293. Ausgabe, ET 26.09.2020

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Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage Samstag, 26. September 2020

Samstag, 26. September 2020

Samstag, 26. September 2020

Ausgabe 293 am 26. September 2020 Samstag, 26. September 2020

Viele Visionen Next Generation EU Ursula von der Leyen hat eine kraftvolle Rede zur Lage der EU gehalten. Sie setzt auf das Geld des Corona-Topfes Seite 2

Samstag, 26. September 2020

Viel Harmonie Aufnahme Flüchtende Horst Seehofer hatte bei einer Fragerunde im Bundestag auch ein bisschen Spaß. Er verteidigte die Aufnahme von 1533 Flüchtlingen aus Griechenland. Seite 3

Wenig Dialog Stellungnahme Als Reaktion auf die letzte ZaS erreichten uns viele Statements. Drei Thesen zogen sich dabei durch wie ein roter Faden. Seite 5

Wir sind uns alle (un)einig Wenn zehn hohe Herren auf der Bayern-Tribüne ohne Abstand und Maske kuscheln, während die Stadt München gerade eine Maskenpflicht auch im Freien auf öffentlichen Plätzen verfügt, zerstört das alle Akzeptanz im Land. Von Michael Zäh

D

er Herbst ist da,Corona kann kommen. Diesen Eindruck vermittelt jedenfalls derzeit Gesundheitsminister Jens Spahn. Und während er dies tut hat die Stadt München auf öffentliches Anraten von Ministerpräsident Markus Söder Verschärfungen der „Corona -Maßnahmen“ beschlossen. Dies wird manche hart treffen, wie zum Beispiel die zehn hohen Herren des FC Bayern München, die beim letzten Heimspiel im leeren Stadion ohne Maske und Abstand direkt nebeneinander saßen. Künftig, so eine der Verschärfungen, dürfen sich statt zehn nur noch fünf Leute treffen. Jetzt, wer von den zehn Herren darf dann nicht mehr mit? Ja, München ist ein bisschen wie Wien. Hotspots fürs Corona-Virus. Doch während der Wiener an und für sich Spott über Trump (wegen Waldmenschen), Gott (sowieso) und Corona (die Hälfte aller aktiven Fälle in Österreich versammeln sich in Wien) kommen lässt, ist es in Bayern nicht weit her mit dem Humor. Nachdem die Stadt München wegen der hohen Infektionszahlen (bereits am Freitag war dort die Grenze von 50 Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohner überschritten) den ursprünglich zugesagten 7.500 Bayern-Fans die Stadiontore vor der Nase schloss, kam es quasi zum Aufstand (statt Abstand) der zehn hohen Herren im leeren Haus. „Wir sind uns alle einig, dass das Bild nicht unbedingt vorbildlich war“, sagte nach einer Rüge dann Vorstandsboss KarlHeinz Rummenigge. Und wer die Bayern kennt, könnte da eine feine Ironie wittern. Denn sonst sind sich mindestens zwei unter den zehn

HALLO ZUSAMMEN

Es ist noch nicht vorbei!

Herren selten „einig“. Hoeneß war ja auch dabei. Am Samstag und Sonntag stieg die Sieben-Tage-Inzidenz weiter. Derzeit liegt sie laut Münchens OB Reiter bei 55,9. Es wurde aber nicht bekannt, dass einer vom Zehnerpack der Großkopferten-Tribüne dabei war. Aber das Signal an die „normalen“ Leute ist voll verquer. Es soll nun auf einigen öffentlichen Plätzen in München das Tragen von Masken zur Pflicht werden, woran sich unter Androhung von Strafe dann alle zu halten haben. Wer das nicht tut, kann dann ja sagen, dass sich alle einig sind, dass das Bild nicht unbedingt vorbildlich sei. Völlig absurd wird es, wenn die Bayern im „Supercup“ gegen Sevilla spielen – in Budapest ausgetragen, das vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet eingestuft wird. Und dem noch nicht genug: Auf Wunsch

der Uefa soll das Spiel vor 20.000 Zuschauern (!) ausgetragen werde, darunter auch 3.000 Tickets für Bayern-Fans. „Das ist eine Sache, die man nicht so ganz versteht“, sagte dazu Bayerns Trainer Hansi Flick in seiner nüchternen Art. Rummenigge hingegen bewies, dass er das mit dem Bild, das nicht ganz vorbildlich war, noch immer nicht verstanden hat. Er sagte, dass man den mitreisenden Fans sowohl vor der Abreise in der Bayern-Arena wie auch nach Rückflug gleich am Flughafen Corona-Tests spendiert. Ergibt für andere Bürger folgendes Bild: Während wir alle in der Stadt sogar im Freien mit Maske rumlaufen müssen, fliegen Fußballfans mal eben ins Risikogebiet und bekommen auch noch Tests für diesen Unsinn spendiert. Es muss nicht verwundern, dass angesichts solcher Ignoranz immer

mehr Widerstand gegen behördliche „Corona-Maßnahmen“ entsteht. Während in Kultur, Schule und Beruf dermaßen reglementiert wird, dass fast nix mehr geht, scheint im Fußball alles möglich. Das nervt! Und da gibt es ja auch noch den Söder, der sich bei jeder Gelegenheit als ganz großer Corona-Stemmer inszeniert, etwa mit den Massentests für alle Urlaubsrückkehrer (quasi Rummenigge hoch Million), damit aber doch die Labore, die oft freiwilligen Mitarbeiter und die Gesundheitsämter so überlastete, dass zehntausende Menschen das Ergebnis ihres Tests dann nicht rechtzeitig bekamen. Sprich: Chaos pur! Der Herbst ist da, Corona wird kommen. Spahn meint, man sei besser gewappnet als im Frühjahr. Aber nicht, was Stimmung und Akzeptanz im Land angeht. Und das ist verständlich. Aber auch gefährlich.

Der Berliner Virologe Christian Drosten sieht Deutschland in der Corona-Pandemie noch nicht ausreichend für die kommende Zeit gewappnet. „Wir müssen, um die Situation in den kommenden Monaten zu beherrschen, Dinge ändern“, sagte er. „Die Pandemie wird jetzt erst richtig losgehen. Auch bei uns.“ Nun ist es ja so, dass Drosten in bestimmten Kreisen fast schon zu einer Hassfigur stilisiert wird, nämlich da, wo „Querdenker“ sich schlauer wähnen (siehe dazu auch Seite 5) und Drosten mindestens für den verlängerten Arm von Bill Gates halten. Aber genau weil er solchen Anfeindungen oft ausgesetzt ist, finden wir seine unverstellte Art richtig klasse. „Es werden schon Festtagsreden auf den deutschen Erfolg gehalten, aber wir haben mit genau den gleichen Mitteln reagiert wie andere. Wir haben nichts besonders gut gemacht. Wir haben es nur früher gemacht“, erklärte der Leiter des Instituts für Virologie der Charité. Und wer derzeit nach Frankreich und Spanien schaut (von den USA ganz zu schweigen), wo es Corona-Infektionen in großer Zahl gibt, wird ihm recht geben. Es ist noch nicht vorbei, leider! Michael Zäh


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