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Neues aus Antwerpen

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ANTWERPEN

Städtereise

Das KMSKA, ein Kunsttempel von europäischem Rang (li. Seite), ist im angesagten Viertel Het Zuid (o., li.) an der Schelde zu finden

AN SCHIFFE UND DIAMANTEN, aber auch an Kunst und Mode denkt man, wenn man Antwerpen hört. Die flämische Hafenstadt hat es geschafft, ihrer reichen Geschichte immer wieder neue Facetten hinzuzufügen, sich zu modernisieren und zu transformieren. Davon zeugt Het Zuid - die Südstadt, die heute nicht nur eines der schönsten, sondern wohl auch das angesagteste Viertel Antwerpens ist. Breite Alleen, ehrwürdige Häuser, lauschige Plätze, spektakuläre Museen zeichnen Het Zuid aus, aber vor allem der lebendige Mix aus guten Cafés und Restaurants, Galerien und Geschäften.

Letztlich hat das alles mit einem vorherigen Niedergang zu tun. Denn nach den Höhenflügen im späten 19. Jahrhundert mit dem Bau großer öffentlicher Gebäude wie dem Königlichen Museums der Schönen Künste (KMSKA) und Straßenzügen, in denen sich ein originelles Jugendstil-Palais ans nächste reiht, kam es durch den Abbau der Schiffswerften seit den 1950erJahren zu einer starken Abwanderung von Bewohnern und Firmen. Für die weniger Betuchten, wie etwa Künstler und Einwanderer, bot das vom französischen Stadtplaner Haussman inspirierte „Le Petit Paris“ mit seinen gesunkenen Mieten allerdings dadurch ideale Voraussetzungen.

Anny De Dekker konnte 1966 an der Plaatsnijdersstraat ihre einflussreiche Wide White Space Galerie einrichten, in der sich von Joseph Beuys bis Lawrence Weiner die noch jungen Kunstheroen und späteren Stars die Klinke in die Hand gaben. Und das ausgerechnet im Art-Nouveau-Haus ‘T Bootje, das nach einem Balkon in Form eines Schiffsbugs benannt ist. Bis heute zählt es zu den vielfotografierten Hinguckern im Viertel und steht längst unter Denkmalschutz. Ähnlich kurios ist nur noch das 2006 fertiggestellte Justizgebäude von Richard Rogers, dessen segelförmige Stahldachaufbauten von den Einheimischen gerne als Pommestüten bezeichnet werden. Doch genau diese besondere Mischung, das Nebeneinander von High and Low, machen den Reiz von Het Zuid aus: Es gibt eine Basis aus höchst fantasievoller Architektur und dem Flair der alten Bohème, auf die nun wieder Galerien, Design sowie eine ambitionierte Gastronomie- und Start-up-Szene treffen.

Mit der Wiedereröffnung des Königlichen Museums der Schönen Künste (KMSKA) am 24. September dürfte sich das Potenzial des Viertels noch einmal gehörig steigern. In elf Jahren Bauzeit aufwendig renoviert und um einen Neubau erweitert, ist nun einer der prachtvollsten Kunsttempel Europas der Öffentlichkeit endlich wieder zugänglich. Neben der grandiosen Sammlung, die von Jan van Eyck über peter Paul Rubens

Vom Museum aan de Stroom (MAS), Antwerpens Stadtmuseum, hat man den besten Blick auf die Stadt

bis zu James Ensor reicht, ist die elegante Innenarchitektur zu bestaunen, die gleichzeitig Brücken in die Vergangenheit und in die Zukunft schlägt.

Dass Ann Demeulemeester vis-à-vis des KMSKA am Leopold de Waelplaats ihren Flagship-Store komplett neu gestalten ließ, hat also gute Gründe. Die Designerin androgyner schwarzer Kollektionen ist neben Dirk Bikkembergs und Dries Van Noten der bekannteste Kopf der Antwerp Six. Alle haben hier an der Kunstakademie studiert und in den späten 1980er-Jahren die Modewelt mit radikalen Outfits aufgeschreckt, die man weniger auf dem Laufsteg als in einer Autowerkstatt oder im SM-Club verorten würde. Auf die Sechs geht der legendäre Ruf der Antwerpener Modeausbildung zurück, die Schauen der internationalen Absolventen sind jedes Jahr ein Großereignis.

Die zugeschütteten Docks haben aber auch viele Freiflächen beschert, die in Parkanlagen und einen der größten Spielplätze Europas umgewandelt werden. Damit entsteht zwischen dem KMSKA und den zeitgenössischen Kunst- und FotografieSammlungen nahe der Schelde ein ideales Erholungsterrain. Das braucht es auch, denn im kürzlich erst renovierten M HKA, dem Museum für Zeitgenössische Kunst in einem umgebauten Getreidesilo, wird man erneut mächtig angeregt durch Arbeiten von Luc Tuymans bis zu Dan Flavin, von Medienkunst bis zu Performance. Wie gut, dass der nur wenige Meter entfernte Fluss immer wieder Abkühlung für die Augen bietet. × Antwerpen erfindet sich ständig neu. Davon zeugt Het Zuid – die Südstadt. Zwischen ehemaligen Werften ist hier ein lebendiges Viertel entstanden mit dem Königlichen Museum der Schönen Künste (KMSKA) als Flaggschiff.

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