ZE!TPUNKT
141 Jan./Feb. 2016 Fr. 10.– / € 10.–
Für intelligente Opt imist innen und konstruk t ive Skept iker
In diesem Zeitpunkt erfahren SiE, was wäre, wenn wir uns selbst ernst nehmen würden, dass Krieg keine Antwort auf Terror ist, was die Abschaffung des Bargeldes bedeutet, wie die Zeit rieselt, welche Auswahl in der Boutique der Lebensmodelle aussieht, wie Sie Ihre emotionale Kraft stärken und UND Vieles mehr.
Impressum Zeitpunkt 141 Jan./Feb. 2016 Erscheint zweimonatlich in einer Mindestauflage von 11 000 Expl. 2016 > 25. Jahrgang Redaktion und Verlag ZEITPUNKT Werkhofstrasse 19 CH-4500 Solothurn Telefon +41 (0) 32 621 81 11 Fax +41 (0) 32 621 81 10 E-Mail: mail@zeitpunkt.ch www.zeitpunkt.ch www.facebook.com/ZeitpunktMagazin Geldfluss: Postkonto 45-1006-5 ISSN 1424-6171
Redaktion Christoph Pfluger (CP), Selina Fehr (SF/ Praktikantin), Vincent Grand (Layout / Illustrationen), Ondine Riesen (OR), M, Ute Scheub (US, Produktion), Hannah Willimann.
Herausgeber Christoph Pfluger
Redaktionelle Mitarbeit Christine Ax, Thomas Gröbly, Paul Dominik Hasler, Eva Rosenfelder (ER) Philippe Welti
Vertrieb Deutschland Synergia Auslieferung Industriestraße 20 64380 Roßdorf Telefon: +49 (0) 61 54 - 60 39 5-0 Telefax: +49 (0) 61 54 - 60 39 5-10 info@synergia-auslieferung.de
Ständige Autorinnen und Autoren Daniele Ganser, Geni Hackmann, Urs Heinz Aerni Aboverwaltung Hannah Willimann
Anzeigen Zeitpunkt, Werkhofstr. 19, 4500 Solothurn
Abonnementspreise Der Preis des Abonnements wird von den AbonnentInnen selbst bestimmt. Geschenkabo Schweiz: 54 Franken Geschenkabo Europa: 68 Franken Einzelnummer: 10 Franken / 10 Euro Druck & Versand: AVD Goldach, Papier: Rebello Recycling Titelbild Vincent Grand Beilagen Teilauflagen dieser Ausgabe enthalten Beilagen des Zentrums der Einheit Schweibenalp, der Quelle und des Versandhauses Waschbär. Wir bitten um Beachtung.
«Eine Sch…frage»
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser Nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe besuchte uns ein Leser und machte eine bemerkenswerte, nicht ganz druckreife Aussage zur Schwerpunktfrage dieses Heftes. Das sei eine «Scheissfrage», sagte der Naturwissenschaftler und Musiker. Die Frage «was wäre wenn?» ziehe einen unweigerlich in die Vergangenheit oder in die Zukunft. Dabei sei die Gegenwart die einzig entscheidende Zeit, und die Vergangenheit könnten wir ohnehin nicht mehr ändern. Es sei viel intelligenter, im Hier und Jetzt zu leben, als über die Zukunft zu spekulieren. Ich musste ihm grundsätzlich recht geben, aber für eine Änderung des Themas war es eindeutig zu spät. Deshalb versuche ich, Ihnen ein paar Argumente zu liefern, warum die Frage trotz aller Einwände nicht ganz ohne ist und es sich lohnt, dieses Heft zu lesen. Wenn wir nämlich nicht über die Zukunft nachdenken, z.B. über den nächsten Winter, erfrieren oder verhungern wir. Wenn wir uns nur mit dem Hier und Jetzt befassen, laufen wir Gefahr, uns auf dem Weg des geringsten Widerstandes in der nächsten Sackgasse zu verlieren. Denn was bedeutet das Hier und Jetzt in unserer Konsum- und Wirtschaftswelt? Dass wir einfach bedenkenlos verbrauchen und damit die Schulden der nachfolgenden Generationen vergrössern! Erst wenn wir uns den «Jetzt kaufen»-Befehlen entziehen, also eine Entscheidung treffen, deren Früchte wir erst in der Zukunft ernten, können wir im Hier und Jetzt ankommen. Dazu kommt: Die Zukunft formt sich nach unseren Vorstellungen. Das meiste, was entsteht oder sich ereignet, ist auf die eine oder andere Art gewollt. Gelegentlich entsteht etwas, das den ursprünglichen Absichten nicht entspricht; aber meist steht ein Wille am Anfang. Sollen wir uns nun damit begnügen, mit den Absichten der Andern irgendwie fertig zu werden oder wollen wir uns aktiv in die gemeinsame Gestaltung der Zukunft einklinken? Je nach Antwort stellen sich Anschlussfragen: Was wäre, wenn wir uns einmischen? Was können wir beitragen zu einer Zukunft für alle? Und was wäre, wenn ich damit nicht auf andere warten würde? In der Tat: Viele «Was wäre wenn»-Szenarien laufen früher oder später auf die Hoffnung hinaus, dass andere dasselbe tun müssten oder so sein sollten wie ich. So verlockend diese Aussicht auf den ersten Blick aussieht, so verheerend wäre eine Welt aus lauter uniformen Menschen, so gut und wohlgesinnt sie immer sein mögen. Es wäre eine Wohlfühl-Hölle. Wohl auch deshalb kann die «was wäre wenn»-Frage durchaus eine Sch…frage sein. Darum: Lassen wir uns nicht davon abhalten, die Einzigen zu sein und scheren wir uns nicht um unsere Wirkung. Das wirkt am Ende am stärksten. Ich wünsche Ihnen viel Anregung mit diesem Zeitpunkt und fürs Neue Jahre einen guten Stern und eine sichere Hand in allen Ihren Dingen. Herzlich, Christoph Pfluger, Herausgeber P.S. Was wäre, wenn wir die Gotthard-Abstimmung gewinnen würden? Auf Seite 47 finden Sie einen Vorschlag zur persönlichen Beteiligung. Zeitpunkt 141
• Die Zukunft ist die Ausrede all jener, die in der Gegenwart nichts tun wollen. Harold Pinter
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Inhalt
6 Chapeau 6 Chapeau! Wir ziehen den Hut vor Armin Capaul, dem Initianten der Hornkuh-Initiative, vor Bosco Büeler, Pionier der Baubiologie und Aktivist gegen Banker-Boni, vor RescEU, einer Aktion, die zeigt, was wir von Afrika lernen können und vor «Hass hilft», einem Programm gegen die Verbreitung von Internet-Hetze. 8 Das Gute von Ute: Ökodorf in Kamerun setzt auf Permakultur, Dreckluft verwandelt sich in Druckerschwärze, Norwegen zieht Geld aus fossilen Energieträgern zurück und Riace hat jetzt ein eigenes Dorfgeld.
10 was wäre wenn… 10 Es braucht nicht viel aber Viele – was wäre, wenn die Massen ihre Psychologie verstehen würden Christoph Pfluger Was wäre, wenn… 14 … wir zukunftsfähige Verkehrssysteme hätten Stephan Rammler 14 … wir Gesundhäuser hätten Jonas Schneider 16 … eine gerechte Welt entstünde, in der Frauen mehr zu sagen hätten Ute Scheub 18 … die Liebe frei wäre Leila Dregger 19 … wir nicht scheitern würden Benedikt Meyer 19 … es der classe politique verboten wäre, Krawatten zu tragen Pascal Mülchi 20 … der Mensch an sich selbst glauben würde? Martina Pahr 21 … die Wissenschaft den Materialismus überwinden könnte? Christoph Pfluger 22 … sich alle an die Goldene Regel hielten? Ute Scheub 23 … das Glück oberstes Ziel allen Wirtschaftens wäre? Ute Scheub 25 … Haschisch legal wäre Roger Liggenstorfer 26 … nichts Digitales mehr funktioniert Annette Jensen 28 … wir nur einen begrenzten Wörtervorrat hätten? Rolf Schlatter 29 … wir Menschen unsere Essenz verstehen würden? Annette Kaiser 33 … es umverkehrt zuginge? und andere Visionen von NGOs 34 Was wäre, wenn Wünsche wahr werden würden? Zeitpunkt-LeserInnen stellen ihre Ideen vor
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36 entscheiden & arbeiten
36 Krieg ist keine Antwort auf Paris – wenn wir den Terror bekämpfen wollen, müssen wir die Wirkung von Ausgrenzung auf Täter – und Opfer – verstehen Joachim Bauer 40 Vollgeld: ein grosser Erfolg, – aber nur ein erster Christoph Pfluger 42 Schwitzen für den Frieden – in Bern feierten die «FriedensFrauen Weltweit» ihre zehnjährige Nominierung für den Friedensnobelpreis Ute Scheub 43 Teilen: schön und gut – und ziemlich anstrengend Fabian Grieger 44 Der nächste Schritt zum Unrechtsstaat – die Abschaffung des Bargeldes scheint beschlossene Sache Christoph Pfluger 45 Wildwest in den USA und andere Kurznachrichten über entscheiden und arbeiten
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Inhalt
48 vollwertig leben
58 Horizonte erweitern
48 Die Lüge von der Grünen Ökonomie – Aus kontrolliertem Raubbau Kathrin Hartmann 51 Windeln zu Obstbäumen Annette Jensen 52 Zen statt Zeug Selina Fehr 53 Mit der Kraft der Knospen heilen 54 Diese Schokolade hilft Ondine Riesen 56 Warum Wälder heilen und andere Nachrichten für ein vollwertiges Leben 57 Aronia – gesunde Wunderbeeren Erica Bänziger
58 Leise rieselt die Zeit – Sanduhren geben uns die Langsamkeit zurück Urs Derendinger 61 Wie sich Information in Verstehen verwandelt: und andere Nachrichten zur Horizonterweiterung 62 In der Boutique der Lebensmodelle Martina Pahr 65 Wendepunkt: Ruf der Erde. Als Snowboarder wollte er hoch hinaus und stürzte – auf den Erdboden Eva Rosenfelder 66 Emotionale Kraft dank Selbstmitgefühl Lio Schneemann 68 Wir gehen im Sauglattismus unter Ondine Riesen im Gespräch mit Claude Mesmer 69 Bewusstseinssprünge durch Verunsicherung Annette Jensen 70 Zeigt uns, wie man teilt Marco Gunn 71 Fünf Seiten gute Adressen Ob gesund leben, kreativ arbeiten, nachhaltig wohnen, achtsam verreisen, fair einkaufen oder findig suchen: Dieser Marktplatz hat viel zu bieten. 78 Kleinanzeigen von und für Zeitpunkt-LeserInnen 80 Leserinnen und Leser schreiben 81 Verlagsmitteilungen 82 Brennende Bärte: in den Klauen des Zufalls
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Geni Hackmann
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Chapeau!
Armin Capaul Direkte Demokratie mit Hörnern Der knorrige Mann strahlt aus, was in unserer Gesellschaft unter Druck steht: Freiheit mit Verantwortung. Als Bergbauer lebt Armin Capaul frei von den Verlockungen des grossen Geldes und als Nutztierhalter steht er in der Verantwortung gegenüber der Würde des Tiers. Während die allermeisten Bauern ihren Kälbern aus kommerziellen Gründen die Hörner wegbrennen, tragen seine Kühe Horn. Die Hörner sind nicht nur wichtig für das soziale Verhalten, sie sollen auch die Verdauung und die Atmung beeinflussen. Wirklich erforscht ist dieser Zusammenhang aber noch nicht. Weil er trotzdem von der besseren Milch behornter Kühe überzeugt war, zahlte der Käser aus dem bündnerischen Andeer den Bauern schon vor zehn Jahren einen Rappen mehr pro Liter. Der Zufall wollte es, dass sich Armin Capaul und der Käser Martin Bienerth im Thermalbad von Andeer trafen und damit eine Geschichte ihren Anfang nahm, die mit Ihrer Hilfe noch zu einem guten Ende kommen kann. Armin und ein Berufskollege Daniel Wismer, schrieben am 6. Dezember 2010, einen Brief an das Bundesamt für Landwirtschaft und regten eine bescheidene Entschädigung der Mehrkosten für die Halter von behornten Kühen an. Das Ansinnen wurde natürlich abgelehnt,
Bosco Büeler
www.hornkuh.ch Martin Bienerth und Erika Lüscher: Schweizer Kühe. Fona Verlag, 2015. 72 S. Fr. 16.90
Für Baubiologie und gegen Banker-Boni
Bosco Büeler ist Baubiologe der ersten Stunde. Als die Verwendung natürlicher Materialien noch als unmodern galt und nur Sparsame und Ängstliche ihre Gebäude isolierten, sprach er bereits vom Haus als dritter Haut des Menschen. 1975 sattelte er von seinem erlernten Beruf des Bauingenieurs um auf den des Baubiologen und Architekten. Der tatkräftige und wortgewandte Exot konnte als Mitarbeiter des Schweiz. Katastrophenhilfskorps in 20 Ländern grosse Projekte realisieren: ein Quartier für 1000 Bewohner zum Beispiel und eine ganze Stadt für 10’000 in Kolumbien. Dabei liess er über 100’000 Bäume pflanzen. Auch in der Branche bewegte er viel: er war Zentralsekretär des Schweiz. Institus für Baubiologie, Generalsekretär des Weltverbandes der Baubiologen und gründete die «Genossenschaft Information Baubiologie». Schweizweit bekannt ist Bosco Büeler aber nicht aufgrund seines 40-jährigen Einsatzes für die Baubiologie sondern wegen der «Bürgerinitiative Bonirückzahlung», die er 2009 gründete. Im Jahr zuvor retteten Bund und Nationalbank die UBS, ein Jahr später flossen bereits
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obwohl seine Umsetzung so gut wie nichts gekostet, den Kühen und ihren Haltern aber sehr viel gebracht hätte. In der Folge organisierte Armin Capaul Hornkuhfeste mit mehreren hundert Besuchern. Aber die machten vor allem den Menschen Spass. Um auch für die Kühe einen echten Fortschritt zu erzielen, lancierte Armin Capaul im Herbst 2014 zusammen mit ein paar Kollegen und Mitstreiterinnen die «Eidg. Volksinitiative für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere», kurz «Hornkuh-Initiative». Ein solches Unterfangen braucht viel Geld und breite Unterstützung; beides ist rar. Doch jetzt, ein paar Monate vor Ende der Sammelfrist im März, scheint das Ziel mit über 80’000 Unterschriften in greifbarer Nähe. Wir ziehen den Hut vor Armin Capaul nicht nur aus Anerkennung, sondern auch in der Hoffnung, dass sich möglichst viele Leserinnen und Leser den Sammelbogen herunterladen und ein paar Unterschriften und Franken zu diesem basisdemokratischen Wunder beitragen. Und nicht vergessen wollen wir Armins Frau, die Märchenerzählerin Claudia, die ihn motiviert und ihm den Rücken freihält. Christoph Pfluger
wieder Boni in Milliardenhöhe, zum Missfallen des ganzen Landes. Bosco richtete deshalb bei der UBS ein Konto ein, damit die Banker freiwillig ihre mit Steuergeld ermöglichten Boni zurückzahlen konnten. Zusätzlich kaufte er sich ein paar UBS-Aktien, damit er an der Generalversammlung das Wort ergreifen konnte. Er erhielt Szenenapplaus, ein bisschen Sendezeit am Fernsehen und dank seines abgelaufenen Diplomatenpasses sogar Zutritt zum für die Bankspitze reservierten Bereich. Oswald Grübel soll im eingestanden haben, er glaube nicht, dass es ihm, Grübel, gelinge, in dieser Bank Ordnung zu schaffen. Noch immer bekommt er auch die Feindschaft zu spüren, die seine Forderung nach Rückzahlung der Boni erregte. Vor kurzem wurde seine Website gehackt, die meisten Daten gingen verloren. Deshalb erinnern wir gerne an die Aktion von Bosco Büeler und hoffen, dass sich mehr Menschen auf ihren eigenen Kanälen und vielleicht auch weniger offensiv am grossen Vorhaben der Geldreform beteiligen. Christoph Pfluger Kontakt: www.gesundes-haus.ch • www.bonistop.ch
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! u a e p a h C «507 Millionen in Not», verkündet die Website einer afrikanischen Hilfsorganisation und meint damit das leidende Europa. Ihr Name RescEU leitet sich aus dem Wortspiel «rescue» (retten) und EU her. «Europa wird vom Ego regiert. Menschen streben nach Macht und Erfolg und haben Werte wie Demut, Mitgefühl und Grosszügigkeit vergessen», heisst es auf www.resceu.org. Und: «Europa ist heute ein sehr einsamer Ort.» Deshalb: «Afrikaner, kommt zusammen. Geht nach Europa und rettet die Menschen!» Ein Video zeigt eine Demonstration durch die Hauptstadt von Ghana. Tanzende und singende Menschen mit einem EU-ähnlichen Fünfsternelogo auf den Hemden halten Schilder hoch wie «Lehrt sie lieben!» oder «Zeigt ihnen, wie man teilt!» Afrika müsse seine zwischenmenschliche Energie nach Europa exportieren, verkündet RescEU. 2014 seien schon 626'000 Freiwillige an der Hilfsmission für den leidenden Kontinent beteiligt gewesen. Aber das reiche noch lange nicht, das Ausmass der Not sei zu gewaltig. Wer es noch nicht gemerkt hat: Es handelt sich um Satire. Die Website ist die Abschlussarbeit zweier deutscher Mediendesign-Studenten aus Ravensburg. Der 22-jährige
Chapeau!
RescEU
Afrika rettet Europa
Johannes Kuhn und der 25-jährige Lukas Jakel hatten die Nase voll von den üblichen Medienberichten über Afrikaner und Flüchtlinge. Nie werde gesagt, dass sich durch sie auch Möglichkeiten und Chancen eröffneten. Die beiden flogen zehn Tage nach Ghana und produzierten zusammen mit den Rappern FOKN Bois und einer Theatergruppe den gut gemachten Videoclip, der den Spiess einfach mal umdreht. Mit den 626'000 Freiwilligen sind jene gemeint, die im letzten Jahr Asylanträge in der EU gestellt haben. In Ghana erlebten die beiden Studenten nach eigenem Bekunden «ein selbstbewusstes Land». In hiesigen Medien komme Afrika nur als Kontinent des Elends vor, aber «wir haben in Ghana ein aufstrebendes Land erlebt», so Johannes Kuhn. Deshalb glauben die beiden heute, «dass unsere Kampagne nicht rein fiktiv ist» und afrikanische Menschen mit ihrem Gemeinschaftsgefühl tatsächlich der EU helfen können. Ute Scheub
«Hass hilft»
Eine Website verwandelt Hassparolen in Spenden Superpfiffig: www.hasshilft.de wandelt rassistische Ko mmentare in Gutes. Jeder menschenverachtende Post auf Facebook wird zu einer Ein-Euro-Spende für Flüchtlingsprojekte der «Aktion Deutschland hilft» und für «Exit Deutschland», ein Aussteigerprojekt für Menschen, die mit dem Rechtsextremismus brechen wollen. Dahinter steckt das Berliner «Zentrum Demokratische Kultur» und seine Sponsoren, etwa der Fussballclub FC St. Pauli oder das Magazin Brand eins. Für jeden gefundenen Hasskommentar spenden sie einen Euro. Die Idee dahinter: Der Hass soll sich selbst beseitigen. Wenn jemand einen menschenfeindlichen Kommentar auf Facebook postet, antworten Mitglieder der Initiative mit Kommentaren wie: «Das gibt aber kein Like vom Führer! Danke, Uwe, dass du mit deinem HassKommentar automatisch einen Euro an Flüchtlinge und Exit Deutschland gespendet hast!» Oder: «Rechts extrem spendabel. Danke, NPD Havel-Nuthe!» Der Post wird gleichzeitig an das Facebook-Unternehmen gemeldet. «Entweder hören die Online-Hasser auf zu kommentie-
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ren», heisst es auf der Webseite, «oder sie sammeln Geld gegen ihre fremdenfeindlichen Interessen.» Facebook selbst spielt dabei keine rühmliche Rolle. Die Staatsanwaltschaft Hamburg leitete im November Ermittlungen gegen seinen Nordeuropa-Chef wegen des Verdachts der Beihilfe zur Volksverhetzung ein. Ein Anwalt hatte den Konzern angezeigt, weil er Hassbeiträge nicht gelöscht haben soll, selbst wenn sie gegen deutsche Gesetze und Facebooks eigene Richtlinien verstiessen. Facebook beruft sich dabei auf irisches Recht – seine Europazentrale sitzt in Dublin. Das 1997 gegründete «Zentrum Demokratische Kultur» knüpft mit der Website an seine Aktion «Rechts gegen rechts» an: 2014 hatten die Organisatoren Geld für jeden Schritt gesammelt, den Neonazis beim Gedenkmarsch an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess im bayrischen Wunsiedel taten. Etwa 10'000 Euro Spenden gingen so an «Exit Deutschland». Der Nazi-Marsch wurde zum «grössten unfreiwilligen Spendenmarsch Deutschlands». Ute Scheub
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Wir Gute Das können vonauch Ute anders
das von
gute ute
Ökodorf in Kamerun setzt auf Permakultur Joshua Konkankoh war Regierungbeamter in Kamerun. Doch er gab seine Arbeitsstelle auf, weil er aufzeigen wollte, wie wertvoll Permakultur für Afrika sein kann. Er wurde Bauer und gründete die Organisation «Better World Cameroon», die sich auf indigenes Wissen stützt, um Nahrungsmittelkrisen und extreme Armut zu mildern. «Better World Cameroon» betreibt inzwischen auch das erste und einzige Ökodorf in Kamerun. Die Bewohner und Bäuerinnen des Ökodorfes Ndanifor in Bafut in der Nordwestregion düngen ihre Böden biologisch, indem sie stickstoffbindende Bäume mit Mischkulturen zusammenbringen. Sind die Bäume ausgewachsen, werden sie von der Mitte her ausgedünnt und die Blätter als Kompost verwendet. Sobald sich die Bäume erholt haben, wird das Ganze wiederholt.
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Das ursprünglich von zwei Australiern erdachte Konzept der Permakultur fördert ökologische Anbaumethoden sowie naturnahe Kreisläufe auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen, etwa beim Städtebau. ÖkodorfGründer Konkankoh spricht indes von «Permakultur nach afrikanischer Art»: «Wir passen das Konzept an unsere traditionellen Anbau- und Umweltschutzmethoden an.» Das Ökodorf will ein Vorbild für Kamerun und ganz Westafrika werden und ist Mitglied im «Global Ecovillage Network» (GEN). Die autoritäre Regierung von Kamerun hält sich bislang auf Distanz zu der Initiative. Doch traditionelle Dorfoberhäupter und Dorfräte ermuntern die Bevölkerung, das Projekt zu unterstützen. Sie halten es für ökologisch, sozial, ökonomisch und spirituell wertvoll. Er habe sich intensiv mit den UN-Milleniumszielen und der «Bildung für nachhaltige Entwicklung» beschäftigt, erläutert Konkankoh seine Motive zur Dorfgründung. Bei Untersu-
chungen, warum viele Staaten es nicht geschafft hätten, Hunger und extreme Armut zu reduzieren, habe er herausgefunden, «dass Permakultur die richtige Lösung sein kann, um das Ziel der Nachhaltigkeit doch noch zu erreichen, insbesondere in Afrika. Wir folgten der Idee, global zu denken und lokal zu handeln.» Joshua Konkankoh bringt Bauern und Gärtnerinnen bei, wie sie ohne Dünger und Pestizide sogar mehr als bisher ernten – mittels Mischkulturen, Zwischenfruchtanbau, Boden- und Windschutz sowie ausgeklügelter Wasserbewirtschaftung. Er rät ihnen im Sinne der Ernährungssouveränität auch, auf den Anbau von Exportkulturen wie Kaffee oder Kakao bewusst zu verzichten und stattdessen zu produzieren, was sie und ihre Nachbarn selbst essen. Des weiteren wollen die Ökodörfler «spirituelle Wälder» mit rund 4.000 Arznei- und Obstbäumen anpflanzen und damit gleichzeitig CO2-Senken anlegen. Fon Abumbi II, das traditionelle Oberhaupt des Dorfes Bafut, ist davon überzeugt, dass der Öko-Anbau von Obst, Gemüse und Arzneipflanzen der Gesundheit der Bevölkerung dient. Er rechnet damit, dass die Erzeugnisse des Dorfes stark nachgefragt werden, weil weltweit immer mehr Unternehmen Medizin auf natürlicher Pflanzenbasis herstellen. Dieser Trend, so hofft er, werde den Bewohnern ein gutes Auskommen sichern. Auch die Bauweise im Ökodorf ist nachhaltig: Die Häuser sind aus Lehmziegeln und Sandsäcken und die Dächer mit Gras bedeckt – Materialien, die vor Ort bereits vorhanden sind. Öfen werden ebenfalls aus lokalem Lehm hergestellt und verbrauchen weniger Holz als bisher.
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Das Gute von Ute
Dreckluft zu Druckerschwärze Anirudh Sharma, Student am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), hat ein Gerät namens Kaala erfunden, das Russ und Dreckpartikel aus verschmutzter Luft saugt und mittels Zugabe von Alkohol und Öl zu Toner umfunktioniert. «Es gibt so viel Russ und Verschmutzung, vor allem in dichtbewohnten Städten. Warum sollte man das nicht nutzen, um Druckertinte daraus zu machen?», lautete seine Überlegung. Unternehmen wie HP oder Canon machten 70 Prozent ihrer Profite, indem sie Druckerpatronen zu völlig überhöhten Preisen verkauften. Warum also nicht einen Gratisrohstoff aus der Luft nutzen, der alle stört und den niemand haben will? Der begabte Tüftler hatte schon in der Vergangenheit einen Preis als «Innovator des Jahres» vom MIT gewonnen – für eine Vorrichtung zum händelosen Umgang mit Smartphones.
Oslo zieht Geld aus Fossilenergien ab Norwegens Hauptstadt ist die erste weltweit, die ihre Investitionen in Fossilenergien rückgängig macht. Ende Oktober kündigte die Stadtregierung ein «Divestment» bei ihrem Pensionsfonds in Höhe von rund elf Milliarden Euro an. Die «Divest»-Bewegung, die den Rückzug von Investitionen aus Kohle, Öl und Gas fordert, wurde von der US-Umweltorganisation 350.org um Bill McKibben angestossen und entwickelt sich weltweit zu einem machtvollen Instrument. Inzwischen haben sich ihr 45 Städte angeschlossen. Laut einer Bekanntgabe von 350.org auf dem Pariser Klimagipfel investieren Fonds mit einem Anlagevermögen von 3,4 Billionen Dollar mittlerweile nicht mehr in Kohle und zum Teil auch nicht mehr in Gas und Öl – eine Versiebzigfachung des Volumens innerhalb von nur 14 Monaten.
US-Klimaleugner in der Minderheit 70 Prozent der Menschen in den USA glauben nach neuen Umfragen, dass es eine menschengemachte Klimakrise gibt. Sogar die Mehrheit der Republikaner (56 Prozent) sind inzwischen davon überzeugt. Nur noch 16 Prozent zählen zu den sogenannten Klimaleugnern. Das sind signifikante Veränderungen. Im Frühjahr 2014 waren nur 55 Prozent der Befragten von der Exis-
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tenz des Klimawandels überzeugt, der Anteil der Klimaleugner lag noch bei ungefähr 33 Prozent. Hauptgrund für die veränderten Einsichten ist vor allem die Wahrnehmung von Wetterextremen im persönlichen Umfeld – etwa massive Dürreperioden wie in Kalifornien oder starke Stürme und Überflutungen. Der Meinungsumschwung dürfte es Präsidentschaftskandidaten wie Donald Trump schwerer machen. Er bestreitet den Klimawandel vehement.
«Wir sind die Lösung» Westafrikanische Frauenorganisationen haben sich nach einem Bericht der US-Internetzeitung Truthout zur Kampagne «Wir sind die Lösung» zusammengeschlossen. Sie verweisen darauf, dass Frauen eine herausragende Rolle in der traditionellen kleinbäuerlichen Agrikultur in südlichen Ländern spielen, obwohl sie gleichzeitig kaum Zugang zu Landbesitz haben. 70 Prozent der Lebensmittel Afrikas werden durch Kleinbäuerinnen produziert. Frauen sind traditionell diejenigen, die das Saatgut schützen. Die Rolle, für ihre Familie und die Gemeinschaft zu sorgen und sich um deren
Ernährung zu kümmern, haben sie von ihren Vorfahrinnen übernommen. Dies ganz im Gegensatz zur «grünen Revolution», die soziale Fürsorge durch harte Technik ersetzt und genmanipulierte Pflanzen, Kunstdünger und Ackergifte nach Afrika bringt. Aber sei es nicht viel wichtiger und besser, fragen sie, «weniger anzubauen, gut zu essen, eine gute Gesundheit und ein langes Leben zu haben und den kommenden Generationen Aufmerksamkeit zu widmen?» Die Kampagne «We Are the Solution» wird von Landfrauen aus Senegal, Burkina Faso, Mali, Ghana und Guinea geleitet, wobei sich auch Männer beteiligen. Sie hat drei Ziele: den
Gebrauch und die Promotion traditionellen Wissens, das von Generation zu Generation weitergegeben wird und Ernährungssouveränität und den Schutz bäuerlichen Saatguts befördert; die Unterstützung agrarökologischer Initiativen durch die nationale Politik sowie die Förderung afrikanischer Agroprodukte.
Das Dorfgeld von Riace Domenico Lucano, Bürgermeister des kalabresischen Flüchtlingsdorfes Riace, ist am 4.November im Rathaus von Bern für seine Rolle als «europäischer Pionier im Umgang mit Schutzsuchenden» mit dem Preis der «Stiftung Freiheit und Menschenrechte» ausgezeichnet worden (siehe unsere Reportage «Das Wunder von Riace» im ZP 140). In seiner Dankesrede und der folgenden Veranstaltung mit Aktivistinnen der Schweizer Zivilgesellschaft erläuterte der 56-Jährige, wie mit denkbar geringen Mitteln eine neue Dorfökonomie gemeinsam für Einheimische und Flüchtlinge geschaffen wurde. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt dabei die Einführung von «Boni», einem Dorfgeld mit Konterfeis von Mahatma Gandhi, Martin Luther King oder Che Guevara. Die Flüchtlinge, die leerstehende Häuser weggezogener Ureinwohner renovieren oder in den neu belebten Gewerbebetrieben arbeiten, erhalten einen Teil der (geringen) staatlichen Unterstützung als Lohn in «Boni» ausgezahlt, pro Kopf 250 Euro, mit denen sie in Riace – und nur dort – Waren oder Dienstleistungen beziehen können. Das bringt die lokale Ökonomie zum Wiedererblühen. Die Dorfwährung hat sich der Bürgermeister ausgedacht – eigentlich als Notlösung. Denn die staatliche Unterstützung der Flüchtlinge durch die Zentralregierung in Rom treffe in Riace sehr oft erst mit monatelanger Verspätung ein, berichtete Domenico Lucano. Die Boni dienten zur Überbrückung als Gutscheine. Nunmehr sind Initiativen aus der Schweiz und Deutschland am Überlegen, ob sie das Modell auch in aussterbenden Dörfern ihrer Region anwenden können.
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was wäre wenn
Es braucht nicht viel, aber Viele Was wäre, wenn die Massen ihre eigene Psychologie verstehen würden? Von Christoph Pfluger
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rkenne dich selbst!» Seit Aeonen versuchen wir, diesem Auftrag gerecht zu werden – mit zweifelhaftem Erfolg. Die Erde erweckt nicht den Anschein, als würde sie von einer Spezies bevölkert, die sich selber bewusst ist. Wer weiss, wer er ist, braucht nicht ständig zu streiten und wer sich kennt, irrt nicht dauernd umher auf der Suche nach mehr. Der Mensch ist sich selber noch immer ein Rätsel. Wer behauptet, seine Lösung zu kennen, verrät nur sein Unwissen. Denn Selbsterkenntnis ist ein individueller Akt, ein Weg zu sich selber, dem niemand zu folgen vermag. Es ist ein Irrtum der Religionen, dass sie aus diesem individuellen Weg eine Hauptstrasse zu machen versuchen, auf dem alle zum grossen Glück hinströmen sollen. Natürlich kann man dem Individuum helfen, Zehrung bieten und Wegzeichen setzen. Aber der Weg zur grossen Einheit führt zuerst zu sich selber, durch das eigene Gestrüpp und die dunklen Gänge der selbst gebauten Luftschlösser. Wo landen wir, wenn wir den Weg zur grossen Gemeinschaft abzukürzen versuchen, wenn wir Einheit wollen, ohne mit uns selber eins zu sein, wenn wir gewissermassen Menschheit sein wollen, ohne Mensch zu sein? Wir enden in der Masse. In diesem illusionären Zustand der Einheit ist der Mensch doppelt verloren: Er kann nicht mehr sich selber sein, und die Gemeinschaft ist nur ein fader Abklatsch dessen, was wirkliche Einheit sein könnte und vermutlich einmal sein wird. Die Masse ist ein Produkt der Angst, sagt Elias Canetti. «Nichts fürchtet der Mensch mehr als die Berührung durch Unbekanntes» lautet der erste Satz seines Monumentalwerkes «Masse und Macht». Und es sei «die Masse allein, in der der Mensch von dieser Berührungsfurcht
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erlöst werden kann». In der Masse erzeugt die Berührung durch den Fremden keine Angst mehr, sondern beweist ihre Überwindung – so stark, dass es immer mehr Berührung braucht, um dieses Gefühl noch wahrzunehmen. Darum haben alle Massen das Bedürfnis zu wachsen, bis sie schliesslich in sich zusammenfallen. In der Masse sind wir Menschen Teil eines Konstrukts, dessen Wirkung wir zwar erfahren – Blindheit, Zerstörung, Rausch, gelegentlich durchaus zum Guten –, aber dessen Gesetze wir nicht kennen. Sie mögen bekannt sein, aber der Mensch ist sich ihrer nicht bewusst. Er verliert sich im Taumel der kurzen Macht, die ihm als Teil der Masse wie durch ein Wunder zuteil wird. Er ergibt sich einem kollektiven Glauben, der bekanntlich Berge versetzen kann. Sobald aber die Masse sich zerstreut und einer neuen Ordnung mit Grenzen Platz gemacht hat, muss der Mensch wieder zu sich selber finden, wie eine Spielfigur, die ein paar Felder zurückgesetzt wurde. Er muss sich wieder mit seiner Angst vor den Andern beschäftigen, die er erst überwindet, wenn er sich selbst erkennt und liebt. Darum sind Massen und Meuten so trügerisch und anziehend. Man möchte bedingungslos angenommen werden, ohne sich selber annehmen zu müssen. Der französische Arzt und Soziologe Gustave le Bon (1841 bis 1931) hat sie 1894 als erster systematisch beschrieben, in «Psychologie der Massen», dem berühmtesten seiner vielen Werke. Das Buch umfasst nicht einmal 200 Seiten, hat die Geschichte aber stärker geprägt, als irgend ein anderes Werk seit Darwins «Entstehung der Arten». Es legte den Despoten und Verführern dieser Welt die Instrumente für ihr unseliges Treiben in die Hand, von den Nazis bis zu den Manipulatoren heutiger Tage. Le Bons grundlegende Erkenntnis: Die Masse –
• Die Verwandlung von Volk in Publikum und Masse ist heute unaufhaltsam. Karl Jaspers 1949 in«Ursprung und Ziel der Geschichte»
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Schwerpunkt
Man möchte bedingungslos angenommen werden, ohne sich selber annehmen zu müssen. und das können auch kleinere Gruppen sein – ist nicht die Summe ihrer Individuen, sondern verfügt über eine eigene «Massenseele», die ganz eigenen Gesetzen gehorcht: «Die psychologische Masse ist ein unbestimmtes Wesen, das aus ungleichartigen Bestandteilen besteht, die sich für einen Augenblick miteinander verbunden haben, genauso wie die Zellen des Organismus durch ihre Vereinigung ein neues Wesen mit ganz anderen Eigenschaften als denen der einzelnen Zellen bilden.» (S. 33) Massen werden nicht von Vernunft, sondern von unbewussten Gefühlen geleitet, hervorgerufen durch starke Bilder, einfache Worte und symbolstarke Taten. Dabei geht es nie um Wahrheit, sondern um das, was wir für wahr halten wollen – oder sollen, wie im Falle der Täuschung. Die eingeschränkte kollektive Wahrnehmung reduziert sich dabei zu einer Pseudo-Wirklichkeit: Wahr ist, was wir glauben. Dem sind beileibe nicht nur die leichtgläubigen Einfaltspinsel dieser Welt unterworfen, sondern auch die vermeintlich so intelligenten Eliten. Selbst wenn sich ihre Vernunft gegen die Irrtümer der Massen wehrt – was durchaus vorkommt – so sind sie früher oder später gezwungen, diese zu übernehmen, wenn sie an der Macht bleiben wollen. Nicht selten sind es aber die Eliten, die den Massen zum eigenen Zweck Trugbilder einimpfen. Die als Verteidigung kaschierten Angriffskriege der letzten Jahrzehnte, die mit Begriffen wie «Flugverbotszone», «chirurgische Eingriffe» oder «Luftschläge» unters Volks gebracht werden, sind Beispiele dafür. Eine aktuelle, symbolstarke Tat sind die Anschläge von Paris, die aus Europas Bevölkerung mit medialer Unterstützung eine von diffusen Ängsten getriebene Masse macht, die Kriegen und einer massiven Einschränkung der Bürgerrechte diskussionslos zustimmt. Mit Vernunft hat dies nicht viel zu tun, wenn man die Opferzahlen von Paris mit denen des Verkehrs, des Hungers oder der Spitalkeime – um nur drei Beispiele zu nennen – vergleicht.
• Die Masse ist das Ende, das radikale Nichts. Oswald Spengler 1922 in «Untergang des Abendlandes»
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Massen haben laut le Bon ein paar entscheidende psychologische Eigenschaften: ■ Sie sind triebhaft, leichtgläubig und erregbar. «In dem Augenblick, da sie zu einer Masse gehören», schreibt le Bon, «werden der Ungebildete und der Gelehrte gleich unfähig zur Beobachtung.» (S. 46). ■ Massen sind unduldsam, herrschsüchtig und konservativ. Die Masse will ihre Wünsche sofort durchsetzen, angeregt durch ein Gefühl der Übermacht, das auch den Einzelnen zu Taten bewegt, zu denen er sonst nie in der Lage wäre. Gleichzeitig haben die Massen «nicht weiter erklärbare Beharrungsinstinkte, … eine fetischistische
Ehrfurcht vor den Überlieferungen [und] eine unbewusste Abscheu vor allen Neuerungen, die ihre realen Lebensbedingungen ändern könnten.» (S. 58) ■ Massen denken in Bildern, sind nicht urteilsfähig und neigen in grotesker Weise zur Verallgemeinerung von Einzelfällen. Sie werden «stets durch die wunderbaren, legendären Seiten der Ereignisse am stärksten ergriffen», wie le Bon schreibt. «Das Wunderbare und das Legendäre sind tatsächlich die wahren Stützen einer Kultur. Der Schein hat in der Geschichte stets eine grössere Rolle gespielt als das Sein. Das Unwirkliche hat stets den Vorrang vor dem Wirklichen.» (S. 68) ■ Schliesslich können Massen nicht nur überaus zerstörerisch sein, sondern sind «ebenso zu Taten der Hingabe, Aufopferung und Uneigennützigkeit fähig, sogar in höherem Masse als der Einzelne.» (S. 60) Die Massen lassen sich also von Bildern, magischen Begriffen und symbolträchtigen Ereignissen am leichtesten beeinflussen. Die Mittel, mit denen die Staatenlenker und Revolutionäre aller Zeiten immer wieder die Macht der Masse auf ihre Seite zu ziehen versucht haben, sind: Behauptung, ständige Wiederholung und Übertragung auf andere Menschen. Daraus entsteht eine kollektive Überzeugung, die die Masse unbewusst in die gewünschte Richtung lenkt. Ob die Politik, die sich daraus ableitet, die von der Masse erwünschte Wirkung erzielt, ist nebensächlich, im Gegenteil: «Alle politischen, religiösen und sozialen Glaubenslehren finden bei [den Massen] nur Aufnahme unter der Bedingung, dass sie eine religiöse Form angenommen haben, die sie jeder Auseinandersetzung entzieht.» Die Instrumente der Massenbeeinflussung haben unglücklicherweise eine negative Selektion unserer Leitfiguren zur Folge. Le Bon: «Meistens sind die Führer keine Denker, sondern Männer der Tat. Sie haben wenig Scharfblick und könnten auch nicht anders sein, da der Scharfblick im allgemeinen zu Zweifel und Untätigkeit führt. Man findet sie namentlich unter den nervösen, reizbaren, halbverrückten, die sich an der Grenze des Irrsinns befinden.» Heute werden wir nicht mehr von Barrikadenstürmern und Massenhypnotiseuren angeführt, sondern von geschulten Leuten mit hoher Selbstkontrolle, die wissen, wie man als Friedensengel Kriege verkauft oder als Sparapostel Umverteilung organisiert. Der sozialen Täuschung gehört die Zukunft, schreibt le Bon. «Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet, von Tatsachen, die ihnen missfallen, wenden sie sich ab und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag. Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären versucht, stets ihr Opfer.»
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was wäre wenn
Eine freie Gemeinschaft liebender Menschen – etwas, das sich wie Menschheit anfühlt. So leben wir heute in einer Welt, die einem Massenbewusstsein folgt, das aus unbekannter Quelle gesteuert wird. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die «Massenkristalle», in der Beschreibung von Canetti «kleine, rigide Gruppen von Menschen, fest abgegrenzt und von grosser Beständigkeit, die dazu dienen, Massen auszulösen». Das sind die Strategen und Thinktanks, die die Absichten ihrer Auftraggeber in massentaugliche, eingängige Begriffe und politische Konzepte giessen und über ihre Verbündeten in Politik und Medien im kollektiven Bewusstsein verankern. Ihr Glaubenskern: Der Mensch ist im Grunde Egoist. Der Mensch hätte allerdings seine Intelligenz und seine kulturellen Leistungen niemals im Kampf gegen den Mitmenschen entwickeln können, sondern nur in der Kooperation. Er ist durch Liebe zum Menschen geworden, und er bleibt es nur durch die Liebe. Natürlich zwingen ihn die Unwägbarkeiten hie und da, sein Überleben mit Egoismus zu erhalten. Aber das sind Ausnahmezustände. Nichtsdestotrotz haben sich die massgebenden zivilisatorischen Einrichtungen von heute – Wirtschaft, Politik und Wissenschaft – zu Organen des Egoismus entwickelt: Freiheit für wenige, Zwang für viele. Sie produzieren geradezu den Ausnahmezustand, den sie zu verhindern vorgeben und nähren damit die sprichwörtliche Unvernunft der Massen. Der Teufelskreis ist so umfassend und so gut versteckt, dass man versucht ist, an die Existenz des Leibhaftigen und seiner Adlaten zu glauben. Wer sonst könnte es schaffen, die Erde in einen Sauladen zu verwandeln und den Menschen seiner Seele zu berauben? Natürlich gibt es Widerstand gegen die Herzlosigkeit und die Not, die sich im Schatten des Egoismus und des Materialismus auf der Welt ausgebreitet haben und kurz vor dem Endsieg stehen: Bürgerinitiativen, Hilfsorganisationen und Kulturschaffende in allen möglichen Bereichen und Formen. Aber nicht nur haben sich einige bereits über Sponsoring und andere Kanäle vereinnahmen lassen, insgesamt scheint die Macht des Geldes stärker zu sein als die Kraft der Menschlichkeit.
Das stimmt nicht gerade optimistisch. Der Materialismus und der Glaube an den Staat als Versorger des entrechteten Individuums wird wohl nicht durch Erkenntnis beseitigt werden, sondern durch schmerzliche Erfahrung. Denn: «Die Erfahrung allein, die letzte Lehrmeisterin der Völker, wird es übernehmen, uns unseren Irrtum zu zeigen», schreibt le Bon. Dies ist glücklicherweise kein Text, der sich über Auswege aus dieser Zwickmühle Gedanken machen muss, sondern sich die einfache Frage stellen darf, wie es denn wäre, wenn wir die Gesetze der Masse kennen würden. Die Antwort ist so gross und befreiend, dass sie nicht im Konjunktiv wiedergegeben werden darf. ■ Der Mensch hält sich fern von allen Massen und ihren Medien, die auf Feindbildern basieren oder Konflikte verstärken und macht damit die Massensteuerung unwirksam, die uns heute in globalen Irrtümern gefangen hält. ■ Der Mensch ist befreit von jeglichen Glaubensgrundsätzen, die nicht der eigenen Erkenntnis und Erfahrung entsprechen und findet dadurch zu seinen eigenen Quellen der universellen Liebe. ■ Der Mensch verbindet sich auf Zeit und als freies Individuum mit den konstruktiven Gruppen und Massen und verstärkt damit ihre sprichwörtliche Macht, Berge zu versetzen. Das Ergebnis ist eine freie Gemeinschaft vernünftiger, liebender Menschen, die die Geschenke der Erde gerecht verteilt und zum Nutzen aller vermehrt – etwas, das sich tatsächlich wie Menschheit anfühlt. Wie kann sich das Individuum von den Tiefen und Zwängen der Masse befreien, die ihm so viel trügerische Macht vorgaukelt? Es kann sich ja keiner Masse der Freien anschliessen, die die Masse der Vermassten besiegt. Aber es kann Freiheit und Liebe leben und dazu beitragen, dass der falsche Glaube der Massen an die vergifteten Segnungen des Egoismus durch das Licht der Erkenntnis ersetzt wird. Es braucht nicht viel dazu, aber Viele.
Leseempfehlungen: Wer die heutige Zeit einigermassen verstehen will, kommt um ein Verständnis der Massenpsychologie nicht herum. Zwei Titel stehen dazu im Vordergrund: Gustave le Bon: Psychologie der Massen. Nikol Verlag, 2009 (in der Übersetzung von 1911). 202 S., geb. Fr. 7.90/€ 4.95. Kurze, eingängige Einführung. Die über 100 Jahre alte Übersetzung ist etwas gewöhnungsbedürftig und enthält einige Begriffe, die man selbst in zeitgemässe Sprache übertragen muss. Elias Canetti: Masse und Macht. Claassen, 1960. 35 Jahre hat sich Canetti mit den Phänomenen von «Masse und Macht» befasst und seine Erkenntnisse in einem einzigartigen Band in dichter, unübertroffener Sprache zusammengefasst.
Politik als Show Mit welchen Tricks die Wortakrobaten in Politik und Medien unsere kollektiven Gefühle steuern, zeigt das vor kurzem erschienene Buch «Talkingpoints» von Dushan Wegner. Das Buch enthält u.a. einige interessante Details aus dem Berliner Polit-Alltag, der ja für ganz Europa von entscheidender Bedeutung ist. So erfährt man, dass im Kanzleramt kurz nach Mitternacht eine Gruppe von PR-Leuten die druckfrischen Zeitungen unter
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die Lupe nimmt, die massgebenden Themen filtert, passende Antworten in eingängigen Begriffen formuliert und die Fragen für die Marktforschung formuliert, damit die Kanzlerin zum Frühstück einen Lagebericht erhält und am Mittag bereits über mainstreamgängige Botschaften auf der Grundlage der Umfrageresultate verfügt. Fazit: Politik hat nichts mit der Gestaltung der Zukunft im Interesse der Allgemeinheit zu tun, sondern
ist eine Show, die der Masse gefallen muss, aber hinter der sich unbekannte Absichten verbergen. Einfach nur widerlich. Dushan Wegner: Talkingpoints oder die Sprache der Macht. Mit welchen Tricks Politiker die öffentliche Meinung steuern. Westend Verlag, 2015. 240 S. Fr. 24.50/€ 17.–
• Opportunismus und Flexibilität dagegen sind militärische, keine zivilen Tugenden. Sun Tsu: «Die Kunst des Krieges»r
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... wir zukunftsfähige Verkehrssysteme hätten?
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ontagmorgen im Jahr 2033. Ich sitze auf meiner Dachterrasse in der Mehrgenerationen-Wohngemeinschaft beim Kaffee und sehe den vielen Luftschiffen zu, die über Braunschweig lautlos zur Landung einschweben oder sich von dort auf die Reise machen. Sie bringen Waren und Touristen in unsere kleine Boomtown, die sich zu einem wichtigen regionalen Logistikzentrum entwickelt hat. Seit der kleine Regionalflughafen Waggum zum internationalen Luftschiffdrehkreuz und der Hanse-Hafen am Mittellandkanal zum Umschlagplatz für die Binnenschifffahrt ausgebaut wurden, ist Braunschweigs Bedeutung in der Region noch weiter gewachsen. Mit den Arbeitsplätzen in der Transportbranche und dem aufstrebenden Tourismus zwischen Harz und Heide ziehen immer mehr Menschen nach Braunschweig. Trotzdem ist es mit den Jahren immer ruhiger geworden, weil in der Stadt praktisch keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor unterwegs sind. Neue Wohnungen wurden geschaffen, in energieeffizienten Häusern mit Tiefgaragen für elektrische Gemeinschaftsautos und für die vielen Fahrräder und E-Bikes, mit denen heute der
grösste Teil des innerstädtischen Individualverkehrs abgewickelt wird. Überall sind neue Fahrradautobahnen und Radwegkreuzungen entstanden, so dass ich mit meinen E-Bike heute schneller unterwegs bin als damals mit dem Auto. Erst gestern hat mich wieder eine Fahrradstreife beim Rasen erwischt. Denn als Pensionär arbeite ich nämlich noch in Teilzeit als Warenkurier und bin viel mit meinem elektrisch unterstützten Lastenfahrrad unterwegs. Da muss es oft schnell gehen. Aber was will man machen, wenn die Pension nicht reicht für meine Leidenschaft – das Luftschiffreisen in alle Welt. Morgen geht es dann zum Ausgleich ja wieder los. Diesmal auf eine lange Kreuzfahrt über Island und Grönland in die Nordpolregion. Ich will mir das geothermische Wasserstoffexportwunder Island einmal mit eigenen Augen ansehen, in den neuen Staat Grönland einreisen und einen dort angebauten Salat essen und dann noch ein letztes Mal den Nordpol überfliegen - bevor dieser schliesslich chinesisches Hoheitsgebiet wird. Ich fahre mit dem E-Shuttle nach Waggum. Majestätisch wie eine Armada riesiger, silbergrauer Wale liegen dort zu fast jeder Zeit bis zu zwei-
hundert Luftschiffe unterschiedlicher Grösse auf vier verschiedenen, vertikal angeordneten Ebenen vor Anker. Noch einmal schweift mein Blick über das Flugfeld und das unausgesetzte Sinken und Aufsteigen der grossen, hellgrauen Schiffe: Von überall gleiten sie heran und verlieren, sich in Position drehend, an Höhe, während zugleich, zum Teil an entfernter Stelle, zum Teil direkt neben ihnen, andere aufsteigen und in alle Himmelsrichtungen davonziehen, über die Ankommenden hinweg und unter und zwischen ihnen hindurch und sich auf den Weg nach Frankfurt, Peking oder San Francisco machen. Das alles geschieht in fast vollkommener Stille. Eher ähnelt das Flugfeld heute einer grossen Meeresbucht als den lärmenden und kerosinstickigen Asphaltwüsten der fossilen Luftfahrt. Und manchmal, wenn der Westwind feuchte Meeresluft heranträgt und der Blick über das riesige Feld weit wird, hat man tatsächlich das Gefühl, direkt am Meer zu stehen. Mein Fernweh ist entfacht! Es kann losgehen. Stephan Rammler Stephan Rammler ist Professor für Transportation Design & Social Sciences an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
... wir Gesundhäuser hätten?
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s war einer dieser Regensonntage. Wir sassen am Küchentisch, tranken Kakao und motzten über das Gesundheitssystem. Da sagte Felix plötzlich: «Was wäre, wenn die Leute gar nicht mehr krank würden?» Eine Illusion sei das, erwiderten wir. Aber Felix insistierte: «Denkt doch mal nach! Allein das Wort Krankenhaus: so ein negativer Begriff! Gesundhaus sollte es heissen. Dort geht man hin, wenn man noch gesund ist. Natürlich werden auch Kranke behandelt, aber die Ärzte werden bezahlt, solange die Menschen gesund sind.» Wir waren skeptisch. Schon wieder neue Kosten, sagten wir. Doch Felix war nicht mehr zu bremsen. «Jeder Mensch hat doch die Fähigkeit zur Selbstregulation. Dort muss man ansetzen. Oberstes Ziel ist es, physisch, aber auch psychisch gar nicht erst krank zu
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werden. Einmal im Jahr hilft dir dort dein Coach, die innere biologische Uhr wieder auszurichten. Ich denke da an Verbesserungen bei der Ernährung, zum Beispiel bei der Aufnahme von Omega-3 Fettsäuren, aber auch bei deiner Bewegung. Er bringt dir Atemtechniken bei oder rät dir, in deinem Schlafzimmer die Morgendämmerung zu simulieren. Und dann würde er dir aufzeigen, was dich ausserdem gesund hält: anderen Menschen zu helfen. Körperkontakt. Eine Arbeit, die erfüllend ist. Erkenntnisse aus alternativen Methoden müssten ebenso einfliessen wie das Wissen der Schulmedizin. Und dann würdest du mit deinem Coach einen Richtplan für das nächste Jahr ausarbeiten. Wenn wir dies konsequent durchziehen, wird kaum jemand mehr krank werden. Das müsste doch auch
im Interesse der Krankenkassen sein. Weisst du, wie viel wir da sparen könnten?» Ja, unser Felix ist ein Enthusiast. Und er hat in seiner Euphorie vergessen, dass manche von uns einfach das Recht haben möchten, keine Rücksicht auf den eigenen Körper nehmen zu müssen – mit allen unangenehmen Folgen, die das mit sich bringt. Trotz allem sind Felix Ideen inspirierend. Und wer weiss: Vielleicht dauert es nicht mehr lange, bis irgendwo das erste Gesundhaus gebaut wird. Jonas Schneider
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Illustration: Bera Hofera
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...eine gerechte Welt entstünde? ...in der Frauen mehr zu sagen hätten?
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itte 2016 setzen in der UNO heftige Konflikte um die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ein. Ein internationales Panel soll Studien für die beste Politik entwerfen, aber es gibt Streit um dessen Zusammensetzung. Welche Nationen, welche politischen Strömungen, welche Institutionen sollen vertreten sein? Man blockiert sich gegenseitig, nichts bewegt sich. Schliesslich schafft ein Club angesehener Nobelpreisträgerinnen, Ökonomen und Friedensfrauen mit dem Memorandum «Glück 2.0» den politischen Durchbruch. Das Gremium legt mit schlüssigen wissenschaftlichen Beweisen dar, dass die längerfristige Alternative entweder im gemeinsamen Untergang mit Millionen von Toten besteht oder im gemeinsamen Schaffen einer ökosolidarischen, stärker von Frauen geprägten Wirtschaft. Es werde eine katastrophale Lose-Lose-Situation geben, wenn Patriarchat plus Klimakrise plus Militarismus plus Finanzkapitalismus so weitergingen. Oder aber eine Win-Win-Situation, wenn Frauen und Männer gemeinsam die Weichen stellten für Abrüstung und eine ökosoziale Glückswirtschaft.
Wird die weibliche Hälfte der Bevölkerung gleichberechtigt am Aufbau des Gemeinwohls beteiligt, kann sich eine Nation doppelt so schnell entwickeln
• Wenn wir die Menschen nur nehmen, wie sie sind, so machen wir sie schlechter; wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten, so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind. Johann Wolfgang von Goethe
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Die Argumentation ist im Kern simpel mathematisch. Wird die weibliche Hälfte der Bevölkerung gleichberechtigt am Aufbau des Gemeinwohls beteiligt, kann sich eine Nation doppelt so schnell entwickeln. Wird sie durch die männliche Hälfte der Bevölkerung aber kontrolliert oder gar im Haus eingesperrt, muss eine Nation stagnieren oder gar verelenden, da beide Geschlechter mit unproduktivem Verhalten ihre Zeit vergeuden. Rüstung ist immer kontraproduktiv, weil Waffen in Kriegen «verbraucht» werden müssen. Die Friedenssicherung und der Aufbau einer ökosozialen Wirtschaft gelingt am besten mit Frauen. Nicht weil diese die besseren Menschen sind – das sind sie definitiv nicht. Sondern weil viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass Frauen aufgrund ihrer anderen sozialen
Erträumt von Ute Scheub
Rollen mehr aufs Gemeinwohl achten und eine grössere Distanz zu Gewalt, Macht und Militär haben. Das Memorandum zeigt einen engen Zusammenhang zwischen (geschlechter)egalitären Verhältnissen und mentaler Zufriedenheit der Bevölkerung auf und beruft sich dabei auf den Stand der Glücksforschung. Ab einem Prokopf-Einkommen von etwa 40’000 Euro jährlich nehmen subjektive Gefühle von Glück und Zufriedenheit nicht mehr zu, auch wenn der Wohlstand weiter steigt. Sie nehmen sogar ab, wenn andere reicher sind als man selbst. Denn im Versuch, diesen Unterschied aufzuholen und weitere Reichtümer zu scheffeln, gerät man in eine endlose «Tretmühle des Glücks», die auch die Gier auf den Finanzmärkten und die Umweltzerstörung weiter antreibt. Staaten mit vergleichsweise hoher Gleichberechtigung sind hingegen nachweisbar erfolgreicher, stabiler und ökosozialer ausgerichtet, und ihre Bevölkerung zeigt sich deutlich zufriedener. Frauen, und Männer sind dort laut Umfragen glücklicher, gesünder und weniger gestresst; sie werden auch deutlich älter als ihre Geschlechtsgenossen in patriarchalischen Gesellschaften. Das beweisen etwa die skandinavischen Länder oder einige verbliebene traditionelle Matriarchate wie die Mosuo in China. Das beweisen aber auch lernwillige Postkonfliktländer wie Liberia oder Ruanda, die konsequent auf Frauenförderung setzen. Das Memorandum «Glück 2.0» wird veröffentlicht und mit Unterstützung progressiver Medien und Stiftungen in unzähligen Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehsendern vorgestellt und diskutiert. Die Resonanz ist riesig. Auch deshalb, weil ein weltweites Bündnis prominenter progressiver Männer – darunter Bischof Tutu und Bruce Springsteen - sich für das Memorandum einsetzt. Nach seiner Veröffentlichung ergreifen UN-Organisationen und -Mitgliedsstaaten umfassende Massnahmen. Die UN-Generalversammlung wählt eine Generalsekretärin, die einen Zehnjahresplan zur Umsetzung der Empfehlungen von «Glück 2.0» vorlegt. Dazu gehören unter anderem die gleichberechtigte Einbeziehung von Frauen in alle Entscheidungsgremien der nationalen und internationalen Politik, Sicherheitspolitik und Wirtschaft; die stufenweise
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Abrüstung aller nationalen Armeen, verbunden mit der konsequenten Förderung von Krisenprävention und ziviler Konfliktbearbeitung; die massive Unterstützung von Öko-Anbau und von Kleinbäuerinnen, die weltweit etwa 70 Prozent der Lebensmittel produzieren. Es folgen massive Störmanöver von Lobbygruppen aus der Rüstungs- und Agroindustrie sowie einiger radikaler Männerrechtler, die sich nicht kontrollieren lassen wollen. Doch die Hackerinnen von Wikileaks veröffentlichen Pläne dieser Lobbyisten, und wachsamen zivilgesellschaftlichen Gruppen gelingt es nach einer Zeit heftiger Machtkämpfe,
Jedem Land, jeder Stadt, jedem Dorf gereicht es fürderhin zur Ehre, im Weltparlament als Erfolgsmodell vorgestellt zu werden. Die Diskussionen in dieser reformierten UNO gleichen weniger den üblichen parlamentarischen Debatten, sondern mehr einer internationalen Lernakademie; die Erfolgsgeschichten werden live in alle Welt übertragen. Die Resonanz ist überwältigend. Positivmodelle werden auf diese Weise in die fernsten Winkel der Welt transportiert und dort kopiert. Hunger, Armut, Krankheiten, Umweltkatastrophen und Analphabetismus sinken, besonders in
Eine andere Männlichkeit ist möglich: Mann kann stark sein, fürsorglich, väterlich, engagiert, leidenschaftlich lieben und konsequent gewaltfrei leben. ihre medialen Manöver weitgehend zu unterbinden. Dies auch deshalb, weil das Bündnis prominenter Männer engagierte Männergruppen weltweit unterstützt. Diese führen in der Folge mit allen medialen Mitteln vor, dass eine andere Männlichkeit möglich ist: Mann kann stark sein, fürsorglich, väterlich, engagiert, leidenschaftlich lieben und konsequent gewaltfrei leben. Diese Positivbeispiele und Role Models vermögen viele Männer zu überzeugen, die zuvor mit diffusen Ängsten oder Aggressionen auf ihren vermeintlichen Statusverlust reagiert haben. In den folgenden Jahren entsteht eine lebendige öffentliche Debatte in allen wichtigen internationalen Gremien und ein regelrechter Umsetzungswettbewerb durch Nationen und Institutionen. In der UNO wird eine Parlamentarische Versammlung eingerichtet, eine Art Weltparlament von Abgeordneten und Zivilgesellschaft, in dem die besten Erfolgsmodelle aus allen Nationen und Regionen vorgestellt werden: Bhutans Festschreibung von Glück als Staatsziel Nummer eins; Schwedens Gleichberechtigungspolitik; Norwegens Frauenförderung in der Wirtschaft; Ruandas politische Frauenförderung; Österreichs Gewaltschutzgesetz; Costa Ricas Regenwaldschutz und sein Verzicht auf nationales Militär; Südafrikas progressive «Regenbogen»-Verfassung; Brasiliens Armutsbekämpfungsprogramm und seine «solidarische Ökonomie»; die direkte Demokratie der Schweiz; Deutschlands Erneuerbare-Energien-Gesetz; sein Aktionsplan zur zivilen Konfliktbearbeitung. Dazu unzählige Exempel aus Regionen und Städten, etwa das bedingungslose Grundeinkommen in Omitara in Namibia. Oder die «regenerative Agrikultur», die weltweit mit Permakultur, Terra Preta und neuen Weidemethoden so viel CO2 aus der Atmosphäre in Form von Kohlenstoff wieder in die Böden bringt, dass ein Ende der Klimakrise absehbar wird.
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jenen Regionen, die Frauen und Mädchen am stärksten fördern. Die Zahl der bewaffnete Konflikte nimmt ab, zumal der UN-Sicherheitsrat ein weltweites strenges Exportverbot für Rüstungsgüter, Minen und Kleinwaffen erlässt. Auch die Rate der häuslichen Gewalt und der Gewaltakte gegen ethnische und religiöse Minderheiten vermindern sich. Also alles eitel Sonnenschein? Nein. Es gibt immer noch mächtige Männer, die beleidigt und gekränkt auf ihren Statusverlust reagieren. Zwar treten bizarre Diktatoren wie der von Nordkorea ab, und die Führungsriege des Islamischen Staates schiesst sich gegenseitig über den Haufen. Aber betagte Herren wie George W. Bush, Geert Wilders und Silvio Berlusconi beklagen wortreich vor allen Kameras den Niedergang der Welt im Allgemeinen und den Verlust ihrer Männlichkeit im Besonderen. Es sei alles so langweilig geworden, jammert Wilders. Die Freiheit sei in Gefahr, überall wimmele es von Gutmenschen. Seit der weltweiten Zurückdrängung von Prostitution und Frauenhandel könne mann keine Abenteuer mehr erleben, schimpft Berlusconi. Bis Greenpeace ihn zur Schlauchboot-Tour zum Schutz der Wale einlädt: «Wenn du Manns genug bist, dann steigt ein und kämpfe!»
• Ich glaube, viele Dinge – wichtige Dinge, umwälzende Dinge – sind nur passiert, weil irgendwer sich gefragt hat, was wäre, wenn man es doch tun würde. Und dann hat er es getan. Johanna Füracker
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... die Liebe frei wäre
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ezember, Vortragsreise, jeden Abend eine andere Stadt, jede Nacht ein anderes Bett. Ich lerne jede Menge interessanter Menschen kennen, aber nach zwei Wochen lechze ich nach Intimität. Genauer gesagt: Ich möchte von einem nackten Mann in die Arme genommen werden! Jetzt ist es raus. Ich bin bereit, das zum Menschenrecht zu erklären. Fast kann ich Geschäftsreisende verstehen, die fremde Frauen fürs Zuhören und für Sex bezahlen. Aber mal ehrlich, welche Art von Intimität kriegst du schon für Geld? Da pflege ich lieber wohlig die eine oder andere Fantasie. Zum Beispiel könnte meine Gastgeberin von den Bräuchen der Beduinen inspiriert sein und sagen: «Ich sehe dir an, du könntest einen Mann gebrauchen. Mein Freund hätte sicher Lust, dich zu verwöhnen, soll ich ihn mal fragen?» Sie kocht mir wunderbares Essen, legt mir frische Handtücher hin und lässt mich ihr Duschgel benutzen. Aber auf die Idee, mir ihren Freund anzubieten, kommt sie nicht. Warum eigentlich nicht? Ich würde ihn sicher nicht behalten, und die Erfahrung könnte ihrer Beziehung durchaus neue Impulse geben. Was für eine neue Reisekultur das wäre! Was wäre, wenn die Liebe frei wäre? Wenn wir weder Angst vor Verlust hätten noch Angst vor der Rache des Geliebten? Wenn wir der Liebe folgen dürften, nicht nur beim Nächsten, sondern auch dem Übernächsten: dem neuen Nachbarn, der Chefin, deinem Lieblingsschüler oder dem Freund deiner besten
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Eine Wunschvorstellung von Leila Dregger Freundin? Denn genau das ist es, was die Liebe will, auch die erotische: Sich verschenken, sich verausgaben, die Welt umarmen. Warum eigentlich definieren die meisten Paare Treue immer noch als sexuelle Ausschließlichkeit? Sie schwören sich bedingungslose Liebe – bis zu dem Punkt, wo der Partner sich für eine andere interessiert. Dann schwören sie sich Rache. Schon Elizabeth Taylor durfte über ihren Gatten sagen: «Wenn er fremdgeht, bringe ich ihn um!» Und alle bekamen feuchte Augen bei dem Gedanken, dass das nun die echte große Liebe sei. Als Gandhi-Fan (ihr wisst schon: «Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen willst!») habe ich bei mir selbst angefangen. Naja, es waren anfangs nicht sehr edle Beweggründe. Als mein Freund sich in eine andere verliebte und mich verließ, war Wut die erste Reaktion. Allerdings lebe ich in einem menschlichen Umfeld, das dies nicht begünstigt. Meine Freundinnen bekamen keine feuchten Augen, sondern sagten: «Ja, also was jetzt? Liebst du ihn nun oder nicht?» Ihr ausbleibendes Mitleid war ein Wachrüttler, und ich entschied mich zu einem Experiment. Was geschieht, wenn ich bei der Liebe bleibe, komme was da wolle? Die «Liebesschule» in Tamera hat mir dabei stark geholfen. Ich schüttelte entschlossen die Identifizierung mit der Sitzengelassenen ab, wollte erfahren, wer die andere Frau ist, in die er sich so verliebt hatte, stieg behutsam in ein neues Universum, entdeckte, erkannte, verstand. Liebe beginnt mit Interesse. Ich will keine Partnerschaft, die auf Verträgen oder
Druck beruht, sondern auf Wahrheit und Freiheit; und ich lernte ein kleines bisschen mehr, dem Prinzip der Liebe zu vertrauen: Dort wo ich wahr werde, ziehe ich auch Liebe in mein Leben. Es war eine Entdeckung meiner Autonomie: Niemand anderes, keine Umstände, kein anderer Mensch kann darüber entscheiden, ob ich liebe oder nicht. So kam es, dass die Liebe in meinem Leben – auch die zu meinem Freund – nicht schwand, sondern wuchs. Sabine Lichtenfels, für mich die wichtigste Lehrerin im Bereich der Liebe, schreibt: «Wie jedes Lebewesen wollen Liebe und Eros Freiheit, um sich ihrem Wesen gemäß bewegen zu dürfen. Die Liebe zwischen zwei Menschen wird nicht weniger dadurch, dass wir uns auch anderen zuwenden, sondern sie wird sich vermehren.» Was wäre, wenn die Liebe frei wäre? Wenn wir Lebensformen aufbauen, wo es nicht gleich den Verlust unseres Selbstwertgefühls, unserer Wohnung, unseres Umfeldes bedeutet, wenn wir ihr folgen? In denen sich die Frauen vertrauen und gegenseitig unterstützen, selbst wenn sie den gleichen Mann – oder die gleiche Frau – lieben? In denen wir lernen, so zu kommunizieren, dass keine Verlustangst entsteht, sondern Vertrauen?
Leila Dregger ist regelmässige ZeitpunktAutorin und lebt im portugiesischen Ökodorf Tamera, wenn sie nicht in der Welt umherzieht.
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... wir nicht scheitern würden?
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ier hätte ein wunderbarer Text stehen sollen. Ein rhetorisches Feuerwerk, ein sprachlicher Ohrenwackler: überraschend, geistreich, verspielt und eloquent. Mann, was wäre das für ein Text gewesen! Einen ganzen Tag und eine halbe Nacht habe ich an ihm geschrieben, habe korrigiert und verbessert, habe Worte geprüft und Sätze gewogen und einen Punkt gegen ein Komma getauscht. Heute früh habe ich dann die Seite verworfen. Ich bekam den Text ganz einfach nicht hin. Meinen Sätzen fehlten Rhythmus und Melodie, meine Worte fetzten und überzeugten nicht. Der Text scheiterte, ich scheiterte. Schade. Dabei gibt es einen einfachen Weg um solche Misserfolge zu vermeiden: Nichtstun. Nichtstun funktioniert immer, ist ausgesprochen angenehm und einfach. Ich persönlich beherrsche sogar die intellektuelle Variante davon: lange und angestrengt nachdenken und aufgrund ausgereifter Grübeleien zum Schluss kommen, dass Nichtstun die vernünftigste Lösung ist. Hochseefischer werden? Mit dem Rauchen aufhören? Die Frau von der Post nach einem Date fragen? Nur Nichtstun bewahrt mich zuverlässig vor Enttäuschungen, Niederlagen und Schmerz. Dummerweise bewahrt es mich auch vor dem Scheitern.
Als ich den Text heute Morgen wegwarf, war das ein mieses Gefühl des Versagens. Erst mit der Zeit machte sich auch Erleichterung breit. Und wenig später hatte ich neue Ideen. Ideen, auf die ich ohne den Misserfolg nicht gekommen wäre. Und ehrlicherweise muss ich zugeben: der neue Text hier ist nicht so schön wie der alte – aber er ist besser. Darum mein Rat an Sie: Werden Sie Hochseefischerin und lernen Sie Messerschlucken. Eröffnen Sie ein Fondue-Restaurant in KualaLumpur und reisen Sie per Autostopp nach Feuerland. Suchen Sie endlich mal das Gespräch mit Ihrer Tante und klingeln Sie beim Nachbarn an der Tür. Und vor allem: Bitte, bitte fragen Sie die Frau von der Post oder den Mann von der Bahn nach einem Rendezvous! Es kann nämlich gelingen. Und wenn es schiefgeht, lernen Sie wahnsinnig viel und haben schon kurz darauf, wieder alle Möglichkeiten, etwas Neues anzugehen. Denn ich habe folgenden Verdacht: das Wichtigste, was Sie bis heute gelernt haben, verdanken Sie Misserfolgen und Krisen. Und die Dinge, in denen Sie heute besonders gut sind, sind die, in denen Sie am meisten Fehler gemacht haben und am häufigsten gescheitert sind. Wie oft sind Sie hingefallen, bevor Sie
laufen konnten? Und wie sehr schmerzen Sie alte Niederlagen wirklich? Fällt Ihnen auch nur ein Misserfolg ein, der Ihnen wirklich gar nichts gebracht hat? Was immer Sie tun wollen, tun Sie es, reüssieren Sie, scheitern Sie – bereuen werden Sie es nicht. Benedikt Meyer Für Benedikt Meyer ist Scheitern das Zweitbeste, was einem passieren kann. Mindestens. Darum ist auch häufigste Buchstabe in seinem Alphabet nicht «E» sondern «Delete». Wir auf der Redaktion kannten den Text, den Ben Meyer schliesslich wieder zurückzog. Wir schrieben ihm darauf: «Was nicht so gut ist an Deiner Entscheidung ist der Umstand, dass uns nun ein Text fehlt, der das Scheitern als Gewinn betrachtet. Vielleicht fällt uns ja noch etwas zu – oder ein.» Ein paar Stunden später traf die obenstehende Perle ein, die sie gerade gelesen haben. Von solchen Autoren kann man nur träumen. Red.
... es der classe politique verboten wäre, Krawatten zu tragen
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ie kennen die Szene: Sie sehr schick, er im sterilen Anzug mit Krawatte. Man begegnet sich im öffentlichen Raum, zum Beispiel auf dem Bundesplatz oder im Zug, doch irgendwie ist da diese im Raum stehende Distanz zwischen kreativer Vielfalt und seriöser Uniformität. Eine Uniformität, die keine Angriffsfläche bieten soll. Denn: Krawatte mit Anzug ist nichts anderes als eine soziale (oder gar religiöse?) Uniform. Und wofür die steht? Zur Abgrenzung, um die Zugehörigkeit zur «höheren Schicht» allen im öffentlichen Raum unübersehbar mitzuteilen. Da gibt es natürlich etliche andere KleiderCodes, aber die Krawatte ist wohl der historischste. Das Wort geht aufs Französische «à la cravate» – «nach kroatischer Art» – zurück.
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Der Legende nach popularisierte sich die Krawatte im 17. Jahrhundert, nachdem ein kroatisches Reiterregiment mit einem Stück Stoff um den Hals gebunden vor dem Schloss Versailles von Louis XIV auftauchte. Ein soldatischer Ursprung also. Später, während der französischen Revolution, wurde die Krawatte zum politischen Symbol und Erkennungsmerkmal: Der Adel trug Seidenkrawatte, das Proletariat (rote) Baumwolltücher. Was wäre nun, wenn ein Verbot gefordert würde, wie es aktuell mittels einer Initiative für die Burka geschieht? Vielleicht würden wieder vermehrt Gespräche auf offener Strasse angezettelt, die Kluft zwischen den gesellschaftlichen Schichten wieder verkleinert und das Vertrauen der Gesellschaft in die classe
politique wieder vergrössert. Vielleicht wäre der Gewinner zuletzt gar die Demokratie? Der griechische Premierminister und Anti-Krawatten-Träger Alexis Tsipras meinte einmal, dass er dieses Stück Stoff erst dann tragen werde, wenn die Krise überwunden sei. Was wäre also, wenn die Krawatte zum Symbol für bessere Zeiten werden würde? Und was wäre, wenn der Ständerat für einmal ganz avantgardistisch seine Krawattenpflicht lockern würde? In der kleinen Kammer ist «schickliche Kleidung» nämlich Pflicht, was nach Auslegung der Ratsbüros für die Herren so viel wie Anzug und Krawatte heisst. Pascal Mülchi
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... der Mensch an sich selbst glauben würde?
von Martina Pahr
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u glauben liegt in unserer Natur. Wir folgen der Sehnsucht nach etwas, das grösser ist als wir selbst – und folglich nicht mit uns identisch sein kann. Etwas, das die Grenzen unseres eigenen Vermögens sprengt, das allumfassend und idealerweise sogar allmächtig ist. Wir wollen in ihm aufgehen, um unsere physische, psychische und auch zeitliche Beschränkung aufzuheben und Teil am Universellen, am Endgültigen zu haben. Wir sind klein, das «Göttliche» ist gross – und deshalb geben wir ihm, in welcher Form auch immer, unsere Energie. Unsere Macht. Und behalten so wenig für uns selbst zurück. Warum richten wir diese Energie des Glaubens immer nur von uns weg? Ist nicht ein Teil dessen, das wir im Aussen verehren, auch in uns? Bescheidenheit ist eine Zier – das zum einen. Wer sind wir schon, wir jämmerlichen Menschlein, dass wir an uns selbst glauben dürften? Zum anderen geben wir mit unserer Macht auch die Verantwortung für unser Leben ab und sind so aus dem Schneider – denn diesen Energietransfer geben wir nicht umsonst. Wir wollen etwas dafür: eine Projektionsfläche im besten, einen Sündenbock im schlimmsten Fall. Und in jedem Fall Entlastung von der persönlichen Verantwortung. «Grosse Macht bringt grosse Verantwortung mit sich» – das sagte Voltaire vor bald 300 Jahren. Und vor eben dieser unserer Macht haben wir unendliche Angst. Was wäre, wenn wir diese Angst verlören und uns erlauben würden, diese Energie des Glaubens auch uns persönlich angedeihen zu lassen? Wenn wir an uns selbst glauben, unserer Intuition, Einsicht und Fähigkeit vertrauen würden? Das wären Zustände wie im Paradies (nur mit besserer Garderobe). Wir alle würden uns angesprochen fühlen, die anliegenden Dinge selbst in Angriff zu
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nehmen, statt auf jemanden zu warten, der sie für uns erledigen könnte – auch wenn wir damit überfordert wären und Hilfe anfordern müssten, woran uns kein falscher Stolz hindern würde. Wir wüssten, dass wir unverzagt all das trinken können, was uns das Schicksal einschenkt, und immer bestehen werden – auch im Angesicht eines scheinbaren Scheiterns. Wir könnten uns zwanglos in allem ausprobieren, das uns anspricht, ob Kunst, Konditorei oder Karaoke, weil uns bewusst wäre: Wir müssen auf diesem Feld nicht perfekt sein – weil wir es schon sind, im Innersten, im Kern! Im Glauben an unseren Selbstwert hätten wir es nicht mehr nötig, ihn durch Äusserlichkeiten, Gewalt, Opportunismus oder das Mobben von Schwächeren aufzuwerten. Frei von Projektionen unseres Verlangens oder Unvermögens könnten wir alle Menschen, die uns begegnen, als die Individuen wahrnehmen, die sie sind. Eine Beziehung müsste uns nicht mehr für die mangelnde Liebe in unserer Kindheit entschädigen. Wir könnten unserem Partner seine oder ihre Freiheit zugestehen – nicht so sehr, weil wir ihm, sondern weil wir uns selbst vertrauten. Jede Partnerschaft, jede Geschäftsbeziehung wäre von völliger Aufrichtigkeit geprägt. Würden wir unsere eigene Macht wahrnehmen, könnten wir auch allen anderen die ihre respektvoll zugestehen. Kindern würden wir ihre freie Entfaltung nicht nur gönnen, sondern aktiv ermöglichen. Wir wären mit ihnen stolz auf jeden Lernfortschritt, so unbedeutend und unvollkommen er sein mag – weil wir uns eben der Vollkommenheit in uns selbst bewusst wären. Wir würden ihnen Freiheit lassen, sich als selbständige Persönlichkeiten zu entwickeln, die weder von uns begonnene Traditionen fortführen noch unsere Wün-
sche stellvertretend erfüllen müssen. Angst, Zwang oder gar Liebesentzug hätten als Erziehungsmassnahmen ausgedient. Frei von Heilsversprechen im Aussen bräuchten wir keine Bomben zu werfen. Frei von Ängsten wären wir stark, zuversichtlich und tolerant. Wir würden frei wählen, welchem Glauben, welcher Religion wir angehören wollen, und ob überhaupt – ohne soziale Repressalien. Denn wir wüssten, dass in uns selbst, in jedem von uns, das Göttliche steckt. Und dass die Summe dieser individuellen Göttlichkeiten schlussendlich das «ES» darstellt, das grösser ist als wir – und in dem wir voll Vertrauen und Liebe aufgehen können. Von der Autorin erscheint demnächst: Irrlicht oder das Gegenteil von Angst. Es geht um nicht weniger als die Erlösung – auf schräge, witzige Art. Synopsis auf: martinapahr.de/irrlicht
• Unsere grösste Angst ist nicht, dass wir unzulänglich sind. Unsere grösste Angst ist, dass wir grenzenlos mächtig sind. Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, wovor wir uns am meisten fürchten. Wer bin ich schon, fragen wir uns, dass ich brillant, umwerfend, talentiert und fabelhaft wäre? Marianne Williamson: A Return to Love (Das Zitat wird fälschlicherweise Nelson Mandela oder Mahatma Ghandi zugeschrieben.)
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was wäre wenn
Was wäre wenn?
... die Wissenschaft den Materialismus überwinden könnte?
«S
eit dem neunzehnten Jahrhundert wird der Materialismus mit wirklich durchschlagendem Erfolg propagiert», schreibt der englische Biologe Rupert Sheldrake in seinem Buch «Der Wissenschaftswahn». «Millionen von Menschen sind zu diesem ‹wissenschaftlichen› Weltbild bekehrt worden, auch wenn sie von Wissenschaft eigentlich wenig Ahnung haben. Sie sind gleichsam Gläubige der Kirche der Wissenschaft – des Szientismus –, und die Wissenschaftler stellen darin die Priester.» Doch das materialistische Weltbild, das Pflanzen, Tiere und Menschen zu Maschinen macht, ist nicht haltbar, sagt er: «Für die meisten Menschen, insbesondere wenn sie Gärtner sind oder Hunde, Katzen, Pferde und andere Tiere halten, ist sonnenklar, dass Pflanzen und Tiere Lebewesen und nicht Maschinen sind.» Die Wissenschaft dagegen versucht unbeirrt, Leben als Funktion von Physik und Chemie zu erklären. Zu diesem Zweck verleiht sie Molekülen persönliche Eigenschaften, wie dies Richard Dawkins tat, als er die DNA in seinem Bestseller Das egoistische Gen mit den «erfolgreichsten Gangstern von Chicago» verglich. Auch die Übertragung von Gedanken und Gefühlen, wie sie viele Haustierhalter erfahren und wie sie Sheldrake in seinem weiteren Buch «Der siebte Sinn des Menschen» darstellt, ist für diese Wissenschaftler ein Ding
der Unmöglichkeit; deshalb brauchen sie auch nicht nach Erklärungen zu suchen. Doch Zweifel an ihren Dogmen verbreiten sich auch unter Wissenschaftlern – nur sprechen sie nicht darüber. Sheldrake stellt jedenfalls einen «Kontrast zwischen ihren öffentlichen Äusserungen und dem, was sie im privaten Gespräch sagen», fest. Nicht auszudenken, welche Erkenntnisse und wissenschaftlichen Erfolge uns erwarten, sobald die Dogmen überwunden sind. Christoph Pfluger Nachfolgend die zehn zentralen Glaubenssätze, die sich die meisten Wissenschaftler gemäss Sheldrake ungeprüft zu eigen machen: 1 Alles ist mechanischer Natur. Hunde zum Beispiel sind nicht etwa lebende Organismen mit ihren ganz eigenen Zielsetzungen, sondern komplexe Mechanismen. Auch Menschen sind Maschinen, in Richard Dawkins‘ lebendiger Ausdrucksweise sogar «schwerfällige Roboter». Ihre Gehirne sind wie genetisch programmierte Computer. 2 Materie besitzt grundsätzlich kein Bewusstsein. Sie hat keine Innerlichkeit, keine Subjektivität, keine «Ansichten». Auch menschliches Bewusstsein ist pure Täuschung, vorgespiegelt vom stofflichen Geschehen im Gehirn.
3 Die Gesamtheit von Materie und Energie ist immer gleich (der Urknall, mit dem alle Materie und Energie urplötzlich erschien, ist die einzige Ausnahme). 4 Die Naturgesetze stehen ein für alle Mal fest. Sie sind heute so, wie sie von Anfang an waren und für immer sein werden. 5 Die Natur kennt keine Absichten, Evolution ist ohne Richtung oder Ziel. 6 Biologische Vererbung ist ausschliesslich materieller Natur, vermittelt über das genetische Material, die DNA, und andere materielle Strukturen. 7 Der Geist, unser Denken und Fühlen, sitzt im Kopf und ist nichts als Gehirnaktivität. Wenn wir einen Baum betrachten, ist das Bild, das wir sehen, nicht da draussen, wo es zu sein scheint, sondern innen, im Gehirn. 8 Erinnerungen sind als materielle Spuren im Gehirn gespeichert und werden beim Tod gelöscht. 9 Unerklärliche Phänomene wie Telepathie sind reine Einbildung. 10Mechanistische Medizin ist die einzig wirksame Medizin. Rupert Sheldrake: Der Wissenschaftswahn – warum der Materialismus ausgedient hat. O.W. Barth, 2012. 491 S. Fr. 35.90. Auch als Taschenbuch erhältlich. Grundlagenwerk der Wissenschaftskritik.
...Frauen und Männer sich global verschwören würden, alle Hierarchien abzuschaffen?
... die Nationen sich im Rahmen der UNO auf Abrüstung einigen würden?
N
ach einer jahrzehntelangen Phase desaströser Kriege und Bürgerkriege waren die Nationen der Welt im Jahr 2035 endlich so weit, eine globale Abrüstung einzuleiten. Die UN-Generalversammlung verabschiedete eine Konvention zur Abschaffung aller nationalen Streitkräfte. Alle UN-Mitgliedsstaaten verpflichteten sich, innerhalb einer Übergangsphase von 15 Jahren den Personalbestand ihrer Armeen bis auf null zu reduzieren und die Militärausgaben zurück-
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zufahren. Die frei werdenden Gelder sollten in Klimaschutz, Bildung und Gesundheit investiert werden. Ein Teil davon sollte an eine «stehende» Friedenstruppe unter direktem UN-Kommando gehen, die bei aufflammenden Konflikten für Frieden und Sicherheit sorgen würde. Im Jahr 2050 wussten Millionen von Schulkindern nicht mehr, was das Wort «Krieg» bedeutet. US
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Schwerpunkt
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... sich alle an die Goldene Regel hielten?
D
ie «Goldene Regel» ist eine ganz einfache Regel, ein Grundgesetz von gegenseitigen Respekt und Vertrauen. Sie besagt: «Behandele andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest.» Wenn du dir Empathie wünschst, dann empfinde bitte Mitgefühl auch mit anderen, egal woher sie kommen und was sie denken und empfinden. Diese Regel ist weltumspannend, es gibt sie in praktisch allen Religionen, Philosophien und Kulturen. Deshalb ist sie das ideale Grundgerüst für eine globale Ethik – worauf auch das vom Theologen Hans Küng gegründete «Projekt Weltethos» hinweist. Konfuzius (551–479 v. Chr.) hat die Goldene Regel so formuliert: «Was du selbst nicht
wünschst, das tue auch anderen nicht an.» In einer Grundlagenschrift des Hinduismus heisst es: «Man soll niemals einem Anderen antun, was man für das eigene Selbst als verletzend betrachtet.» Einer von Buddhas Aussprüchen war: «Was da für mich eine unliebe und unangenehme Sache ist, wie könnte ich das einem anderen aufladen?» In der jüdischen Tora heisst es: «Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst.» Und: «Tue nicht anderen, was Du nicht willst, das sie Dir tun.» Im neuen Testament der Bibel spricht Jesus: «Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!» Es heisst dort auch: «Liebe dei-
nen Nächsten wie dich selbst.» Im Islam besagt Hadith 13: «Keiner von euch ist gläubig, solange er nicht für seinen Bruder wünscht, was er für sich selbst wünscht.» Und in der Zeit der Aufklärung schrieb Kant den «Kategorischen Imperativ» nieder, der in einen einfachen Reim übersetzt so klingt: «Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.» Was also wäre, wenn wir uns alle daran hielten? Dann könnten wir in Frieden auf Erden leben, egal was wir glauben oder ob wir überhaupt glauben. Offenheit und Toleranz wären die Regel; Hass, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt würden verschwinden. US
... die Kinderinitiative «Plant for the Planet» ihr Ziel erreichen würde, eine Billion Bäume zu pflanzen?
... Benzin als wertvolles Weltnaturerbe geschützt würde?
... die direkte Demokratie der Schweiz erweitert würde?
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ossile Energieträger wie Öl, Benzin, Kohle oder Gas sind aus Lebewesen entstanden. Abgestorbene Pflanzen und Tiere wurden im Laufe von Jahrmillionen unterirdisch extrem zusammengepresst. Würden wir etwa Öl aus menschlichen Körpern verfeuern? Natürlich nicht. Aber gegenüber biochemisch transformierten Baumresten und Saurierknochen empfinden wir so wenig Respekt, dass wir sie verfeuern bis zum letzten Tropfen. Dabei ist Öl ein extrem wertvoller Stoff – unverzichtbar für die Herstellung einer Unzahl von Gebrauchsgütern und Medizinprodukten. Wenn alle Ölquellen von der UNESCO als Weltnaturerbe unter Schutz gestellt würden, würde dem Stoff endlich der gebotene Respekt entgegengebracht – und nebenbei das Weltklima gerettet.
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ämlich mit dem Konsensualisierungsprinzip. Wenn etwa das «Vollgeld» oder das bedingungslose Grundeinkommen zur Volksabstimmung stehen, dann gäbe es statt Ja oder Nein mehrere Zwischenstufen, die auf dem Stimmzettel angekreuzt werden könnten, beispielsweise mit einer Skala von 1 bis 10 – von «stimme überhaupt nicht zu» bis «stimme 100% zu». Zweifler und Skeptikerinnen könnten ihren Zweifeln Raum lassen, Grautöne würden zugelassen, die Demokratie würde lebendiger und reichhaltiger.
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Was wäre wenn?
... das Glück oberstes Ziel allen Wirtschaftens wäre?
Ein Tagtraum von Ute Scheub
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ie Volksabstimmung im Jahre 2020 war ein unvergesslicher historischer Moment, der die kleine Schweiz ins Zentrum des Erdgeschehens rückte. Auf dem Bundesplatz in Bern traten sich die Fernsehteams aus aller Welt auf Zehen und Pfoten: Schliesslich war die Schweiz das erste westliche Land, das in seiner Verfassung Glück und Gemeinwohl als oberstes Ziel allen Wirtschaftens festschrieb. So etwas in diesem Staat mit seinen Grossbanken, Chemiekonzernen, Rohstoffunternehmen? Das Erstaunlichste war, dass sich auch ein Grossteil der Schweizer Unternehmen für diese Kehrtwende eingesetzt hatte – vor allem diejenigen, die reale Produkte herstellten und die Nase voll hatten von labilen Verhältnissen und spekulativen Blasen, aus denen die Finanzindustrie ihre Profite zog. Ein ganz neues Bündnis jenseits von «rechts» und «links» entstand. Als Mitbegründerin der ökosozialen Genossenschaft «Chrüsimüsi» schloss ich mich natürlich der neuen zivilgesellschaftlichen «Glücksallianz» an. Inzwischen sind wir offizielle Berater der Regierung. Je näher die Volksabstimmung rückte, desto schriller wurden die Stimmen aus der Finanzwirtschaft: Not und Elend greifen um sich! Alle Unternehmen fliehen, das Land entvölkert sich! Irgendwann liess der Chef von Economiesuisse in allen Städten und Bahnhöfen grossformatige Bilder plakatieren, die zeigten, wie die nordkoreanische Armee in der Schweiz einmarschiert, Diktator Kim Jong-Un den Kommunismus einführt und sämtliche Vorräte an Schweizer
Käse beschlagnahmen lässt. Die Bildlegenden suggerierten, das sei aus Rache für Kim JongUns die Demütigung geschehen, ein gescheiterter Schüler der Schule Liebefeld Steinhölzli bei Bern gewesen zu sein. Das war nun wirklich zu dick aufgetragen. Das halbe Land lachte den Wirtschaftschef aus, eine «Initiative der barmherzigen Brüder und Schwestern» schenkte ihm einen Gutschein für einen Erholungsurlaub in einem Tessiner Luxushotel. Letztlich trug sein hysterischer Aufschrei sogar zum Sieg der Initiative bei: 67 Prozent der Schweizer Bevölkerung stimmten dafür, dass sich die Wirtschaft am Bruttoinlandsglück und nicht länger am Bruttoinlandprodukt orientiert. Danach entbrannte die Debatte, wie dieses Ziel am besten zu erreichen sei. Nach der Methode von Bhutan? Der kleine Himalayastaat hatte weltweit als erster das Bruttonationalglück seiner Bewohner als Ziel in seine Verfassung aufgenommen. Seitdem ziehen Beauftragte seiner Glücksbehörde alle zwei bis drei Jahre mit einem umfangreichen Fragebogen von Haus und Haus. Sie fragen, ob die Leute glücklich sind in ihrer Kommune oder zufrieden mit der Gesundheitsversorgung, der Schule ihrer Kinder, der Regierung. Manche schlugen das Modell nun auch für die Schweiz vor, andere fanden das nicht so witzig: Die Daten könnten für eine gigantische Gesinnungsschnüffelei missbraucht werden. Unsere «Glücksallianz» einigte sich schliesslich auf strikt anonymisierte Umfragen. Und
zusätzlich dazu auf einen Totalumbau des Wirtschaftsrechts: Verbot von Aktiengesellschaften und Hegdefonds; strikte Kontrolle von Unternehmen, ob sie nach ökosozialen Kriterien wirtschaften; Einschränkung von Börsenspekulation und Geldschöpfung der Banken; Förderung von Genossenschaften, Sozialunternehmen und Gemeinwohlbetrieben. Nach und nach ersetzte Kooperation Konkurrenz, der Zeitwohlstand den Geldwohlstand, und Wertschätzungsketten wurden wichtiger als Wertschöpfungsketten. Die globalisierte Güterproduktion relokalisierte sich wieder, Schweizer Uhren wurden nicht länger in China hergestellt. Alle Produktionsweisen kamen auf den Prüfstand, ob sie Mensch und Natur schädigen oder heilen. Viele Betriebe bauten schnell um – um einer Schliessung zuvorzukommen. Der Ökoanbau erblühte, in entvölkerten Bergdörfern enstanden neue Arbeitsplätze. Sämtliche Institutionen – betriebliche, staatliche und kommunale – wurden enthierarchisiert und demokratisiert, weil Mit- und Selbstbestimmung glücklich macht. In Spitälern hatten Ärzte endlich wieder Zeit für Kranke. Im Bildungssystem stand die Potenzialentfaltung der Menschen im Mittelpunkt – denn nichts macht glücklicher, als die eigenen Kräfte und Möglichkeiten zu spüren. Und der Chef von Economiesuisse? Er wollte ja unbedingt Millionär bleiben. Nun besass er Zeitwohlstand im Überfluss und wurde ZeitMillionär im Tessin.
... Selbstorganisation und dezentrale Selbststeuerung in allen Institutionen und Unternehmen Grundprinzip würden?
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Was wäre wenn?
... eine Woche ohne Handy
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as Handy ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Ich tue es doch, denke es weg und stelle mir vor, was wäre, wenn aus irgendeinem Grund für eine Woche sämtliche Mobiltelefone ausfallen würden? Wie ungewohnt wäre der Anblick eines Zugabteils, in dem alle in Zeitungen, Bücher oder aus dem Fenster blickten, aber niemand in ein Gerät. In den Restaurants würden die Leute wieder miteinander plaudern, ohne zwischendurch einen Blick auf das Handy zu werfen oder es in die Gespräche zu integrieren. Um eine Schreibweise nachzuschauen, ein Fremdwort zu übersetzen oder an eine Information zu gelangen, müssten wir die Lexika und Duden aus den Regalen hervorholen, wenn sie denn noch da sind. Wahrscheinlich würden wir durch den offenen Blick in unsere Umgebung Details entdecken, denen wir lange keine Beachtung mehr geschenkt haben. Vieles würde langsamer ablaufen. Vielleicht würden wir uns wieder vermehrt einer Sache nach der anderen widmen, würden uns Zeit für die Wahrnehmung lassen, was um uns herum ist. Und vielleicht würden wir alle wieder mehr zur Ruhe kommen. So frei uns das Handy einerseits macht und so vielfältig seine Möglichkeiten sind, so abhängig hat es uns andererseits gemacht. Das wird spätestens dann spürbar, wenn wir es zu Hause liegen lassen. Plötzlich sind wir nicht mehr so frei, wie wir dachten und merken, wie viel von unserem Alltag an diesem kleinen Gerät hängt. Wer weiss, vielleicht hätten wir uns nach einer Woche an die neue, vergessen gegangene Freiheit so gewöhnt, dass wir sie gegen kein Handy der Welt mehr eintauschen würden. Alma Pfeifer
Was wäre wenn
Was wäre wenn nur ein Mensch der Mensch dem Menschen wäre
Peter Saphiro Krabichler Der Autor (*1948) hat Chemie und Kirchenmusik studiert und ist seit seiner Pensionierung vielseitig künstlerisch aktiv.
Peter Fahr
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Was wäre wenn?
... Haschisch legal wäre
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m 14. Februar 1925 beschlossen die Teilnehmer der Genfer Opiumkonferenz ein globales Cannabisverbot. Auf dieser Konferenz ging es, wie ihr Name sagt, eigentlich um Opiate. Dass Cannabis überhaupt zur Sprache kam, bewirkte der ägyptische Delegationsleiter El Guindy. Er stellte auf der Basis dünner wissenschaftlicher Daten den Antrag, Cannabis auf die Liste der kontrollierten Substanzen zu setzen. Nach einer kurzen Diskussion und ohne dass Experten angehört worden wären, wurde der Antrag angenommen. Das war vor allem eine Geste des Wohlwollens gegenüber Ägypten, die meisten Ländervertreter interessierte Cannabis damals nämlich überhaupt nicht. Später wurde die Massnahme als «Lösung ohne Problem» beschrieben. Was wäre geschehen, wenn die Abstimmung anders gelaufen wäre? Wenn sich zum Beispiel die pharmazeutische Industrie bei ihren Delegationen gegen das Verbot eingesetzt hätte, wie sie es bei der ersten Internationalen Opiumkonferenz 1911 in Den Haag getan hatte? In den USA herrschte seit 1920 die Alkoholprohibition: Alkohol als Genussmittel war im ganzen Land verboten. Schon bald wurde jedoch klar, dass die Massnahme grosse Probleme mit sich brachte: Der illegale Handel und die damit verbundene Kriminalität mit Alkohol blühten, die Kosten, das Verbot durchzusetzen, waren enorm. Zudem fehlten dem Staat die Einnahmen aus der Alkoholsteuer. Hinter dem Alkoholverbot stand eine grosse Mehrheit der Frauen, die 1920 das Stimmund Wahlrecht erhalten hatten. Die Gründe
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von Roger Liggenstorfer
waren naheliegend: Frauen und Kinder waren die Leidtragenden des übermässigen Alkoholkonsums der Männer. Wenn Cannabis an der Opiumkonferenz nicht verboten worden wäre, hätten Frauen ihren Männern anstelle des verbotenen Alkohols das träge machende und friedlich stimmende Cannabis schmackhaft machen können. Mit überraschenden Folgen: Von den USA ausgehend, wird Cannabis anstelle von Alkohol ein weltweit akzeptiertes Genussmittel. Statt der Rebberge an den Hängen des Bieler-, Neuenburger- und Genfersees sind dort bald lauter Hanffelder zu sehen. Die Eidgenössische Hanfverwaltung erhebt die Hanfsteuer, die wesentlich die AHV unterstützt. Auf Empfängen und Ausflügen nippen unsere Bundesräte nicht an Weissweingläsern, sondern saugen an mit bestem Haschisch gefüllten Wasserpfeifen. Der Joint nach dem Essen ersetzt die Vieille Prune – nicht nur bei offiziellen Diners von Politikern und Geschäftsleuten, auch in Restaurants sind dafür spezielle Kifferräume vorgesehen. Coq au vin und Egli im Bierteig werden nicht mehr serviert, dafür sind Hanfguetzli beliebt. An Dorffesten kiffen sich junge Männer gegenseitig «unter den Tisch». Ganz Mutige stimmen leise «Trink, trink, Brüderlein trink» an. Das Lied gilt als illegale Aufforderung zum Alkoholkonsum. Der Grossteil der Bevölkerung gehört zu den Genusskiffern, die sich hin und wieder einen Joint gönnen, aber es gibt auch Leute, die den Haschischkonsum nicht im Griff haben. Die Polizei greift jedes Wochenende junge Kampfkiffer auf. Der Umgang mit ihnen ist aller-
dings viel einfacher als mit unberechenbaren Betrunkenen. Im schlimmsten Fall lachen sie lange und laut. Frühere Ausnüchterungszellen werden in der Folge schallisoliert. Die Polizei verweist Problemfälle an Fachleute oder Selbsthilfegruppen wie die AK, die Anonymen Kiffer. Weil der Konsum von Cannabis bei vielen Leuten Heisshunger nach Süssem auslöst, nimmt der Verkauf von Süsswaren enorm zu. Sporadische Vorstösse, den Cannabiskonsum zu verbieten, werden von der «Vereinigung der Schokoladenhersteller gegen die Bevormundung der Bürger» bekämpft und im Keim erstickt. Die Alkoholiker auf der Gasse kommen natürlich trotz Verbot an ihren Stoff. Jedes Jahr sterben einige Dutzend an verunreinigter, gepanschter Ware – deutlich weniger als die heute rund 5000 Alkoholtoten pro Jahr in der Schweiz. Auf den ersten Cannabistoten wartet man immer noch. Über die Vorkehrungen gegen das Alkoholtrinken sind sich die Politiker uneinig. Während die Rechte selbst gegen den Genuss von Light-Bier mit aller Härte vorgehen will, fordert die Linke ein Ende der Repression und die Einrichtung von sogenannten Säuferstüblis.
Roger Liggenstorfer ist Gründer und Leiter des Nachtschattenverlags in Solothurn, der Bücher über Drogenfragen veröffentlicht. www.nachtschatten.ch
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Schwerpunkt
Was wäre wenn?
... nichts Digitales mehr funktionierte von Annette Jensen
I
ch schreibe diesen Text auf einer mechanischen Schreibmaschine, die ich auf dem Dachboden meines Onkels gefunden habe. Kein Mensch kann mir sagen, wann mein Computer wieder läuft. Seit einer Woche funktioniert so gut wie nichts mehr in der Stadt – und auch in den umliegenden Regionen herrscht Chaos. Alle Gerätschaften mit digitalen Komponenten sind ausgefallen. Warum? Unsere Bürgermeisterin stotterte bei einer Versammlung von defekten Komponenten und intensiven Prüfungen, die sie eingeleitet habe. Aber wie will sie prüfen, wenn nicht einmal mehr Telefone funktionieren und kaum noch jemand in seinem Büro ausharrt? Die wüstesten Spekulationen sind im Umlauf. Eine Frau mit zwei Eimern, die mit mir und Dutzenden anderen an der Pumpe auf dem Kinderspielplatz anstand, um Wasser zu ergattern, sprach von einem ungewöhnlich starken Sonnensturm. Mein Friseur zitierte Nostradamus und neue Erkenntnissen über das Ende des Mayakalenders. Dagegen schwor mein Nachbar, einen Blitz gesehen haben, und
Ein Mädchen zeterte stundenlang: Meine FacebookFreunde, wo sind meine Facebook-Freunde, ich will meine Freunde wiederhaben! raunte etwas von einer Magnetbombe. Sofort spürte ich den Impuls, im Internet zu recherchieren. Das aber ist ja genauso tot wie Radio und Fernseher.
• Man weiss nie, was daraus wird, wenn die Dinge verändert werden. Aber weiss man denn, was daraus wird, wenn sie nicht verändert werden? Elias Canetti
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Die Regale beim türkischen Gemüsehändler sind inzwischen so gut wie leer; er wird wohl morgen dicht machen wie fast alle anderen Läden. Die beiden Söhne hatten den Betrieb mit Handwaage und Rechenblock aufrecht erhalten. Die Leute raffen panikartig zusammen, was sie noch kriegen können. Auch ich habe ein paar Vorräte angelegt – ein paar Dosen Tomaten, Hirse, Bohnen, Reis, H-Milch, so viel wie ich für das Geld in meinem Portemonnaie noch kaufen konnte. Die Bankschalter haben geschlossen, die Automaten spucken keine Scheine mehr aus, mein Sparschwein
ist leer. Ich hoffe inständig, dass das üppige Honorar, das ich im vergangenen Monat verdient habe, bald auf einem Bildschirm aufleuchtet und alles wieder ist wie früher. Die Kassiererinnen vom Supermarkt an der Ecke haben am zweiten Tag alle Milchprodukte und Tiefkühlwaren verschenkt. «Jeder darf sich bis zu fünf Packungen aussuchen», verkündeten sie. Doch plötzlich tauchte ein Trupp mit Lastenrädern auf, schubste die Wartenden beiseite und räumte den Laden leer. Mehrere Leute wurden hysterisch, es gab eine Schlägerei, ein Junge wurde verletzt. Jemand rannte zur Polizeiwache, aber als zwei Uniformierte eintrafen, war die Bande längst verschwunden. «Wir sind total unterbesetzt», klagten die Beamten; ihre pendelnden Kollegen hätten sie seit Tagen nicht mehr gesehen. «Wahrscheinlich graben die längst den englischen Rasen in ihren Vorgärten um und bereiten Gemüsebeete vor», feixte ein Glatzkopf. Auch die Polizisten konnten uns nicht sagen, wie gross das Gebiet ist, das vom Digitalausfall betroffen ist. An vielen Stellen sieht man jetzt eingeschlagene Fensterscheiben, manche Menschen verbarrikadieren sich in ihren Häusern und gehen nur noch mit Schaufeln oder gusseisernen Pfannen bewaffnet auf die Strasse. Überall hocken Leute und starren ungläubig auf ihre erloschenen Smartphones, ein Mädchen zeterte stundenlang: «Meine Facebook-Freunde, wo sind meine Facebook-Freunde, ich will meine Freunde wiederhaben.» Nachts ist die Stadt wie ausgestorben und stockfinster. Nie habe ich einen so wunderbaren Sternenhimmel gesehen. Allerdings haben sich einige Strassenkreuzungen zu Treffpunkten entwickelt, auf den Fahrbahnen brennen Lagerfeuer, die Leute machen Musik und tanzen. Busse und Autos fahren ja seit letzter Woche eh nicht mehr, nur ein paar Trabis und Oldtimer tuckern ab uns zu vorbei. Sogar eine Pferdekutsche habe ich schon gesehen. Viele Leute sind jetzt mit dem Fahrrad unterwegs. Manche kramen den letzten Schrott aus ihren Kellern hervor und versuchen, ihn wieder fahrtüchtig zu machen. Mein Radhändler hat mir erzählt, dass seine Werkstatt völlig überfüllt sei. «Die Leute bringen Kerzen und grosse Ta-
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schenlampen mit, damit meine Mechaniker auch am Abend weiterarbeiten können», berichtete er. Die Männer mit den strammen Waden, die normalerweise Touristen mit ihren Rikschas zu den Sehenswürdigkeiten gondeln, sind jetzt wohl grösstenteils im Krankentransport eingesetzt, hab ich gehört. Gestern kam ein historischer Zug aus dem Eisenbahnmuseum am Hauptbahnhof an und
Eine Frau kündigte an, dass an einer Stadtwährung gearbeitet wird; jeder soll 200 Digitalfreie als Startkapital bekommen. qualmte die ganze Halle voll. Ich war zufällig in der Nähe und habe mit dem Lokführer gesprochen. Er schimpfte, dass die Regierung ihn zwangsverpflichtet habe, Schulklassen aufs Land zu bringen, weil dort die Versorgungslage besser sei. «Aber auch in der Umgebung funktioniert rein gar nichts mehr», berichtete er. Ich hab ihn mit zu mir nach Hause genommen, weil er so verzweifelt aussah und nicht wusste, wo er schlafen sollte. Als ich meinen letzten Tofu mit ihm teilte, fing er an zu weinen und erzählte, dass alle Schweine in der Mastanlage seines Schwagers erstickt seien - die Lüftungsanlage im Stall habe nicht mehr funktioniert. «Erwin hatte Angst, die Viecher rauszulassen: Sie hätten sich bestimmt alle sofort eine Lungenentzündung geholt oder einen Herzinfarkt erlitten», erzählte er. Nun aber seien alle tot und ein unerträglicher Verwesungsgeruch läge über dem Dorf. Auf dem Platz vor dem Rathaus hat sich ein Markt entwickelt. Gaskartuschen für Campingkocher sind nur noch zu Mondpreisen zu bekommen. Zum Glück habe ich noch ein paar Flaschen Brennspiritus für meinen Trangia-Herd, den ich immer zum Zelten mitnehme. Vieles wird inzwischen getauscht – Babywindeln gegen Zigaretten, Schmuck gegen Trockenfrüchte. Heute fuhr ein Opa mit einem alten Trecker vor. Er hatte Möhren, Kartoffeln und Steckrüben geladen. Wer kein Geld mehr hatte, hat ihm alles Mögliche dafür angeboten. Auf dem Anhänger hab ich nachher einen Seesack, Edelpralinen, ein Thermometer und einen Hut gesehen. Einer Frau mit drei kleinen Kindern hat er aber auch einen Sack voll Lebensmittel geschenkt. Die Gänge im Rathaus hängen voll mit schwarzen Brettern mit Gesuche und Angeboten, wo sich aber auch vielfältige Arbeitsgruppen organisieren. Mittags um 12 Uhr werden jetzt aus dem zweiten Stock des Rathauses Nachrichten mit dem Megafon verbreitet. Wer etwas mitzuteilen hat, kann vorher in den Bürgersaal kommen. Gestern hat eine Frau angekündigt, dass an einer Stadtwährung gearbeitet wird; jeder soll 200 Digitalfreie als Startkapital bekommen. Ich habe mich als Freiwillige gemeldet, hab
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ja jetzt Zeit. Die Scheine sollen wir aus buntem Kopierpapier herstellen. Die Zehner sind blau und bekommen einen Stempel aus dem Jugendamt, die Einer sind gelb und haben einen Aufdruck von der Autozulassungsstelle. Übermorgen wird die Verteilung beginnen. Weil die Daten über die Einwohner in den Tiefen der Computer verborgen sind, werden wir eine handschriftliche Liste führen müssen. Immerhin haben wir im Rathaus auch abends Licht. Ein Techniker hat die Wechselrichter der Solaranlagen auf dem Dach abgeklemmt und Leitungen zu den Autobatterien gelegt, die viele Bürger vorbeigebracht haben. Auch ich habe das Ding gestern aus meinem Polo ausgebaut und im Trauzimmer abgestellt, das der Hausmeister zur Energiezentrale umfunktioniert hat. Der Gleichstrom aus den Batterien speist jetzt einige LED-Lampen, von denen der Techniker die Transformatoren abgebaut hat. Damit Bewohner von Häusern mit eigenen Solaranlagen das nachmachen können, gibt es bald Workshops in der Volkshochschule. Zudem sollen Anleitungen für einfache Überlebenstechniken verfasst und verteilt werden. Heute wurden dafür schon drei Matrizendrucker aus dem Institut für Technikgeschichte geliefert. Vordringlich ist der Bau von Plumpsklos. Aber auch andere Fähigkeiten sind gefragt: Ein nahegelegener Grossviehbetrieb bietet Kost und Logis an für Menschen, die mindestens fünf Kühe am Tag melken können. Ein Mann, mit dem ich heute tausende von Scheinen gestempelt habe, meinte allerdings, dass die Euter moderner Kühe nicht mehr mit der Hand zu leeren seien. Wie rasch sich das Leben verändert hat. Nur eine Woche ist es her, seit alles losging. Ich war damals gerade in meinem Sportstudio auf dem Laufband. Ich knallte gegen die Armatur, alles war dunkel, einige Leute kreischten. Ein paar Minuten später beleuchtete ein athletischer Mann mit einer Taschenlampe sein grinsendes Gesicht und schlug vor, zur Abwechslung mal draussen gemeinsam zu joggen. Aber wir wollten nicht. Da gäbe es ja keine Möglichkeit, den Kalorien- und Fettabbau zu messen, erklärten wir dem Sportsfreund. Ungeduscht gingen wir nach Hause. Niemand von uns ahnte, wie streng wir alle Bald riechen würden. Annette Jensen lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Berlin.
• Wenn es aber Wirklichkeitssinn gibt, und niemand wird bezweifeln, dass er seine Daseinsberechtigung hat, dann muss es auch etwas geben, das man Möglichkeitssinn nennen kann... So liesse sich der Möglichkeitssinn geradezu als die Fähigkeit definieren, alles, was ebenso gut sein könnte, zu denken und das, was ist, nicht wichtiger zu nehmen als das, was nicht ist. Robert Musil
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... wir nur einen begrenzten Wörtervorrat hätten?
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ürzlich habe ich mir überlegt, wie es wäre, wenn jeder Mensch für sein Leben eine bestimmte Anzahl von Wörtern zur Verfügung hätte. Quasi einen Lebensvorrat an Wörtern. Und jedesmal, wenn er eines sagt oder schreibt, würde ihm eins vom Vorrat abgezogen, und wenn er keine mehr hätte, dann würde der Mensch verstummen. Sie halten die Idee wohl für absurd, aber vielleicht täte es manchen Menschen gut, ein bisschen haushälterischer umzugehen mit ihren Worten und so manches Grossmaul wäre dann einfach vom einen Wort aufs andere still. Und der gegenüber, einer dieser Stillen, einer, der lieber nicht zurückgibt, wenn ihm jemand blöd kommt, einer, der lieber nichts sagt, wenn er traurig ist, der lieber für sich behält, was er im Kopf hat, der würde plötzlich merken, dass der, der ihm immer über den Mund gefahren ist, ja gar nichts mehr hat,
womit er ihm über den Mund fahren könnte, und dass er selber ja noch jede Menge Wörter hat, und endlich hätte er den Mut, seinen eigenen Mund aufzumachen, er würde reden, berichten, er würde ausrufen und erzählen, er würde Dinge in Worte fassen, von denen er bis dahin gar nicht wusste, dass man sie in Worte fassen kann, und alles käme endlich raus — Aber ja, ich weiss, das ist eine schwierige Idee, ich gebe es zu, und natürlich gäbe es Missbrauch. Leute würden ein Geschäft wittern, würden einen Wörterschwarzhandel aufziehen, Politiker würden Gesetze beschliessen gegen den Wörterschwarzhandel und bei all den Debatten würden sie all ihre eigenen Wörter aufbrauchen. Ganz zu schweigen von all den Leuten, die quasi verpflichtet sind, zu reden und zu schreiben und plötzlich verstummen:
Der Pfarrer, dem kurz vor dem «Amen» die Wörter ausgehen. Der Schauspieler, der nur noch sagen kann «Sein oder nicht —», und dann wäre Schluss mit Hamlet. Und ich merke gerade, dass ich bis hierhin auch schon wieder dreihundert Wörter verbraucht habe für diese Geschichte, und mit jedem Wort, das ich jetzt noch schreibe, wirds eins weniger, und ich weiss nicht einmal, ob ich noch genug habe, um diese Geschichte zu einem richtigen Ende zu bringen, und drum — Ralf Schlatter Ralf Schlatter lebt als freier Autor und Kabarettist in Zürich. Für seine Romane und Auftritte erhielt er diverse Preise. Zusammen mit Anna-Katharina Rickert zeigt er als Duo schön&gut poetisches und politisches Kabarett. www.ralfschlatter.ch, www.schoenundgut.ch
Viele Fragen • Was wäre, wenn die vielen Flüchtlinge uns Europäern ein neues «Miteinander leben» bescheren würden?
Gesundheit bemüht, unterstützt durch die Kasse, sinken die Gesundheitskosten erwiesenermassen massiv zum Nutzen Aller.
• Was wäre, wenn wir (auch nur probehalber) ein neues monetäres System einüben?
• Was wäre, wenn Spekulationsgewinne mit mindestens 20 Prozent besteuert und diese Einnahmen zum Sozialausgleich für die Bedürftigen in die Gesellschaft zurückfliessen würden?
• Was wäre, wenn wir in der Schweiz in einigen ausgewählten Gemeinden den Einwohnern ein Grundeinkommen gewähren und dies mit Garantie über drei Jahre? (Vielleicht taucht ein Multimillionär auf, der den Wert des Grundeinkommens zu erkennen vermag und für einen möglichen Verlust geradesteht). • Was wäre, wenn die wirtschaftsorientierten Einwohner den Staat (auch Kantone und Gemeinden) nicht als Gegner, sonder als Freunde behandeln würden, die mithelfen, das Miteinander effizient zu organisieren zum Nutzen aller Beteiligten? • Was wäre, wenn sich eine Krankenkasse auf die Gesundheit ihrer Mitglieder spezialisiert und weniger um hohe Dividenden für ihre Aktionäre kümmert? Je mehr jeder Mensch sich bewusst und ernsthaft um seine
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• Was wäre, wenn ich kein neues Auto kaufe und mein zukünftiges Leben ohne eigenes Auto angehe. Verliere ich oder gewinne ich dadurch – wo liegt hierbei das Risiko?
• Was wäre, wenn ich als Leser, freiwillig und ohne Honorar, zum Gelingen der Zeitung ab und zu einen Artikel schreibe? Oft ist es für den Herausgeber einfacher, einige Korrekturen an einem Text anzubringen, statt etwas ganz Neues erfinden zu müssen. Wenn wir nicht jetzt beginnen, unsere Kräfte zu bündeln, werden wir kein «WENN» je erreichen. Eugen Eigenmann Eugen Eigenmann lebt als Stadtplaner im indischen Ökodorf Auroville
• Was wäre, wenn ich in einem Haus wohne, das auf geliehenem Boden steht? Würde ich dadurch in meinem Lebensgefühl eingeschränkt? Woher nehme ich das Recht, mit dem Stück Erde, auf dem ich wohne, spekulieren zu können, wann immer ich will? • Was wäre, wenn wir jeder Person, der wir heute begegnen, ein Lächeln schenken? Dann hätten wir im Nu viele Menschen glücklich gemacht und die Welt lächelt zu uns zurück.
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was wäre wenn
Was wäre wenn?
... wir Menschen unsere Essenz verstehen würden? von Annette Kaiser Wer bin ich – und wer bist du? Wie wird Leben wissenschaftlich definiert? Und was ist mit dem Unbenennbaren, das in jeder Religion und Kultur unterschiedlich benannt wird?
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ehen wir diesen Fragen auf den Grund, wird zunächst alles unscharf. So ging es jedenfalls mir Mitte dreissig. Als 68erin und Frauenbewegte, engagiert in Politik und der sogenannten Dritten Welt, wollte ich äussere Strukturen verändern. Bald lernte ich: Das reicht nicht, auch das menschliche Bewusstsein muss sich entwickeln! Ich begriff allmählich, dass ich die Wandlung selbst sein muss, die ich so leichtfüssig von den andern einforderte. Dabei merkte ich, dass ich gar nicht wusste, wer ich wirklich bin. Ich beobachtete zwar bestimmte Wirkkräfte in mir, wie Wut oder Eifersucht, wirklich beeinflussen oder kontrollieren konnte ich die aber nicht. Ich verstand auch noch nicht, dass der innere Bewusstseinszustand untrennbar mit meinen alltäglichen Erfahrungen zusammenhängt. Aber ich hörte davon, dass wirkliche Veränderungen möglich sind. Und so machte ich mich ans Eingemachte: erkannte Lichtes und Schattiges in mir, Verdrängtes und Konditioniertes. Im Laufe der Zeit konnte ich diese Seiten von mir besser verstehen und integrieren – das bewusste Menschsein begann zu erwachen. Wer sind wir Menschen in der Essenz unserer Essenz? Individuen, die durch die Gegend laufen und tun, was zu tun ist? Ja, aber wir sind noch mehr: Wir sind göttliche Wesen, die eine menschliche Erfahrung machen. Klingt gut! Aber was bedeutet dies genau? Es bedeutet, einen Sprung vom «ich bin dies und das» zu
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«ich bin». Dabei lassen wir unser Konstrukt aus Rollen, Konditionierungen und Mythen los. Denn alles, womit wir uns identifizieren, bindet Kräfte und schafft Anhaftung. Daraus entstehen Wertungen gegenüber uns selbst und anderen sowie Widerstände gegenüber dem, was gerade ist. Darunter leiden wiederum wir und unsere Mitwelt. Lassen wir los, offenbart sich uns das, was wirklich ist: in unendlicher Liebe leuchtendes, reines Bewusstsein. In dieser Selbsvergessenheit erfahren wir einen unaussprechlich friedvollen Duft – ein Verliebtsein, nur wissen wir nicht, in wen oder was. Sich selbst zu erkennen, ist das grösste Abenteuer für uns Menschen. Was so grossartig daran ist? Ich bin nicht mehr getrennt – weder von dir, noch von der Welt, noch von dem, was keinen Namen hat. Jeder Moment ist eine Einladung ins Jetzt. Und damit beginnt alles zu leuchten, obwohl sich zunächst scheinbar nichts verändert hat. Der Tanz des Lebens wird uns kostbar; jeder Grashalm, jede Giraffe, jeder Mensch, jeder Konflikt und jede Friedensbemühung ist Teil des Einen. Unser Herz ist dabei die eigentliche Wandlungskraft, die alles halten kann.
entstehen. Sie versteht, dass Menschsein in sich sowohl Schöpfer wie Schöpfung vereint, und die heutige Bewusstseins-Entwicklung die Möglichkeit einer Neuen Erde offenbaren kann: den Himmel auf Erden zu verwirklichen. Dies ist keine Utopie, sondern der nächste evolutive Schritt. Annette Kaiser, spirituelle Lehrerin und Leiterin der «Villa Unspunnen» (CH) und der «Windschnur» (D), führt seit 1991 Meditations-Retreats durch in der Schweiz, Europa und Übersee. Sie ist Autorin mehrerer Bücher. Ihre neue Broschüre «Wohin gehen wir? – Eine Welt – Eine Menschheit – Ein Bewusstsein», kann kostenlos auf www.villaunspunnen.ch heruntergeladen werden.
... mindestens die Hälfte der Verhandler an Friedens tischen weiblich wären?
Nicht genau zu wissen, wer wir sind – damit lässt sich gut leben. Besonders, wenn man schon die Erfahrung gemacht hat, niemand zu sein. Wir beginnen, in freiwillig angenommener Verantwortung für das Ganze zu wirken. Daraus kann eine neue Kultur im Miteinander
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... uns der Unterschied zwischen ... wir ehrliche Fahrenden und Sesshaften egal wäre? Produkte hätten
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ir wüssten, dass «Fahrende» ein Sammelbegriff für Jenische, Sinti und Roma ist. Dass sich ihre Kultur so unterscheidet wie die der Spanier, Deutschen und Iren. Wir hätten festgestellt, dass «Fahrende» gar nicht auf Rädern leben, sondern mitten unter uns. Wir hätten die romantisch-verklärten Klischees und die feindlich-rassistischen Vorurteile überwunden. Wir sähen sie als Individuen und nicht als Teil einer Gemeinschaft, über die wir klare Vorstellungen haben. Gäbe es in der Schweiz keinen Antiziganismus mehr, würden wir Jenischen, Sinti und Roma als Nachbarn, Arbeitskolleginnen, als Freunden begegnen. Als Menschen wie Du und ich. Und als solche sprächen wir ihnen alle grundlegenden Menschenrechte zu. Es wäre selbstverständlich, dass sie ihre eigenen Sprachen sprechen dürften und ihre eigene Kultur
pflegen – sei sie fahrend oder sesshaft. Die tatsächlich Fahrenden müssten nicht um Standund Durchgangsplätze kämpfen, während die Sesshaften ihre Identität nicht mehr aus Angst vor Diskriminierung auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt verbergen müssten. Vor allem aber würden wir ihre Anwesenheit als die kulturelle Bereicherung erkennen, die sie ist. Sara Ryser Sara Ryser (27) MA Development Studies, Praktikantin Die Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz setzt sich seit 1989 für verfolgte Minderheiten und indigene Völker ein. Sie dokumentiert Menschenrechtsverletzungen, informiert und sensibilisiert die Öffentlichkeit und nimmt die Interessen der Betroffenen gegenüber Behörden und Entscheidungsträgern wahr. Informationen unter www.gfbv.ch.
... es umverkehrt zuginge?
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m Schnitt ist ein Auto knapp 50 Minuten pro Tag unterwegs. Den Rest steht es still. In der Schweiz gibt es rund 4,4 Millionen herumstehende Vehikel, die zusammengenommen die Fläche der Stadt Zürich brauchen. Und wenn es fährt? Eineinhalb Tonnen «Auto» transportieren im Schnitt rund 100 Kilo «Mensch» für eine durchschnittliche Tagesstrecke von 24,4 Kilometern. Das Auto ist im Schnitt mit 43 Km/h unterwegs und stösst dabei mehr als sieben Kilo CO2 in die Luft. Gleich viel wie ein Brasilianer in einem Jahr. Ist es sinnvoll, das ein Verkehrsmittel das derart suboptimal genutzt wird, so viel Platz besetzt und so viel Energie frisst? Das kommt drauf an was wir wollen. Was wäre zum Beispiel, wenn wir eine effiziente, ökologische und zukunftsweisende Mobilität wollten? Dann müssten wir vom Auto als Hauptverkehrsmittel abkommen. Alternativen gibt es genug.
Dass diese Alternativen gerade wegen dem Autoverkehr nicht immer attraktiv sind, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Ein Grund mehr, findet umverkehR, den Autoverkehr zu reduzieren. Philippe Koch, Hanspeter Kunz
Philippe Koch, Geschäftsleiter und Hanspeter Kunz, Vize-Präsident leben in Zürich und wünschen sich für ihre – nicht gemeinsamen - fünf Kinder eine intakte Umwelt. umverkehR arbeitet seit mehr als 20 Jahren visionär, frisch und unabhängig an einer sinnvollen Mobilität. Der Verein hat mit der Städte-Initiative in zahlreichen Städten erreicht, dass der Autoverkehr reduziert wird. UmverkehR macht wilden, humorvollen Aktionen auf Verkehrsprobleme aufmerksam. Mehr erfahren und unterstützen können sie umverkehR unter: www.umverkehr.ch
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enn die Politik und die Wirtschaft die Forderungen der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) restlos umsetzen würden, dann wären wir arbeitslos – und stolz darauf! Wir hätten endlich erreicht, worauf die SKS seit 1964 hingearbeitet hat: Eine Politik, die zum Wohl der Konsumentinnen argumentiert und entsprechende Vorgaben umsetzt und eine Wirtschaft, die ihre Kundschaft tatsächlich als Könige behandelt. Die SKS arbeitet an einer Schweiz, in der Pferdefleisch nicht als Rindfleisch verkauft wird, in der Geräte nicht vorsätzlich kaputt gehen und in der Ärzte keine unnötigen Medikamente verschreiben und unnütze Operationen durchführen. Die SKS kämpft für eine Schweiz, in der Importprodukte nicht doppelt so teuer sind wie im Ausland, in der Versicherungsvertreter nicht das Blaue vom Himmel versprechen und in der auf Verpackungen der Inhalt und die ökologischen Auswirkungen deklariert sind. Weil Kinder mit Werbung zum Konsum ungesunder Frühstücksflocken verführt werden und der Konsument zum gläsernen Kunden wird, geht der SKS die Arbeit derzeit nicht aus. Raffael Wüthrich
Raffael Wüthrich, Projektleiter für Nachhaltigkeit und Energie. Er spinnt an einem Netz von Repair Cafés. Sie schonen das Portemonnaie und die Umwelt, weil Dinge statt weggeworfen, neu produziert oder repariert werden. www.konsumentenschutz.ch www.repair-cafe.ch Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) ist dank 30‘000 regelmässiger Unterstützerinnen und Unterstützer finanziell unabhängig und nimmt weder von der Wirtschaft noch von der Politik Spenden an.
... wenn Tiere und Pflanzen analog den Menschenrechten gesetzliche Rechte bekämen?
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... ein «Patensystem» für Flüchtlinge verordnet würde?
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enn jeder Flüchtling beim Eintritt in die Schweiz eine Patin oder einen Paten zugeordnet bekommen würde, dann wäre auch Youssef sehr zufrieden. Er würde nicht schier verzweifelt und nervös einen halben Tag vergeuden, um bei «chekes» nachzufragen, wann der wegen eines Behördentermins versäumte Deutschtest nachgeholt werden kann. Die Patin würde ihm sagen, dass die gemeinte Organisation «HEKS» ausgesprochen wird, und dass die immer wieder gewählte Nummer diejenige der Organisation ist, welche die Deutschkurse vermittelt und nicht die der durchführenden Organisation. Für diese Information müsste Youssef nicht auf den Termin beim überarbeiteten Sozialarbeiter in zweieinhalb Wochen warten. Sowieso wäre Youssef viel entspannter. Er würde gelegentlich der stickigen unterirdischen Unterkunft entkommen und mit der Patin, ihrer Familie und dem Familienhund spazieren und plaudern. Youssef würde erstaunt erfahren, dass er sich in der Schweiz keinen solchen Hund halten könnte, ohne einen Kurs zu belegen (Was in ihm wohl die Frage wecken würde, ob auch dieser in der Wohnung Finken tragen müsste, wie er, wenn er jeweils bei der Patin zu Besuch ist). Durch die Patin würde er neue deutsche Wörter lernen, wie
z.B. «Velo», von manchen auch «Fahrrad» oder «Bike» genannt. Welches der drei Wörter er sich merken wollte, müsste er sich noch überlegen. Ausserdem könnte er mit einem Freund der Patin sprechen, einem Wirt, der dringend eine Arbeitskraft in der Küche braucht. Die Patin würde mit ihm besprechen, was bei der Arbeit in einem Schweizer Betrieb wichtig ist, so könnte es klappen mit dem ersten Job beim kennengelernten Wirt. Aber auch die anderen Freundinnen und Freunde der Patin könnten Youssef das Gefühl geben, irgendwie dazuzugehören. So hätte ihm das Konzert, zu welchem er vom besten Freund der Patin und dessen Fussballkollegen mitgenommen worden wäre, sehr gefallen. Er wäre froh zu sehen, dass sogar die Schweizer sich manchmal auf die Füsse treten. Vor allem täte ihm aber die Ablenkung gut. Die langen, einsamen Abende in der Notunterkunft lassen nämlich so viel Raum für Sorgen und dunkle Gedanken. Am allerschönsten fände Youssef aber sicher, wenn er jeweils bei der Patin und ihrer Familie zum «Znacht» eingeladen wäre (auch wenn der geschmolzene Käse ihm nur mässig schmecken würde). Er würde finden, dass es heimelig bei der Patin sei, warm und friedlich. Manchmal
würde er auch seine beiden besten Freunde und Landsleute aus der Unterkunft mitbringen dürfen. Dann würde er das Gefühl bekommen, dass er das alles packen kann, hier in der Schweiz. Mit seinen Freunden, mit denen er seine Kultur und Sprache bewahren kann, und mit der neuen Patenfamilie, die ihm den schwierigen Weg in die Zukunft in der Schweiz ebnen würde. Silrana Menzli
Silvana Menzli ist Verantwortliche Information und Kommunikation bei der Kirchliche Kontaktstelle für Flüchtlingsfragen (KKF). Als Youssef an diesem Novembertag verzweifelt anrief, fand sie, dass ein national verankertes Patensystem eine wunderbare Sache wäre. Die KKF ist eine Fachstelle im Asyl- und Integrationsbereich, welche von den Staatskirchen und vom Kanton Bern getragen wird. Die Organisation unterstützt vorläufig aufgenommene Menschen und berät Fachpersonen des Asylbereichs. Bernerinnen und Berner, denen die Vorstellung eines Patensystems gefällt, können im Rahmen des KKF-Projekts «Flüchtlinge zum Essen einladen» Eigeninitiative zeigen und mit einem gemeinsamen Essen beginnen (Anmeldungen an info@kkf-oca.ch).
... die globalen Nachhaltigkeitsziele erreicht würden?
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nde September wurden die neuen, globalen Nachhaltigkeitsziele beschlossen (Sustainable Development Goals, SDG). Dafür hatten wir uns mit unserem generellen Konsultativstatus bei der UNO, den wir als einzige Schweizer NGO innehaben, erfolgreich engagiert. Jetzt beginnt die Umsetzungsarbeit. «Biovision kämpft auf internationaler Ebene, in Afrika aber auch in der Schweiz dafür, dass die Nachhaltigkeits-Agenda nicht zum Papiertiger verkommt», sagt Biovision-Präsident Hans Rudolf Herren. Gesunde Menschen, Tiere, Pflanzen und eine intakte Umwelt sind Ziel in allen Projekten. Dieser ganzheitliche Ansatz ist die Basis, um Hunger und Armut zu eliminieren und kommenden Generationen einen gesunden Planeten zu hinterlassen. Mit der Agenda 2030 und den SDGs hat unser ganzheitlicher Ansatz eine global anerkannte Marschroute bekommen. Hinzu kommt, dass unsere
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Vision nicht einfach ein frommer Wunsch, sondern konkret und realistisch ist – weiter wie bisher ist keine Option! Die Umsetzung bleibt allerdings eine Herausforderung. Viele partikuläre Interessen kommen unter Druck, wenn zum Beispiel eine grundlegende Veränderung der globalen Landwirtschaft in die Tat umgesetzt werden soll. Regierungen, Grosskonzerne und Grossgrundbesitzer müssen ihre «Businesspläne» überdenken. Aber auch als KonsumentInnen sind wir gefordert, an dem Kurswechsel teilzunehmen. Sicher ist, dass degradierte Böden, Verlust an Biodiversität, Klimawandel und wachsendes menschliches Elend letztlich uns alle in eine Sackgasse führen werden. Und dies nicht erst in ferner Zukunft. Immerhin sind wir mit unserem Ansatz nicht ganz allein: UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon sagt
in seinem neusten Bericht zur nachhaltigen Ernährung: «Es ist möglich, die Nahrungsmittelproduktion nachhaltig zu erhöhen, so dass alle Menschen ernährt werden können». Er weist aber gleichzeitig darauf hin, dass die Weltgemeinschaft jetzt handeln muss. Dann schafft die Vision einer Welt ohne Hunger und Armut den Schritt in die Realität. David Fritz, Biovision
David Fritz ist Leiter für Kommunikation und Kampagnen bei Biovision Die Stiftung Biovision bekämpft Armut undHunger und setzt sich weltweit für die Anwendung agrarökologischer Methoden ein (www.biovision.ch)
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... die Städte zu Gärten würden?
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inkauf beim Grossverteiler: Ich erfahre nicht viel über die Peperoni, die ich mir heute Abend in den Salat schnippeln werde. Preis: 3.70 Fr.; Herkunft: Spanien; Anbau: Gewächshaus. ausserdem die Adressen von Produzent und Lieferant. Mehr brauche ich als Stadtmensch nicht zu wissen über die Produktion der durchschnittlich 870kg Lebensmittel, die ich jährlich verspeise. Und selbst wenn ich mehr Informationen wollte, wo würde ich sie finden? Der südspanische Herkunftsort meiner Peperoni liegt immerhin 17 Autostunden von meinem Zuhause entfernt. Aber auch in die Gewächshäuser, Schlachthöfe oder Ställe in Velo-Distanz verschlägt es mich selten. So geniesse ich also meinen aussersaisonalen Couscous-Salat mit spanischer Peperoni, Schweizer Gewächshaus-Gurke und leckeren Käsewürfeln. Und erinnere mich nur vage an den Zeitungsartikel über papierlose Erntehelfer, die in Bretterverschlägen schlafen und stets in der Angst leben, aus Spanien ausgewiesen zu werden. Oder an den Radiobeitrag, der erklärt hat, wieso das Düngen und Heizen im hors-sol Anbau
so viel fossile Energie verschlingt. Oder an die Doku, in der von Milchkühen die Rede war, die aufgrund ihrer erzwungene Milchleistung stets an Infektionen leiden – und die zu einem guten Teil mit brasilianischem Soja ernährt werden. Als Stadtmenschen wissen wir wenig darüber, wie und mit welchen Konsequenzen unsere Lebensmittel hergestellt werden. Muss das so sein? Was wäre, frage ich mich, wenn die Städte zu Gärten würden? Und wir Städter zu Gärtnern? Wenn in den Parks Obstbäume stünden, sodass wir die Apfelsaison erleben können und nicht nur die Apfel-Aktion im Coop? Wenn Gemüse in den städtischen Blumenbeeten wüchse, sodass alle wüssten, wie eine Broccolipflanze aussieht, bevor sie in Plastik verschweisst im Regal landet? Wenn wir Pilze züchteten im Keller und Bienen hielten auf dem Dach, wenn wir im Hinterhof Abfälle kompostierten und zwischen den Häuserzeilen Gemüse kultivierten? Wenn wir anfingen, uns für unsere Lebensmittel zu interessieren und Beziehungen aufbauen zu jenen, die sie produzieren? Meine Salate, so viel ist sicher, würden nie mehr die gleichen. Manuela Zeller
Dachgarten in Berlin. Foto: Matthias Walendy aus «Stadt der Commonisten». 2013 Transcript Verlag. Manuela Zeller arbeitet im Urban Agriculture Netz Basel Infos und Mitmachen: www.urbanagriculturebasel.ch www.facebook.com/urban.agriculture.basel
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Das Experiment von Wörgl Ein Weg aus der Wirtschaftskrise Fritz Schwarz
Sergius Golowin – Aufbruch ins psychedelische Zeitalter Erik Golowin
Octagon Die Suche nach Vollkommenheit Hans Thomas Hakl
Die Aktivitäten der Künstler, Nonkonformisten und Hippies brachten in der Schweiz zahlreiche Entwicklungen ins Rollen. Was trieb die Menschen an, aus den gesellschaftlichen Strukturen der Spießbürgerwelt auszubrechen? Sergius Golowin sah in der kulturellen Gegenrevolution den Beginn einer neuen Zeit.
... im Spiegel einer re l i g i o n s w i s s e n schaftlichen, philosophischen und im besonderen Maße esoterischen Bibliothek. Hans Thomas Hakl lässt in seinen gesammelten Aufsätzen bewusst auch Autoren zu Wort kommen, die gegen die herrschende wissenschaftliche Meinung gehen, Widerspruch bei anderen Mitschreibern auslösen können.
272 Seiten, kartoniert mit Klappen ISBN 978-3-944615-28-8, 16,90 €
488 Seiten, gebunden ISBN 978-3-935164-07-8, 49,80 €
Telefon: +49 (0) 61 54 - 60 39 5-0 Ȉ Fax: -10 E-Mail: info@syntropia.de
32 Jedes lieferbare Buch versandkostenfrei (in DE)
pia.de
92 Seiten, mit Abbildungen, kartoniert ISBN 978-3-9810894-5-5, 10,01 €
ro nt sy
Das Experiment von Wörgl war ein praktischer Versuch, die Freiwirtschaftslehre von Silvio Gesell umzusetzen. Er wurde nach eineinhalb Jahren von staatlicher Seite verboten. In der Zwischenzeit jedoch (1932/33) erlebte die Gemeinde Wörgl in Österreich mit ihrem Freigeldversuch einen ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung inmitten der Weltwirtschaftskrise.
Visionen einer besseren Welt BKmedia „Was ist Ihre Vision einer besseren Welt?“ Diese Frage stellten wir hunderttausenden von Menschen in fast 130 Ländern. Dieses Buch ist ein Querschnitt durch ihre Antworten. Lesen Sie es, denken Sie darüber nach, diskutieren Sie es. 216 Seiten, mit über 230 zum Teil farbigen Bildern, kartoniert ISBN 978-3-939493-32-7, 17,50 €
Können wir 150 Jahre alt werden? Michail Tombak Eine bewusste und nachhaltige Lebensweise, die im Einklang mit der Natur steht, kann Erfolg versprechen. Mit revolutionären Rezepten und Heilverfahren zur Erhaltung einer stabilen Gesundheit. 352 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-981089-46-2, 19,90 €
Kosmische Währung Darío Salas Sommer Darío Salas Sommer weist in diesem Buch den Weg zur „kosmischen Währung“, einer energetischen Einheit, die von der kosmischen Natur anerkannt wird. Französische Ausgabe ist ebenfalls lieferbar. 200 Seiten, gebunden ISBN 978-3-939272-83-0, 16,90 €
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Was wäre, wenn Wünsche wahr werden würden? Zeitpunkt-Leserinnen und -Leser stellen ihre Ideen vor Leben ohne Werbung
Können Sie sich eine Leben ohne Werbung vorstellen? Die Lebensmittel kämen in schlichter Verpackung daher, es zählte die Qualität der Ware und vielleicht der Charme des Verkäufers. Plakatstellwände könnten wir für Kunst nutzen oder für persönliche Partneranzeigen. Die Werbezeit zwischen den Fernseh-Sendungen würden wir nutzen für einen Moment der Ruhe und Achtsamkeit. Wir wären mehr informiert und weniger manipuliert. Was da im Gleichtakt mit der Werbung alles zerbröseln würde! Die Medien zum Beispiel. Ein Zehntel soviel Presse, Radio und Fernsehen wären auch mehr als genug. So viel oder so wenig könnte etwa aus den Abo-Gebühren finanziert werden. Es lebe die zeitungsfreie Zeit: mit den Kindern spielen, ein stiller Waldspaziergang, der sanfte Abend zu zweit. Oder der Profi-Spitzensport. Von diesen Schlachten bliebe kaum etwas übrig. Tausende Gelenke, Kreuzbänder und Knochen geschont. Die Stadien würden zu BewegungsBegegnungs-Orten für alle. Was würden denn all die Plakat-Kleberinnen, Direktvermarktungs-Telefonisten und Werbespot-Kameraleute machen? Arbeitslos? Aus meiner Sicht könnte die Anzahl Arbeitsstunden, die wir als gesamte Gesellschaft leisten, locker um 10 bis 20 Prozent gekürzt werden, ohne jeglichen Wohlstands- oder Lebensqualitäts-Verlust. Bei besserem Lohn. Denn was wegfällt, ist eine riesige Maschinerie, die Stress und Abfall produziert. Werbung ist ein Luxus, eine Verschwendung, einer der vielen Exzesse unserer zu reichen Gesellschaft. Felix Küchler
Das Körperkonzert der Sinn-Fonie
Was wäre, wenn wir unseren eigenen Körper lieben würden, wie das Liebste ausserhalb von uns? Ihn so liebten, wie unseren Partner, unsere Kinder, die beste Freundin, unseren Hund
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oder eine sorgsam gehegte Pflanze? Dann würden wir ihm aufmerksam zuhören, wenn ihn etwas plagt. Wir lernten seine Sprache – auch wenn wir ihm anfangs, noch etwas unbeholfen, nur «je t’aime» ins Ohr flüstern könnten. Wir würden uns zärtlich die eigene Hand halten und uns selber eine Umarmung geben, wenn wir sie nötig hätten. Dem schmerzenden Bein gönnten wir eine Ruhepause, sprächen ihm Mut zu und wiegten es wie ein Baby in unseren Armen. Wir streichelten sanft unsere Wangen und zwinkerten schelmisch unserem grossen Zeh zu. Wir liebten uns selber, wie wir gerne geliebt würden. Wir beobachteten unseren Atem – in vollem Gewahrsein, dass unser erster Akt das Einatmen und der letzte, das Ausatmen und grosse Loslassen ist. Alles dazwischen ist eine riesige Ansammlung von Körpererfahrungen. Wir hörten dem Rauschen, Fliessen und Pulsieren in unserem Inneren zu, wie wenn wir in einem klassischen Konzert sässen. Ehrfurchtsvoll und voller Bewunderung lauschten wir den Duetten, Solis, Vibratos, Paukenschlägen und zarten Harfentönen. Wir kämen aus dem Staunen nicht heraus, wie harmonisch sich alles ineinander fügt. Ein ganzes Universum in uns drin! Und vielleicht…kämen uns in manchen Augenblicken dieser Sinn-Fonie Tränen der Rührung und Dankbarkeit. Nicole Strübin Sonderegger
Was tun? Was tun!
Ja, was wäre wenn – sich der kategorische Imperativ durchsetzen, alle Menschen gut, ehrlich, bescheiden, auf das Gemeinwohl bedacht, daneben aber auch noch intelligent, kreativ und kunstsinnig wären? Dann wäre das Paradies schon da. Da sie dies aber des öfteren nicht sind, bleibt uns, anstatt darauf zu warten, dass «die Anderen» sich endlich nach unserem persönlichen Geschmack entwickeln, nichts anders übrig, als die Sache selber in die Hand zu nehmen. Lass uns darum
nicht sagen «was wäre», sondern «was ist», wenn wir, du und ich, konkret etwas machen? Wäre das nicht schon Etwas? Und das wäre nicht, sondern ist. Erwin Schatzmann
Zukunftsmusik vom 21. Oktober 2019
Was für ein Tag, gestern. Die ersten Hochrechnungen haben sogar mich sprachlos gelassen, ein euphorisches Glücksgefühl hat sich breit gemacht. Mittlerweile hat sich das wieder gelegt und das hier ist ein erster Versuch, die Dinge nüchtern zu betrachten, die Ereignisse zu verstehen. Die Schweizerische Vorstellungskraft (SVK) hat also 18.1 Prozent aller Stimmen erhalten. Eine Gruppierung aus dem Nichts ist auf einmal die zweitstärkste Kraft in Bundesbern (SVP: 26.7 Prozent). Ist das die neue Linke? Es ist jedenfalls etwas anderes, als bisher von Parteien geboten wurde, und die Bevölkerung spricht darauf an. Was auch an der Geschichte der SVK liegen mag. Begonnen hat alles mit einem simplen Slogan. «All Power to the Imagination» war im frühen 2016 an jeder Strassenlampe, jedem Brückenpfeiler und vielen Hauswänden der Hauptstadt zu lesen. Die Medien begannen zu rätseln, der Spruch breitete sich aus in Zürich, Basel, Lausanne; Memes und kurze Videos machten digitale Runden. In Zürich und Bern formte sich zeitgleich eine grosse Menge an Aktivistinnen, Akademikerinnen und Künstlern, die sich hinter den Slogan stellten. Mit Streiks (in Bern blieben mehrere Kulturhäuser während zweier Wochen geschlossen) und Strassenaktionen (die friedliche Blockade der Bahnhofstrasse Zürich durch hunderte von Musizierenden vor allen Geschäften) wurde die Frage gestellt, was denn eigentlich das gute Leben sei. Das gute Leben, von dem wir gerade in der Schweiz immer sprechen. Nach und nach schlossen sich so viele namhafte Bands, Autorinnen,
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Theaterschaffende und bildende Künstler an, dass ein Kulturgenuss kaum mehr möglich war, ohne der eindeutigen politischen Message zu entgehen: Was unterscheidet den Menschen vom Schimpansen? Es ist die Fantasie, die Kraft, sich andere mögliche Welten vorzustellen. Während den letzten zwei Jahren war die SVK wirklich nicht mehr aus dem politischen Geschehen wegzudenken, ohne überhaupt im Parlament vertreten zu sein. So wurde in Bern, Zürich und Basel jeden Freitag auf die Strasse gegangen, gesungen, getanzt. Diese Beharrlichkeit fasziniert mich. Und lässt mich wieder hoffen. Ob das gut geht mit der offiziellen politischen Macht? Miko Hucko
Teilen statt Eilen
Lebten wir in Sippenverbänden statt Kleinstfamilien, bekämen nicht nur die Wohnungen und Quartiere eine neue Form. Unser ganzes Leben erhielte neue Möglichkeiten! Wir würden die Arbeit teilen, statt doppelspurig zu fahren; das Einkaufen, Kochen, Waschen und Kinderbetreuen unter vielleicht zehn Leuten organisieren. Wieviel mehr Freiraum könnten insbesondere Frauen dadurch gewinnen? Statt eine halbe Stunde durch die Gegend zu kurven, bräuchten wir nur an die nächste Tür zu klopfen. Wieviel Krippenstunden könnten wir uns sparen, und wieviele Alterswohnungen, wenn wir uns die Betreuung teilten? Ja, es ist anstrengend, nahe aufeinander zu wohnen. Aber wenn wir herausfinden, wie wir einander mit Wohlwollen begegnen können, mit Freundlichkeit, Warmherzigkeit und Hilfsbereitschaft – dann wird eine solche Gemeinschaft zur Bereicherung. Die soziale Entwicklung unserer Gesellschaft gefällt mir nicht. Wir sind im Umgang miteinander extrem erkaltet, da wir uns mehr oder weniger alleine in riesige Wohnungen einschliessen und kaum mehr miteinander zu tun haben müssen. Das Modell Kleinstfamilie, das sich in den vergangenen Jahrzehnten durchgesetzt hat, scheint mir frauen- und kinderfeindlich. Es ist auch nicht gut für die alt werdenden und zunehmend auf Unterstützung angewiesenen Menschen: unsere Grosseltern, Eltern, Onkeln und Tanten. Es scheint mir so weit entfremdet von unserem ursprünglichen Wesen wie nur möglich. Ich bin dafür, Formen des Zusammenlebens zu finden, die uns gut tun und uns darin unterstützen, gesunde, zufriedene Menschen zu
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sein, ohne dass all unsere Wünsche alleine von unserer Kaufkraft abhängig sind. Isabella Wild
So sollte Schule sein
Was wäre, wenn die Kinder vom Kindergarten bis zur Berufsausbildung und Eintritt in die Arbeitswelt einen Entwicklungs- und Bildungsweg durchlaufen könnten, auf dem sie während ihren ersten 20-25 Lebensjahren Folgendes erlebt und praktiziert haben?: Freiheit statt Zwang, Musse statt Überreizung, Zeitautonomie statt Stress, Altersdurchmischung statt Altersklassen, Verantwortung statt Bevormundung, Fehlerkultur statt Stagnation, Menschen als Infoquellen statt Konkurrenten, leben statt vertrödeln, Innerer Lehrplan statt Pauschallehrplan, Sinn statt Leerlauf, Entscheidung statt Ermüdung, Selbsterfahrung statt Fernsteuerung, leidenschaftliche Professionalität statt Zertifikate. Antwort: Dann würden Vertrauen und Freude für alle Menschen exponentiell wachsen statt Schulden und Elend. Das gäbe ein phantastisches, sinnvolles Bruttosozialprodukt, auf das die Menschen stolz sein können. So eine Schule ist für mich die Sudbury Valley Schule. www.sudval.ch Angela Seifert
Ein Einkommen für alle
Längst wäre genug Geld vorhanden, um jedem Individuum ein leistungsunabhängiges Grundeinkommen zu garantieren. Anfänglich würde sich das Individuum vielleicht auf die faule Haut legen. Weil es sich aber mit Sicherheit bald extrem langweilte, würde es sich darüber Gedanken machen, was es denn Sinnvolles mit seiner Zeit anfangen könnte. In Ruhe und Freiheit zu überlegen, wie die eigenen Fähigkeiten für das Wohl der anderen Menschen eingesetzt werden könnten, führte uns zu grosser Kreativität. Natürlich könnte man sich durch die Leistung etwas dazuverdienen. Den Menschen würde es so viel besser gehen, weil sie entdecken würden, das wir alle miteinander verbunden sind, dass wir füreinander und nicht gegeneinander handeln sollten, denn wir haben gemeinsam nur diese eine Erde, zu der wir Sorge tragen müssen. Claudia Müller
Was ist statt was wäre
Unser Gehirn denkt immer: «Was wäre, wenn» oder «Was war». Es kann nicht anders. Um diese Gedanken besser vorbeiziehen zu lassen, rät die Soto-Zen-Schule: immer wieder zur Beobachtung der Meditationshaltung (Zazen), dem Hier, sowie dem Aufund Ab der Atmung, dem Jetzt, zurückkehren. So wird aus «Was wäre, wenn» ein «Es ist». Und selbst dieses «Es ist» könnte noch eine Illusion sein – wer weiss? Sicher ist, dass wir fast alle unsere Ich-Illusion viel zu wichtig nehmen. Peter Dries
Abwenden
Was wäre, wenn wir feststellten, dass die USA ihre tatsächlichen wie ihre virtuellen Kriege, ja ihr ganzes Tun und Trachten, ihr Streben und Planen augenscheinlich nur ausrichten, um für US-Konzerne Märkte zu öffnen, um für die USBanker Investitionsmöglichkeiten zu schaffen, um für die US-Rüstungsindustrie Einsatzmöglichkeiten zu kreieren, um für die US-Pharma Absatzkanäle zu graben, um die Weltbevölkerung zu Sklaven zu machen? Dann sähen wir auch, dass die von den USA und ihren Mittätern im Namen von Frieden, Freiheit, Gemeinwohl und Gleichheit angegriffenen, geknechteten, geschundenen, verunglimpften, überfallenen, vergifteten, gefolterten, ermordeten Gesellschaften und Menschen nur der Gier zum Opfer gefallen sind – und würden uns abwenden. Michael Brandenberger
Warme statt kalte Betten
Stünden jedem Menschen in der Schweiz genau 25 Quadratmeter Wohnraum zu, würden ungewöhnliche Wohngemeinschaften entstehen: Singles mit Familien, Alte mit anderen Alten, Hiesige mit Migranten. Zweitwohnsitze würden nicht mehr leer stehen, Konfliktscheue würden in Einzimmerwohnungen ziehen, Alte wären nicht mehr allein, Familien hätten genügend Raum. Es müsste lange nichts mehr neu gebaut werden. Bestehende Gebäude würden neu konzipiert und aufgeteilt, mit flexibel zuschaltbaren Zimmern und Gemeinschaftsküchen. Und natürlich würde es Auseinandersetzungen geben – gute und schlechte, in der Küche, auf dem Flur, im Bad, wegen Bedürfnissen und Erwartungen, wegen Werten und Gewohnheiten, am Abend und am Morgen. Wir müssten lernen miteinander zu wohnen. Susan Glättli
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21.— 28.1. 2016
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Illustration: Vincent Grand
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entscheiden & arbeiten
Krieg ist keine Antwort auf Paris Wenn wir den Terror bekämpfen wollen, müssen wir die Wirkung von Ausgrenzung auf Täter – und Opfer – verstehen.
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as monströse Gewalttaten bei den unmittelbaren Opfern, so sie denn überlebt haben, psychisch anrichten, sind – auch bei Inanspruchnahme von therapeutischer Hilfe – nur schwer verheilende Wunden. Die seelischen Narben, die sie zurücklassen, bleiben für die Betroffenen jahrzehntelang, meistens lebenslang spürbar. Opfer von Gräueltaten wie in Paris sind – neben den zu beklagenden Toten – nicht nur die unmittelbar Verletzten. Psychisch traumatisiert zurück bleiben auch verwitwete Partner, ausserdem Eltern, Kinder und nahestehende Freunde von Getöteten. Der Begriff des Traumas, der manchmal leider leichtfertig gebraucht wird, beschreibt die Erfahrung einer totalen Überwältigung, also das Erleben einer Situation, in der die beiden typischen, sozusagen «gesunden» Reaktionsmuster gegenüber einer uns plötzlich begegnenden Gefahr – Kampf oder Flucht – nicht mehr möglich sind. Mit dem Erleben eines Traumas typischerweise verbunden ist stattdessen die Lähmung, die im Moment der Tat den Körper erfasst, aber nicht auf ihn beschränkt bleibt, sondern die Seele mit einbezieht. Das emotionale Einfrieren, das in der Fachsprache auch als «emotional numbness» (emotionale Taubheit) bezeichnet wird, ist eine oft lang anhaltende, quälende Trauma-Folge, die nicht selten zum Auslöser dafür wird, dass sich Betroffene irgendwann therapeutische Hilfe suchen. Die Betroffenen leiden unter der Unfähigkeit, emotional mitzuschwingen, unabhängig davon, ob es sich um einen traurigen Moment oder um Situationen handelt, die zur Freude Anlass geben könnten. Wir sind nicht gelähmt, wir können etwas tun Wir Aussenstehenden, die wir die Horrorszenarien in Paris durch die Presse oder im Radio mitgeteilt bekamen oder im Fernsehen und im Internet indirekt miterleben mussten, sind schwer betroffen. Wir mögen vorüberge-
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hend sprachlos oder geschockt gewesen sein, doch wir sind keine Traumatisierten. Unsere Beobachtersituation ist nicht vergleichbar mit jener eines Kindes, welches schwere Gewalt zwischen den Eltern oder Übergriffe eines Elternteils gegen ein Geschwister aus nächster Nähe als Zeuge erleben muss – eine solche Erfahrung, die Kinder leider immer wieder machen, ist sehr wohl traumatisierend. Wir dagegen mögen uns in den Tagen nach der Horrortat zwar hilflos gefühlt haben, so ausgeliefert wie das machtlose Kind gegenüber einem gewalttätigen Elternteil sind wir jedoch keinesfalls. Wir alle sind jetzt aufgerufen, uns zu besinnen und richtig zu handeln, wo möglich den Opfern zu helfen und als Staatsbürger dazu beizutragen, dass weitere Gewalttaten kurz-, mittel- und langfristig verhindert werden. Wir sind nicht gelähmt, können also etwas tun – aber wofür sollten wir plädieren? Die Ansage verstärkter Gegengewalt Sollten wir dem reflexarist keine vernunftgeleitete Reaktion tig ausgesandten Ruf nach auf Terror Revanche, nach «Krieg», nach einer harten Hand und einer Verschärfung von Strafen folgen? Es mag uns frustrieren, aber davon ist nichts zu erwarten. Warum sollten die Ansagen von härteren Strafen oder von «Krieg» fanatische Täter, die bei ihren Taten den eigenen Tod mit in Kauf nehmen, beeindrucken? Das Gegenteil des beabsichtigten Effekts würde – und wird wohl – der Fall sein. • Als vernunftgeleitete Reaktion auf Terrortaten wie auf Mehr oder weniger sind jene in Paris taugen keine drakonischen Massnahmen, wir alle verführbar, den insbesondere nicht eine Ansage von verstärkter Gegenge- Mitmenschen zu quälen. walt («Krieg»). Ohne jede Frage bedarf es einer massiven Auch die sind es, die solIntensivierung der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden ches weit von sich weisen. und einer deutlich verbesserten Aufklärungsarbeit der Sie wissen nur nicht, was Geheimdienste. Überlebende Täter und ihre Hintermän- sie tun. Alexander Mitscherlich ner müssen ermittelt, gefasst und mit der maxima-
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Die Schmerzzentren im Gehirn werden auch dann aktiv, wenn sich eine Person sozial ausgegrenzt und gedemütigt fühlt
len Härte der Gesetze – die wir zu diesem Zwecke nicht verschärfen müssen – bestraft werden. Die bestehenden Gesetze reichen voll aus, um Täter, die Terror verüben wie in Paris, dauerhaft aus dem Verkehr zu ziehen. Doch wenn vorbeugende Aufklärung und verbesserte Strafverfolgung das einzige Mittel bleiben, dann wäre dies so, wie wenn in einer Chemieanlage seit Jahren an verschiedenen Stellen fortlaufend Brände aufträten und die Reaktion sich darauf beschränken würde, da und dort auftretende Undichtigkeiten besser zu erkennen und mehr Feuerlöscher aufzustellen, ohne zu beachten, dass in dieser Anlage Dichtungen, die brennbare Flüssigkeiten unter Verschluss halten sollen, ständig unter zu hohem Druck stehen.
• Gewalt ist entweder die Folge geistiger oder die Folge sozialer Armut. Gerhard Uhlenbruck
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Vom Ursprung des Bösen: Die Suche nach tiefer liegende Ursachen von Gewalt Der Grund dafür, dass wir uns mit einer vernunftgeleiteten Suche nach den tiefer liegenden Ursachen von destruktiver Gewalt und von Terrortaten seit Jahren schwer tun, liegt darin, dass viele glauben, für irrationale Taten wie jene von Paris könne es keine rational erklärbaren Ursachen geben. Begründet wird diese Position entweder mit der von niemanden bestrittenen krassen Amoralität derartiger Taten, die jeden Erklärungsversuch selbst zu einem amoralischen Unterfangen mache. Oder damit, dass menschliche Aggression nun einmal – wie der Sexualtrieb – eine anthropologische Konstante und von daher nicht erklärungsfähig sei, selbst dann wenn die Gewalt in derart monströser Weise auftrete wie bei Terrorakten. Die zweite, auch von einigen Sozialpsychologen unserer Tage vertretene Position hat ihren neuzeitlichen Ursprung in dem von Sigmund Freud 1920 unter dem Eindruck der Schrecken des Ersten Weltkrieges postulierten Aggressionstrieb. Freuds Postulat wurde jedoch weder von Charles Darwin geteilt, der die menschliche Aggression als reaktives Geschehen beschrieb, noch konnten die modernen Neurowissenschaften Freuds Hypothese bestätigen. Im Gegenteil: Als stärkste menschliche Triebkraft identifizierte die moderne Hirnforschung – insoweit Charles Darwin bestätigend, der die «sozialen Instinkte» als den stärksten menschlichen Trieb erkannte – das Streben des Menschen nach sozialer Akzeptanz, Anerkennung und Zugehörigkeit. Dieses wissenschaftlich inzwischen gut gesicherte Faktum macht den Menschen jedoch nicht moralisch «gut», im Gegenteil.
Menschen sind süchtig nach Zugehörigkeit Der Trieb nach sozialer Akzeptanz – vielleicht sollte man besser von einer Gier sprechen – ist eine derart stark ausgeprägte Grundmotivation, dass Menschen bereit sind, Böses zu tun, nur um zugehörig zu sein. Thomas Insel, Direktor des National Institute of Mental Health (NIMH), immerhin eine der weltweit grössten neurowissenschaftlichen Forschungsstätten, äusserte vor einiger Zeit die Ansicht, der Wunsch des Menschen nach sozialer Verbundenheit sei so etwas wie eine «addiction disorder», also eine Suchtkrankheit. Der Wunsch nach Zugehörigkeit um jeden Preis macht den Menschen nicht nur nicht «gut», sondern bildet – dies mag überraschen – eine bedeutende Quellen zwischenmenschlicher Aggression und Gewalt. Der Grund dafür ist, dass soziale Zugehörigkeit fast immer mit der Bildung von Ingroups und Outgroups verbunden ist. Kriterien, die Zugehörigkeit begründen, begründen meistens zugleich auch den Ausschluss bestimmter anderer. Dies kann so weit reichen, dass die Ausgrenzung anderer das eigentliche Motiv und Kriterium für die Zugehörigkeit zur Ingroup bildet. Was bedeutete die von Adolf Hitler postulierte «Volksgemeinschaft» anderes als die Nicht-Zugehörigkeit von zahlreichen Untergruppen der Bevölkerung, allen voran die jüdischen Mitbürger, gefolgt von Anhängern linker Parteien, Sinti und Roma, Homosexuellen und seelisch Kranken? Was anderes als die Feindseligkeit gegenüber dem Fremden ist es, was die Anhänger der sogenannten Pegida-Bewegung untereinander verbindet, ebenso wie die französischen, ungarischen und italienischen Faschisten? Auch Religionen, und derzeit leider vor allem der Islam, haben das Potential zur Spaltung zwischen In- und Outgroup und zu einem sich daraus speisenden Hass. Um den Hintergrund für die seit Jahren gegenüber dem Westen ausgeübte islamistische Gewalt auszuleuchten, muss jedoch eine zweite, neurowissenschaftlich ebenfalls sehr gut belegte Aggressionsquelle mit in die Betrachtung einbezogen werden. Die neurowissenschaftliche Dimension von Ausgrenzung und Demütigung Ein entscheidender Grund, warum die Evolution das Verhaltensprogramm der Aggression nicht eliminiert hat, war ihre lebenserhaltende Bedeutung bei der Abwehr von Schmerz und der Bewahrung der körperlichen Unver-
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Es gibt einen linearen Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Tötungsdelikten
sehrtheit. Wessen Schmerzgrenze berührt wird und wer bei Bedarf keine Aggression emittieren kann, hat es schwer und wird nicht lange überleben. Eine der bedeutendsten neurowissenschaftlichen Beobachtungen der letzten Jahre war, dass die Schmerzzentren des menschlichen Gehirns nicht nur bei der Zufügung körperlicher Schmerzen aktiv werden, sondern auch dann, wenn sich eine Person sozial ausgegrenzt oder gedemütigt fühlt. Das menschliche Gehirn reagiert auf soziale Diskriminierung also genauso wie auf einen körperlichen Angriff. Das macht verständlich, warum nicht nur zugefügter körperlicher Schmerz die Aggressionsbereitschaft erhöht, sondern auch soziale Ausgrenzung oder Demütigung. Eine derartige, sozial verursachte Reaktion der neurobiologischen Schmerzzentren ist jedoch nicht nur dann zu beobachten, wenn eine Person selbst ausgegrenzt wird, sondern auch dann, wenn jemand «nur» miterlebt, wie ein Mitglied der eigenen Ingroup gedemütigt wird, zum Beispiel ein Familienmitglied oder ein Angehöriger der eigenen Religion oder der eigenen Ethnie. Neurobiologisch unterfütterte Identifizierungsvorgänge dieser Art können dazu führen, dass sich Gewaltreaktionen wie eine ansteckende Krankheit epidemisch – auch über grosse Distanzen – ausbreiten. Dies ist der Grund, warum das, was im Nahen und Mittleren Osten passiert, sich überall auf der Welt auswirkt. Ungleichheit befördert Gewalt Ausgrenzungen und Demütigungen werden nicht nur dort erlebt, wo Menschen und Menschengruppen verbal oder im alltäglichen Umgang herabgesetzt werden. Ebenso durchschlagend werden sie überall dort erlebt, wo Menschen – im Angesicht anderer, die sich eines erheblichen Wohlstandes erfreuen – in Mangel oder Armut leben müssen und von Bildungs- und Entwicklungschancen abgeschnitten bleiben. Dies betrifft nicht nur das Leben in den Banlieues von Paris. Wir leben heute in einer medial komplett vernetzten, in einer Welt. Daher wird überall da, wo Menschen Armut erleiden, diese zugleich immer auch im Angesicht grossen Reichtums erlebt. Unabhängig voneinander durchgeführte Studien zeigen einen linearen Zusammenhang zwischen der Ungleich-Verteilung von Einkommen und Vermögen (gemessen mit Hilfe des sogenannten Gini-Koeffizient) einerseits und Gewalt (gemessen als Tötungsdelikte pro 100'000 Einwohner) andererseits.
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Das menschliche Gehirn ist keineswegs kommunistisch aufgestellt, es toleriert, dass Menschen unter wirtschaftlich unterschiedlichen Bedingungen leben – auch das zeigen neurowissenschaftliche Experimente. Die Toleranz gegenüber Ungleichheit ist jedoch begrenzt und endet dort, wo krasse Benachteiligung auf ausgeprägte Privilegierung treffen. Leider bilden solche Konstellationen die derzeitige globale Realität. Friedensfördend ist das nicht. Wie also können wir der Unmenschlichkeit und dem Terror islamistischer Gruppen langfristig begegnen? Die Täter und ihre Hintermänner gehören hinter Gitter, und zukünftige Täter sollten wir fassen, bevor sie ihre Taten begehen. Doch das wird nicht ausreichen. Wir brauchen ein neues Nachdenken über das vielleicht stärkste Antidot gegen globalen Terrorismus: globale Gerechtigkeit und ein Ende all dessen, was in vielen Ländern dieser Erde als Ausbeutung und Demütigung durch die westliche Staatengemeinschaft erlebt wird. Hunderttausende junge Männer in jenen Ländern, die derzeit durch Unruhen und Kriege paralysiert sind, suchen nach Möglichkeiten, sich zu bewähren und nützlich zu machen. Was sie dazu dringend brauchen, ist familiäre und soziale Verbundenheit und Zugang zu Bildungswegen. Wenn die zivilisierte Welt ihnen diese Möglichkeiten nicht bietet, suchen sie nach Alternativen. Über lange Zeit in einer Anlage immer wieder auftretende Brände beendet man nicht dadurch, dass man überall mehr Feuerlöscher aufstellt, sondern indem man den Ursachen für die Brandneigung auf den Grund geht und sie abstellt.
Univ.-Prof. Dr. med. Joachim Bauer ist Neurowissenschaftler und Psychiater am Uniklinikum Freiburg. Er ist Autor eines Buches über die Ursachen von Gewalt aus neurowissenschaftlicher Sicht («Schmerzgrenze – Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt», Heyne Verlag, 2013)
• Gewalt ist das Problem, als dessen Lösung sie sich ausgibt. Friedrich Hacker
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Vollgeld: ein grosser Erfolg, aber nur ein erster Was für ein Wandel im Geldbewusstsein! Noch vor drei Jahren war die Geldschöp fung der privaten Banken eine Art Geheimnis. Und jetzt können wir dank der Vollgeld-Initiative sogar darüber abstimmen, ob wir die Verfassungslücke schliessen und die private Geldschöpfung verbieten wollen. von Christoph Pfluger
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s ist ein Rätsel unserer Zeit: Die Banken produzieren den Unsinn selber, für den sie später von Zentralbanken und Staaten gerettet werden müssen. Aber es brauchte eine kleine Gruppe Unentwegter, die Politik zur Beschäftigung mit den Ursachen zu zwingen. Die Einreichung der Vollgeld-Initiative am 1. Dezember war ein historischer Tag, nicht nur für die Schweiz, sondern ein bisschen für die ganze Welt. Dank der Initiative wird zum ersten Mal in der Geschichte des Blauen Planeten ein Volk über das bedeutendste Privileg, das der Geldschöpfung, demokratisch bestimmen können. So viel Wahrheit hat das Medienzentrum des Bundes wohl noch nie gesehen, wie bei der Einreichung der 112’000 Unterschriften. Und obwohl nur sechs Medienvertreter anwesend waren, ist viel davon an die Öffentlichkeit gedrungen. Rund 70 Medien aus der Schweiz und viele weitere aus der ganzen Welt berichteten über die Einreichung der Initiative. Und sie stellten die private Geldschöpfung der Banken mehrheitlich richtig dar. Das Recht der Geldschöpfung, das unser Leben bis in seine letzten Ritzen beeinflusst, ist in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend unbemerkt an die privaten Banken übergegangen. Was die meisten nicht wissen, auch viele Banker und Politiker nicht: Rund 85 Pro-
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zent unseres Geldes wird nicht mehr von der Zentralbank in Umlauf gebracht, sondern von den privaten Banken. Wie bringen sie dieses Kunststück fertig? Es ist so einfach, schrieb der grosse amerikanische Ökonom John Kenneth Galbraith, dass sich der Verstand dagegen wehrt. Sie schöpfen Geld, jedes Mal, wenn sie einen Kredit vergeben. Dabei verleihen sie nicht das Geld der Sparer – diese behalten es nämlich –, sondern schreiben es einfach in das Konto des Kreditnehmers. Bei diesem Vorgang entsteht ein gleich bleibendes Guthaben, das in Zirkulation geht sowie eine Forderung, die mit der Zeit wächst. Die Konsequenzen aus dieser Asymmetrie sind einigermassen desaströs: Blasenbildung, Umverteilung, Benachteiligung der Realwirtschaft, Schuldenkrise – man mag es nicht mehr hören. Diese private Geldschöpfung erschüttert aber auch unsere Rechtsordnung. Denn das elektronische Geld auf unseren Bankkonten ist gar nicht gesetzliches Zahlungsmittel, sondern nur ein Anspruch darauf, den die Banken nur erfüllen können, wenn ihre Kreditnehmer ihre Schulden vollumfänglich bezahlen, wozu sie aus mathematischen Gründen gar nicht in der Lage sind. Unser Geld besteht also aus Schulden, die nicht bezahlt werden können. Für dieses fundamentale ökonomische und juristische Problem schlägt die Initiative eine einleuchtende Lösung vor: Die Schöpfung von Geld – auch des elektronischen
auf unseren Bankkonten! – soll auf die Nationalbank beschränkt werden. Damit verwandelt sich das Geld auf unseren Konten von Schulden der Banken an uns in vollwertiges, pleitesicheres gesetzliches Zahlungsmittel und der Gewinn aus der Geldschöpfung kommt wieder dem zugute, dem er gehört: dem Souverän. Wie gross dieser Gewinn ist, darauf wollten die Initianten an der gestrigen Medienkonferenz keine Antwort geben. Aber die Grössenordnung lässt sich ableiten: Wächst die Schweizer Wirtschaft beispielsweise zwei Prozent, kann die Nationalbank zehn Milliarden Franken schuld- und zinsfrei über die staatlichen Organe in Umlauf bringen, ohne Gefährdung der Preisstabilität. Das sind rund 1250 Franken pro Einwohner, die wir an Steuern sparen oder die auch direkt als Bürgerdividende ausbezahlt werden könnten. Im weiteren können die Banken Kredite nur noch mit Geld verleihen, das ihnen dazu zur Verfügung gestellt wird, von den Sparern, den Anlegern oder der Nationalbank. Und auch Anschaffungen können die Banken nicht mehr mit selbst hergestelltem Geld finanzieren, sondern wie jede andere Firma und wie jeder Bürger auch nur mit Geld, das vorher verdient wurde. Man liegt nicht weit daneben, wenn man die Vollgeld-Reform als wichtigste Volksinitiative der letzten Jahrzehnte bezeichnet. Kein anderer Vorstoss setzt derart einfach und grundlegend an der strukturellen Un-
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So viel Wahrheit hat das Medienzentrum des Bundes wohl noch nie gesehen, wie bei der Einreichung der 112’000 Unterschriften. Und obwohl nur sechs Medienvertreter anwesend waren, ist viel davon an die Öffentlichkeit gedrungen. gerechtigkeit unseres Wirtschaftssystems an, wie die volle Rückführung des Geldschöpfungsprivilegs an eine unabhängige staatliche Institution, die dem Gemeinwohl und der Gerechtigkeit verpflichtet ist. Dass Staaten das Geldregal missbrauchen, ist ein doppeltes Märchen: Zum Einen haben die privaten Banken selber die Wirtschaft mit ihrem Geld aus dem Nichts in ein Casino verwandelt. Zum Andern belegen Studien der Universität Frankfurt1, dass ein Gemeinwesen umso sparsamer wirtschaftet, je grösser die direkt-demokratische Kontrolle ist. Natürlich betreiben die meisten Staaten eine desaströse Schuldenwirtschaft. Aber das liegt nicht an einem Zuviel an Demokratie, sondern an einem Mangel, in dessen Schatten Banken und Regierungen Schuldentürme bauen, die früher oder später die Bürgerinnen und Bürger unter sich begraben, wenn dieses System nicht an entscheidender Stelle korrigiert wird. Dass die Banken die Aufhebung ihres lukrativen Privilegs bekämpfen, ist verständlich. Aber sie tun es mit unseriösen, geradezu lächerlichen Argumenten. So behauptet die Bankiervereinigung in ihrer Stellungnahme zur Vollgeld-Initiative2, sie bestrafe die Sparer, indem «sie noch weniger Zinsen auf Ihr Erspartes erhalten». Nur: Viel tiefer als 0,5 Prozent geht es nicht. Zudem sind die Banken daran, Negativzinsen einzuführen. Im weiteren behauptet die Bankiervereinigung, die Sparguthaben seien durch die Einlagensicherung geschützt. Sie verschweigt dabei, dass diese Sicherung nicht einmal fünf Prozent der Einlagen deckt und mit der Pleite einer mittleren Bank bereits erschöpft wird. Die Banken verschweigen in der Debatte nicht nur wichtige Fakten, sondern setzen auch unwidersprochen eindeutige Unwahrheiten in die Welt. So behauptete der Chefökonom einer Basler Bank am 3. November im redaktionellen Teil einer grösseren Zeitung, dass im Vollgeld-System «die Kreditvergabe an den Staat massiv ausgeweitet würde.» Eben gerade nicht! Der Staat erhält das Geld nach Massgabe des Wirtschaftswachstums schuldund zinsfrei. Im weiteren behauptete der Öko-
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nom, der Staat hafte für die Ersparnisse des Privatsektors. Eine Begründung lieferte der Autor nicht, und es gibt auch keine. Wofür der Staat, bzw. sein geldpolitisches Organ, die Nationalbank heute schon haftet, allerdings ohne explizite gesetzliche Regelung, ist der Geldwert. Dieser ist unter dem heutigen System mit der überschiessenden Geldschöpfung längst nicht mehr gesichert. Wir haben es einfach noch nicht gemerkt, weil das viele Geld in Wertpapiere und Immobilien fliesst, die vom Index der Konsumentenpreise ausgeschlossen sind. Die Schweiz tut deshalb gut daran, sich verlässliche Regeln der Geldschöpfung zu geben, bevor sich die aufgestaute Inflation in der Realwirtschaft entlädt. Und die Bürgerinnen und Bürger tun gut daran, sich eigenständig über die Spielregeln der Geldschöpfung zu informieren. Wissen ist Macht – in keinem Gebiet ist dies wahrer als beim Geld. 1 Gebhard Kirchgässner, Lars P. Feld u. Marcel R. Savioz: Does Direct Democracy Reduce Public Debt? 2 Statement der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) zur Vollgeld-Initiative. 1. Dez. 2016.
Das Geld soll wieder ihr dienen, nicht der Bankenwelt: Die «Realwirtschaft» vor der Einreichung der Unterschriften für die Vollgeld-Initiative.
Geldfragen brauchen eine breite Debatte. Mit diesem Ziel bringt der Verein Gelddebatten seit dem vergangenen Mai interessante Autoren und spannende Themen in die öffentliche Diskussion. Die nächsten Veranstaltungen: Geld macht Macht und Macht macht Geld Der Reichtum konzentriert sich zusehends an den Spitzen der Macht. Konzerne bestimmen über das politische und gesellschaftliche Leben. Einer der besten Kenner dieser Zusammenhänge ist der Basler Soziologieprofessor Ueli Mäder, der vor kurzem das Buch «macht+ch – Geld und Macht in der Schweiz» veröffentlicht hat. Wohin führt uns die zunehmende Konzentration des Reichtums? Diese und andere Fragen stehen in der Debatte mit ihm zur Diskussion. Geld macht Macht und Macht macht Geld, mit Prof. Ueli Mäder. Montag 18. Januar 2016, 20:00 Uhr im Miller’s, Zürich Tiefenbrunnen. Eintritt: Freier Beitrag Und am 2. Februar, gleicher Ort, gleiche Zeit: Ist die Welt pleite? Mit Christoph Pfluger. Hintergrund: Der globale Schuldenstand liegt bei 199 Bio. Dollar, die Weltgeldmenge bloss bei 60 Bio. Können die Schulden am Ende gar nicht mehr bezahlt werden? Weitere Informationen: www.gelddebatten.ch
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Schwitzen für den Frieden In Bern feierten die «FriedensFrauen Weltweit» ihre zehnjährige Nominierung für den Friedensnobelpreis.
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s war die Sauna gewesen! Beim Jubiläum der 1000 FriedensFrauen Weltweit Ende Oktober in Bern ist uns endlich das Geheimnis enthüllt worden, an welchem Hotspot die Idee zu diesem weltumspannenden Netzwerk entstanden war. Drei Frauen waren an einem kalten Tag des Jahres 2002 in einem Appenzeller Wellnesshotel zusammengesessen und hatten sich darüber aufgeregt, dass ständig Männer den Friedensnobelpreis bekommen, dazu noch als einsame Individuen, obwohl Frieden doch ein zutiefst gesellschaftlicher Prozess ist. Die Zürcher Stadträtin Monika Stocker und die Fernsehkommentatorin Eva Mezger schwitzten und nickten kräftig, als Nationalrätin Gaby Vermot-Mangold eher beiläufig davon sprach, dass doch eigentlich 1000 Frauen gemeinsam für den Preis nominiert werden müssten. Zum Beispiel jene, die sie als Europarätin in den Flüchtlingslagern von Tschetschenien oder Bosnien kennengelernt hatte, die für das Überleben ihrer Gemeinschaft sorgten, unter Lebensgefahr Dokumente über Kriegsverbrechen sammelten oder erste Schritte zu Dialog und Versöhnung organisierten. 13 Jahre später bin ich beim Festakt im Berner Schloss Bümpliz mit dabei. Um mich herum strahlende weisse, schwarze, braune Gesichter aus allen Kontinenten, Frauen in prächtigen afrikanischen Kleidern, Frauen in bunten Stoffen aus Indonesien, Indien oder Afghanistan, Frauen mit festlichem Schmuck aus allen Herren und Damen Länder. Rednerinnen erinnern daran, dass es nach dem Saunabesuch doch noch etwas dauerte, bis die unermüdliche Gaby Vermot und ihre ebenso unermüdlichen Mitstreiterinnen einen weltweit aktiven Verein mit 20 Regionalkoordinatorinnen aufgebaut hatte. Der schlug dem Osloer Nobelpreiskomitee im Jahr 2005 tausend Frauen gemeinsam vor – deshalb zehn Jahre später nun das Fest. Das Komitee schreckte damals angesichts von so viel Frauenpower zurück und verlieh den
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Nobelpreis erneut an einen Mann – in den Folgejahren jedoch an so viele Frauen wie nie zuvor. Auch indirekte Wirkungen sind Wirkungen. Auch wenn sich etliche FriedensFrauen inzwischen mit mehr Menschenrechtspreisen schmücken könnten als mit Halsketten – der Akt in Oslo war nie zentral. Es geht dem internationalen Netzwerk um die Sichtbarmachung weiblicher Friedensarbeit und um einen erweiterten Friedensbegriff. Frieden ist ein sozialer Prozess, der Gerechtigkeit und Geschlechtergleichheit umschliessen muss, wenn er nachhaltig sein will; Frieden ist die stete Bemühung, physische, psychische und strukturelle Gewalt durch zivile Aushandlungsprozesse zu ersetzen; Frieden ist die dünne Decke der Zivilisation, so wertvoll und kostbar wie die glitzernden Stoffe der Anwesenden. Ich war nicht von Anfang an dabei, sondern bin seit etwa acht Jahren eine von zwanzig zumeist ehrenamtlichen Regionalkoordinatorinnen. Im vergleichsweise friedlichen Westeuropa habe ich zum Glück nicht viel zu koordinieren. Mein Schwerpunkt ist eher Medienarbeit, etwa die viersprachige Website www.visionews.net mit Geschichten des Gelingens aus aller Welt. Mit den unglaublich mutigen Frauen im Netzwerk kann ich in keiner Weise mithalten. Da ist etwa Fadila Memisevic aus Sarajewo, die im Bosnienkrieg Aussagen von Kriegsopfern und Vergewaltigen sammelte und daraus trotz unzähliger Drohungen «Fadilas Liste» von mutmasslichen Kriegsverbrechern erstellte. Oder Alejandra Miller Restrepo, die als Mitglied der «Ruta Pacifica de las Mujeres» im kolumbiani-
von Ute Scheub schen Bürgerkrieg Opferberichte dokumentierte. Oder Sima Samar aus Afghanistan, früher Frauenministerin, heute Chefin der Menschenrechtskommission, die in ihrem politischen Leben noch mehr Todesdrohungen als Auszeichnungen erhielt. Oder. Oder. Oder. Es ist ein fröhlicher Abend, der in wilden Tänzen endet, und erneut wundere ich mich, wie diese Frauen es geschafft haben, so lebendig
Frauen aus allen Damen Länder. Foto: PWAG
und lebensfreudig zu bleiben trotz der unzähligen Horrorgeschichten, die sie erlebt oder in der vagen Hoffnung auf ferne Gerechtigkeit gehört und gesammelt haben. Fadila Memisevic, die die Hungerblockade von Sarajewo überlebt hat, wirkt mit ihren 70 Jahren frisch wie ein junges Mädchen. Und Karen Tanada aus den Philippinen strahlt von innen, als sie über das Friedensabkommen zwischen Regierung und islamischen Rebellen berichtet. 17 lange Jahre haben sie verhandelt! Und ohne Frauen wie Karen wäre es niemals zustandegekommen. Unglaublich, wie eine Idee aus der Sauna um die Welt gehen kann. Nun tanze und schwitze auch ich. Schwitzen für den Frieden, das tut frau doch gern. www.1000peacewomen.org
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Teilen – schön und gut und ziemlich anstrengend
Entwicklungshilfe aus Bolivien (2)
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ch sitze nun seit zwei Stunden in einem bolivianischen Vorlesungssaal. Ach Mist, schon der erste Fehler. «Wir sitzen nun schon seit zwei Stunden im Vorlesungssaal», würden die Bolivianer neben mir sagen. Am Anfang hatte der Professor über Materialismus, Idealismus und deren Verbindung zum Sozialismus gesprochen, dann wurde fleissig diskutiert. Eben hatten wir Teilnehmenden uns noch untereinander vorgestellt, jetzt beraten wir, wie die Zusammenarbeit weitergehen könnte. «Es war eine tolle Erfahrung, so zu teilen, und auch in Zukunft würde ich mir wünschen, mehr mit euch zu teilen!» Fast jedem Mund entweicht dieser Satz. Teilen – Compartir, da ist es wieder. Das Wort der Wörter, das mir jedes Mal ein bisschen Angst macht. Wir sollten uns doch öfter treffen und Gedanken austauschen, das ist die Idee; und natürlich auch gemeinsam kämpfen, die Revolution braucht neue Energie. Ideologisch gesehen bin ich ja einverstanden, aber mir bleibt ein mulmiges Gefühl. Ja, einige Leute hier sind ganz nett, aber eigentlich war ich doch nur gekommen, um den Vortrag zu hören und die Diskussion zu verfolgen. Ich kenne die doch gar nicht, wieso wollen die denn mit mir teilen? Anderer Schauplatz, Mittagszeit, ich verlasse die Haustür, unsere Nachbarin Gehovana fragt mich, wo ich denn hingehe. Ins Internetcafé, sage ich. Ist in Ordnung, sagt sie und schlägt vor, dass wir doch noch öfter rüber kommen sollten und mit ihr teilen. «Wir müssen mehr teilen!» Müs-
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von Fabian Grieger
sen wir das? In der letzten Zeit haben uns die Nachbarn etwas angenervt und nun kommt der Vorschlag, mehr zu teilen? Verspürt man dann nicht eher das Bedürfnis, ein bisschen Abstand zu gewinnen? Geteilt wird immer und überall. Beim Essen, beim Trinken, beim Leben und Lieben, ja, besonders Informationen werden gern geteilt – und das wird auch erwartet. Und wenn ein Durstiger zuerst sich selbst einschenkt, macht er sich verdammt verdächtig, dem Kapitalismus und dessen Druck zum Egoismus verfallen zu sein. Irgendwo haben sie ja Recht. Aber ein bisschen Angst macht mir das schon. Vielleicht liegt das an meiner individualistischen europäischen Erziehung, vielleicht an meiner ausgeprägten Freiheitsliebe und dem tiefen Glauben, dass die Freiheit doch immer noch über der Gleichheit steht, vielleicht auch am ständig mitschwingenden «das macht man so». Denn das Teilen ist hier, meinem Eindruck nach, vor allem Tradition, indigene Tradition, der man folgt und die man zutiefst verinnerlicht hat. Das hat etwas Faszinierendes, etwas höchst Sympathisches und etwas herrlich Trotziges: Wir machen da nicht mit bei eurem Kapitalismus, wir schauen, was wir haben, und am Ende teilen wir. Besonders schön: Manchmal kann es passieren, dass zwei Bäuerinnen direkt nebeneinander Kartoffeln verkaufen und man sich für eine der beiden entscheiden muss. Was macht also die eine, die gerade etwas verkauft hat? Richtig, sie teilt und gibt einen Anteil der, die nichts verkauft
hat. Etwas seltsam wird es für mich manchmal, wenn das Teilen zur Ideologie wird und sich auf fast alle Lebensbereiche ausweitet. Wo war ich gestern um sechs Uhr? Diese Information sollte geteilt werden. Warum bin ich heute so traurig? Auch das sollte geteilt werden. Dahinter steckt ein tiefer Glaube an die Gleichheit: Wir kennen die Probleme, wir verstehen dich alle, gemeinsam können wir das lösen. Aber was, wenn das Problem auf einmal darin liegt, alles teilen zu müssen? Wenn man in so manchem Augenblick die Chance nutzt und die Tür abschliesst, nur für einen unbemerkten Moment, wird das mit den ersten drei Worten jeder verständlich und gut finden, aber nach dem zweiten Mal wird schon getuschelt, welcher Egoismus die Person denn überkommen hat. Einladungen sind kein Angebot, Einladungen sind eine Aufforderung. «Wir laden euch morgen zum Frühstück ein und teilen mit euch», sagt Gehovana. Ich weiss, dass ich morgen mit meinen Nachbarn frühstücken muss. Die stehen in der Regel viel früher auf, essen ganz andere Sachen und laufen Gefahr, meiner Morgenlaune zu begegnen. Morgen früh wird wieder geteilt werden, Launen, Gedanken, körperliche Anwesenheiten, Leben. Wieso überkommt mich da wieder dieses mulmige Gefühl? Der 20-jährige Autor arbeitet nach einem neunmonatigen Einsatz in der Entwicklungshilfe in Bolivien an einem Manuskript über seine Erfahrungen und Erkenntnisse und ihren Zusammenstoss mit der deutschen Realität.
Wer das Geldsystem verändern will, muss es verstehen. Dieses Buch liefert die Grundlagen und Hintergründe – in scharfer, eleganter Sprache. Gerechtigkeit und Freiheit gibt es nur mit einem gerechten Geld. Christoph Pfluger: Das nächste Geld – die zehn Fallgruben des Geldsystems und wie wir sie überwinden. edition Zeitpunkt, 2015. 248 S., Fr. 23.–/€ 21.– Bestellkarte im Umschlag 43
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Der nächste Schritt zum Unrechtsstaat
von Christoph Pfluger
Die Abschaffung des Bargeldes scheint beschlossene Sache. Der Verkauf der Idee an die Bevölkerung ist bloss noch nicht abgeschlossen. Nur: Ohne Bargeld gibt es auch kein gesetzliches Zahlungsmittel mehr.
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mart and easy» – mit einem solchen Slogan könnte der Ersatz des Bargeldes durch elektronische Zahlungsmittel schon bald beliebt gemacht werden. Tatsächlich sind elektronische Transaktionen schneller und billiger als die Bezahlung mit Bargeld. In diesem Sinn hat der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger durchaus recht, wenn er Bargeld als «Anachronismus» bezeichnet. Nur: Diese Kosten und Unannehmlichkeiten sind in den Preisen eingerechnet und werden vom Handel und den Konsumenten getragen. Und von diesen waren bisher keine Klagen über das Bargeld zu hören. Zudem haben sie ja die freie Wahl. Ein anderes, oft ins Feld gebrachtes Argument gegen das Bargeld ist die Tatsache, dass es bei Kriminellen sehr beliebt ist. Kenneth Rogoff, Harvard-Professor und früherer Chefökonom des Int. Währungsfonds, brauchte an seiner Vorlesung «Rethinking Paper Currency» vom Herbst 2014 in München nur ein Bild von Notenbündeln und Waffen zu zeigen, und der Fall war klar: Bargeld und Kriminalität gehören zusammen; Zahlen brauchte er keine mehr zu liefern. Auch die hygienischen Vorbehalte gegenüber Bargeld, ein weiteres Argument für seine Abschaffung, dürften eher Vorwand als Begründung sein. Der offensichtlichen Dringlichkeit eines Bargeldverbotes kommt man schon näher, wenn man sich den Zustand des globalen Finanzsystems vor Augen hält. Die Bedienung der steigenden Schulden erfordert immer weitere Kredite, die sich aber in einer Wirtschaft an den Wachstumsgrenzen nicht mehr profitabel investieren lassen. Um den Kreditfluss am Laufen zu halten, sind die Zinsen in den letzten Jahren deshalb gegen Null gefallen. Die Geldpolitik ist damit an ihre Grenze gestossen. Um Geld noch leichter in den Wirtschaftskreislauf zu bringen, müssten die Zinsen unter Null fallen. In eini-
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gen Ländern werden Negativzinsen denn auch bereits diskutiert. Die Schweiz. Nationalbank hat sie mit der Aufhebung der Frankenbindung an den Euro schon eingeführt, wenn auch aus anderen Gründen. Sie will damit Frankenkäufe durch ausländische Anleger unattraktiv machen, die Leidtragenden aber sind wir. Negativzinsen lassen sich allerdings nur durchsetzen, wenn die Leute ihr Geld nicht von den Banken abziehen und in Bargeld umwandeln können. Dies ist der tiefere Grund hinter der Abschaffung des Bargeldes, wie Prof. Gerald Mann und Ulrich Horstmann in ihrem Buch «Bargeldverbot» schreiben. Damit liesse sich ein schleichender Bankrun elegant verhindern. Viele Bürger haben nämlich schon still und heimlich vorgesorgt. Die Bargeldhaltung ist seit Ausbruch der Finanzkrise erheblich gestiegen, in der Eurozone um rund 400 Prozent. Die Pflicht der Banken zur Umwandlung von Giroguthaben in Bargeld wird dabei nicht ernst genommen. Eine Pensionskasse, die sich im vergangenen März mehrere Millionen in bar ausbezahlen wollte, um den Negativzins zu umgehen, erhielt von ihrer Bank den Bescheid, «wir bedauern, dass innert Frist keine ihren Erwartungen entsprechende Lösung gefunden werden konnte».1 Die Pensionskassen der Schweiz verwalten rund 730 Milliarden, wovon 40 Milliarden auf Giroguthaben gehalten werden. Der Negativzins von 0,75 Prozent verursacht Verluste von jährlich 300 Millionen. Man darf das Szenario ruhig noch etwas ausdehnen. «Da auch der Int. Währungsfonds (IWF) und die Bundesbank einmalige Vermögensabgaben zur Lösung der Schuldenproblematik befürworten, deutet alles darauf hin, dass die Politik in eine solche Richtung schwenken wird», schreibt der deutsche Ökonom David Stelter2 . Wie soll denn eine Vermögensabgabe flächende-
ckend durchgeführt werden, wenn die Leute ihr Bargeld in Sicherheit bringen können? Die Abschaffung des Bargeldes ist also ein zwingender nächster Schritt zur Aufrechterhaltung des Finanzsystems und wird deshalb an vielen Kommunikationsfronten intensiv beworben. So ging das Bild eines Bettlers aus Stockholm um die Welt, der auch bargeldlose Almosen akzeptiert. Das Lesegerät finanzierte eine Kreditkartenorganisationen, die auch Björn Ulvaeus von Abba unterstützt, der sich für die Abschaffung des Bargeldes einsetzt. Ein Pop-Musiker als Botschafter für finanztechnische Reformen? Was mag da für eine Strategie dahinterstecken? Nur: Mit dem Bargeldverbot wird gleichzeitig auch das einzige gesetzliche Zahlungsmittel abgeschafft, über das die Bürger verfügen können. Dies erfordert in der Schweiz eine Gesetzesänderung, die ein Referendum schwerlich überstehen wird. Zudem ist mit der Vollgeld-Initiative ein Vorhaben in der Pipeline, die das elektronische Geld der Banken zu Nationalbankgeld und damit gesetzlichem Zahlungsmittel machen will. Wenn aber die EU ein Bargeldverbot einführt, würde die Schweiz zum sicheren Hafen für viele dunkle Bargeldgeschäfte. Einschränkungen über Notrecht sind in einem solchen Umfeld nicht auszuschliessen. Darüber nachdenken werden die Behörden allerdings erst, wenn eine solche Entwicklung im Euroraum tatsächlich eintritt, sagt Roland Meier, Mediensprecher des Eidg. Finanzdepartements. Immerhin: Am am EZBForum in Sintra im vergangenen Mai wurde bereits über Notfallpläne zum Bargeldverbot gesprochen. Es liegt also etwas in der Luft, und besonders wohlriechend ist es nicht. 1 Nachrichtensendung 10vor10 vom 12.3.2015, 2 David Stelter: Die Schulden im 21. Jahrhundert. 2014. S. 101
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EU gibt zu: Länder ohne Euro fahrten besser
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ie ökonomische Herbstprognose der EUKommission (European Economic Forecast for Autumn 2015) zeigt eine auffällige Kluft zwischen den Staaten der Eurozone und denen, die ihre Landeswährung behalten haben und nicht der EU-Austeritätspolitik unterworfen sind. Das durchschnittliche BIP-Wachstum in den Staaten der Eurozone für 2015 beträgt 1,6%, in Staaten ausserhalb der Eurozone fast das Doppelte, 2,7%. Die Zahlen für die 19 Euro-Länder sähen noch viel schlechter aus ohne Irland, mit seiner gegen die Maastricht-Regeln verstossenden niedrigen Unternehmenssteuer und einem BIP-Wachstum von sechs Prozent, und ohne das winzige Malta mit seiner unbedeutenden Wirtschaft (4,3%). Ohne Irland und Malta beträgt das Wachstum in der Eurozone nicht einmal 1,1%. Red.
Wildwest in den USA: die Polizei, dein Feind und Gauner
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n den USA kann die Polizei ohne Gerichtsurteil Vermögenswerte beschlagnahmen – bei Verkehrskontrollen, Personenüberprüfungen oder Hausdurchsuchungen. Die so beschlagnahmten Werte haben 2014 mit 4,5 Mrd. Dollar erstmals die Summe der Vermögensdelikte von 3,9 Mrd. Dollar übertroffen. Die Konfiskationen des Staates ist damit erstmals grösser als der Diebstahl von Verbrechern. Die Praxis verwandelt die Polizei nach Darstellung von Bloomberg in «sich selbst finanzierende Gangs». Und die Washington Post schreibt: «Eine wachsende Subkultur von Verkehrspolizisten steht im Wettbewerb, wer am meisten Bargeld und Schmuggelware konfiszieren kann. Sie beschreiben ihre Heldentaten in den Chatrooms der eigenen Netzwerke und veröffentlichen Fotos ihrer Trophäen – Geld und Drogen. Einige Polizisten empfehlen die Abriegelung von Schnellstrassen sogar als Ein-
kommensquelle für verschuldete Gemeinden. … Der Polizist Ron Hain hat in einem im Eigenverlag publizierten Buch unter Pseudonym sogar vorgeschlagen, die 'Polizeikräfte in Robin Hoods der Gegenwart zu verwandeln.'» Opfer von Beschlagnahmungen müssen den teuren Gerichtsweg einschlagen, um ihr Vermögen wieder zu erhalten – worauf viele verzichten – währenddem Polizisten keinerlei Sanktionen zu gewärtigen haben, auch wenn die Beschlagnahmung eindeutig widerrechtlich war. Sogar der ehemalige Justizminister Eric Holder plädiert für eine Reform der Praxis. Auf der anderen Seite instruieren Strafverfolger die Polizisten, wie die Grauzonen des Gesetzes am besten zu nutzen sind. CP Quellen: www.zerohedge.com, www.bloomberview.com, www.washingtonpost.com.
Geldschöpfung vor Gericht: Ein immer noch aktueller Fall
Privatisierung verteuert Gesundheit
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as Gerichtsverfahren von Jerome Daly gegen die First National Bank of Montgomery gehört zu den meistzitierten Fällen der US-Rechtsgeschichte. Der Fall ist ein Schlüssel zur juristischen Beurteilung der Geldschöpfung und auch nach 45 Jahren immer noch aktuell. Das dortige Recht verlangt bei einem Hauskauf, dass beide Parteien über die Sache verfügen, um die es bei einer Immobilienfinanzierung geht. Der Käufer muss also im Grundbuch als Eigentümer eingetragen werden und die Bank muss tatsächlich über das Geld verfügen, das sie dem Käufer zur Finanzierung zur Verfügung stellt. Daly, der geschäftlich nicht erfolgreich und von der Zwangsvollstreckung seines Hauses bedroht war, klagte 1969 gegen die First National Bank of Montgomery mit der Begründung, sie habe das Geld gar nicht besessen, sondern mit dem Kaufakt aufgrund eines Kreditvertrages aus dem Nichts geschaffen. Der Präsident der Bank gab in der Verhandlung zu, dass sie tatsächlich nicht über das Geld verfügte, das sie
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Daly vermeintlich zur Verfügung stellte, sondern aus dem Nichts schöpfte, und dass ferner kein Gesetz der USA diese Praxis legitimiere. In der Folge wies das Gericht die Zwangsvollstreckung zurück. Die Bank ging schon am nächsten Tag in die (erfolgreiche) Berufung mit der Begründung, der Richter habe gar nicht die Kompetenz gehabt, in einem solchen Fall zu entscheiden. Zur Sache äusserte sich das nächstinstanzliche Gericht nicht. Daly, ein notorischer Steuerrebell, wurde später wegen Betrugs zum Schaden der USA verurteilt. Der Richter Martin V. Mahoney starb kurz nach seinem Urteil unter mysteriösen Umständen. Die Google-Suche nach Martin V. Maloney ergibt trotz der Bekanntheit des Falles praktisch keine Resultate. Der mutige Richter hat seinen Spruch nicht nur mit dem Leben, sondern auch mit Vergessenheit bezahlt. CP
nteressierte Kreise behaupten beständig, das Gesundheitssystem sei viel zu teuer und ineffizient. Am Schluss folgt dann stets dieselbe Empfehlung: Mehr Privatisierung, mehr Markt, mehr Wettbewerb. Doch ausgerechnet das USGesundheitswesen, das am stärksten nach diesen Rezepten funktioniert, ist am teuersten und weist die größte jährliche Kostensteigerung auf. Zu diesen Ergebnissen kommt die Schweizer Ökonomin Mascha Madörin in einer Studie für das Institut für Pflege in Winterthur. Ihr Resümee: Was die Neoliberalen als Marktmechanismen verkaufen, sind in Wahrheit gar keine. Statt mit einem real marktförmig organisierten Steuerungssystem sind wir inzwischen mit einem seltsam und vollkommen dysfunktional gesteuerten Gesundheitssystem konfrontiert, das viel mehr Ähnlichkeiten mit einer zentralstaatlichen Planung à la DDR habe als mit einem Markt. JW
Kurzer Filmausschnitt: www.youtube.com/watch?v=xSqi1N_ RrUs&feature=youtu.be
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Medien spielen das Spiel der Terroristen mit Verleumdende verstärken tausendfach Ge- von Wahrscheinlichkeitsrechnung gehört. In Wikipedia VielefühleMedien der Entrüstung und des Mitleids Westeuropa ist das Risiko, wegen eines Terrormit Bildern, Vor-Ort-Berichten und Sondersendungen in einem Ausmass, dass sich Angst und Schrecken verbreiten. Am Berner Bahnhof patroullieren Schwerbewaffnete, ein Lausanner Gymnasium sagt alle Paris-Reisen im nächsten Jahr ab, viele Individualtouristen stornieren ihre gebuchten Städtereisen. Umfragen in Deutschland zeigten, dass viele Jugendliche sich nicht mehr an Grossanlässe getrauen, im öffentlichen Raum misstrauisch geworden sind und nachts weniger gut schlafen. Medien nützen es schamlos aus, dass die Bevölkerung Risiken ganz schlecht einschätzen kann. Die wenigsten haben in der Schule etwas
anschlags ums Leben zu kommen, vergleichbar mit dem Risiko, von einem Blitz erschlagen zu werden. Das Risiko, in einem Auto unverschuldetes Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden, ist eintausendmal grösser als von Terroristen erschossen zu werden. Das gilt auch für einen Aufenthalt in Paris. Wenn wir einen Überwachungsstaat akzeptieren und auf Freiheiten verzichten sollen, um das Risiko eines Terroranschlags zu verringern, welche unglaublichen Einschränkungen müssten wir im Strassenverkehr in Kauf nehmen, damit wir nicht ein Opfer der Strasse werden? Urs P. Gasche, Infosperber
Fertig zersiedelt?
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enn in Unterdorf eine Kuhweide verbaut wird, soll in Oberdorf eine Bauzone von der Landwirtschaft genutzt werden. Dies ist eine der Forderungen des Vereins «Nachhaltige Siedlungsentwicklung», der im April die Volksinitiative mit den Namen «Zersiedelung stoppen» lanciert hat. Ihren Wunsch einer «Siedlungsentwicklung nach innen, die im Einklang mit hoher Lebensqualität steht», verfolgt zwar auch das Bundesamt für Energie und das Bundesamt für Raumentwicklung. Die Anstrengungen tragen aber nicht genügend Früchte. Inspiriert von der Idee des Vereins «Neustart Schweiz», der sich für nachhaltige Quartiere stark macht, fordert das Initiativkomitee Bauzonen zu limitieren. «Nur so», sagt der 26-jährige Sekretär, Cyrill
Bolliger, «gibt es überhaupt einen Anreiz, verdichtet zu bauen». Betonwüsten sind allerdings nicht ihr Ziel. Im Gegenteil: die Initiative setzt auf eine moderate Aufstockung von bestehenden Bauten, wo dies möglich und angebracht ist. «Wir brauchen ein neues Siedlungsmodell» sagt er. Wo gewohnt und gearbeitet wird, verringern sich Pendlerströme. Er ist überzeugt, dass solche Änderungen nicht von selbst umgesetzt werden. Darum hofft er, dass neben den bereits unterstützenden Organisationen und Parteien wie dem Hausverein, UmverkehR, Pro Velo, Junge Grüne, Juso und der jungen EVP auch weitere Parteien mitziehen. OR
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st das Online-Lexikon Wikipedia so demokratisch und bürgernah, wie man gemeinhin glaubt? Nein, meint der Filmemacher Markus Fiedler und präsentiert seine Argumente in der Dokumentation «Die dunkle Seite der Wikipedia». Die Partizipationsmöglichkeiten der Wikipedia seien überwiegend nur Schein, erfahren wir hier. Alle gewichtigen Entscheidungen darüber, was wie veröffentlicht würde, träfe ein kleiner anonymer Kreis von Administratoren, der seine Meinung mit aller Macht durchsetzt. Als Beispiel präsentiert Fiedler Manipulationen am Wikipedia-Eintrag des Schweizer Friedensforschers Daniele Ganser. Trotz mehrfacher Hinweise, dass diese inkorrekt wären, wurden sie nicht korrigiert. Ganz im Gegenteil: Daniele Ganser wurde als «Verschwörungstheoretiker» stigmatisiert. Ohne jedes inhaltliche Argument. Ein Filmtipp für alle, die wissen möchten, die Denunziation im 21. Jahrhundert funktioniert. Jens Wernicke
Der Film ist unter seinem Titel «Die dunkle Seite der Wikipedia» auf youtube zu finden.
Weitere Infos und Unterschriftenbogen: www.zersiedelung-stoppen.ch
Eine Kampagne von unten für Menschen mit Eiern Für die zweite Gotthardröhre wird mit zweifelhaften Argumenten und gezinkten Karten gekämpft. Das wollten wir ursprünglich auf der nebenstehenden Seite in einem redaktionellen Beitrag dokumentieren. Aber anstatt mit Argumenten gegen eine Front gemachter Meinungen anzuschreiben, entschlossen wir uns spontan für eine emotionale Botschaft. Eine Politik, die mit Tricks und unhaltbaren Versprechen arbeitet, braucht eine klare Antwort – ein Signal mit Eiern an die classe politique, die nur so tut, als hätte sie welche.
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Mit dem Resultat waren wir so zufrieden, dass wir Ihnen die Vorlage als Plakat zu den Selbstkosten zur Verfügung stellen. Das Format A2 (42 x 59 cm) ist geeignet für Werbeständer u.ä., das Format A3 (30 x 42 cm) passt an Anschlagbretter und inoffizielle Plakatstellen. Die Kosten je 10 Ex.: Fr. 7.– (A3), Fr. 12.– (A2), ohne Porto. Bestellungen mit der Karte im Umschlag oder per Mail direkt an verlag@zeitpunkt.ch Bitte plakatieren Sie nur an privaten oder bewilligten Standorten.
Es stehen auch Anzeigenvorlagen in verschiedenen Formaten für die Lokalpresse zur Verfügung. Download hier: www.zeitpunkt.ch/gotthard Vielen Dank fürs Mitmachen. Auch wenn es nicht gelingen sollte, die Abstimmung noch zu wenden, so haben wir es trotzdem versucht. Es wird weitere Gelegenheiten für GraswurzelKampagnen geben. Dann haben wir es wenigstens schon geübt. Die Redaktion
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Wer Eier hat, sagt Nein zur zweiten.
zeitpunkt.ch
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Die Lüge von der Grünen Ökonomie «Aus kontrolliertem Raubbau» lautet der Titel einer schonungslosen Abrechnung der deutschen Journalistin Kathrin Hartmann
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inter der Ideologie der Green Economy steckt die Vorstellung, man könne Wachstum und Naturzerstörung voneinander «entkoppeln». Ein grünes Perpetuum mobile also, und diese Vorstellung gefällt der konsumfreudigen Mittelschicht sehr gut. Denn das hiesse, Hyperkonsum und Verschwendung wären gut für die Welt. Diese zynische Mischung aus Anti-Aufklärung und Besitzstandwahrung macht mich wütend. Denn Wachstum und Profit brauchen Rohstoffe, Energie und billige Arbeitskraft. Naturzerstörung ist daher die Grundlage des grünen Kapitalismus und Armut seine wichtigste nachwachsende Ressource. Es geht der Green Economy nicht darum, die Ursachen von Armut, Hunger und Zerstörung zu ändern, sondern das per se schädliche System zu «verbessern». Mit «nachwachsenden Rohstoffen», Nachhaltigkeitssiegeln für problematische Rohstoffe wie Palmöl und FutterSoja, Fracking, Handel mit Verschmutzungsrechten, Biotechnologie usw. Und das Hand in Hand mit der UNO, Entwicklungsorganisationen und Grosskonzernen. Als die EU vor zehn Jahren die Beimischungsquote für Biosprit ankündigte, wurden dafür in Indonesien gigantische Flächen Regenwald abgebrannt und abgeholzt, um dort Palmölplantagen anzulegen, denn Palmöl wird für Biodiesel gebraucht. Dafür wurden Tausende Kleinbauern und Indigene gewaltsam vertrieben. Es gibt in Indonesien daher 5000 Konflikte wegen Landraubs, das Land ist durch die Abholzung der drittgrösste CO2Emittent der Welt. In Wirklichkeit um Geo- und Standortpolitik. Dazu ist auch ein anderes Beispiel anschaulich. Als die Folgen des Palmölanbaus immer deutlicher wurden, formierte sich der «Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl», kurz RSPO, auf Betreiben von WWF, Unilever und der Palmö-
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lindustrie. Das war eine reine Industrieveranstaltung, unter deren grünem Deckmäntelchen Menschenrechtsverletzungen und Waldzerstörung bis heute weitergehen – und zwar mit Segen der EU, die das RSPO-Siegel als Nachhaltigkeitsnachweis für nachwachsende Rohstoffe akzeptiert hat. Das ist staatlich finanziertes Greenwashing und institutionalisierte Verantwortungslosigkeit. Die Missstände in Indonesien werden so zementiert und legitimiert. «Nachhaltigkeit» ist zu einem anderen Begriff für «Systemerhalt» geworden. Worum es stattdessen gehen muss, ist ökosoziale Gerechtigkeit. Überflüssige Produkte wie Bio-Tütensuppen mit Palmöl oder importierte tropische Bio-Shrimps sind doch nicht nachhaltig. Eine selbstbestimmte kleinbäuerliche Landwirtschaft hingegen ist re-
Naturzerstörung ist die Grundlage des grünen Kapitalismus und Armut seine wichtigste nachwachsende Ressource. gional, ökologisch und sozial gerecht und kommt ohne Monokulturen, gigantische Aquakulturen, Plantagen für Futterpflanzen und «nachwachsende Rohstoffe» für den Export aus. Das ist das Konzept der Ernährungssouveränität, für das viele Bewegungen des Südens kämpfen, die Widerstand gegen die mächtige und gewalttätige Agrarindustrie leisten. Ich habe in Indonesien versucht, «nachhaltiges Palmöl» zu finden. Gefunden habe ich nur unvorstellbare Zerstörung und furchtbares Leid. Wochenlang bin ich durch nichts als gigantische Palmöl-Monokulturen und abgeholzte Flächen gefahren. Die Menschen, die ich traf, waren Vertriebene, Enteignete, Gewaltopfer oder Sklaven auf Plantagen mit Nachhaltigkeitssiegel, die völlig verarmt
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Die Frau kann schreiben und hat etwas zu sagen: Kathrin Hartmann, Autorin von «Aus kontrolliertem Raubbau» und anderen lesenswerten Büchern über die Irrtümer der Green Economy.
unter lebensgefährlichen Bedingungen arbeiten, auch Kinder. Ich habe in Sumatra eine indigene Gemeinde besucht, die unter einem der brutalsten und längsten Landkonflikte leidet. Man hat ihren Wald weggenommen, ihre Dörfer zerstört, ihre Mitglieder misshandelt. Militär und Security der Palmölfirma PT Asiatic Persada haben einen von ihnen, Puji, im März 2014 totgeschlagen. Direkt neben dieser Plantage wird ein Wald aufgeforstet – ein Projekt der deutschen Klimainitiative, unterstützt von KfW-Entwicklungsbank, Bundesumweltministerium, Naturschutzbund. Ähnliches habe ich im Südwesten von Bangladesch recherchiert. Dort haben Aquakulturen, in denen Garnelen für Europa, Japan und die USA gezüchtet werden, die Lebensgrundlange Hunderttausender zerstört. Denn da, wo jetzt Salzwasserbecken sind, waren früher Reis- und Gemüsefelder oder Mangrovenwälder. Dadurch haben
Auf der Suche nach «nachhaltigem Palmöl» in Indonesien fand ich nur unvorstellbare Zerstörung und furchtbares Leid. sich Hunger, Armut, Klimawandel und Bodendegradierung verstärkt. Das Absurde ist: Die Aquakultur wurde mit Unterstützung von Weltbank, FAO und UNO in Bangladesch angesiedelt, um dort den Hunger zu bekämpfen und die Meere vor Überfischung zu bewahren – ein weiterer grüner Irrtum, denn fast ein Drittel der gefangenen Meeresfische wird zur Fütterung in Aquakulturen verwendet. Es ist ein Mythos, dass Wachstum für Gerechtigkeit sorgt. In der globalen Wirtschaft landen von jedem erarbeiteten Dollar 93 Cent in den Taschen des reichsten einen Prozents. Auch vom grünen Kapitalismus profitiert die Elite, die gleichzeitig die meisten Ressourcen verbraucht. Dieser erhält das Machtgefälle und sichert es ab. Natürlich leisten viele NGOs wertvolle Arbeit, was Aufklärung, Kampagnen und Mobilisierung betrifft. Allerdings schleicht sich bei ihnen ein gefährlicher Pragmatismus ein, indem sie sich mit der Industrie «an einen Tisch» setzen und Verbesserungen innerhalb der per se schädlichen Lieferkette zu erreichen versuchen. Der WWF etwa, der von Adeligen, Grosswildjägern und Industriellen mitbegründet wurde, wird für seine Nähe zu Konzernen schon lange kritisiert. Aber auch Greenpeace
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setzt sich mit Konzernen ins Benehmen. Als die französische Umweltministerin Ségolène Royal zum Nutella-Boykott aufrief, verteidigte Greenpeace den Konzern Ferrero und lobt diesen für sein Versprechen, sich um die Verwendung von nachhaltigem Palmöl zu bemühen. Greenpeace arbeitet ausserdem mit dem grössten Papierkonzern der Welt, Asian Pulp&Paper, kurz APP, in einem Waldschutzprojekt in Indonesien. Doch APP ist in die fürchterlichen Waldbrände verwickelt, die in Indonesien allein bis Ende September 2015 eine Fläche so gross wie Teneriffa vernichtet haben. Die Aktivisten, die ich 2014 in Indonesien traf, waren alle ziemlich sauer auf Greenpeace. Sie kämpfen nicht für einen netteren Kolonialismus mit «besseren» Lieferketten oder «nachhaltigem» Palmöl – sondern für ihr Land, ihren Wald und ein gutes Leben. Armut, Hunger, Klimawandel, Ressourcenknappheit haben dieselbe Ursache: das wachstumsgetriebene kapitalistische System. Man kann sie daher nicht getrennt voneinander abschaffen. Um das System zu ändern, können wir nicht unsere Verantwortung auf NGOs oder «die Politik» abwälzen – das schaffen wir nur gemeinsam in einer sozialen Bewegung, die sich mit den Bewegungen des Südens solidarisiert. Jean Ziegler hat dafür den tollen Begriff der «planetarischen Zivilgesellschaft» geprägt. Die Eindrücke bei meinen Recherchen haben mich erschüttert, dennoch bin ich mit grosser Hoffnung heimgefahren. Die vielen Aktivistinnen, widerständigen Indigenen, Gewerkschafter und politischen Kleinbauern haben mich ungeheuer beeindruckt. Sie kämpfen mit so viel Klugheit, Kraft, Liebe, Mut und Solidarität und dem Glauben an bedingungslose Gerechtigkeit gegen das herrschende System und für ein gutes Leben. Und alle Alternativen, die sie erkämpft und umgesetzt haben – intakte Walddörfer, Inseln ohne Aquakultur, zurückeroberte Wälder, eine selbstbestimmte solidarische Landwirtschaft – funktionieren ganz hervorragend! Wir können von ihnen viel lernen, wenn wir uns mit ihnen solidarisieren. Dafür gibt es keinen Reissbrettplan, aber gerechte und emanzipatorische Alternativen, die wir nur gemeinsam entwickeln können und gegen die Eliten politisch durchsetzen müssen. Dazu müssen wir wieder lernen, Ungerechtigkeit nicht zu akzeptieren, wütend zu werden und vor allem: daran zu glauben, dass Alternativen möglich sind. Kathrin Hartmann, geboren 1972 in Ulm, lebt als Journalistin und Buchautorin in München. «Aus kontrolliertem Raubbau» ist im August bei Blessing erschienen (448 S. Fr. 25.90/€19.–). 2009 erschien «Ende der Märchenstunde – wie die Industrie die Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt», 2012 erregte ihr Buch über die neue Armut, «Wir müssen leider draussen bleiben», grosses Aufsehen. Der obenstehende Text basiert auf einem Interview von Jens Wernicke mit Kathrin Hartmann. Weitere Arbeiten von Jens Wernicke sind zu findenauf jenswernicke.de.
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Windeln zu Obstbäumen Eine japanische Aktionskünstlerin und Sozialunternehmerin will Stoffkreisläufe schliessen von Annette Jensen
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yumi Matsuzaka beschäftigt sich intensiv mit Dingen, vor denen andere gerne Augen und Nase verschliessen. Seit Jahren experimentiert die in Berlin lebende Japanerin mit Ausscheidungen. Im Rahmen eines Kunstprojekts sammelte sie ihren Urin und düngte damit Salate, um sie anschliessend zu verspeisen. Zusammen mit Bodenkundlern, Pilzexperten und Ingenieuren stellte sie aus Küchenabfällen, Holzkohle und Fäkalien fruchtbare Schwarzerde her. Im Frühjahr 2015 gründete sie das Unternehmen Dycle, an dessen Entwicklung inzwischen vier Leute mitarbeiten. Das Motto der Firma: Aus vollgeschissenen Windeln wachsen Obstbäume. «Entrepreneure können kreativer sein als Künstler und mehr bewirken», begründet die unkonventionelle 37-Jährige den Schritt von der Aktionskünstlerin zur Unternehmerin. Windeln machen heute bis zu zehn Prozent des kommunalen Abfalls aus – nicht selten braucht ein Baby jeden Tag zehn Pampers. Dabei ist das, was unten aus den Kindern raustropft und -fliesst, im Prinzip ein Nährstoff und kann zu guter Erde verarbeitet werden. «Wenn mir eine neue Idee kommt, werde ich ganz aufgeregt. Ich versuche dann, die Zusammenhänge zu ergründen und ein Projekt draus zu machen», erzählt die Frau mit den pechschwarzen, exakt geschnittenen Haaren. In diesem Fall führte ihre Aufregung erst einmal dazu, dass sie verschiedene Ökowindeln einkaufte und einer befreundeten Familie zur Verfügung stellte, die gerade Nachwuchs bekommen hatte. Die Eltern warfen die Windeln nach dem Gebrauch in einen Eimer, schütteten jeweils etwas Pflanzenkohle obendrauf und verschlossen das Ganze wieder luftdicht, sodass ein Fermentationsprozess stattfinden konnte – der erste Schritt auf dem
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Weg zu fruchtbarer Terra PretaErde. Schnell wurde klar, dass ein Grossteil der Biowindeln ungeeignet fürs Kompostieren sind: Die Plastikfolie und der eingearbeitete Absorber, der die Flüssigkeiten in ein Gel verwandelt, machen sie zu unbrauchbarem Müll. Nur Foto: Privat eine Sorte bestand den Test: Hier Ayumi Matsuzaka in Aktion. übernimmt eine wasserdichte, atmungsaktive Hose die Funktion, das Baby nach Dort können Sozialunternehmer ihre Ideen im offenen Bereich rund um die Kaffeeküaussen hin trocken zu halten. Auf dem Pflanzentauschmarkt, der regel- che diskutieren oder sich an flexibel genutzte mässig in den Berliner Prinzessinennengär- Schreibtische in Ruheräume zurückziehen. Die ten stattfindet, sprach Ayumi Matsuzaka 20 Atmosphäre ist freundlich und konzentriert. junge Eltern an, um sie für ihr Pilotprojekt zu Längst gehen Ayumi Matsuzakas Visionen gewinnen. Bald trafen Dutzende von Eimern weiter: Eltern schliessen sich zu grösseren mit Versuchswindeln bei ihr ein. «So soll es Gruppen zusammen und produzieren die jenach etwa vier Wochen aussehen», sagt die weils von ihren Kindern benötigten Windeln Jungunternehmerin und zeigt ein Foto, auf in Eigenregie. Dafür will ein Professor an der dem sich über einer Kohleschicht ein weisser TU Berlin bereits im Sommersemester 2016 Flaum gebildet hat. zusammen mit Studierenden eine einfach zu bedienende Maschine entwickeln. Auch ExSieben Wochen später ist von der Windel- perten für nachwachsende Rohstoffe gehören struktur kaum noch etwas zu sehen und das zu Matsuzakas Unterstützerkreis. Zusammen Ganze hat schon ein sehr erdiges Aussehen. mit ihnen möchte sie herausfinden, welche Gegenwärtig lagern die Hinterlassenschaften Pflanzen sich in verschiedenen Regionen für der Babys auf einem Komposthaufen am Rand die Windelproduktion eignen. von Berlin, vermischt mit Kuhmist. Im Frühjahr 2016 werden sie etwa 100 kleine Obst- Vor ihrem inneren Auge sieht sie bereits, wie gehölze düngen, deren Sorten die beteiligten Elterngruppen mit örtlichen Baumschulen Eltern auswählen sollen. «Und aus regional kooperieren, die die Vererdung und Obstangebauten Pflanzen wollen wir dann neue baumpflanzungen organisieren. Ihre eigene Babywindeln herstellen», sagt die in Nagasaki Firma soll sich vor allem auf Information, Begeborene Frau, die schon in zahlreichen Län- ratung und Training konzentrieren, so Ayumi dern von Finnland bis China, von Vietnam Matsuzakas Plan. Ihr Ideal ist eine weltweite über Frankreich bis nach Stuttgart ihre Spuren Kreislaufwirtschaft - dezentral, kleinteilig, als Aktionskünstlerin hinterlassen hat. technisch unaufwändig, naturverbunden. Seit ein paar Wochen hat sie sich stundenweise im Berliner Social Impact Hub eingemietet – einer hellen Büroetage in Kreuzberg. Crowdfounding-Kampagne: dycle.org
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Zen statt Zeug Wer pilgert, hat alles bei sich und weiss wo es ist. Wie lässt sich dieses beglückende Gefühl zuhause umsetzen? Erfahrungen
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uhause angekommen versickert die gelassene Genügsamkeit recht schnell. Wohin? In die Ritzen und Spalten, in die Berge, Täler und Seitentäler all der Dinge, die ich besitze und die um meine Aufmerksamkeit buhlen. Meine Besitztümer – meine Besitz-Türme. In der Bibliothek springt mich eine Bombe im schlichten Gewand eines Buches übers Aufräumen an. Ein Bestseller, millionenfach in verschiedenen Sprachen verkauft: «Magic Cleaning, wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert» der 30-jährigen Japanerin Marie Kondo. Vom Time-Magazine wurde sie unter die hundert einflussreichsten Personen im Jahr 2015 gewählt. Ich lese das komplette Buch am selben Abend. Am nächsten Tag lese ich es noch einmal – dann lege ich los.
Aber natürlich sind die Schritte vorher dafür umso wichtiger. Nach der KonMari-Methode entrümple ich jede Kategorie von Gegenständen nacheinander, in folgender Reihenfolge: Kleider, Bücher, Dokumente, Kleinkram und Erinnerungsstücke. Von jeder Kategorie sammle ich alle Dinge, z.B. sämtliche Kleider, im ganzen Haus und legen sie an einem Ort aus. Erst da wird mir bewusst, wieviel ich überhaupt besitze. Nacheinander nehme ich jedes Stück in die Hand und stelle mir die einzig relevante Frage: Macht mich dieser Gegenstand glücklich? Anfangs bereitet dieses Kriterium Mühe, später wird es immer leichter. Meine Fühler stimmen sich ein auf Glück. Weggeben ist aber manchmal auch schmerzhaft. Ich muss mich der Vergangenheit stellen und mir eingestehen, dass ich nicht mehr dieselbe bin,
von Selina Fehr
wie vor drei Jahren. Trotz den teils unangenehmen Entscheidungen ist Aufräumen nach Marie Kondo ein Fest, ein Fest der Dankbarkeit und Wertschätzung – besonders für die Gegenstände, die ich loslasse. Jedes Ding hat seinen eigenen Zweck. Vergegenwärtige ich mir die wahre Rolle eines jeden Gegenstands, der mich nicht (mehr) glücklich macht, dann merke ich, dass die meisten ihre Aufgabe bereits erfüllt haben. Ich kann sie dankend verabschieden. Die Stücke, die ich behalte, kann ich von nun an noch besser wertschätzen. Entrümpeln tut gut. Im Feng Shui bedeutet herumliegender Krempel gefangene Energie. Praktischer ausgedrückt bedeutet Gerümpel aufgeschobene Entscheidungen und aufgeschobene Handlungen. Dieser Gerümpel scha-
Die KonMari-Methode oder «Magic Cleaning», wie sie es nennt, ist unverschämt einfach. 1 Mache dir klar, warum du aufräumen willst. 2 Räume in einem Rutsch, in kurzer Zeit und perfekt auf. Geh die Dinge nach Kategorien durch, nicht nach Zimmern. Nimm jeden Gegenstand in die Hand, und sortiere alles aus, was dich nicht glücklich macht. 3 Finde für jeden Gegenstand, den du behältst, ein Zuhause. 4 Lebe glücklich bis ans Ende deiner Tage, ohne je wieder im Chaos zu versinken. Auch den vierten Punkt meint Kondo ernst: Nach ihrer Methode müssen wir einmal im Leben aufräumen und dann nie wieder. Der Zustand unserer perfekt aufgeräumten Wohnung, einzig mit Dingen, die wir lieben, werde sich wie ein positiver Schock einprägen. Und bis jetzt soll tatsächlich keine einzige von Kondos Kundinnen einen «Rückfall» erlitten haben.
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Krempel bedeutet gefangene Energie oder praktischer ausgedrückt: aufgeschobene Entscheidungen und aufgeschobene Handlungen.
det uns auf unterschiedliche Art und Weise. Er schwächt unsere Konzentration, erhöht das Stressgefühl, begünstigt unnötiges Aufschieben und kostet Zeit und Geld. Vor allem aber hält uns dieser Gerümpel davon ab, im Jetzt zu leben. Wir bewahren Dinge auf, weil wir entweder Angst vor der Zukunft haben oder zu sehr an Vergangenem haften. Dies bedeutet fast immer: Wir wissen nicht, was uns in der Gegenwart Erfüllung und Glück bringt und was wir eigentlich suchen. Viele ihrer Klienten werden beim Aufräumen überflüssige Pfunde und Pickel los, schreibt Kondo im Buch. Andere machen nach der Wohnung weiter mit aufräumen und verabschieden sich auch von ungesunden Beziehungen oder einer unpassenden Arbeitsstelle.
«Magic-Cleanig» soll nicht die Wegwerfgesellschaft weiter befeuern. Viel mehr passt sie für mich in eine Welt des Tauschens und Teilens, wo nicht jeder alles selber besitzen muss, sondern auch unsere Besitztümer im Fluss sind, wie alles in der Natur. Als Kind wurde mein chaotisches Schulpult regelmässig im Zeugnis beanstandet. Meine Farbstifte ordnete ich aber nach Regenbogenfarben, und meine Lieblingsbücher präsentierte ich wie Museumsexponate in immer neuen Ordnungssystemen auf dem Regal. Nach Kondo macht das Sinn: Der Mensch kann sich nur um eine beschränkte Anzahl von Gegenständen wirklich kümmern, sie pflegen und benutzen. Umso leichter fällt das, wenn wir diese Dinge auch ins Herz geschlossen haben.
Mit der Kraft der Knospen heilen
Ich bin kein Aufräum-Fan geworden. Einmal im Leben reicht ja. Aber ich bin Fan der KonMari-Methode. Die ersten drei Kategorien habe ich hinter mir. Mein Kleiderschrank gleicht einer Schatzkammer mit Lieblingsstücken, die alle genug Luft zum Atmen haben. Meine übriggebliebenen Bücher liebe ich heiss und innig und sie lassen mir genug Freiraum für neue Inspiration. Alle meine Papiere passen in zwei Ordner. Ich fühle mich schon viel leichter und immer noch sehr motiviert, auf dem Weg zu meinem idealen Leben zu pilgern. Wer also im Januar mit dem Frühlingsputz anfangen will, dem empfehle ich dieses Buch wärmstens. Marie Kondo: Magic Cleaning – Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert. 2013, Rowohlt Taschenbuch Verlag. Fr. 14.90 / € 10.–
Plastik wird Biogas
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ie Knospe ist das «Kostbarste und Lebendigste jeder Pflanze», schreiben Chrischta Ganz und Louis Hutter in ihrem Handbuch: «Gemmotherapie – Knospen in der Naturheilkunde». Das lateinische Wort «Gemma» bedeutet sowohl Knospe, als auch Edelstein. Die besondere Vitalkraft der Knospen, Triebspitzen und Keimlinge kann der Mensch zum Gesundwerden nutzen: Wässrige Auszüge aus diesen «Juwelen», sogenannte «Gemmomazerate», lindern laut den Autoren viele chronische und akute Erkrankungen und stärken die Regenerationskraft. Wie man die Bäume und Sträucher an ihren Knospen erkennen kann und welche wofür gut sind, genau dem widmen sich Ganz und Hutter in ihrem neuen Buch. In Text und prächtigen Nahaufnahmen werden
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über 50 Knospen und ihre Anwendungsmöglichkeiten detailliert vorgestellt, ergänzt durch Aspekte der Säftelehre sowie der Planetenkräfte. Selbstverständlich enthält das Buch auch eine ausführliche Anleitung, wie man selber Gemmomazerate herstellen kann. Es richtet sich an Fachleute und naturheilkundlich interessierte Laien, die der Kraft der Knospe auf die Spur kommen wollen. SF
Chrischta Ganz & Louis Hutter: Gemmotherapie – Knospen in der Naturheilkunde. 2015 AT Verlag, geb., 272 S., Fr. 34.90 / € 29.95
ie junge Ägypterin Azza Faiad scheint einen Weg gefunden zu haben, wie man aus geschreddertem, zu Plastikkügelchen geschmolzenen Abfall Energie machen kann. Ein Katalysator namens Aluminisilicate, den man bisher nicht verwendet hat, könne die langen Molekülketten von Plastik knacken und kostengünstig in Methan und Propan transformieren. Nachdem die damals 17-jährige Teenagerin mit ihren Berechnungen einen Wettbewerb bei «Jugend Forscht» gewonnen hat, bot ihr das ägyptische PetroleumForschungsinstitut sogleich einen Laborplatz an. Mit einem Team aus Experten arbeitet sie jetzt als Ingenieurstudentin an der Verwirklichung ihrer Entdeckung. Gelingt es ihr, das Verfahren praktikabel zu machen, verwandelt sie Abfallberge schlagartig in Goldgruben. Aus Plastik, so die Hoffnung, würde ein neuer Rohstoff. Die Ozeane vom Plastik zu säubern, würde ökonomisch attraktiv. Klingt besser als ein Märchen aus tausendundeiner Nacht. OR
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vollwertig leben
Diese Schokolade hilft Christoph Inauens Job war sicher, aber ihm nicht bedeutungsvoll genug. Er schmiss ihn hin und gründete zusammen mit peruanischen Kakaobauern eine neue Schokoladenmarke von Ondine Riesen «Choba Choba». Der Name bedeutet: Ich helfe Dir, Du hilfst mir.
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ls der heute 34-jährige Christoph Inauen seine Stelle bei einem Schweizer Schokoladeproduzenten antrat, sollte er eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln und direkte Beziehungen mit Kakaobauern aufzubauen. Denn kein Mensch im Unternehmen hatte je Kontakt mit einem Kakaoproduzenten gehabt. Es kaufte, wie in der Branche üblich, im anonymen internationalen Kakaohandel ein. Der Ökonom In-
früher Koka anbauten, wanderte er mit Machete und GPS durch den Urwald der oberen Alto Huayabamba-Gegend. Die Gespräche mit den Bauern zwangen ihn, über sein Leben und seine Arbeit nachzudenken. «Es war eine wichtige Lektion für mich, zu erkennen, dass meine Projekte das grundlegende Problem des Schokoladenhandels – die ungleichen Machtverhältnisse – nicht lösten.» Denn im Schokoladengeschäft haben die Bauern keine Stimme. Es sind die wenigen multinationalen Unternehmen, die über 75 Prozent des Marktes kontrollieren. «Während die Industrie dicke Gewinne verbucht, erhalten die Kakaobauern noch etwa die Hälfte dessen was sie 1990 bekamen», sagt Inauen. Wenn eine Tafel Schokolade 4,20 Franken kostet, kriegt der Bauer heute 0,25 Franken. Die süssen Kerle und ihre Partner: Eric, Rosaria, Charito, Oswaldo, Diese Erkenntnis pflanzte in Christoph und Jonathan (v. l. n. r.) Im Hintergrund trocknen Kakaobohnen. Inauen den Samen dessen, auen, der auch Entwicklungspolitik an der ETH was «Choba Choba» werden sollte. Von nun an studierte, reiste nach Lateinamerika, Asien und wollten Eric Gernier und er es anders machen. Afrika und begann langfristige Beziehungen zu Ihre Idee war «das Schokoladen-Business auf Produzenten aufzubauen. den Kopf zu stellen». Sie wollen die Machtver2008 lernte er den Franzosen Eric Gernier ken- hältnisse umkehren, die Bauern an der Firma nen, ein Kunde seiner damaligen Arbeitgeberin. beteiligen, die Gewinne fair aufteilen, kurz: den Mit ihm besuchte er regelmässig die Bauern des negativen Auswüchsen der Globalisierung die Alto Huayabamba-Tals in Peru. Inauen verliebte Stirn bieten. Damit die Bauern des Alto Huayasich in die Natur der Amazonas-Region und in bamba nicht nur als Rohstofflieferanten fungiedie «positive Energie» der Bauern, bei denen er ren, sondern eine echte Stimme haben, wollten im Schlafsack auf der Pritsche schlief. Weil er Inauen und Gernier gemeinsam mit ihnen eine und Gernier immer wieder zurückkehrten, wur- neue Schokoladenmarke aufbauen. den die beiden Geschäftspartner bald Freunde Sie gründeten eine Aktiengesellschaft, samund auch Teil der «Familie», wie Inauen die 35 melten Geld und legten los. Von den 100’000 Bauern liebevoll nennt. Franken Firmenkapital steuerten die 35 Bauern Auch seine Frau Odille sollte «la familia» ken- zusammen 8’000, Inauen und Grenier je 46’000 nenlernen. Mit ihr und einigen der Bauern, die bei. So besitzen die Bauern vorerst acht Pro-
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zent der AG. Zusätzlich zum von ihnen selbst beschlossenen Ankaufspreis, der laut Inauen doppelt so hoch ist wie der Weltmarktpreis, erhalten sie vier Prozent des Verkaufspreises. Zur Hälfte werden sie davon mit Geld, zur anderen Hälfte mit Aktien ausgezahlt. So kaufen sie sich nach und nach Aktienanteile der Firma, bis sie im Jahr 2020 mindestens ein Drittel der Firma besitzen sollen. Die Idee fand Anklang. Auf der Crowdfunding-Plattform «Kickstarter» haben rund tausend Unterstüzende aus 35 Ländern über 115’000 Franken für Choba Choba gesammelt. Mit diesem Geld, sagt Inauen, konnte die diesjährige Produktion gesichert werden. Weil sie aber viel mehr als erwartet sammeln konnten, reicht es sogar für die Produktion von 2016. Ende November eröffnete Choba Choba seinen Internetshop. Die ersten Fotos von zufriedenen Schokomündern erschienen auf ihrer FacebookSeite. Vom Erfolg seiner Idee beflügelt, träumt der junge Vater nun auch von eigenen Läden in grösseren Städten. «Die Schokolade soll direkt von den Bauern in die Hand der Konsumenten gelangen – nicht über anonyme Supermärkte». Geld ist dabei nicht der Antrieb, sondern die Vision einander zu helfen. Choba Choba eben. Die Choba Choba Schokolade ist als Dreier Box für Fr. 29,90 und im Jahres Abo für Fr.175.- erhältlich unter: www.chobachoba.com
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Ein bäumiges Hochhaus
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m Lausanner Vorort Chavannes-près-Renens entsteht ein Wolkenkratzer der besonderen Art: In der «Tour des Cèdres» sieht man bald vor lauter Bäumen die Stadt nicht mehr. Den 117 Meter hohen Turm des Mailänder Architekten Stefano Boeri sollen über 80 ausgewachsene Bäume und 6000 Stauden begrünen. Die Zedern, Eichen, Ahorne und weiteren Baumarten sollen bis zu zwölf Meter oder vier Stockwerke hoch wachsen. Sie werden an der Fassade in drei Meter tiefen Behältern wurzeln. Das Hochhaus soll 2020 eingeweiht werden und bietet Platz für Wohnungen und Geschäftsräume. Im obersten der 35 Stockwerke entsteht ein Restaurant für die Öffentlichkeit. Die «Tour des Cèdres»
wird Boeris drittes Gebäude dieser Art: Seit 2014 steht in Mailand der «Bosco Verticale», zwei ebenfalls mit Bäumen bepflanzte Hochhäuser, die mehrere internationale Preise gewannen. Boeris «Grossstadt-Dschungel» sieht aber nicht nur spektakulär aus: Er hilft im Sommer die Temperatur an der Fassade zu reduzieren und säubert die Luft. Und er holt auch tierische Vielfalt in die Stadt: In Mailand hätten schon im ersten Jahr zwanzig Vogelarten im vertikalen Wald genistet. SF
Bild: tour-des-cedres Quelle: www.stefanoboeriarchitetti.net
UN S ER E V I SI O N
Ein Ort der Stille, ein Ort, der in leuchtender Liebe lautlos singt und für eine neue Kultur im Miteinander einsteht. Ein Ort, der unterstützt, bewusst Mensch zu sein. Dazu bauen wir einen Campus in Spirit, eine Art „Universität“, in deren Zentrum die Herzensbildung steht. Die Stiftung Goldener Wind ist das Fundament, auf dem der Campus in Spirit steht. Möchten Sie mehr wissen? Möchten Sie unsere Vision unterstützen? Bitte kontaktieren Sie uns! info@villaunspunnen.ch www.goldenerwind.ch
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Nachwachsende Warum Wälder heilen Zahnbürste «G
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ambus ist der Stoff der Bastelträume. Er wächst fast überall extrem schnell; ist flexibel und gleichzeitig fest, leicht aber belastbar, schön und günstig. Aus Bambus lässt sich vieles machen. Fahnenstangen und Stelzen für Anfänger zum Beispiel – auch Leitern und Gerüste. Aus Bambus gibt es Fahrräder, Skateboards, Boote, gar Brücken, Häuser und neuerdings auch Zahnbürsten. Die Firmen Ecobamboo aus Polen und Hydrophil aus Deutschland liefern die Öko-Zahnbürsten in die Schweiz. Ihre Borsten sind aus biologisch abbaubarem Nylon 4 und die Verpackung besteht aus Papier und Karton. Da strahlen nicht nur die Zähne, da glänzen auch die Augen. OR Gesehen auf veganforevery.ch und fabulous.ch
Faires Schaufenstershopping
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ei KURTS macht virtuelles Schaufenstershopping Spass. Der feine Schweizer OnlineShop für nachhaltige Produkte und Geschenke ist seit August 2014 im Netz – und er wächst: «Selbstkritisch, beharrlich und schön langsam», sagen die zwei Gründer aus Wädenswil. Bei KURTS finden die Kunden handbedruckte «Chriesischteichüssi» aus dem Appenzell, Prättigauer Holz-Laternen oder handgeschmiedete Wiegemesser aus Guarda. Mit den Kriterien «eco», «fair&social», «swiss» und «handmade» bewertet das Unternehmen die Qualität seine Produkte und veröffentlicht die Ergebnisse auf der Webseite. KURTS stellt auch die Preise für Arbeit, Materialkosten und den eigenen Verdienst transparent dar. Auf der Webseite begegnet man den Herstellerinnen und Lieferanten in Fotos und persönlichen Steckbriefen. Bei KURTS kann man auch Mitglied werden und bei der Suche nach neuen, guten Produkten, spannenden Menschen und nachhaltigem Wissen mithelfen. Die Mitglieder erhalten dafür reduzierte Verkaufspreise. Eine schöne Plattform für nachhaltige Produkte, bei der man auch mitmachen kann. SF Weitere Informationen: www.kurts.ch
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rünkraft» nannte die mittelalterliche Mysterikerin Hildegard von Bingen die Energie, die in allen Pflanzen und Lebewesen wirkt. Und der Psychotherapeut Erich Fromm sprach von «Biophilia», des Menschen Sehnsucht nach der Natur. Der junge österreichische Biologe Clemens Arvay hat in seinem neuen Buch «Der Biophilia Effekt» viele staunenswerte Aspekte dieser Energie zusammengetragen. Es ist ein wunderbares Buch geworden, das den Lesenden unzählige AhaMomente beschert.
Unsere Vorfahren, schreibt er, stammen aus der afrikanischen Savanne, deshalb fühlen wir uns bis heute in lichten Wäldern, Parks und Gärten am wohlsten. Diese haben nachweisbare heilende Effekte auf Körper und Geist. In Japan ist das «Waldbaden» eine anerkannte medizinische Methode, laut Studien senkt ein einziger Tag im Wald bei Männern das Stresshormon Adrenalin um fast 30 Prozent und bei Frauen sogar um mehr als 50 Prozent. Bäume kommunizieren untereinander mit sogenannten Terpenen, Duftmolekülen, die auch unser
Immunsystem insgesamt und besonders seine Krebsabwehrzellen stärken. Zwei Tage im Wald steigern ihre Zahl um mehr als die Hälfte. Auch auf Herzrhythmus, Blutdruck und Blutzucker übt die «Grünkraft» eine therapeutische Wirkung aus. Waldluft ist also Medizin pur, stärkt unsere Vitalität, heilt unsere Seele, entspannt unsere Nerven. Die Natur ist unsere beste Ärztin. Der Autor, der selbst eine psychotherapeutische Ausbildung genossen hat, schlägt eine Anzahl praktischer Übungen in Wald und Wildnis vor – für Individuen, Liebespaare, Eltern mit Kindern oder Gruppen. Aber auch Garten oder Gärtlein sind wunderbare Therapeuten, die uns buchstäblich erden. Kein Kindergarten, keine Schule, kein Spital, kein Hospiz sollte mehr ohne Garten gebaut werden dürfen. Bäume, Obst und Blumen heilen uns und verlangen dafür nicht mal eine Rechnung. US Clemens G. Arvay: Der Biophilia Effekt. Heilung aus dem Wald. Edition a, Wien 2015, 254 Seiten. 21,90 Euro.
Proteste gegen Einstufung von Glyphosat als «harmlos»
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lyphosat, das meistverkaufte Ackergift der Welt, wird von der WHO als «wahrscheinlich krebserregend» eingestuft, aber vom Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft als harmlos. Damit werde der pfluglose Anbau gefördert, der indirekt Bodenfruchtbarkeit und Regenwürmer schütze, so die Behörde gegenüber «Infosperber». Dumm nur: Erst vor kurzem erschien eine Studie der Universität für Bodenkultur in Wien, in der Forscher nachwiesen, dass die Aktivität von Regenwürmern durch Glyphosateinsatz um 40 Prozent reduziert wird und ihre Nachkommenschaft um die Hälfte. Regenwürmer spielen eine Schlüsselrolle für Bodenfruchtbarkeit und Humusbildung. Schon Charles Darwin wusste, dass vor allem sie für die Produktion der Humusschicht verantwortlich sind, auf der fast alles Leben auf Erden beruht. Das Schweizer Amt verschweigt diese Studie jedoch und will erst aktiv werden, wenn die Euro-
päische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Glyphosat als gefährlich einstuft. Das ist derzeit unwahrscheinlich – die EFSA war erst jüngst der Einstufung des Ackergiftes als «harmlos» gefolgt, die das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung vorgenommen hatte. Gegen diese Einstufung protestieren nun aber 100 internationale Forscher in einem offenen Brief an den EU-Gesundheitskommissar: Die EFSA-Bewertung sei «wissenschaftlich unakzeptabel». Auch in Kalifornien hat der Wind gedreht: Dessen Umweltschutzbehörde kündigte im September an, das Gift in seine Liste krebserregender Stoffe aufzunehmen. Gemäss kalifornischem Trinkwasserschutzgesetz von 1986 ist das Amt dazu verpflichtet, die Aufnahme krebserregender und fruchtbarkeitsschädigender Substanzen durch Menschen zu verhindern. US
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Gaumen- und Naturfreuden
mit Erica Bänziger (dipl. Ernährungsberaterin)
Aronia – gesunde Wunderbeeren
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uperfood für Supermenschen: ultragesunde, natürliche Produkte wie Granatapfel, Grüntee, Acai-Beeren oder Kakao sollen vor Zivilisationskrankheiten und vorzeitigem Altern schützen. Meist kommen Superfoods von weit her, ausser die Aronia, die wir auch als Apfelbeere kennen. Sie gedeiht sogar im hohen Norden Europas. Denn Kälte macht dem anspruchslosen Strauch nichts aus. Gedörrt, als Saft, als Konfitüre und auch in Pillenform sind sie inzwischen fast überall erhältlich. Frische Beeren hingegen werden wegen des herben Geschmacks nicht angeboten. Im Frühling blüht der drei Meter hohe Strauch wunderschön weiss, mit zart duftenden Blüten – sie locken scharenweise hungrige Bienen an. Im Sommer reifen dunkelblaue, dekorative Beeren und im Herbst, dann färbt sich der Strauch zur Freude der Gartenfreunde in ein leuchtendes orange-rotes Kleid. Meine alljährliche Aroniaernte verarbeite ich ende August oder anfang September mit einem
Dampfentsafter zu Direktsaft. Mit Holdunder zusammen entsteht ein Immunsystem-stärkendes Wintergetränk. Man darf auch Trauben oder Apfelsaft dazugeben. Eine kleine Menge davon in einem Glas Schaumwein wird zum besonderen Apéro. Verantwortlich für die antioxidative und entzündungshemmende Wirkung der Beeren sind diverse sekundäre Inhaltsstoffe, die Polyphenole, die auch in Rotwein, Trauben, Grüntee und dunkler Schokolade vorkommen. Aronia enthält die Vitamine A, C, E, K sowie die komplette Gruppe der B-Vitamine. Bei den Mineralien und Spurenelementen kann Aronia ebenfalls mit beachtlichen Mengen an Kalzium, Magnesium, Kalium, Zink und Eisen aufwarten. Mit ihr lässt sich ein wunderbar gesundes Elexier brauen, das einen gestärkt durch den Winter bringt. Erica Bänziger Es gibt sogar eine IG Aronia Schweiz, wo sich Interessierte für einen kostenlosen Newsletter einschreiben können. www.aroniabeere.ch
Body, Heart & Soul 1
Learning Love
Spirituelle Massage
Making Love
Puja Diana & Raja Richardson Tantra Meditationsretreat für Paare Daten unter www.waldhaus.ch
Karin Jana Beck & Matthias Gerber Kraft- und Seelenlieder verschiedener Kulturen, 15. – 17. April 2016
Altes Wissen für die neue Zeit
Erwartungen in Beziehungen – vom Frust zum Frieden
Verbindung mit der Familienseele
Alan Lowen Art of Being Workshop 25. März – 1. April 2016
Schahila Ute Albrecht Mit Händen und Seele heilen Einführung 15. – 20. Juli 2016
Krishnananda & Amana Trobe Die Grundlagen der Liebe, 21. – 26. Juni 2016 Freiheit, 28. Juni – 3. Juli 2016
Vernon Foster
17. – 21. Juni 2016
Alexander Lanz & Sneha Ziegler Lanz Learning Love Seminar, 15. – 17. April 2016
Dance of the Heart 17. Juni
HerzFeuerTanz-Event 22. Mai 2016
Der emotionale Rucksack Vivian Dittmar Bewusste Entladung als Schlüssel zu gesunden Beziehungen 5. – 7. Februar 2016
Lieder des Herzens
Francesca M. Boring Systemaufstellungen 13. – 15. Mai 2016
WALDHAUS ZENTRUM LÜTZELFLÜH Internationales Seminarhaus CH-3432 Lützelflüh 0041 (0)34 461 07 05 info@waldhaus.ch www.waldhaus.ch
Er sagt es unverblümt
«Die Frau will nicht das Abenteuer des Mannes sein. Sie will vom Mann in ein Abenteuer mitgenommen werden.»
Wer frei lebt, kann auch frei denken und schreiben. Der Bildhauer Erwin Jakob Schatzmann lebt im «Morgenland», einer Mischung aus Garten, Hüttendorf und Atelier am Rande von Winterthur. Seine 30-jährige Ernte an träfen Gedanken, passt in jeden Kopf, auch Ihren.
396 weitere Aphorismen, Anekdoten und Gedanken sind zu finden in: «unverblümt – aphoristische Denkprosa». von Erwin Jakob Schatzmann. edition Zeitpunkt, 2015. 148 Seiten, mit 13 ganzseitigen farb. Abb. Geb. Fr. 18.–/€ 16.–.
«Eine wahre Lesefreude – die man sich am besten portionenweise gönnt.» (Landbote) Zeitpunkt 141
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Leise rieselt die Zeit Sanduhren geben uns die Langsamkeit zurück und lassen uns über ganz persönliche vierte Dimension nachdenken, findet der Bildende Künstler
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ch habe ein paar Jahre lang SanduhrObjekte angefertigt. Kenner dieser Arbeiten interpretieren diese Tätigkeit oft als ein Nachdenken darüber, was Zeit ist. Patricia Nussbaum, ehemalige Leiterin des Kunstmuseums Olten, schreibt über meine Werke: «Das Thema Zeit wird - wie bei fast allen zeitgenössischen Künstlern – für UD sicher weiterhin aktuell bleiben.» Ich mag die Vorstellung nicht besonders, dass hier einer aus der «Chefetage Kopf» herab ein paar schöngeistige Gedanken zu einem philosophischen Modethema absondert. Viel wichtiger ist mir der persönliche Bezug zu diesem Thema, die innere Notwendigkeit, die es braucht, um über längere Zeit ein Thema zu verfolgen. Und diese innere Notwendigkeit ist bei mir folgende: Ich habe mich in turbulenten Jahren, als ich mich in der Kunstszene zu behaupten versucht habe, sehr gestresst gefühlt, immer wieder originelle Ideen zu liefern. Das hatte auch gesundheitliche Folgen, dass ich nämlich viel geraucht und getrunken habe. Irgendeinmal war dann genug und ich beschloss: Du musst einen normalen Job ergreifen und gesünder leben, so geht das nicht weiter. Ich wurde also Kirchensigrist, wohnte in einem mittelalterlichen Kreuzgang und hörte mit Rauchen und Trinken auf. Mein Leben wurde
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sofort ruhiger, aber leider auch langweiliger. Die Frage war: Was ist eigentlich, wenn das Unterhaltungsprogramm im Kopf abgeschaltet wird? Die Antwort war: Entsetzliche Leere. Ich kam dann auf die Idee, diese Langeweile, diese Leere darzustellen. Was ist, wenn nur die Zeit abläuft, aber sonst nichts passiert. So kam ich auf die Sanduhr: Da zerrinnt nur die Zeit und sonst passiert nichts. Die Tatsache, dass ich jetzt diese Lange Weile darstellen konnte, hatte für mich einen sehr heilenden Effekt, das Gespenst war gebannt. Ich sass stundenlang vor meinen Objekten und verfolgte, wie sich in der oberen Sanduhrhälfte ein Tal bildete und in der unteren ein Berg zu wachsen begann. Jetzt ging es nur noch darum, dieses langsame Zerfliessen zu inszenieren. Meine Arbeit war jetzt, neue Drehmechanismen zu erfinden, neue Darstellungsmöglichkeiten zu finden. Die handwerklich anspruchsvolle Tätigkeit empfand ich als sehr beruhigend. Ich hatte eine klare Aufgabe gefasst. Waren meine Arbeiten am Anfang betont schlicht und asketisch, so wurden sie mit der Zeit bunter und spielerischer. Ich entdeckte, dass dieses «Fliessen von einem Gefäss ins andere» ein allgemeines Prinzip ist im Leben. Ein Mensch ergiesst sich in ein Bild und das Bild ergiesst sich wieder in den Menschen. Ein Mensch ergiesst sich in einen anderen…usw.
Urs Derendinger
Irgend einmal war dann wieder Schluss mit diesem Thema. Wieso? Ein Grund dafür ist sicher, dass jede neue Idee eines Objektes eine zwei, dreiwöchige Arbeitsphase zur Folge hatte, bis sie realisiert war. Und dann gibt’s ja noch andere Themen auf dieser Welt. So begann dann irgend einmal das nächste Kapitel meines Künstlerdaseins. Rückblickend empfinde ich die Sanduhrphase als ein Abbremsen: Werde einfacher, werde schlichter, dann entsteht mehr, als wenn du zu viel willst. Urs Derendinger lebt in Zürich und arbeitet als «Küster und Künstler». Seine Arbeiten sind zu sehen auf https://sites.google.com/site/regenundblume2/
Urs Derendinger,
Foto zvg.
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Winterthur, Halle 52
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a J . 8 2 20. November 2015 bis 3. Januar is2016 b t r e ng 채 l r e v
01 2 r a nu
Info: rigolo.ch Tickets: ticketcorner.ch | Winterthur Tourismus
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Wie sich Information in Verstehen verwandelt
Kein Verstecken mehr
uf eine Redaktion wie die Unsrige prasselt eine Unmenge von Verlagskatalogen herunter, speziell natürlich im Herbst. Einer ist uns ganz besonders aufgefallen, nicht nur wegen des Gewichts und der Aufmachung – ein fadengeheftetes Buch –, sondern auch wegen des Inhalts: Lauter gepflegte Bücher für kreative Köpfe, Schreiberinnen, Grafiker, Designer und Lebenskünstler. Unter dem Titel «Slow Food für den Kopf» schreibt der Verlag Hermann Schmidt: «Dem Netz sei Dank. Es zwingt uns, die Rolle des Buches zu überdenken. Und eine Revision dessen, was man tut, tut immer gut. So wie (hierzulande) die allgegenwärtige Verfügbarkeit von Essen die Slow-FoodBewegung hervorbrachte, so hat das Schlaraffenland frei verfügbarer Information dem Buch zu neuer Bedeutung verholfen. Konzen-
triertes Lesen und kontemplatives Verweilen suchen jenseits der Schnelllebigkeit des Netzes ihren Raum. Ziellosem Surfen setzt ein gutes Buch durchdachte Struktur und Zusammenhänge entgegen. Und während die übernächste Sau durch die Trendblogs getrieben wird, lädt das Buch zum Nachdenken und Innehalten ein.» CP
Total alles über die Schweiz
MusicTrain zum freien Musizieren
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in kommunales Gemeinwesen funktioniert nur, wenn sich seine Mitglieder nicht verstecken müssen. New York hat deshalb den Datenaustausch mit Migrationsbehörden eingeschränkt. Bereits unter dem republikanischen Bürgermeister Michael Bloomberg wurde 2003 beschlossen eine «nicht fragen, nicht melden»Politik zu verfolgen. Kommunale Behörden – auch Schule, Polizei und Justiz – fragen nicht nach dem Aufenthaltsstatus, wenn dies nicht zwingend notwendig ist. Sie wollen damit erreichen, dass sich Stadtbewohner nicht mehr verstecken müssen und dass Straftaten aus Angst vor einer Ausschaffung nicht mehr unangezeigt bleiben. Seit der Wahl des neuen Bürgermeisters Bill de Blasio im Jahr 2014, geht die Stadt nun einen Schritt weiter. Die Identitätskarte «IDNYC», die auch Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung ausweist, ermöglicht die Teilnahme am öffentlichen Leben. Die Karte, die allen Menschen über 14 Jahren zusteht, vereinfacht den Kontakt mit städtischen Behörden und Einrichtungen. Sie ermöglicht den Zutritt zu städtischen Schulen und Gebäuden. Bankkonten lassen sich damit eröffnen, Apotheken und Gesundheitszentren können genutzt werden und Bibliotheken, Theater und Museen gewähren den Karteninhaberinnen Vergünstigungen. Sorgen um die Sicherheit der Daten sind laut Betsy Plum von der New York Immigration Coalition unbegründet. Die Gewaltenteilung verhindert den Zugriff auf die Daten. Nur ein richterlicher Beschluss könnte die Sicherheit der Daten gefährden. Die Karte findet Anklang: Nach einem halben Jahr besitzen bereits über 400 000 Menschen eine «IDNYC». Die Vergünstigungen und kulturellen Angebote werden rege genutzt. OR
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ie in Berlin lebende Schweizerin Susan Sitzler hat soeben ein witziges Bilder- und Faktenbuch über die Schweiz herausgegeben – «Total alles über die Schweiz». Auf die Frage des Zeitpunkt-Botschafters Urs Heinz Aerni, welche Sorgen sie sich nach ihrer Beschäftigung mit der Schweiz mache, antwortete sie: «Dadurch, dass ich gewissermassen einen nüchternen Blick von aussen auf das Land werfen kann, sehe ich weniger Anlass zur Sorge als es jemand, der mittendrin lebt. Die Schweiz ist immer noch extrem wohlhabend und in den Bereichen, die kontrollierbar sind, auch sehr sicher. Da muss man sich um andere Bevölkerungen zur Zeit wohl sehr viel mehr Sorgen machen. Beunruhigend finde ich allenfalls, dass sich viele Schweizer ihrer glücklichen Lage nicht bewusst sind und ihre diffusen Verlustängste manchmal etwas zu bereitwillig politisch instrumentalisieren lassen.» Red. Susan Sitzler: Total alles über die Schweiz. Folio Verlag, 2015 128 S. Fr. 29.50/€ 21.90
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Hier geht es zum Programm des Verlags Hermann Schmidt: www.typografie.de
er ein Instrument spielt, steigert die Leistungsfähigkeit seines Gehirns und den IQ. Dies zeigen Langzeitstudien in Deutschland von Hans Günther Bastian (www.hgbastian.de). Musizieren vernetzt die Gehirnteile und kann mit «Gehirnjogging» verglichen werden. Im weiteren wirkt es gemeinschaftsbildend und trägt zu Stressminderung bei. Die Musikerin und Chorleiterin Barbara Swetina aus der Findhorn-Gemeinschaft in Schottland hat nun mit «MusicTrain» ein Musik-Baukasten-System entwickelt, womit sich Lernhindernisse mit Musik spielerisch und in kürzester Zeit überwinden lassen. Wir haben MusicTrain selber noch nicht testen können, kennen Barbara Swetina aber seit langem und haben jeweils im Zeitpunkt auf ihre Seminarangebote in der Schweiz hingewiesen. Ende Januar stellt sie MusicTrain interessierten Eltern und Lehrpersonen in einem Workshop vor. CP
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Kurs MusicTrain 1 + 2, 29./30. Januar 2016, RondoSchule, Schänis/SG. Anmeldung und weitere Infos: Isabel Fleischmann, info@rondoschule.ch / 079 616 18 29. www.rondoschule.ch. www.barbaraswetina.com
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In der Boutique der Lebensmodelle
von Martina Pahr
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ie Verkäuferin hinterm Tresen sieht aus wie Grace Kelly. Sie riecht nach Autofahrten mit gutgebauten Erben, Affären mit Reedern und einer Villa am Comer See. Nicht sehr originell, ihr VintageLebensentwurf, und sicher nichts für mich. Aber ich muss zugeben, dieser nostalgische Glamour hat was. «Ich hätte gern ein neues Lebensmodell», sage ich tapfer. «Gediegen, aber nicht langweilig. Und bezahlbar.» Sie taxiert mich: «Normalerweise kommen die Leute früher im Leben zu uns. Viel früher. Da hat man dann doch eine wesentlich grössere Auswahl. Jetzt müssen wir eben mit dem vorhandenen Material arbeiten.» Ich schweige dazu. Es ist nicht meine Idee gewesen, meinen selbstgestrickten Lebensweg professionell aufrüschen zu lassen. Aber schliesslich habe ich dann doch dem Druck von Werbung und Freundeskreis nachgegeben. Und heute ist es anders als früher, wo ja alles viel einfacher war. Damals gab's nur wenige Parameter, die den Lebensweg bestimmten: Mann oder Frau? Falls ersteres: intelligent oder nicht? Falls zweiteres: gebärfähig oder nicht? Soziale Angehörigkeit: Familie mit Geld, Familie ohne Alles, urban oder ländlich. Soziale Auffälligkeiten: uneheliches Kind (sein oder
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haben). Mitglied der Kirche und Häufigkeit des Besuchs derselben. Umgang mit suspekten Elementen (Alleinstehende Mütter, Hippies, Vegetarier). Empfohlene Lebensmodelle: Kaufmann. Hausfrau und Mutter. Militär. Nonne. Abschreckendes Beispiel. Früher stellte sich gar nicht die Frage nach einem «Lebensmodell.» Da gab es ein Schicksal, in das man sich zu fügen hatte, und gut war's. Aber heute lässt sich nicht einmal die allererste Frage ohne weiteres beantworten: Mann
Töpfern in Novosibirsk wird der Renner der nächsten Saison. oder Frau – oder Conchita Wurst? Wenn selbst die geschlechtliche Identität nicht länger der Biologie überlassen, sondern individuell hinterfragt wird, als hätte man im Leben nicht schon Entscheidungen genug zu treffen – da kann man sich vorstellen, wie kompliziert sämtliche anderen Faktoren geworden sind. Als Laie ist man schnell überfordert. «Haben Sie an etwas Spezielles gedacht?» fragt Grace Kelly. «Wir haben sortiert nach Sonderangeboten, Neuheiten, Evergreens, Bestsellern und Trends. Wenn Sie keine Pla-
tinum-Kreditkarte haben, kommen die exklusiven Massanfertigungen nicht infrage. Aber es gibt eine enorme Auswahl von der Stange, die sich ausgesprochen individuell anfühlen.» «Das ist ja mein Problem: Dieses Überangebot! Diese unerträgliche Fülle! Mir quillt die Wahlfreiheit so langsam aus den Ohren.» «Leider kann ich Ihnen nicht alle Konsumentenentscheidungen ersparen. Ein paar müssen Sie schon selbst treffen. Wollen wir mit dem Privatleben anfangen?» Ich nicke tapfer. Früher waren es noch drei Generationen unter einem Dach, später dann die Kernfamilie mit Papa, Mama, Kind und Fernseher. Doch mit der Möglichkeit, das erdrückende Postulat «Bis dass der Tod euch scheidet» nicht durch Gattenmord, sondern weniger brachial durch Scheidung abzukürzen, hat sich langsam die Beliebigkeit ins Familienleben geschlichen und schliesslich das Patchwork-Modell (auch bekannt als Beziehungs-Recycling) durchgesetzt. Ich erkläre, dass ich gern zu zweit durchs Leben ginge. Auch wenn das inzwischen ziemlich überholt ist. Sie fragt: «Wie stellen Sie sich Ihren Partner vor? Mann oder Frau? Oder Conchita Wurst? Jünger oder älter? Welche Nationalität? Haut-
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Möchten Sie eine eigene Sekte gründen? Vielleicht in den Dschihad ziehen? Sie könnten an den Wochenenden Buddhismus praktizieren.
«Vielleicht sollten wir doch mit etwas Einfacherem beginnen», murmle ich, jetzt schon überfordert. «Gerne. Wie sieht es denn mit der spirituellen Lebensgestaltung aus? Könnten Sie sich vorstellen, ein paar Jahre bei Scientology mitzumachen und anschliessend eine Medienkarriere als Aussteigerin aufzubauen? Möchten Sie eine eigene Sekte gründen? Vielleicht in den Dschihad ziehen? Sie könnten an den Wochen-
Sie fragt: Wie stellen Sie sich Ihren Partner vor? Mann oder Frau? Oder Conchita Wurst? enden Buddhismus praktizieren. Oder doch lieber Kirchensteuer zahlen und dafür eine weisse Hochzeit? Aber irgendwie sehe ich Sie eher als New Age-Typ... Haben Sie sich schon mal mit Schamanismus beschäftigt?» Ich mag aber nicht nackig durch die Wälder hüpfen. Also erkläre ich, dass ich keine Berufung spüre. Zu gar nichts. «Gerne, Atheistin also», sagt sie und rümpft die Nase. «Das ist schon sehr 90er Jahre, aber vielleicht können wir es mit den Karriere-Optionen ausgleichen. Wobei ich das Wort hier in seiner weitesten Bedeutung gebrauche.»
«Optionen?» «Karriere. Da hätten wir schon vor Jahren die Weichen dafür stellen müssen. Sie sind nicht besonders ehrgeizig, nicht wahr?» «Dafür reise ich viel», entgegne ich trotzig und höre gar nicht mehr hin, als sie mir vom ersten, zweiten und dritten Arbeitsmarkt erzählt und vom ersten, zweiten und dritten Bildungsweg. Sie spürt meine Abwehr und meint versöhnlich: «So schlimm ist es ja auch wieder nicht. Eine Midlife-Crisis ist mittlerweile völlig optional. Noch vor wenigen Jahren hätte ich es Ihnen nicht ersparen können, sich wenigstens ein paar Katzen oder ein Cabrio anzuschaffen.» «Leider bin ich allergisch», sage ich, «gegen Katzenhaare und Zugluft.» «Dann wär es eben ein leichter TablettenMissbrauch geworden, oder Töpfern in der Toskana. Übrigens jetzt schon ein Klassiker. Und mittlerweile viel breitgefächerter in der Wahl der Zielorte. Töpfern in Novosibirsk wird der Renner der nächsten Saison.» Zwei unerträgliche Stunden und gefühlte Jahre später wähle ich in meiner Not den Robinson: eine einsame sonnige Insel, ein williger Freitag und keinerlei Zukunftsplanung. Ein Leben von einer Kokosnuss zur nächsten. Die limitierte Sonderedition ohne Rettung am Ende ist gerade im Angebot.
Piktos: Dejan Jovanovic / Leremy
farbe? Berufstätig? Wenn ja, in welcher Branche? Single?» «Single wär nicht schlecht...», stammle ich perplex. «Gerne. Niemals zuvor verpartnert? Das würde die Auswahl in Sachen sozialer Unauffälligkeit verringern... Also lieber verwitwet? Geschieden? Getrennt lebend? Nicht getrennt lebend, aber untreu? Unentschlossen? Mit Kindern aus einer früheren Beziehung? Ehelich? Erbberechtigt? Genetisch optimiert?» «Ähh....» «Sie haben natürlich die freie Wahl der Fortpflanzung: Adoption, Reagenzglas, Samenraub oder Klonen. Das schafft eine Fülle an völlig neuen Kombinationsmöglichkeiten.» Stimmt. Wie in einer brasilianischen Telenovela sind wir jetzt alle irgendwie über mehrere Ecken verwandt oder verschwägert. Das setzt den Gedanken von der Menschheit als einer einzigen grossen Familie auf einer ganz praktischen Ebene um. Aber leider komme ich mit der Terminologie nicht mehr zurecht. Was ist die verwandtschaftliche Bezeichnung für den Halbbruder des Zweitpartners einer Leihschwester stiefmütterlicherseits? Ist die Tante der Viertelcousine meines dritten Lebensabschnittsgefährtens meine Schwipp-Schwapp-Schwägerin zweidrittel Grades?
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Erster Ritualkongress in der Schweiz
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er erste Ritualkongress der Schweiz wird am 13. und 14. Februar 2016 in Unterwasser (SG) stattfinden. Experten aus der freien, theologischen und medizinischen Ritualarbeit diskutieren darüber, in welche Richtung sich die professionelle Ritualarbeit entwickelt und welche Rolle die christliche und die schamanische Tradition dabei spielen. Obschon die Nachfrage nach Ritualen zwischen Taufe und Beerdigung steigt, gibt es abseits der Kirche noch keine etablierten Anlaufstellen für Interessierte, Anbieter und solche die sich in der Ritualarbeit ausbilden lassen möchten. Organisiert wird der Kongress vom Verein Celecert, der sich für Priester ohne Kirchenzugehörigkeit einsetzt, der Fachschule für Rituale und der Schule für Bewusstsein und Schamanismus (SfBS). Sie bieten damit eine erste Plattform, um sich über Inhalte und Zukunft der professionellen Ritualarbeit auszutauschen. www.ritualkongress.ch Red.
Afro-Pfingsten lebt weiter
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ls im vergangenen Oktober das Aus des bekannten «Afro-Pfingsten-Festivals» bekannt wurde, fühlte sich Daniel Bühler, Mitgründer und bis 2012 Leiter des Festivals aufgerufen, nach einer Lösung zu suchen. Nach vielen Gesprächen mit Behörden und Politikern kann der traditionsreiche Anlass nun in veränderter Form und unter dem neuen Namen «EINE WELT in Winterthur» weitergeführt werden. Im Zentrum wird der grosse Markt in der Altstadt stehen mit Kunsthandwerk, Street Food und Ständen von NGOs. Dazu gibt Strassenmusikerformationen und eine Live-Bühne mit jungen Bands verschiedener Stilrichtungen der Weltmusik. Nicht mehr Afrika wird die Hauptrolle spielen, sondern die Welt als Ganzes. Red.
Wie heisst das Zauberwort?
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er keine Wertschätzung erhält, ist frustriert – das lässt sich in vielen langjährigen Beziehungen beobachten. Allen W. Barton, Ted G. Futris und Robert B. Nielsen von der Universität Georgia, bestätigen in ihrer Studie, was wir schon lange zu glauben wussten. Das Zauberwort «Danke» kann Beziehungen retten. 468 verheiratete Personen wurden nach ihrer finanzieller Situation, Kommunikationsstil und Dankbarkeit gegenüber dem Partner befragt. Der signifikanteste Einflusswert zur Qualität der Ehe sei laut Studie, wie oft sich Partner dankbar zeigten. «Sich anerkannt zu fühlen und zu glauben, dass der Partner einen wertschätzt» sagt Co-Autor Ted Futris, «hat einen direkten Einfluss darauf, wie man sich
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in seiner Ehe fühlt, wie engagiert man darin ist und wie sehr man glaubt, dass die Ehe halten wird.» Die Studie zeigt die Unterschiede zwischen Paaren, die zusammenbleiben und die sich trennen. Über das Schicksal einer Ehe bestimmen nicht Häufigkeit der Konflikte, sondern wie diese ausgetragen würden und wie sich Paare in Alltagssituationen verhielten. Dankbarkeit wirkt als heilender Kitt. Auch für solche mit finanziellen Schwierigkeiten, Stress und die während Streitereien eine schlechte Kommunikation pflegen. Wertschätzung im Alltag wirke auch als Puffer für Beziehungen, in der ein nörgelnder, befehlender und kritisierender Partner einem Partner gegenüber steht, der ausweicht und sich zurückzieht. OR
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Ruf der Erde Als Snowboarder wollte er hoch hinaus und stürzte – im wahrsten Sinn – auf den Erdboden.
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anke für das Leben, für die Natur und dass wir ein Teil davon sein dürfen. Danke an alle Wesen, die ihr Leben mit uns teilen und für die Geschenke, die wir von ihnen erhalten....» Wer Markus Vogler so sprechen hört, wird von diesen Worten unmerklich berührt. Der Natur- und Wildnistrainer versteht es, das Bewusstsein zu wecken, dass wir alle gemeinsam mit Tieren, Pflanzen und vielen Wesen auf einer Erde leben, die uns trägt. Mit seinem Team gibt der engagierte 33-Jährige die Lehre der Wildnis weiter. «In unserer Wildnisschule NaturLeben Schweiz geht es auch darum, die Verbindungen der Menschen mit der Natur wieder wachsen zu lassen.» Sturzflug Ein Alphatierchen sei er schon immer gewesen, schmunzelt Markus Vogler. Schon früh zeigten sich bei ihm verschiedene Begabungen, doch wohin sollte die Reise führen? Bei der ABB absolvierte er mal eine Lehre als Elektrotechniker, die ihm Job-Basis und ein Netz an wichtigen Freundschaften bescherte. Seine Leidenschaft war die Musik, vor allem die erdigen Klänge des Didgeridoos. Mit Freunden gründete er eine Band. «Im Winter aber war ich unabkömmlich, tummelte mich so oft als möglich in der SnowboardHalfpipe, gewann Preise und wollte unbedingt Sponsoren finden.» Einmal baute er mit seinem Kumpel eine verrückte Schanze. «Ich gab so richtig Tempo, flitzte durch den Tiefschnee, als ich merkte, dass ich viel zu schnell auf die Schanze zupreschte...» Im Flachen landete er schräg auf dem Rücken. «Hilflos wie ein Käfer lag ich da, konnte zuerst nicht mehr atmen.» Mit Mühe und der Hilfe des Kumpels schleppte er sich zur Talstation. Ein gebrochener Rückenwirbel! Wie durch ein Wunder war das Rückenmark unverletzt geblieben. Der Winter war gelaufen. Zwei Monate arbeitsunfähig, ein Jahr Sportverbot. Mit einer Bandage lag er zuhause, begann zu lesen und nachzuden-
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ken. «Zum ersten Mal im Leben habe ich ein Buch fertig gelesen!» Ein Freund erzählte ihm von einer Natur- und Wildnisschule im Tirol. Im Frühling 2004 meldeten sich die beiden zu einem Grundkurs an: «Sicher essen die dort nur Käfer», habe er gefrotzelt. Doch was er dann von Angelika und Ron Bachmann lernte, habe ihn im Innersten berührt. «Ich fühlte tiefen Schmerz über mich selber: Mein ganzes bisheriges Leben hatte ich mich keinen Deut interessiert für andere Wesen, für Vögel, Pflanzen ... Ich war blind. Mein Herz brannte, ich wollte alles lernen darüber, wie man achtsam mit und in der Natur leben konnte.» Im Winter verschlang er Pflanzenbücher, im Frühjahr sammelte er Kräuter, experimentierte mit Pflanzen, lernte von ihnen. All-ein mit der Natur Nur mit Messer und Blechtasse ausgerüstet, wagte er sich allein in die Wildnis. In Flims, wo er so hart auf den Erdboden gestürzt war, wollte er zehn Tage draussen leben. Sorgfältig wählte er einen geeigneten Platz: «Im Wald bei einem schiefen Felsen baute ich eine Hütte zum Schlafen, wo ich verstaute, was trocken bleiben musste.» Bereits auf dem Hinweg hatte er eine Wasserstelle gefunden, Stecken, Laub und Zunder gesammelt. «Nur mit primitiver Feuertechnik entfachte ich das Feuer. Jetzt war ich zuhause! Vom vierten Tag an gab es nicht mehr viel zu tun, ausser Wasser zu kochen und Pflanzen zu sammeln. Ich war weder hungrig noch durstig, hatte warm und mir blieb alle Zeit Vögel und Tiere zu beobachten, Spuren zu lesen und der Natur zu lauschen. Nach zehn Tagen fühlte ich mich wie ein Held. Getragen von der Erde konnte ich allein für mich sorgen. Heute weiss ich, dass ich damals
von Eva Rosenfelder
mit 24 Jahren für mich selbst zum Mann geworden bin.» Verbunden In der Tiroler Wildnisschule der Alpen wirkte er einige Jahre als Helfer mit, leitete dann an einer Schnitzschule erste Kinder-Wildniscamps. Es folgten Kinder- und Erwachsenencamps und die Gründung der eigenen Wildnisschule NaturLeben. Europaweit haben sich inzwischen Wildnisschulen vernetzt und bilden eine Art Familie. Berührende Erlebnisse haben Markus Vogler über manche Durststrecken getragen. So etwa jener Vogel, der sich neben ihn setzte und für ihn sein Lied sang. Oder der Dachs, welcher in einer Sternennacht geruhsam an seinen nackten Füssen schnupperte. Auf leisen Sohlen habe er ihn ein Stück seines Weges begleiten können. Dieses Verbundensein mit allem Lebendigen anderen Menschen zugänglich zu machen, darin sieht er seine Bestimmung. «Ich bin glücklich, dass ich Menschen so begleiten darf, ihr Herz freizuschaufeln!»
www.natur-leben.ch www.wildniszentrum.at
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Emotionale Kraft dank Selbstmitgefühl Glück fängt bei sich selbst an: Wer sich selbst mit Freundlichkeit und Mitgefühl begegnet, von Lioba Schneemann wird resilienter gegen Stress und entkommt der Grübelfalle.
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aben Sie heute schon an sich selbst gezweifelt? Sich vielleicht gar als Idiot bezeichnet oder beim kritischen Blick in den Spiegel nur die Falten gesehen? Haben Sie Angst, nie gut genug zu sein? Oder anders gefragt: Was tun Sie, wenn jemand anders leidet, ein Kind krank ist oder jemand glaubt, nicht zu genügen? Was sagen Sie und in welchem Ton und mit welcher Körperhaltung? Wenn etwas schief läuft, neigen wir zu allem Übel meist noch dazu, uns selbst zu verurteilen. Oder wir schämen uns und sind enttäuscht, kreisen um unsere Leidensgeschichte. Nächtliches Grübeln, Sich-Vorwürfe-machen oder ein innerer Refrain «Ich bin nicht gut genug!» plagen uns. Diese Gedankenspiralen und kritisierenden Selbstgespräche ziehen uns weiter runter. Das Leid wird dann grösser und nicht, wie erhofft, kleiner. Männer sind gefordert Was uns vor dem Absturz in die Negativspirale schützen kann, ist Mitgefühl, Freundlichkeit und Verständnis, und zwar für uns selbst. «Selbstmitgefühl ist die natürlichste Antwort von uns Menschen auf Schmerz, Leid und Stress», sagt Christine Brähler, Psychotherapeutin in München und eine der führenden Expertinnen für Selbstmitgefühl. «Selbstmitgefühl ist die Fähigkeit zu erkennen, dass man gerade eine leidvolle Erfahrung gemacht hat, sich das spüren zu lassen und sich dabei selbst liebevoll zu umsorgen – auf mentale, emotionale, körperliche Weise oder durch ein bestimmtes Verhalten.» Dabei geht es nicht ums Jammern oder Klagen, es ist damit auch etwas anderes gemeint als Selbstmitleid. Wir bemitleiden uns nicht. Wir geben uns vielmehr die Erlaubnis, das zu fühlen, was vorhanden ist, anstatt uns zu
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verurteilen. Wir verleugnen nichts, kämpfen auch nicht, sondern nehmen uns mit allen Stärken und Schwächen an. Wir hören auf, gegen schwierige Situationen zu kämpfen. Viele Menschen hingegen tun genau dies, weil sie denken, «hart» sein zu müssen. Sie halten Selbstkritik sogar für einen guten Motivator. Männer stünden hier vor einer grösseren Herausforderung als Frauen, da sie sich weniger um sich selbst kümmern als ihre weiblichen Artgenossen, so Brähler. «Sie übergehen damit wichtige Schritte der Emotionsregulation und Erholung», erklärt die Psychotherapeutin. «Und wenn jemand Anspannung mit Sport bekämpfen will, anstatt seinen Körper und Geist damit fürsorglich zu unterstützen, wird den Zweck verfehlen. Denn die Motivation hinter unserem Handeln entscheidet, welche emotionalen und körperlichen Auswirkungen diese Aktivität auf uns hat.» Schutz vor Burnout Selbstmitgefühl ist auch etwas anderes als Selbstwert. Dieser beruht eher auf einer Anerkennung von aussen, wohingegen Selbstmitgefühl Menschen von innen ermutigt und motiviert. «Es erlaubt uns, unsere Schwächen einzugestehen und im Einklang mit unseren Werten unser Potenzial zu entfalten», sagt Christine Brähler. Studienergebnisse der Forscherin Kristin Neff an der University of Texas zeigen: Selbstmitgefühl steigert emotionale Widerstandskraft und Wohlbefinden, lindert Ängste und Depressionen. Der Weg zu einem gesünderen Lebensstil wird geebnet. Man fand heraus, dass selbstmitfühlende Menschen weniger grübeln, Gedanken seltener unterdrücken und mit belastenden Gefühlen, Schwächen und Misserfolgen konstruktiver umgehen. Menschen mit mehr
Selbstmitgefühl gehen auch regelmässiger zum Arzt und praktizieren häufiger als andere Safer Sex. In der Partnerschaft zeigen sie mehr emotionale Verbundenheit und Akzeptanz, fördern den Partner in dessen Selbständigkeit, gehen besser mit Konflikten um und sind zufriedener. Im Gegensatz zur mitleidenden Empathie ermöglicht Mitgefühl, dass man sich dem Leid anderer zuwenden kann, ohne selbst im Schmerz unterzugehen. Studien der Neurowissenschaftlerin Tania Singer vom Max-Planck-Institut in Leipzig und anderen Forschern zeigen, dass diese Haltung Menschen in helfenden Berufen vor dem Burnout schützen kann. Beim Mitgefühl werden ganz andere Hirnareale aktiv als bei der Empathie, die das eigene Schmerzzentrum mitaktiviert. «Gerade im Gesundheitswesen ist dies ein wichtiger Aspekt», so Brähler. Mentale Zustände kann man wie einen Muskel trainieren. Schon ein kurzes eintägiges Training in Mitgefühl zeigt eine verstärkte Aktivierung des «empathischen» Gehirns. Solche Übungen führen zudem zur verbesserten Immunreaktion bei Stress, mehr positiven Gefühlen wie Verbundenheit, Lebenzufriedenheit und mehr prosozialem Verhalten. Mitgefühl für sich und andere, sagt der Dalai Lama, sei lebenswichtig für die «emotionale Hygiene». Und es ist der Kern jedes ethischen Verantwortungsgefühls. Die Expertin Tania Singer ist sogar überzeugt, dass Mitgefühl die Basis eines völlig neuen Wirtschaftssystems werden könnte. Wenn Politiker und Konzernchefs die Erfahrung machten, wie sich ihr Bewusstsein erweitert und ihr Herz öffnet, wenn sie etwa von Armutsbekämpfung reden, gebe es moralischen Wandel.
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Was uns vor dem Absturz in die Negativspirale schützen kann, ist Mitgefühl, Freundlichkeit und Verständnis für uns selbst.
«Nicht mehr hadern» Béatrice Heller ist psychologische Beraterin am Center for Mindfulness in Zürich. Was ist der Unterschied von Selbstmitgefühl zu Selbstmitleid? Béatrice Heller: Nehmen wir an, mein Chef verlangt etwas von mir, das mich überfordert. Wenn ich mit Selbstmitleid reagiere, dann hadere ich mit der Situation. Ich gebe dem Chef die Schuld oder grüble und werte mich selbst ab, suche also die Schuld im aussen oder bei mir selbst. Wenn ich mitfühlend mit mir selbst bin, bemerke ich meine Ohnmacht. Ich nehme wahr, was ich denke, welche Emotionen die Gedanken auslösen und wie mein Körper darauf reagiert. Vielleicht nehme ich wahr, wie sich meine Kehle zuschnürt, oder eine Enge in der Brust. Mit dieser Haltung schliesse ich das ganze Mensch-Sein mit ein und bleibe nicht im Kopf, im Denken stecken. Wenn ich mich selbst bemitleide, will ich das unangenehme Gefühl weghaben. Bin ich mitfühlend mit mir selbst, bin ich in Kontakt mit dem, was ist. Was hat Selbstmitgefühl mit Achtsamkeit zu tun? Achtsamkeit bedeutet, eine freundliche, nicht wertende Bewusstheit in jedem Augenblick. Wie mit einer Taschenlampe beleuchten wir das, was sich im Geist und im Körper zeigt. Dieses absichtsvolle, vor allem freundliche
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Hinwenden ist das, was wir hier mit «Selbstmitgefühl» bezeichnen. Und es braucht diese Klarheit und Wachheit von Achtsamkeit, um eine Situation richtig einzuschätzen, um zu erkennen: Was ist da? Was fühle ich? Was brauche ich jetzt? Wenn wir diese «Auslegeordnung» gemacht haben, erkennen wir Zusammenhänge besser. Sonst haben wir einen Tunnelblick, verfangen uns in die gewohnten Denkmuster, die uns Gefühle von Trauer, Hoffnungslosigkeit oder Minderwertigkeit bescheren. Wie kann ich lernen, wohlwollender mit mir selbst umzugehen? Erste Schritte sind das Bemerken und das urteilsfreie Anerkennen. So wie eine Mutter sich wohlwollend dem Kind zuwendet, wenn es weinend von der zerstörten Sandburg berichtet, so können auch wir uns selbst begegnen. Die Mutter versteht die Situation und anerkennt, dass das Kind traurig ist. Indem ich mir in dieser Art innerlich begegne, mich sozusagen innerlich in die Arme nehme, reagiere ich mit Selbstmitgefühl. Ich bin wohlwollend, es «darf» sein. Ich gewinne zugleich Distanz zum Geschehen und bin dann überhaupt erst in der Lage, mir zu überlegen, was kann ich für mein Wohlbefinden und situationsgerecht jetzt tun. Dabei ist es natürlich sehr individuell, was einem dann gut tut.
Literatur: Christine Brähler: Selbstmitgefühl entwickeln. Liebevoller werden mit sich selbst. Scorpio. Reihe: Achtsam leben, 2015. Fr. 11.90 Christopher Germer: Der achtsame Weg zur Selbstliebe. Wir man sich von destruktiven Gedanken und Gefühlen befreit. Arbor, 2103. Fr. 31.90 Weitere Informationen: Kurse in «Mindful Self Compassion» (MSC, Achtwöchiges Programm «Achtsames Selbstmitgefühl») gibt es erst wenig in der Schweiz, u.a. beim Center for Mindfulness in Zürich www.centerformindfulness.ch oder Zentrum für Achtsamkeit Basel (Regula Saner) www.mbsr-zentrum-basel.ch Intensiv-MSC Kurs mit Christopher Germer und Regula Saner 19.2.- 24.2.2016, Morschach, Arbor Seminare, Freiburg, www.arbor-seminare.de Meditationen (gratis download) zum Einüben von Selbstmitgefühl findet man auf der Seite von Christine Brähler: www.selbstmitgefühl.de Lioba Schneemann ist langjährige Autorin des Zeitpunkt, Entspannungs- und MBSR-Lehrerin (MBSR: Stressbewältigung durch Achtsamkeit). Sie gibt mit Freude ihr Wissen an Menschen weiter, die gelassener durchs Leben gehen wollen. Infoanlass: 7. Januar 2016 bei swisstherapieteam, Liestal; MBSR-Kurse: 21. Januar (Liestal, swisstherapieteam) / 09. März (Basel, Aktiv-Wellness GmbH) www.schneemannentspannt.ch
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Wir gehen im Sauglattismus unter Der Zeitpunktleser und LiedPoet Claude Mesmer (62) alias Glood hat der Redaktion zwei CDs und einen Brief geschickt. Aus dem freundlichen Kontakt ist ein angeregtes Telefongespräch entstanden. von Ondine Riesen Ritter Martin Einst, vor vielen hundert Jahren, zog ein Ritter über Land. Ganz allein im Schneegestöber auf dem Schimmel, höchst galant. Dieser Herr, man sah‘s von Weitem, musste reich und mächtig sein. Stolz sass er auf seinem Sattel; ritt so über Wies‘ und Hain. Bald schon sah er auf dem Wege vor ihm sitzend einen Mann, der in Lumpen kaum bekleidet zu erfrieren schon begann. Dieser flehte unsern Ritter mit gehauchter Stimme an, ob er wohl in seiner Güte aus der Not ihm helfen kann. Es war ein 11. November, als Licht ins Graue drang, wo Wärme die Kälte in sich verschlang...
Ondine Riesen: Bei was erwische ich Dich gerade? Claude Mesmer: Ich komme gerade aus der Küche. Es gibt selbst gemachte Pizza! Man sagt, das seien die besten. Auf jeden Fall! Aber wir wollen uns nicht über Kulinarisches unterhalten. Du hast Dich an uns gewandt, weil Du eine Botschaft hast. Um was geht es Dir? Ich ticke wie der Zeitpunkt. Ich will möglichst viele Leute erreichen und mit ihnen gemeinsam etwas verändern. Die Linken, die Netten, die Gutmenschen, die Liedermacher, alle die etwas verändern wollen, haben ein grosses Problem: Die mangelnde Vernetzung! Es gibt in jeder Hinsicht geniale Leute, man würde staunen. Aber man kennt sie nicht. Wir Gutmenschen meinen, mit gut sein wäre genug getan. Wir stellen die SVP an den Pranger, aber damit greifen wir viel
zu kurz. Man kann von ihr lernen. Sie vernetzen sich im Militär, auf dem Land, in Verbänden und spinnen auf subtile Weise ihre Machtstruktur. Wir hingegen haben nicht verstanden, dass wir uns gegenseitig unterstützen müssen. In den letzten 15 Jahren wurde ich kleinliche zwei Mal als Liedermacher von den Rot-Grünen eingeladen. Die FDP und die CVP hingegen geben dafür Geld aus. Ich fühle mich wie ein Hofnarr, der den Reichen und Mächtigen den Spiegel vorhalten darf. Du klingst regelrecht entzürnt. Ja Gopferdeggel, die Menschen sind faul geworden. Ich habe vor kurzem einen Vortrag mit Helmut Hubacher, dem ehemaligen Präsidenten der SP, mitorganisiert. Ganze zwei Leute der SP sind gekommen. Zwei! Im ganzen waren zwölf Nasen zugegen. Das ist doch oberpeinlich. Die Leute schauen lieber Fernsehen und denken sich nichts dabei.
Rasch entschlossen zückte unser Edelmann sein kurzes Schwert und zerschnitt in einem Male seinen Mantel auf dem Pferd. Warf ihn zu dem Bettler nieder, sah den Dank auf dem Gesicht. Gab dem Ross die Sporen wieder – und so endet die Geschicht‘. Heute kommen unsre Ritter mit viel mehr PS daher. Vom Erfolg verwöhnt, verhätschelt, fällt das Bremsen ihnen schwer. Nie als Knappe ausgebildet wissen sie halt leider nicht, dass Barmherzigkeit und Güte Teil sind ihrer Standes Pflicht. Claude Mesmer mit einer seiner fünf Gitarren. Bild: z.v.g
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Bewusstseinssprünge durch Verunsicherung
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atalie Knapp widmet sich in ihrem Buch «Der unendliche Augenblick» dem kreativen Potenzial von Übergangszeiten – sowohl im individuellen Leben als auch in der Gesellschaft. Geburt, Pubertät, Trauerzeiten oder das Wissen um den baldigen Tod sind verunsichernde Erfahrungen, in denen bisherige Routinen nicht mehr weiterhelfen. Erst nach einer chaotischen Experimentierphase kann sich wieder Stabilität einstellen, deren Grundlage ein neues (Selbst)Bewusstsein ist. In einer vergleichbaren Verunsicherungsphase befinden wir uns gegenwärtig als Menschheit – und das zum wiederholten Mal, so die zentrale These des Buches. Angelehnt an Jean Gebser zeichnet die Autorin nach, wie Bewusstseinssprünge entstehen. Zunächst wandele sich das Weltbild von einzelnen, bevor es dann nach und nach die gesamten Gesellschaft durchziehe. Ähnlich sehe ich es in der Liedermacherszene. Es gibt so viele scharfsinnige Künstler ohne Publikum. Wir gehen im Sauglattismus unter. Wie meinst Du das? Auf der Bühne möchte ich etwas ausdrücken. Ich mache Seelenstriptease. Einige meinen, das wäre ein Fehler. Immer mehr Kulturschaffende verstecken sich hinter einer Maske und liefern eine lustige Show. Die Leute fühlen sich unterhalten, mehr aber nicht. Sowas hat keinen Nachhall. Inwiefern unterscheidest Du Dich als Künstler von den maskierten Show Performern? Ich bleibe authentisch – ich zeige mich und meine Ideen. Auch gebe ich meine Energie weiter. Ich glaube, darin spiegelt sich auch der typische Zeitpunktleser. Als ich zum ersten Zeitpunktapéro in Basel spazierte, erkannte ich jeden einzelnen. Die Leute sehen einfach anders aus. Ich glaube, wer verstanden hat, dass Wandel bei einem selbst beginnt, wird mitunter auch ein bisschen komisch. (lacht) Was stellst Du Dir unter Wandel vor? Wir werden von einer riesigen Maschinerie flach gewalzt und müssten handeln. Wir wissen inzwi-
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Während sich die Urmenschen wie heutige Babys noch in Einheit mit der Umwelt erlebten, machte die Erfindung von Werkzeugen sie zu Gestaltern. Die Menschen erkannten, dass sie ihre Umgebung manipulieren und beeinflussen können. Auch ab dem 15. Jahrhundert gab es einen gesellschaftlichen Bewusstseinssprung: Physikalische Gesetze wurden entdeckt und nach und nach Allgemeingut, neue Techniken prägten den Alltag, ein neues Raumempfinden entstand. «Die Veränderungen lassen sich nicht durch pure Willenskraft oder exzessives Training herbeiführen. Wenn die Zeit gekommen ist, wandelt sich die Wahrnehmung,» schreibt Knapp. Durchdringe die dann die Kultur, übernahmen neue Generationen diese Perspektive selbstverständlich, als ob es nie eine andere Möglichkeit gegeben habe. Gegenwärtig prägt die Idee vom permanenten Wachstum das Seelenleben der Gesell-
schaft. Doch die Verunsicherung nimmt zu. Knapp entdeckt, dass für viele Menschen das Selbstbild vom autonomen Individuum brüchig wird und sie sich stattdessen als vernetzt mit anderen und der Umwelt erleben. Diese neue Wahrnehmung könnte dazu führen, dass wir mit dem gegenwärtigen Lebensstil brechen und Verantwortung für den Planeten und andere Lebewesen übernehmen, so die These der Autorin. Ein hoffnungsvoll stimmendes Buch. Annette Jensen
schen: Die Globalisierung ist nur vermeintlich Verbesserung. Wir müssen zurück zur sinnvollen Gesellschaft finden. Für mich ist das Val Mustair im Graubünden die ideale Gesellschaftsform. Da gibt es weder Coop, Migros noch Denner. Der Metzger, der Bauer, der Schreiner sie arbeiten Hand in Hand und generieren eine prächtige Produkte- und Artenvielfalt. Das ist für mich ein Paradebeispiel, wie man den Schritt zurück machen kann, damit wir wieder vorwärts kommen.
Jetzt hast Du mehr Zeit, um Lieder zu schreiben. Was ist Dir dabei wichtig? Seit Jahren ist es mir ein Anliegen, das Publikum mit meinen kritischen und satirischen Liedern schmunzelnd nachdenklich zu stimmen. Ich wünsche mir, dass die Stimmen von uns Liedermachern nicht verstummen in diesem Land. Angesichts der lauten Politik sind sie vermutlich wichtiger denn je.
Du warst lange Jahre Lehrer. Ist die Schule der Ort, an dem Wandel eingeläutet wird? Leider nein. Ich war 16 Jahre Rektor und als solcher massgebend an der Einführung von Blockzeiten in Baselland beteiligt. Ich weiss, was Schule ist, und darum bin ich auch ein massiver Kritiker vieler Elemente. Ich habe als Seminarist einen Artikel über Elternarbeit in Basel geschrieben. Das hat mich glatt die erste Stelle gekostet. Der heutige Leistungsdruck und Konkurrenzkampf verunmöglichte meine Vorstellung von Pädagogik. Ich wollte Menschen stärken und Sachen klären. Aber die Menschen wurden zu Objekten und das Klären zum Prüfen degradiert. Ich bin in der glücklichen Position, mich frühpensioniert zu haben und bin froh, dass ich gehen konnte.
Natalie Knapp Der unendliche Augenblick Warum Zeiten der Unsicherheit so wertvoll sind RowohltVerlag, 319 Seiten. 19,95 Euro
«Ritter Martin» ist ein Lied vom Basler Lied Poeten Claude Mesmer. In seinen Texten verarbeitet er die Normalität des Alltags. Lieder sind sein Ventil, wie er die wahnsinnig gewordene Welt aushält. Der ehemalige Lehrer lebt heute mit seiner Frau und fünf Gitarren im Baselbiet. Seine Lieder trägt er mit Vorliebe in baseldeutschem Dialekt vor. Konzerthinweis: e neui diMENsion – Glood Mesmer & Max Mundwiler Trotte Münchenstein, 29. Januar, 20:00 Uhr, 20.– www.münchenstein.ch Kulturscheune Liestal, 6. Februar, 20:30 Uhr, 33.– www.kulturscheune.ch Hauptstross 100 Ziefen, 27. Februar, 20:00 Uhr, 15.– www.hauptstross100.ch www.drglood.ch
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«Zeigt uns wie man teilt!»
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arco Gunn ist mit seiner Band Mañana me canto in mehr als 30 Ländern gastfreundlich aufgenommen und bewirtet worden. Seiner Erfahrung nach sind Menschen gut und liebenswert. Besonders in der arabischen Welt, schreibt er in seiner Mail an die Redaktion. Die Medien aber spiegeln nicht sein Erleben. Im Gegenteil, es werde pure Angst geschürt. Medien seien nicht mehr ernst zu nehmen, die Menschen hingegen jedoch sehr. «Egal ob reich oder arm und unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder Hautfarbe.» Alle hätten Ängste, man solle doch zusammensitzen und sich darüber austauschen. Als Hilfe hat er einen Brief verfasst, den die Lesenden weiterreichen sollen. Er richtet sich besonders an Flüchtlinge aus dem arabischen Raum. «Falls ihr welche trefft» schreibt er, «wäre es nett, wenn ihr für mich Postbote spielt.»
Liebe Flüchtlinge, Ihr wurdet von eurem Land vertrieben, weil unsere Regierungen Öl brauchen, um das Wirtschaftswachstum am laufen zu halten. Unsere Machthaber und deren Ökonomen haben Angst davor, nicht weiter wachsen zu können, obwohl ewiges Wachstum auf einer begrenzten Welt natürlich absurd ist. Ein Problem liegt darin, dass unsere Geldmenge wegen Zins und Zinseszins rasant wächst. Um diesen wachsenden Zins bezahlen zu können, erhöht unsere Regierung die Steuern, um diese den mächtigen Banken zu geben. Da das viele hier nicht verstehen, spürt ihr vielleicht einen gewissen Hass von unserer Bevölkerung. Wir brauchen einen Sündenbock. Bitte entschuldigt unsere Ignoranz. In eurer islamischen Kultur habt ihr Steuern in Form von freiwilligen Abgaben und verbietet das Nehmen von Zins. Damit unsere gemeinsame Welt nicht noch mehr Kriege erlebt und etwas sparsamer mit den Ressourcen umgeht, können wir hier eure Erfahrung und Hilfe gut gebrauchen. Denn es ist unser vom Wachstumsdiktat aufgezwängter Konsum, welcher den Krieg bei euch erst geschaffen hat. Krieg ist der Kampf um Ressourcen – Friede ist das Teilen von Ressourcen. Im Teilen habt ihr mehr Übung als wir – bitte zeigt uns dies. Zeigt uns, wie ihr Essen teilt, wie ihr eure Autos auslastet, wie ihr euch gegenseitig helft. Wie? Kocht und teilt das Mahl mit uns! Isst man zusammen, lernt man sich kennen. Man überwindet Ängste, kommt ins Gespräch und übt sich in Frieden. Klar habt ihr wenig Geld, um Essen zu kaufen. Doch keine Sorge! Ressourcen haben wir hier genug. Schliesslich nehmen unsere Firmen sie von der ganzen Welt. Was uns hier fehlt, ist Zeit und Vertrauen. Zeigt diesen Brief einem Gemüsehändler oder irgendwem. Ihr werdet staunen wieviel Essen, Pfannen und Dinge wir hier haben, welche wir zwar nicht brauchen aber nicht zu teilen wissen. Zeigt es uns. Wir freuen uns, von euch eingeladen zu werden. Informiert euch vorher, wo ihr Feuer machen könnt, denn hier ist viel reglementiert. Vieles ist anders hier, doch eines haben wir gemeinsam mit euch: Wir wollen in Frieden leben. Salem Aleikum.
Im Kreis der Inspirierten
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ie Idee stammt aus dem Silicon Valley», sagt Kilian Raetzo der Mitorganisator des jährlich stattfindenden «NewEarthCamp». Dort haben sich Mitarbeitende in sogenannten Barcamps vernetzt, Ideen und Wissen geteilt und an Lösungen gefeilt. Der Coach und Organisationsentwickler Raetzo hat die Idee weiterentwickelt. Er bieten im zweitägigen «New Earth Camp» Raum, Fäden für gesellschaftlichen Wandel zu spinnen. Mit der Methode des Open Space ermöglicht er den Teilnehmenden das eigene kreative und schöpferische Potential auszuloten, sich gegenseitig zu inspirieren und zu unterstützen. Der Austausch von Wissen steht im Zentrum. «Als ich das erste Mal an ein Camp ging» erzählt die zweite Mitorganisatorin Andrea Steimer, «fürchtete ich mich noch vor verstaubten Hippies». Inzwischen aber weiss die energische Baslerin, dass die Teilnehmenden geerdete Menschen mit Lust auf Authentizität und Selbstermächtigung sind. Die freiwillige Meditations- und Yogastunde am Morgen schreckt kaum jemanden ab. Im Gegenteil, die positive Stimmung die dadurch erzeugt werde, tragen
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die Teilnehmenden anschliessend ins Plenum. Die Freiwilligkeit und Eigenverantwortung, die das «NewEarthCamp» auszeichnen, bricht die alltägliche Lebensvorstellung von Funktion und Leistung. Aber dafür sind Raetzo und Steimer da. Sie setzen einen klaren Rahmen, mit Spielregeln, Thema und den nötigem Raum. Manchmal muss jemand unterbrochen werden, manchmal braucht jemand Zuspruch. Steimer spricht von «Bienen und Ameisen» innerhalb der Gruppen. Jeder und jede würden ihren Platz und ihre Aufgabe finden. Das diesjährige «NewEarthCamp» findet unter dem englischen Titel «Sacred Co-Creation» statt. Steimer erklärt: «Wir haben überall Einzelkämpfer, jetzt arbeiten wir an der Fähigkeit miteinander zu arbeiten». Eingeladen sind Pioniere des Wandels, und solche die es werden wollen. OR NewEarthCamp, 19.-21. Februar 2016, Villa Unspunnen, Wilderswil. Information und Anmeldung unter: www.newearthcamp.ch
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- Reconnective Healing ® ein Schlüssel zur Balance auf körperlich, seelischer und mentaler Ebene. - Skulpturen und Malerei im Ausstellungsraum: Engel und Lilith. - Künstlerischer Freiraum zum Thema Lilith: Gestaltend gehen wir der Weisheit der ungezähmten Frau in uns nach bis Mai 2016 Samstags 10-15 (Termine siehe Homepage)
Schule für Rhythmische Massage Ruchti-Weg 5, 4143 Dornach Tel. 061 705 75 75 srm@rhythmische-massage.ch www.rhythmische-massage.ch
Ausbildungslehrgang Med. Masseur/in mit eidg. Fachausweis oder Fortbildung Rhythmische Massage Möchten Sie sich beruflich verändern? Als Schule ermöglichen wir Erwachsenen selbständiges und verantwortungsbewusstes Lernen. Der Ausbildungslehrgang startet im April, die Fortbildung Rhythmische Massage für Physiotherapeuten u. Med. Masseure im Juni 2016.
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Die guten Adressen
Die gute Adresse für Ihr Zuhause
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CasaConsult
Unabhängige Vorsorgeberatung Stefan Geissbühler Holzikofenweg 22, 3007 Bern Tel. 031 378 10 25 unabhaengig@vorsorgen.ch www.vorsorgen.ch
• Beratung in allen Bereichen der Vorsorge und Versicherung • Analyse Ihrer aktuellen Vorsorgesituation • Finanzplanung im Hinblick auf Ihre Pensionierung • Bei Bedarf Empfehlung der optimalen Finanz- und Versicherungsprodukte • Betreuung des gesamten Versicherungswesens von Firmen und Institutionen • Lohnadministration für Arbeitgebende
ZAGSOLAR AG Luzernerstrasse 9, 6010 Kriens Tel. 041 312 09 40 Fax 41 info@zagsolar.ch www.zagsolar.ch
Das unabhängige Ingenieurbüro ZAGSOLAR ist spezialisiert für sämtliche Belange der Photovoltaik. Photovoltaikanlagen erzeugen Strom aus Sonnenenergie. Wir planen, schreiben aus, und begleiten die Projektrealisierung von der Inselanlage als Stromversorgung für ein Ferienhaus bis zur grossen Netzverbundanlage mit mehreren 1000 m2 Fläche.
Möbel Zürich GmbH Filiale Kalkbreitestr. 10, 8003 Zürich Filiale Malzstr. 21, 8045 Zürich Tel. 044 461 21 10/21 info@moebel-zuerich.ch www.moebel-zuerich.ch
Möbel Zürich ist spezialisiert auf ausgesuchte Möbel und Design Klassiker des 20. Jahrhunderts. In der hauseigenen Werkstatt werden Möbel und Einrichtungsgegenstände aufgefrischt und fachgerecht restauriert. Mit dem Aufwerten und Vermitteln von Gebrauchtmöbeln möchten wir unseren Beitrag zu einer nachhaltigen Gesellschaft leisten.
BBZ AG St. Urbanstr. 34 CH-4900 Langenthal fon +41 62 922 47 20 www.bbzag.ch
Thermische Gebäudesanierung mit vernünftigen Dämmstoffen: Zellulose, Holzfaser, Blähglasgranulat für Zweischalenmauerwerke. Bauthermografie mit Wärmebildkamera. Effiziente Akustikdecken aus Zellulose für Schulen, Büros, Foyers etc. Oberflächen mit Oelen und Lacken aus natürlichen Rohstoffen.
Hausverein Schweiz Tel. 031 311 50 55 kontakt@hausverein.ch www.hausverein.ch
Die echte Alternative zum Hauseigentümerverband Haushälterischer Umgang mit unserem Boden, klimafreundliches Bauen, gesundes Wohnen, faire Miet- und Nachbarschaftsverhältnisse sind uns zentrale Anliegen. Wir bieten: Beratung in allen Fragen rund ums Haus – Veranstaltungen – Formulare – Rabatte für Solaranlagen – Versicherungen etc.
Paul Nijman Büro für Architektur + Baubiologie Studenweg 7 6207 Nottwil Tel. 041 937 19 18 info@archinatura.ch www.archinatura.ch
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CasaConsult R. Fankhauser & L. Theiler Luternauweg 8, 3006 Bern Tel. 031 312 95 14 | Fax 031 312 23 06 info@casaconsult.ch | www.casaconsult.ch
Das andere Immobilienbüro. Stehen Sie vor dem Verkauf Ihres Hauses, dann sprechen Sie mit uns ! Wir beraten Sie persönlich und verkaufen Ihre Liegenschaft zu fairen Bedingungen nach den Grundsätzen des Hausvereins, und zwar in den Kantonen BE, SO, AG, FR, JU, NE. Im Tessin haben wir eine zweisprachige Vertretung.
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Der Natur, der Bausubstanz und nicht zuletzt unserer Gesundheit zuliebe arbeiten wir mit Naturfarben und ökologisch vertretbaren, qualitativ hochwertigen Produkten.
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Die guten Adressen
Die gute Adresse für sanften Tourismus Casa Santo Stefano Hotel und Seminarhaus 6986 Miglieglia Tel. 091 609 19 35 info@casa-santo-stefano.ch www.casa-santo-stefano.ch
Kommen Sie in das «etwas andere» Albergo! Eine spezielle Atmosphäre erwartet Sie in unseren zwei historischen, stilvoll renovierten Tessinerhäusern aus dem 18. Jahrhundert. Die gepflegten Zimmer, die Terrasse mit Pergola und die typischen Wohnküchen mit Kamin laden zum Verweilen ein. Gelegen in einem kleinen Tessinerdorf im Südtessin mit einer herrlichen Weitsicht inmitten eines wildromantischen Wandergebietes.
Adrasan bei Antalya/Türkei Boutique-Hotel Eviniz Tel 0041 079 406 37 90 (Schweiz) sonne7@ferien-antalya.com www.ferien-antalya.com
Bade- und Wanderferien im Boutique-Hotel Eviniz-Swiss bei Antalya, Türkei In unserem kleinen Hotel Eviniz wo man leicht in Kontakt kommt, in Adrasan (Lykischer Weg) mit kleinem Strand. Ferien am Meer und im Grünen inmitten von Hügeln zum Wandern und Besuch historischer Stätten. Gespräche – Natur – Begegnungen, individuell oder in spontanen Gruppen. Günstiger Platz auch für Langzeitaufenthalter für eine Auszeit, zur Rekreation oder als Residenz.
Zum Goldenen Hirschen Restaurant • Hotel • Seminarhaus Klösterliweg 17, 6410 Rigi Klösterli +41 (0)41 855 05 45 Homepage: www.kloesterli.ch hotel@kloesterli.ch
Ein einladender Kraftort im Herzgebiet der Schweiz Auf 1300 m. ü. M. liegt das über 100 jährige Hotel in herrlicher, voralpiner Bergwelt. Das gemütliche Restaurant (biologische Küche) und die 35 z. T. renovierten Zimmer laden ein zum Geniessen und Erholen oder zu vielfältigen Aktivitäten in der Umgebung. Zwei grosse Säle ermöglichen Familienfeiern, Seminare, Kongresse und weitere Veranstaltungen.
Inspiration - Reisen der Achtsamkeit Spiegelgasse 11, 8024 Zürich Tel. 044 262 55 66 www.inspiration-reisen.ch info@inspiration-reisen.ch
Rundreisen ∙ Yogareisen ∙ Yoga-, Meditations- und Kreativferien Abwechslungsreiche Reiseprogramme mit sorgfältiger Organisation ∙ Unterkunft in kleineren, persönlich geführten Hotels an schönen Plätzen ∙ Authentische Begegnungen mit Menschen im bereisten Land ∙ Wo möglich, Besuche bei spirituellen Meistern, Heilern und Schamanen ∙ Wo möglich, Teilnahme an Festen, Ritualen und Zeremonien ∙ Zusammenarbeit mit Organisationen, die den sanften Tourismus fördern.
Berggasthaus Salwideli Hotel-Restaurant 6174 Sörenberg Tel. 041 488 11 27 salwideli@bluewin.ch
Ferien in der UNESCO Biosphäre Entlebuch Erleben Sie die Vielzahl der Wander- und Ausflugsmöglichkeiten. Lassen Sie sich von unserem Team mit herzlicher Gastfreundlichkeit kulinarisch verwöhnen. Auch für Gruppen sind wir DER Ansprechpartner in der Region. Profitieren Sie von unserem SommerAngebot: Von Sonntag bis Freitag, drei Übernachtungen und nur zwei bezahlen. Wir freuen uns auf Sie!
Die gute Adresse zur Horizonterweiterung
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Bettina Lambrigger und Andres Ettlin 8302 Kloten 079/232 34 43 bettina@samsara-begegnen.ch www.samsara-begegnen.ch Mensch-Natur-Vision-Sein
*Schamanismus *«White Eagle» Spirituelle Lebensschule mit schamanischen Elementen *Schwitzhütte *Medizinradlehre *Visionssuche– Visionsquest- Reise nach Innen *Schamanische Trommelreise in die «Nichtalltägliche Wirklichkeit» *Seelenpflanzen-Ritual *sich im «Spiegel» der Natur erkennen *Schamanisch Kreativ-Sein. Bei allen Seminaren geht es um die Seelenwahrheit.
Ko-Schule für Shiatsu Enzianweg 4 8048 Zürich 044 942 18 11 www.ko-shiatsu.ch
Die Schule macht den Unterschied Die Ko Schule ist eine Shiatsu- und Lebensschule. Sie bietet neben Diplomausbildung und Fortbildung spannende Kurse zum Thema Shiatsu und Wohlbefinden für Interessierte ohne Vorkenntnisse an: Shiatsu Wellness Practitioner (mit Zertifikat), Shiatsu zu zweit, Shiatsu mit Kindern, Samurai Shiatsu in der Schule, Allergien und Abwehrkräfte, Die 6 heilenden Laute.
Verlag VITA VERA GmbH Oberebenestr. 67a 5620 Bremgarten Tel. 056 631 48 60 /Fax …61 vita-vera @bluewin.ch www.vita-vera.ch
Bücher und Tonträger für grundlegende Lebensfragen brisant, klar, revolutionär, prophetisch Themen: • Mensch und Kosmos – Klimawandel -vegetarische /vegane Ernährung • Ursache und Entstehung aller Krankheiten -Selbstheilungskräfte • Leben nach dem Tod – Reinkarnation -Zeitkritisches -Prophetie und Wissenschaft
Doné - Ort der Begegnung Willi Maurer, 6994 Aranno TI Tel. 091 609 10 89 info@willi-maurer.ch www.willi-maurer.ch
Transformation des Schattens durch Gefühls- und Körperarbeit Literatur dazu: Willi Maurer, Der erste Augenblick des Lebens - Der Einfluss der Geburt auf die Heilung von Mensch und Erde, 2009 DrachenVerlag. - Gemeinsam wachsen: Wochenendgruppen und 6-Tage-Intensivgruppen - Gemeinsam lernen: Ausbildung für im Geburts- oder Therapiebereich Tätige - Vorträge und DVD-Film Geburt-Imprinting-gesellschaftliche Auswirkungen
Zeitpunkt 141
Die guten Adressen
praxis vedya
praxis vedya Annemarie R. Hunzinger, MA Beratungen in Solothurn 079 852 71 81 info@vedya.ch www.vedya.ch
indisch-vedische Astrologie Astrologie bringt uns die äussere und innere Dimension von Zeit und Rhythmus ins Bewusstsein. Dies hilft uns bei der Suche nach unserer Bestimmung und leitet uns auf dem spirituellen Weg zur Wahrnehmung des Göttlichen in uns – zur Seele. Gerne berate und begleite ich Sie auf diesem spannenden Weg!
Institut für Prozessarbeit Binzstr. 9 8045 Zürich 044 451 20 70 www.institut-prozessarbeit.ch info@institut-prozessarbeit.ch
Psychotherapie / Coaching / Konfliktarbeit / Kunst Das IPA bietet zukunftsfähige Methoden für die Begleitung von Veränderungsprozessen: Weiterbildungen in psychosozialer Beratung (SGfB), Psychotherapie (Charta für Psychotherapie), Coaching, mediale Gestaltung, Konfliktarbeit, Facilitation von Teams, Organisationen und sozialen Spannungsfeldern. International / zweisprachig / praxisnah / seit 1982
Naturschule Woniya Dalaus 81C 7425 Masein 081 630 06 18 info@naturschule-woniya.ch www.naturschule-woniya.ch
Ausbildung Natur- und Wildnispädagogik Einjährige, berufsbegleitende Ausbildung Visionssuchen – sich selber finden in der Stille der Natur Tipilager für Kinder und Jugendliche Lager und Naturtage für Schulen
Villa Unspunnen Oberdorfweg 7 3812 Wilderswil 033 821 04 44 info@villaunspunnen.ch; www.villaunspunnen.ch
Kraftort der Stille am Fuss von Eiger, Mönch und Jungfrau Suchen Sie Stille und Rückzug? Inspiration und Erkenntnis? Räumlichkeiten für Ihr Seminar? Das alles bieten wir im «Kloster auf Zeit», im eigenen Programm und mit Raum für Ihre Kurse. Unsere Vision von EINER Welt und EINER Menschheit leben wir im Verständnis einer transkonfessionellen, universellen Spiritualität.
IBP Institut Wartstrasse 3 8400 Winterthur 052 212 34 30 www.ibp-institut.ch info@ibp-institut.ch
Ausbildung | Persönlichkeitsbildung | Therapie | Coaching IBP ist ein wirksames, wissenschaftlich gut fundiertes Psychotherapie- und Coachingverfahren, das die Integration von Körpererleben, Emotionen, Kognitionen, spirituellem Erleben und Verhalten ins Zentrum stellt. Breites Angebot an Weiter- und Fortbildungen für Fachleute und Persönlichkeitsbildung für alle. Listen mit IBP PsychotherapeutInnen und IBP Coaches/BeraterInnen in der ganzen Schweiz.
Oikocredit deutsche Schweiz Postfach, 8026 Zürich T: 044 240 00 62 E: deutsche.schweiz@oikocredit.org www.oikocredit.ch
Nachhaltige Geldanlage Seit 35 Jahren unterstützt Oikocredit mit Darlehen Projekte in Entwicklungsländern und leistet Hilfe zur Selbsthilfe. Tragen auch Sie zu einer nachhaltigen Armutsbekämpfung bei und zeichnen Sie Anteilscheine der internationalen Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit.
WissensWert GmbH Dr. Elisabeth Vogel Spiegelacker 19 8486 Rikon im Tösstal Tel. 079 620 30 30 www.wissenswert.ch
Überraschende Lösungen - mit Systemischen Strukturaufstellungen • Coaching und Beratung für Menschen und Organisationen lösungsfokussiert und achtsam • Aus- und Weiterbildungen Systemisches Coaching (Dipl. Systemischer Coach) und Systemische Strukturaufstellungen® - modular im eigenen Tempo, intensiv in kleinen Gruppen, international anerkannt.
LICHTBLICK - Marlies Lüthi Vedanta-Seminare und Satsangs 9410 Heiden 071 890 08 08 marlies@lichtblick-heiden.ch www.lichtblick-heiden.ch
Die Weisheit des Vedanta – Befreiung durch Selbsterkenntnis In der Erkenntnis der wahren Natur zu leben, zu lieben und zu dienen ist das höchste Potenzial des Menschen. Darin liegt der Schlüssel zu wirklicher Freiheit und beständigem Glücklichsein. Die zeitlosen, universellen Schriften des Vedanta sind klare, liebevolle Wegweiser dazu.
LuciAnna Braendle und Philipp Steinmann Ausbildung und Seminare, Gestalttherapie, Sexualberatung, Coaching Institut für Wir-Kultur 052 243 12 22 www.authentisch-begegnen.ch
Authentisch begegnen mit Freude, Intimität und innerem Wachstum Ausbildung zum/zur Prozess- und Dialogbegleiter_in | Seminare mit Begegnen und Berühren, Auszeit in der Natur, wirkungsvoll Sprechen und Hören, Tanzen und Rituale | Coaching, Therapie und Sexualberatung für Einzelpersonen, Paare und Gruppen | fortlaufende Gruppen für Männer und Frauen
Tänze des Universellen Friedens Catherine Bolliger Finkenweg 13, 3123 Belp 031 819 40 52 cathy.bolliger@belponline.ch www.friedenstaenze.ch
Tanz – Meditation – Körpergebet – Gemeinschaft Eintauchen in das lebendige, liebende Herz der spirituellen und religiösen Traditionen der Welt. Im Tanz verbunden, Trennendes zurücklassen und die friedvolle Präsenz göttlicher Einheit erleben.
Wolfgang Michael Harlacher Ilham Hanae Trojahn Hoffman Institut Schweiz Tel.: 043 477 99 27 info@hoffman-institut.ch www.hoffman-institut.ch
Wir begleiten Menschen, die Probleme in der Beziehung mit sich selbst und anderen lösen - sich in Krisensituationen grundlegend neu orientieren - ihre persönliche Entwicklung fördern ihr seelisches Potenzial zur Entfaltung bringen - ihre Selbstwahrnehmung und ihr Selbstwertgefühl verbessern - ihre emotionale und soziale Kompetenz vertiefen - ihre Kommunikationsfähigkeit erweitern - ihre innere und äussere Lebensqualität bereichern - aus ihrer persönlichen Lebensgeschichte das Beste machen wollen.
Die guten Adressen
Schule für Ritualgestaltung® Sabine Kapfer Heidistochter 3365 Grasswil BE Mittelland Tel: ++41 (0) 62 968 01 67 sabine.kapfer@bluewin.ch www.lebensausdruck.ch / FB
Kursangebote 2016 in der Jurte Amaterasu ∙ Ausbildung zur Fachfrau / Fachmann Ritualgestaltung ab 6. Februar ∙ Traumzeit für Frauen vom 25. bis 27. März ∙ Erschaffe dir dein Lebensgefäss / Ahninnentopf am 17. April ∙ Sommer-Frauenkraftwoche vom 25. bis 29. Juli ∙ Rituale im Familienalltag am 24. September
Peter Oertle «männer:art» Psychologische Beratung und Seminare für Männer: Zürich, Basel und Simmental. Tel. 033 783 28 25 info@maenner-art.ch www.maenner-art.ch
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Feiner Bio-Bergkäse von Kühen mit Hörner Seit 30 Jahren produzieren wir mit unseren acht Kühen auf dem Hof Wickert feinen BioBergkäse. Es gibt ihn in drei Varianten: «Das Original» – aromatischer Bergkäse, «Der Ungehobelte» – rassiger Hobelkäse, und «Der Sämige» – unser feiner Raclettkäse. Wir freuen uns auf Ihre Bestellung – online oder per Telefon.
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Die alternative Spirituosen-Kompetenz Seit 1918 sind wir der Schweizer Brenntradition verpflichtet und brennen bestes Schweizer Obst zu köstlichen Schnäpsen. Wir sind Pioniere im Destillieren von sortenreinen Kirschdestillaten, Hochstamm und Bio Suisse zertifizierten Obstbränden und Initiator des Slow Food Presidi Brenzer Kirsch. Wir importieren Fair Trade Rum und weitere Bio Spirituosen.
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buchplanet.ch: Der Onlineshop für secondhand Bücher buchplanet.ch gehört zur Stiftung Tosam, die mit verschiedenen Betrieben Arbeitsplätze im alternativen Arbeitsmarkt bereitstellt. buchplanet.ch bietet momentan mehr als 40'000 gebrauchte Bücher an, sortiert in über 40 Rubriken. Von Esoterik & Parapsychologie über Märchen & Sagen bis zu Hobby, Sport & Spass. Das Angebot wird laufend erweitert. Ein Besuch auf www.buchplanet.ch lohnt sich deshalb immer.
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Ohne Wenn & Aber. Ein IBP Workshop zum Thema Selbstfürsorge und Selbstmitgefühl: Quelle von Verbundenheit und Präsenz, die zu einem befreienden Gefühl von Wahl- und Gestaltungsmöglichkei-ten beiträgt. 22.-24 .01.2016 in Winterthur. www.ibp-institut.ch Lebe deine Kraft. Ein Workshop zum Kennenlernen der IBP Konzepte, der leicht in den Alltag inte-grierbare Übungen und lebensnahe Theorie für einen achtsamen und bewussten Umgang mit sich selber vermittelt. 11.-13.03.2016 in Winterthur. www.ibp-institut.ch
Wie Liebe gelingt. Ein Tag für Paare zur Selbstfürsorge und Beziehungsfürsorge: Erkennen Sie die Grunddynamik in Ihrer Paarbeziehung und wie Sie diese zur persönlichen Entwicklung nutzen kön-nen. 02.04.2016 in Zürich. www.ibp-institut.ch
Wohnen Abgelegenes Landgut (9ha) in F, 2h westlich von Basel, sucht selbständige Mitbewohner. shenauer@gmail.com Eine universelle Spiritualität im Alltag erforschen und leben - das ist der Traum der Genossenschaft, die in Wilderswil/BE ein altes Hotel und Bauland für ein 5-Familienhaus gekauft hat. Auch Dein Traum? Nächstes Interessiertentreffen Samstag 23.Januar, GV 20. Februar 2016. Telefon 079 654 91 70 www.lebensraumbelmont.ch
Wir stehlen vielleicht Zeit, aber wir geben mehr zurück:
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ZE!TPUNKT
Es gibt Zitronen, die werden ausgepresst, bis Blut fliesst. Griechenland ist so ein Fall. Das Ergebnis wird selbst den Köchen der Rettungsdiät nicht schmecken. Der Journalist und Filmemacher Harald Schumann hat die Rezepte analysiert und mit dem Küchenpersonal des IWF, der EZB und der EU gesprochen. Er hat sich vor Ort in Griechenland umgesehen und die Resultate in zahlreichen Artikeln im «Tagesspiegel» und zwei bemerkenswerten Filmen dokumentiert, dem preisgekrönten «Staatsgeheimnis Bankenrettung» (2013) und «Macht ohne Kontrolle – die Troika» (2015). Ein wirklich fantastisches Buch, das mich sprachlos zurückgelassen hat. Ich bin sicher, den wenigsten ist dieser gnadenlose Ausverkauf der Länder bewusst. Corinna Schindler
Die Autorin Ute Scheub hat aus dem umfangreichen Material ein griechische Tragödie geschrieben, samt Chor der Boulevardjournalisten. Alle Darsteller, von Schäuble bis Varoufakis, treten mit Originalzitaten auf. Eine überzeugende, eingängige Darstellung einer Geschichte, die wir verstehen müssen, wenn wir sie noch beeinflussen wollen.
Harald Schumann und Ute Scheub: Die Troika – Macht ohne Kontrolle. Eine griechische Tragödie und eine europäische Groteske in fünf Akten. edition Zeitpunkt, 2015. Ca. 100 S., geb. Fr. 15.–/€ 14.– Bestellkarte im Umschlag
Leserbriefe
leserbriefe@zeitpunkt.ch Fremde Heimat «Flucht», ZP 140 Ich wurde in die Fremde geboren. In Rumänien war ich mit deutscher Nationalität eine Minderheit, die als Nazi beschimpft wurden. Unsere deutsche Gemeinschaft war so geschlossen, dass eine Vermischung mit den Rumänen (oder Ungarn) unmöglich war. So positiv dies gegen innen auch war, es stärkte das Fremdsein. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden wir enteignet. Der Boden wurde meinen Eltern quasi unter den Füssen weggenommen. Für mich gab es nur ein Ziel: dorthin, wo alle deutsch sind, wo jeder Mensch so sein durfte, wie er war. Mit 19 Jahren, nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, war es soweit. Wir wanderten nach Deutschland aus. Das Erste was ich im zentralen Auffanglager in Nürnberg hörte, war: «Sie sind Rumänin.» Nebst der ganzen Unsicherheit und der Überforderung durch einen Zeitsprung von 50 Jahren in die Zukunft, war das ein vernichtender Schlag. Angekommen in der Fremde, blieb das Fremde. Was kam, war das Streben nach dem Gleichsein. Ich tauchte ein in den deutschen Alltag, und blieb fremd. Ich wurde mir selbst immer fremder. Zehn Jahre später kam die Sinnkrise. Ich blieb heimatlos. Dann führte mich mein Lebensweg in die Schweiz. Seit ein paar Jahren habe ich wieder Wurzeln und etwas Boden dafür. Ich fühle mich heute (mit 45) mehr daheim als auch schon, doch fremd bin ich noch immer in der Gemeinschaft, in der Gesellschaft, im System. Wenn ich die Flüchtlinge sehe, dann sehe ich die Schwere dieses Weges. Er beginnt lange, bevor sich jemand zur Flucht entscheidet und hört erst dann auf … ich kann es wirklich nicht sagen. Für mich gibt es nur eins. Wir müssen alles dran setzen, dass niemand mehr auf dieser Welt fliehen muss. Niemand darf mehr anderen den Boden unter den Füssen wegnehmen. Ich bin mir sicher, dass wir alle irgendwann mal wieder daheim sein werden. Aussen wie Innen. Sieglinde Lorz, Bern
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Gefährliche Wortschöpfung «Zufall oder Absicht», ZP 140 Ich lese seit Jahren mit grossem Interesse den «Zeitpunkt». Was mir bei der aktuellen Ausgabe nicht gefallen hat, war das scheinbar harmlose Wort «Flüchtlingswelle». Hierbei handelt es sich um eine – wie ich finde – gefährliche, wenn auch überall anzutreffende Wortschöpfung. «Flüchtlingswelle», «Flüchtlingsströme», «Flüchtlinge überrollen uns» – all das sind Bilder, die suggerieren, was in der Realität nicht vorkommt. Oder sind Sie schon einmal in einer «Asylantenwelle» geschwommen? Solche Ausdrücke haben eines gemeinsam: Sie vermischen Irreales mit Realem und verstärken oder lösen dadurch Ängste und Sorgen aus und sollten daher vermieden werden. Trotzdem ist der Zeitpunkt natürlich eine sehr lesenswerte Zeitschrift. Weiter so! Annette Papp, Bad Nauheim (D) Migration – der Egoismus des Westens «Flucht», ZP 140 Die «Wirtschaftsflüchtlinge» sind ganz einfach Migranten. Sie folgen dem Geld und hoffen auf ein besseres Leben. Dies ist eine Folge der Globalisierung und des freien Kapitalverkehrs, der die Länder ausblutet. Würden nicht Billionen von Franken aus anderen Ländern abfliessen, gäbe es wirtschaftliche Prosperität und keinen Grund, das Land zu verlassen. Die Hegemonialpolitik der USA und der EU und die Kriege, die angezettelt werden, um Wirtschaftsinteressen zu verfolgen, tun das ihrige dazu. Dieser vom Westen verursachte Schaden übertrifft die Kosten der Migration. Wir werde mit der Migration leben müssen, solange wir nicht den Egoismus des Westens überwinden. Dies wird wohl erst möglich sein, wenn es dem Westen schlechter geht. Vielleicht werden wir dann ganz anders denken. Vielleicht merken wir, das die Migration auch eine Bereicherung sein kann. Einige Berggemeinden wären froh, wenn sie dank Flüchtlinge ihre Dörfer wieder zum Leben erwecken könnten. Menschen aus anderen Kulturkreisen zeigen uns eine andere Art des Zusammenlebens. Ich
erachte es nicht als abwegig, dass afrikanische Migranten uns wieder zu unseren Traditionen führen. Die Flüchtlingskrise sollte als Chance erkannt werden, zu unseren Wurzeln zurückzukehren, die nicht im unmenschlichen geldfixierten neoliberalen Wirtschaftsdenken liegen. Unsere Wurzeln sind denen vieler Migranten ähnlicher als es vielen lieb ist. Migranten haben ihre Heimat verlassen, aber wir müssen unsere wieder finden. Sie ist längst verloren gegangen. Das Leben, wds wir im Moment führen ist weder unsere Natur noch unsere Tradition. Wir merken nicht wie unser Reichtum uns armselig gemacht hat. Michel Ebinger, Rotkreuz Ausbildung in Europa schafft keine Arbeitsplätze im Maghreb «Auf Zeit nach Europa kommen», ZP 140 Beat Stauffer schlägt vor, junge Leute aus dem Magreb auf Zeit nach Europa zu holen für ein Studium oder eine Berufslehre. Mein Gefühl ist, dass es in erster Linie darum ginge, auf das jeweilige Land zugeschnittene Lösungen zu entwickeln, wie die Menschen in Eigeninitiative sich für dort nützliche Arbeiten ausbilden und diese dann ausüben können. Was sie hier in Europa lernen, ist das auf den hiesigen Arbeitsmarkt zugeschnitten, aber solche Jobs gibt es dort ja kaum. Die Gefahr ist auch gross, dass mehr Unzufriedenheit erzeugt wird, wenn sie Europa erstmal kennen. Wahrscheinlich ist es ihnen viel wohler in ihrer eigenen Kultur und Heimat, als in der Fremde, die sie ja nicht gerade mit offenen Armen empfängt. Deswegen fände ich es sinnvoller, wenn nur einige intelligente Menschen von dort mit Initiativgeist und Liebe zu ihrer Heimat hier lernen könnten. Sie könnten dann für einige Zeit von uns begleitet werden, mit Know-how und praktischer Unterstützung, um in der Heimat Angebote zu entwickeln, an denen es mangelt. Ich denke, sie müssen ihren Arbeitsmarkt selber wieder aufbauen, sie können nicht auf Jobs hoffen, auch wenn sie in Europa ausgebildet worden sind. Eigeninitiative fördern und know-how anzupassen und dann erst weiterzugeben scheint mir das Wichtigste. Satyo Ilona Pregler, Rüfenacht
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Verlagsmitteilung
Mit allen Sinnen aufgesogen «Rigolo – Zirkus der Sinne», ZP 140 200 Leserinnen und Leser machten Gebrauch von unserem Angebot, «Wings» von Rigolo am 22. November zum halben Preis zu besuchen. Es war ein berührender Abend neuer ZirkusKunst mit Bildern, die ein Leben lang bleiben. Stellvertretend für viele mündliche und einige schriftliche Rückmeldungen die nachfolgende Zuschrift. Herzlichen Dank für die wunderbare Gelegenheit, dieses grosse Kunstwerk zu geniessen und mit allen Sinnen aufzusaugen! Wir waren sehr berührt. Es sind Bilder voller Sinn, Schönheit, Tiefe, die einen nähren – wie tut das gut in unserer von Angst, Wut und Ohnmacht aufgeheizten Zeit! Ulrike Hradetzky «Ein klein wenig sind wir auch stolz» «Elektroautos erhöhen CO2-Emissionen», ZP 140 Der Beitrag über Elektroautos ist so einseitig, dass es nach Lobby stinkt. Die Studie des Umwelt- und Prognose-Instituts Heidelberg blen-
det Umwelt- und Gesundheitsfaktoren weitgehend aus. Stattdessen stellt es zweifelhafte Annahmen auf, wie die einer Zunahme des Autoverkehrs infolge Elektroautos, oder die der Anschaffung von Elektroautos als Zweit- oder Drittwagen. Das E-Auto wird als Schmarotzer dargestellt, der sich durch fehlende Erdölsteuer nicht an den Abgaben beteiligt. Dass sich deren FahrerInnen eventuell bewusst von der schmutzigen Erdölindustrie-Gemeinschaft verabschieden möchten, wird nicht bedacht. Dass sich das Fahrverhalten mit einem Elektro-Auto in Richtung Öko-Drive verändert, auch nicht. Wir sind seit sechs Jahren glücklich mit einem Twingo-Elektra unterwegs. Er hat eine vergleichsweise kleine Reichweite. Wir richten uns ein, da pro Fahrt nicht beliebig viel Energie zur Verfügung steht. Aufgeladen wird das Fahrzeug mit Solarstrom. Lange Strecken fahren wir im Zug. Ein klein wenig sind wir auch stolz auf unseren Beitrag zur Weiterentwicklung dieser zukunftsträchtigen Technologie. Das Hauptargument zu Gunsten von Elektromotoren ist und bleibt ein rein physikalisches,
das mit keinerlei Argumentationen wegdiskutiert werden kann: Jeder Verbrennungsmotor, ob mit Diesel, Benzin oder Gas betrieben, verpufft den grössten Teil der Energie als Wärme. Elektromotoren haben dagegen eine Effizienz von 80 Prozent oder mehr. Allein diese Tatsache spricht für eine Weiterentwicklung der E-Mobilität. Aber das beste, sparsamste und gesündeste Auto ist immer noch dasjenige, das wir nicht brauchen. Agnes Plaschy und Felix Küchler, Salgesch www.valnature.ch Kein Horn? Keine Subvention! Auch ich unterstütze Bauern, die Kühe mit Hörnern haben. Ich habe aber Mühe mit der Hornkuh-Initiative, weil die Bauern für jeden noch so kleinen Zusatzaufwand, den man eigentlich als selbstverständlich anschauen sollte, zusätzlich subventioniert werden wollen. Zum Beispiel für Zäune mit Holzpfählen oder für Holzbrunnen. Ich plädiere vielmehr dafür, dass Subventionen den Bauern gekürzt wird, die ihre Tiere nicht artgerecht Tiere halten. Parvine Bähler Matti, Lauenen
Verlagsmitteilung Vor knapp einem Jahr stand hier die Ankündigung, der Zeitpunkt würde auf Ende 2015 an einen Verein verschenkt, der ihn dann verantwortlich herausgeben würde. Das Vorhaben ist nicht geglückt, aus verständlichen Gründen. Wer will schon ein führungsloses Objekt mit Organisations- und Finanzierungsbedarf übernehmen? Ich musste umdenken und beschloss, die massgebenden Positionen Chefredaktion und Verlagsleitung zuerst zu besetzen und dann wieder einen neuen Anlauf zu nehmen. Es ist mir deshalb eine besondere Freude, Ihnen Benedikt Meyer als Chefredaktor und Michaela Renggli als Verlagsleiterin vorzustellen. Die beiden sind dem Zeitpunkt gewissermassen zugefallen. Michaela Renggli meldete sich auf eine Notiz in einem Newsletter an die Abonnenten. Benedikt Meyer, auch um die dreissig, empfahl sich mit seinen geschliffenen Texten und der Tatsache, dass er eine mit summa cum laude ausgezeichnete (und bald vergriffene) Dissertation über ein Thema schrieb, das er nicht einmal selber wählte, sondern ihm vom Doktorvater zugeteilt wurde (Im Flug – Schweizer Airlines und ihre Passagiere)! Michaela Renggli drängte sich auf, weil sie sofort sah, was in unserem kleinen
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Bonsai-Konzern alles liegengeblieben ist. Beide haben ihre Werte gut justiert und sind glücklicherweise nicht durch allzuviel Verlagserfahrung verdorben. Der Zeitpunkt ist schliesslich kein Geschäft, sondern eine Kultur. Dass ich hier so viele Vorschusslorbeeren verteile, hat nicht nur mit den beiden Menschen zu tun, sondern auch damit, dass ich überzeugt bin, dass es diesmal klappt. Und das erfüllt mich mit so viel Freude, dass ich es einfach nicht für mich behalten kann. Ute Scheub, die für die Produktion der letzten Hefte verantwortlich war, bleibt Wagnis: beginnen wir ein ft He en st ch nä selbstverständlich an Bord. Und auch die die SchwerMit dem Gegensatzpaare en ld bi hr Ja e nz Verlagssekretärin Hannah Willimann, rschiedensten Das ga n wir mit den ve ne de , en Wir bem he tt nk die sich im Mutterschaftsurlaub um ihpu lt geben wollen. ängt ha In en rm Fo en dr journalistisch ren kleinen Theo kümmert, wird ab April . Der Gegensatz ben und unten» rkehrt wahrnehmen, «o it m en nn gi wieder ihre speditive, heitere Gelassent, die viele als ve nz sich in einer Wel schauen, wie sich das Leben ga heit in den Zeitpunkt-Büros verströmen. ir d W un f. au ab h n lic he uc förm Diese positive Entwicklung, auch das n anfühlt. Wir ta en und ganz unte en nach, ob das alte Wort, ob muss wieder einmal gesagt sein, wäre ohne d prüf steigen hoch un ten die Ersten sein werden, tz die Unterstützung der Leserinnen und Lenach dem die Le hat. Ende noch Gültigkeit ch do ser nicht möglich gewesen. Darum: herzlichen vielleicht k oder in Ihrem Dank an die Grosszügigen, die unser Budget Februar am Kios Briefkasten. sichern und an die Sparsamen, die für Auflage sorgen. Das wird ein gutes Jahr! Christoph Pfluger, Herausgeber
Im nkt: nächsten Zeitpu
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g e n i h a c k m a n n • Br e n n e n d e B ä r t e
In den Klauen des Zufalls
von Geni Hackmann
I
ch habe die Pariser Anschläge heil überstanden. Als ich am Morgen des 14. Novembers den Aushang der Boulevard-Zeitungen sah, entschloss ich mich spontan zu einer einwöchigen Mediendiät, online-Dienste inbegriffen. Die kleine Fastenkur hat meiner Psyche gut getan. Als ich nach einer Woche begann, mich mit den Hintergründen und Folgen zu befassen, war die intensivste Zeit der Angstmacherei bereits vorüber. In zeitlicher Distanz erfuhr ich dafür, dass der französische Geheimdienst am Vortag der Anschläge vom irakischen Geheimdienst vor einem bevorstehenden Attentat durch eine Gruppe von 20 Islamisten gewarnt wurde. Die Behörden weigern sich bis heute, die Warnung zu kommentieren. Das bedeutet natürlich nicht, dass das französische 9/11 in Kauf genommen, geschweige denn von kooperierenden Gruppen organisiert wurde. Aber die Kriegsbereitschaft von Frankreich und anderen NATO-Verbündeten kam so schnell zustande, als hätten sie darauf gewartet. Auf eine passende Gelegenheit wartete dagegen mit Sicherheit die Türkei, die am 24. November ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen hat. Russland meldete den Einsatz der Maschine vorgängig dem NATO-Oberkommando, das auch die Verteidigung des türkischen Luftraums koordiniert. Das abgeschossene Flugzeug befand sich 17 Sekunden lang über der Türkei. Präsident Erdogan bestätigte später, den Abschuss der Maschine persönlich angeordnet zu haben. Sass er während dieser kritischen 17 Sekunden zufällig am Radar oder hat man einfach auf die Gelegenheit gewartet, einen früheren Entscheid umzusetzen? Tatsächlich verkündete der türkische Whistleblower Fuat Avni bereits im Oktober, die Türkei bereite die Zerstörung eines russischen Flugzeuges vor. Um die ungeschützte russische Maschine abzuschiessen, musste das türkische
Jagdflugzeug übrigens während 40 Sekunden in den syrischen Luftraum eindringen. Und offenbar war eine saudische AWACS-Maschine an der Operation beteiligt. Das grüne Licht muss also von ziemlich weit oben der globalen Teppichetage gekommen sein. Die Türkei spielt im syrischen Krieg eine entscheidende Rolle. Sie beherbergt verschiedene Gruppen von Assad-Gegnern und versorgt ihre Kämpfer in Syrien mit Waffen; sie importiert das Öl, mit dem der IS seine Waffen bezahlt und sie hat im Norden Syriens Milizen stationiert, welche die Industrie der syrischen Wirtschaftshauptstadt Aleppo systematisch plündern.
Wir stehen hart an der Schwelle zu einem Weltkrieg, ausgelöst durch einen gewollten «Zufall». Was sagt uns diese unsägliche Geschichte? Die Türkei ist jederzeit in der Lage, zur Durchsetzung ihrer Machtansprüche einen NATOBündnisfall zu provozieren. Gerät sie in einen Konflikt, müssen ihre Verbündeten zu Hilfe eilen. Wir stehen hart an der Schwelle zu einem Weltkrieg, ausgelöst durch einen gewollten «Zufall». (Hauptsächliche Quelle: www. voltairenet.org, ein kritisches französisches Journalisten-Netzwerk). Eindeutig kein Zufall wäre es, wenn in den nächsten Monaten eine Rating-Agentur oder eine globale Finanz-Organisation die Überschuldung der amerikanischen Zentralbank Federal Reserve System aufdecken würde. In der Tat steht das Fed doppelt so tief im Risiko wie die US-Investmentbanken Lehman Brothers, Bear Stearns und Merrill Lynch, die alle in der Finanzkrise untergingen, bzw. durch Verkauf vor dem Untergang bewahrt wur-
den. Jim Rickards, ex-Wallstreet-Anwalt und Bestseller-Autor von Finanzbüchern, hält die Verschleierung des wahren Zustands des Fed für einen Betrug, der 524 mal grösser sei als derjenige von Enron und jederzeit auffliegen könne. Wann die Lage des Fed zum Thema wird und damit eine Kernschmelze auslösen könnte, weiss niemand, denn sie ist ja bereits bekannt. Das bedeutet in der illusionären Welt des Geldes allerdings nicht viel. Der marode Zustand der irischen Banken beispielsweise war ebenfalls offiziell bekannt, lange bevor sie zusammenbrachen. Philipp Ingram, ein Analyst von Merrill Lynch, wies in einem Bericht unmissverständlich auf die irischen Risiken hin. Zum Dank für die Wahrheit wurde er 2008 gefeuert. Das Bekanntwerden der Wahrheit über das Fed hängt also nicht von der Qualität der Information ab, sondern davon, dass sie gewissen Kreisen nützt. Wir, die Menschen an der wirtschaftlichen Basis, werden es höchstwahrscheinlich nicht sein. Zum Schluss folgt noch ein gefährlicher Abschnitt, da er vor der vermuteten Leitzinserhöhung der amerikanischen Zentralbank Fed vom 16. Dezember geschrieben werden musste. Nach mehr als sieben Jahren, in denen sich die Banken zu Null Prozent Geld von der Fed leihen konnte, wäre dies ein starkes Signal, dass das Ende der Party begonnen hat. Nicht aber für die amerikanischen Banken, die seit 2008 Reserven im Umfang von 2,6 Bio. Dollar angehäuft haben. Dafür muss ihnen die Fed nun den IOER bezahlen, den «Zins für überschüssige Reserven» (interest on excess reserves) von rund 30 Mrd. Reagans ehemaliger Budget-Minister David Stockman, aus dessen Newsletter ich diese Information habe, bezeichnet die Geschichte als «Weltklasse-Betrug». Wenn Sie in Ihrer Zeitung nichts davon zu lesen bekommen haben, wissen Sie, dass er funktioniert hat. Das wäre dann eindeutig kein Zufall.
Motto dieser Kolumne ist ein Zitat von Lichtenberg: «Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen.»
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