Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage
Ausgabe 282 am 30. November 2019
Tote Zeit
Spitzenspiel, juhuu!
Interview
Atemberaubend
SC Freiburg
Karlheinz Geißler, Autor des Buchs „Die Uhr kann gehen. Das Ende der Gehorsamkeitskultur“, über Pünktlichkeit und die Uhr als Machtinstrument. Seite 2
Leben
Im Spitzenspiel beim Tabellenführer in Mönchengladbach könnte sich der SC sogar die Tabellenführung schnappen, wenn andere Teams patzen. Seite 9
Seit 25 Jahren gibt es den Freiburger Weihnachtszirkus Circolo.Mit einem Jubiläumsprogramm bietet er in diesem Jahr wieder spektakuläre und witzige Highlights im Zirkuszelt. Seite 13
Gewalt von feigen Männern An jedem dritten Tag wurde 2018 in Deutschland eine Frau von ihrem Mann, Freund oder Ex-Partner getötet. Wenn wir das als Gesellschaft „Beziehungsdrama“ nennen, lässt dies in tiefe Abgründe blicken. Das muss aufhören! Von Michael Zäh
E
s will einfach nicht in mein Männerhirn, dass Männer so feige sein können, Frauen Gewalt anzutun. Aber es ist so, in der Welt und mitten unter uns. Laut UN-Statistik wurden 2017 pro Tag 137 Frauen und Mädchen von ihrem Partner getötet. Alles weit weg, in fernen Ländern? Nein! In Deutschland wurde 2018 jede Stunde eine Frau in ihrer Beziehung körperlich schwer verletzt, an jedem Tag des Jahres. Das geht aus Zahlen des Bundeskriminalamts hervor, die Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) in Berlin vorstellte. An jedem dritten Tag wurde in Deutschland 2018 eine Frau durch ihren Mann, Freund oder Ex-Partner umgebracht. 122 Frauen starben deshalb. „Das ist ein unerträglicher Zustand“, sagt Giffey. Diese Realität lässt sich ja kaum fassen. Aber dennoch gibt es Gründe für das Unfassbare. Und diese sind nicht die einfachen Erklärungen, etwa dass die Statistik durch die Zuwanderung bestimmt sei. Dies ist nämlich nach den Zahlen des BKA nicht der Fall. Die Zuwanderung sei für die Gewalt gegen Frauen in Deutschland kein wesentlicher Faktor, heißt es dort. Na dann wird es die zweite einfache Erklärung wohl sein: Bildungsferne deutsche Männer aus den unteren Schichten müssten die Statistik bestimmen. Nein, auch nicht! Denn „häusliche Gewalt“ kommt in allen Schichten in Deutschland vor. Wenn man sich den Gründen der Männergewalt gegen Frauen nähern will, hilft es vielleicht, die alltägliche (dennoch brutale) Gewalt von den Morden zu trennen, die dann am Ende stehen. Warum?
HALLO ZUSAMMEN
Löwenmähne als Stimme
Weil es sein könnte, dass die Motive der Männer da unterschiedlich sind. Bei (oft schwerer) Körperverletzung, Vergewaltigung und Stalking in und nach der Beziehung könnte es sein, dass die Männer, die das tun, sich sozusagen unter dem Radar wähnen. Ihr Handeln verschafft ihnen eine Art Machtgefühl und sie glauben gleichzeitig, dass es nicht öffentlich wird. Und Begriffe wie „häusliche Gewalt“ zeugen ja auch davon, dass ebendiese Gewalt in den „geschützten“ eigenen vier Wänden bleibt. Die Dunkelziffer dieser Gewaltdelikte gegen Frauen in Beziehungen ist extrem hoch. Denn viel zu oft geben sich Frauen selbst die Schuld an der Gewalt ihres Partners, was wie die Kehrseite seiner Machtgefühle ist. Der Mann (sagen wir: der Scheißtyp) glaubt jedenfalls, dass er alles unter Kontrolle hat. Also macht er immer
so weiter. Er wähnt sich überlegen. Wahrscheinlich meint er sogar, dass ihm das zusteht, was er tut. Hier ist der Übergang zu den Extremsituationen, die in Morden münden. Denn hier wird plötzlich alles öffentlich. Der Mann hat nichts mehr im Griff und tötet in einer Allmachtsphantasie, die eigentlich Ohnmacht ist. Er hat nicht mehr die Macht, sondern das Gefühl, dass ihm alles genommen wird. Er ist ein Verlierer. Aber er ist vor allem ein Mörder. Es ist verräterisch, wie wir als Gesellschaft solche Morde nennen: „Beziehungsdrama“, heißt es oft, oder„Familientragödie“. Das klingt ja, als liege es in der Natur einer Beziehung oder einer Familie, dass dann ein Mann brutal seine Frau erschlägt, mit dem Messer ersticht, oder erschießt. Irgendwie ist dann der blutige Mörder und seine von
ihm getötete Frau immer noch in „Beziehung.“ Das ist tief verankert. Ein solcher Sprachgebrauch muss aufhören! Noch wichtiger wird sein, das gesellschaftliche Rollenbild von Mann und Frau entschieden zu verändern. Das geht nicht durch fromme Wünsche und auch nicht durch tolle Ansagen. Es geht nur durch grundlegende Botschaften schon bei der Erziehung. Der Mann (als Bub, der sich entwickelt) muss merken, dass er seine körperliche Stärke nicht missbrauchen darf. Die Frau (schon als Mädchen, das sich entwickelt) muss spüren, dass sie nicht die Unterlegene ist, die Angst vor Männern haben muss. Mein Männergehirn will schon heute nicht fassen, wie schwach Männer sein müssen, die ihre Frauen töten.
Tina Turner wurde vergangene Woche 80 Jahre alt. Schön zu wissen, dass sie längst mit einem deutschen Mann in der Schweiz, also quasi hinter den sieben Bergen lebt. Was Tina Turner so außergewöhnlich macht, ist vor allem ihr Mut. Sie ist sowieso eine Pop-Ikone, aber sie hat es geschafft, sich selbst aus eigener Kraft eine „zweite“, dann sensationelle, Karriere zu zimmern, nachdem sie die Courage aufbrachte, sich von ihrem gewalttätigen Mann Ike Turner zu trennen. 1976 war das, als Tina Turner sich nach der Trennung monatelang vor seinem Zorn versteckt hielt und ihm im Scheidungsprozess schließlich alle Rechte an den gemeinsamen Songs überließ (Welthits wie „River Deep, Mountain High“). Doch wer erinnert sich heute noch an Ike Turner? Tina Turner mit dem Album „Private Dancer“ mit wild auftoupierter Mähne (damals 44 Jahre alt) schrieb hingegen Pop-Geschichte. Ihre Löwenmähne sei nur „Fake“ gewesen, sagte sie nun: „Ich trage Perücke, und zwar immer.“ Ihre Stimme ist aber echt. Und ihr Mut ist hoffentlich ansteckend. Michael Zäh