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Samstag, 2. Mai 2020
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Ausgabe 287 amam 4. April 20202020 Online-Ausgabe 16. Mai Samstag, 4. April 2020
Samstag, 4. April 2020
Trotz statt Angst
Kretschmanns Ampel
Präventionsparadox
Lockerungen
Es ist ein altes Phänomen, dass die Vorsorge keinen Preis dafür gewinnt, wenn sie die Gefahr ausgebremst hat. Im Nachhinein sieht das dann so aus, als sei die Vorsorge gar nicht nötig gewesen. Und das verleitet die Leute, die Vorsorge nun weg zu lassen. Seite 2
Die Ministerpräsidenten der Länder sind es derzeit, die über Lockerungen entscheiden, nachdem sich Kanzlerin Merkel und der Bund nun aus den einzelnen Szenarien raus halten. Winfried Kretschmann hat die Corona-Ampel ins Spiel gebracht. Seite 4
Ich verschwör dir, Alter! Damit keiner merken soll, dass der Verschwörungstheoretiker im Grunde selbst an die Macht will, behauptet er, dass ihm ein Maulkorb verpasst würde. Das wiederum verbreitet er über alle Kanäle, eben weil es keinen Maulkorb gibt. Von Michael Zäh
M
an muss schon dumm sein, um zu glauben, dass alle anderen Menschen dümmer seien als man selbst. Die Krux an Verschwörungstheorien besteht genau darin, dass dabei immer die Verbreiter als gescheiter angenommen werden als der ganze Rest der Menschheit. Und weil man ja soviel weiß, was anderen völlig verborgen blieb, gibt es da dann doch noch gefährliche Gegenspieler, nämlich jene, die man hinter der großen Verschwörung vermutet, derzeit immer gerne Bill Gates, der Gründer von Microsoft und daher auch Multimilliardär. Das macht ja insofern auch Sinn, weil es nur dann Aufklärer bezüglich der Weltverschwörung geben kann, wenn es auch eben jene „Mächtigen“ gibt, die sich die Welt untertan machen wollen. Sprich: Der Bill Gates ist so schlau, dass alle Menschen auf der Welt gar nicht merken, wie er sie manipuliert. Denn die Leute sind ja alle „Schlafschafe.“ Nur derjenige, der das blickt, ist noch schlauer als Bill Gates, dessen Verschwörung er ja aufdeckt. Nun ja, ab hier wird es ein bisschen kompliziert. Bisher haben wir also Schlaui Gates (wahlweise kann das auch Putin sein) und den Oberschlaui Verschwörungstheoretiker. Der Rest der Menschheit blökt blöde vor sich hin. Aber nun wendet sich der Oberschlaui an die schlafenden Schafe, um ihnen die Augen zu öffnen – oder ist es, um ihnen die Wolle zu scheren? Warum das? Na ja, das können sogar Schlafschafe kapieren: Weil halt der Aufklärer über geheime Mächte und deren Verschwörung auch ein bisschen Lob braucht, quasi den Status des Erlösers, der die
HALLO ZUSAMMEN
Jeden Samstag die ZaS Online ganze Menschheit gerettet hat, sobald diese das einsieht. Dann natürlich wird der Mensch, der die Menschheit gerettet hat, zum gefeierten Anführer. Praktisch: die aufgeweckten Schlafschafe machen ihn zum Oberschafskopf. Denn er hat ja den Wolf im Schafspelz (also Gates oder so) von der Weide allen Menschseins vertrieben. Und das ist ja nun interessant. Erst fühlt sich einzigartig, wer eine Meinung hat, die nicht alle haben, praktisch: voll der Durchblicker, früher auch gerne der Oberchecker genannt (halt meistens während der Pubertät). Man fühlt sich dadurch besonders. Man weiß, was eigentlich passiert. Man weiß ja mehr als alle anderen. Aber dann plötzlich will man die Anerkennung all dieser Blinden? Man will sie führen. Man will an die Macht. Man will quasi Bill Gates ersetzen. Merkt ja keiner. Zwar kennt die Fantasie bei den Verschwörungserzählungen kaum Grenzen (Merkel wurde längst durch eine Doppelgängerin ersetzt, Trump ist der Heiland, der dagegen kämpft, dass Kinder unterirdisch zu
Tode gequält werden), aber sie hat ein Ziel: Den eigenen Ruhm derer, die das alles erzählen. Das Problem besteht nun darin, dass sich dieser Ruhm partout nicht einstellen will. Denn die „Schlafschafe“ kapieren es einfach nicht, die Medien kungeln natürlich mit den Mächtigen (weshalb, logo, auch dieser Text natürlich nur dazu dient, die Wahrheit zu verschleiern), und nun sind es auch noch die
Ärzte (Schimpfwort: Virologen) sowie halt die Klimaforscher, die sich alle an der großen Verschwörung von Gates, Merkels Doppelgängerin und Co. beteiligen. Ergo: Der geniale Aufdecker der Verschwörung kommt einfach nicht ans Ziel. Er muss daher weiterhin seinen Status als Außenseiter pflegen, obwohl er eigentlich das Gegenteil will. Damit keiner merken soll, dass der Verschwörungstheoretiker im Grunde selbst an die Macht will, sagt er, dass ihm ein Maulkorb verpasst würde. Wir können das alle zur Kenntnis nehmen, eben weil er jeden Quatsch über alle möglichen Kanäle ungehindert erzählen darf. Die Meinungsfreiheit gilt auch hier, und das ist gut so. Wir glauben nicht, dass dies die Demokratie gefährden kann. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass wir auch nicht glauben, dass alle Menschen dümmer sind als der eine „Aufklärer“. Da halten wir es eher mit ein bisschen Jugendsprech-Humor: „Ich verschwör dir, Alter!“ Wir glauben an den „gesunden Menschenverstand“.
Liebe Leserinnen und Leser, wir bieten Ihnen auch weiterhin, wie nun schon seit 13 Jahren die gedruckte ZaS an. Und wir haben die Zeit der sogenannten „Corona-Krise“ auch genutzt, um Ihnen ein zusätzliches Angebot machen zu können. Wer Lust und Zeit hat, findet (und fand bereits in den letzten Wochen) auf unserer Homepage unter www.zas-freiburg.de JEDEN SAMSTAG unsere Online-Ausgabe der ZaS, also ein paar aktuelle Essays und News, was insgesamt ein ganz spezielles Corona-Tagebuch der ZaS ergibt. Diese Texte sind für Sie immer am Samstag nur einen Klick weit entfernt, und zwar ebenso frisch geschrieben und meinungsstark wie sonst auch immer, selbstverständlich ohne Bezahlschranke und so, also gratis. Sagen Sie das auch gerne weiter, denn wir freuen uns über jeden Besucher, der uns online liest. Natürlich gibt es weiterhin wie gewohnt auch die gedruckte ZaS, aber an all den Samstagen dazwischen jetzt eben unser neues Angebot, sozusagen am ZaS-Ball zu bleiben, wenn sie es mögen. Michael Zäh
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