt noch schlechtere CO2-Emissionen als der moderne SUV von MG (was für eine britische Marke das mal war!). Also kombiniere: Das Klima braucht Sherlock! Michael Zäh