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Samstag, 23. Mai 2020
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Ausgabe 287 amam 4. April 20202020 Online-Ausgabe 23. Mai Samstag, 4. April 2020
Samstag, 4. April 2020
Leben ohne Mops
Verschwör dir, Alter!
Publikum
Erzählungen
Im Theater, im Kino, bei Konzerten und beim Fußball gehören Zuschauer einfach dazu, heißt es. Aber das trifft es nicht wirklich. Denn im Fußball genügt das Spiel eigentlich sich selbst. Die Inszenierung kommt erst danach und das Publikum ist ein Teil davon. Seite 2
Damit keiner merken soll, dass sie im Grunde vor lauter Narzißmus selbst an die Macht wollen, erzählen die Verschwörungstheoretiker, dass sie alle einen Maulkorb bekommen hätten. Das können sie über alle Kanäle verbreiten, eben weil es keinen Maulkorb gibt. Seite 4
Sehnsüchte, welche seid ihr? Nach den Lockerungen der staatlich verfügten Einschränkungen liegt es nun wieder an jedem einzelnen deutschen Bürger, seine Entscheidungen abzuwägen und dafür eine persönliche Verantwortung zu übernehmen. Schwer! Von Michael Zäh
N
ach den Lockerungen der Länder im Kampf gegen die Corona-Pandemie taucht nun etwas am Horizont auf. Und das, was da von Ferne grüßt, sind die Sehnsüchte. Denn nun sind wir alle mehr auf das zurück geworfen, was jeder individuell für sich, sein Leben, seine Liebsten für richtig hält. Wenn in den letzten sechs bis acht Wochen der Staat den Ton der Verbote angegeben hat, war das in gewisser Weise eine Entlastung der Verantwortung des Einzelnen. Wir konnten uns über die restriktiven Maßnahmen von „denen da oben“ aufregen, oder wir konnten diese Beschränkungen als noch zu wenig kritisieren. Sowieso hatten alle erst einmal damit zu tun, die bis dahin unvorstellbaren Veränderungen des öffentlichen und privaten Lebens zu begreifen. Und es war in dieser Zeit fast egal, was man für richtig oder falsch hielt. Denn Bund und Länder haben es ja schlicht befohlen. Nun aber, nach diversen und sehr sichtbaren Lockerungen – um dies zu sehen, musste man nur mal durch die Innenstädte mit den fast überall geöffneten Cafés flanieren – nun also muss jeder für sich selbst entscheiden, wie weit er gehen will. Wo sind die Sehnsuchtsorte und wenn, welche sind es mir wert, ein Risiko einzugehen? Man darf ja jetzt wieder verreisen, so nach und nach. Da könnte die Sehnsucht groß sein, gerade wegen des Schreckens der letzten Wochen, sich zurück in die paradiesische Welt eines Urlaubs zu beamen. Man könnte doch da hin, wo man in den letzten Jahren schon ein paar Mal
HALLO ZUSAMMEN
war, quasi ein sanftes Abtauchen in die Entspannung. Und jetzt kommt das Neue: Die Sehnsucht muss sich einer nach Sigmund Freud, dem Erfinder der Psychoanalyse, trefflich genannten „Realitätsprüfung“ stellen, und zwar nicht von „da oben“ vorgegeben, sondern vom jedem Einzelnen selbst zu treffen. Denn die Bedrohung durch das Corona-Virus ist nicht weg, nur weil die Beschränkungen gelockert wurden. Die meisten von uns haben begriffen, dass dieses Problem auch weiter besteht und wir uns mit den eigenen Entscheidungen nicht mehr hinter einer staatlichen Verordnung verstecken können. Nun ja, nach Umfragen haben sich jetzt bereits 55 Prozent aller Deutschen dafür entschieden, in diesem Jahr gar nicht zu verreisen. Dies ist auch ein Beispiel dafür, dass der Mensch Sehnsuchtsorte in eine neue Wirklichkeit einordnen kann. Wäre es wirklich so toll, an die Costa del Sol (Spanien öffnet ja auch frühestens ab Juli für Touristen), an den Gardasee oder nach Nizza zu reisen? Nicht nur, dass überall mit Masken zu rechnen wäre und das Shoppen eher einer Hygiene-Tortur gleichen könnte, sondern schon gleich am
Anfang jeder Reise die Behörden der anderen Länder mit jedweder Art von Kontrolle nun nicht gerade einen Willkommensgruß senden würden. Motto: Was wollt ihr hier, und wenn, wieviele seid ihr? Ohnehin ist bereits eine ganz andere Realität in das Leben von uns eingebrochen. Wer will eine Reise planen, wenn er nicht weiß, wo die Reise in seinem Job hingeht? Es sind Millionen Jobs in Gefahr, vieles bleibt ungewiss. Deswegen kauft auch fast keiner derzeit ein neues Auto. Der Konsum muss warten, vielleicht weil er derzeit auch nicht die Sehnsüchte der Leute bedienen kann. Konsum ist ein Luxus, den sich derzeit viele Menschen ersparen. Dazu
hat man in früheren Krisen wohl „hamstern“ gesagt. Es gilt umgekehrt ganz andere Entscheidungen zu treffen: Wenn dir nach dem Lockdown wieder die Möglichkeit angeboten wird, deinen Job erneut zu machen, aber eben in Kontakt zu vielen Mitmenschen, zum Beispiel Kindern – was machst du dann? Was ist, wenn du außerdem eine hochbetagte Mutter hast, die dich braucht? Dieses und millionenfach mehr sind nun die Entscheidungen, die der jeweils Einzelne zu treffen hat. Die Angst und die Sorge vor dem Virus sind nicht weg. Aber nun gar nix mehr tun, das geht auch nicht. Man muss darauf hoffen, dass die Vernunft und die Furcht bei möglichst vielen Menschen dafür sorgen, dass es vorwärts geht, ohne dem Corona-Virus erneut Tür und Tor zu öffnen. Zu begrüßen ist auf jeden Fall, dass dies nun nicht mehr zuallererst vom Staat bestimmt wird, sondern in den Händen (und Köpfen) der Bürger liegt. Sehnsucht kann man auch nach dem Training im Fitnessstudio, nach Kino oder Theater haben. Quasi nach einer Welt ohne Gefahr. Doch diese gab es nie.
Jeden Samstag die ZaS Online Liebe Leserinnen und Leser, wir bieten Ihnen auch weiterhin, wie nun schon seit 13 Jahren die gedruckte ZaS an. Die nächste davon erscheint am 30. Mai. Wir haben die Zeit der sogenannten „Corona-Krise“ auch genutzt, um Ihnen ein zusätzliches Angebot machen zu können. Wer Lust und Zeit hat, findet auf unserer Homepage unter www.zas-freiburg.de JEDEN SAMSTAG unsere Online-Ausgabe der ZaS, also ein paar aktuelle Essays und News, was insgesamt ein ganz spezielles Corona-Tagebuch der ZaS ergibt. Diese Texte sind für Sie immer am Samstag nur einen Klick weit entfernt, und zwar ebenso frisch geschrieben und meinungsstark wie sonst auch immer, selbstverständlich ohne Bezahlschranke und so, also gratis. Sagen Sie das auch gerne weiter, denn wir freuen uns über jeden Besucher, der uns online liest. Natürlich gibt es weiterhin wie gewohnt auch die gedruckte ZaS, aber an all den Samstagen dazwischen jetzt eben unser neues Angebot, sozusagen am ZaS-Ball zu bleiben, wenn sie es mögen. Michael Zäh
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