ZP 120 – Lebensreisen

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120 Juli/August 2012 10.– CHF / 8.– €

Für intelligente Optimistinnen und konstruk tive Skeptiker

Das Leben – eine Reise?  S 10 «Ich bin meine Reise»  S 18 Die Reise begann   S 20 Auf zur letzten Reise S 26 Erben – der ungerechte Lohn im Postauto der Geburt S 30 Vollgeld im Steigflug S 38 Die postrevolutionäre Möhre S 52 Hinter dem Schleier der Propaganda S 58 Kaiser&Schmarrn S 6


„Das Reisen, das gleichsam eine höhere und ernstere Wissenschaft ist, führt uns zu uns selbst zurück.“ Albert Camus

Das Reisen führt uns zu uns selbst zurück.

Albert Camus

Impressum Zeitpunkt 120 Juli/August 2012 Erscheint zweimonatlich, 21. Jahrgang Verlag / Redaktion /  Aboverwaltung Zeitpunkt Werkhofstrasse 19 CH-4500 Solothurn Aboverwaltung: Hannah Willimann Tel. 032 621 81 11, Fax 032 621 81 10 mail@zeitpunkt.ch, www.zeitpunkt.ch Postcheck-Konto: 45-1006-5 IBAN: 0900 0000 4500 1006 5 ISSN 1424-6171

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Vertrieb Deutschland Synergia Verlag und ­Mediengruppe Erbacher Strasse 107, 64287 Darmstadt Tel. (+49)6151 42 89 10 info@synergia-verlag.de Redaktion Brigitte Müller BM, Cécile Knüsel CK, Melanie Küng MK, Christoph Pfluger CP, Roland Rottenfußer RR; Ständige MitarbeiterInnen: Sagita Lehner SL, Alex von Roll AvR, Ernst Schmitter, Billo Heinzpeter Studer Grafik & IIllustrationen*: tintenfrisch.net (* falls nicht anders angegeben)

Anzeigenberatung Cécile Knüsel Zeitpunkt, Werkhofstrasse 19 CH-4500 Solothurn Tel. 032 621 81 11 inserate@zeitpunkt.ch Abonnementspreise Der Abopreis wird von den Abonnentinnen und Abonnenten selbst bestimmt. Geschenkabos: Fr. 54.– (Schweiz), Fr. 68.– (Ausland), Einzelnummer: Fr. 10.– / Euro 8.–. Druck und Versand AVD Goldach, 9403 Goldach

Herausgeber Christoph Pfluger Bildnachweis Titelbild: tintenfrisch.net Beilagen Einer Teilauflage dieser Ausgabe liegt ein Prospekt der Schweiz. Energiestiftung SES bei. Wir bitten um Beachtung.

Papier Rebello Recycling


Editorial

Irgendwie sind wir alle gestrandet Liebe Leserinnen und Leser Eine persönliche Bemerkung vorweg: Ich bin selbst auch ein bisschen ratlos. Im Verlagsgeschäft gilt: Mehr Informationen und höhere Auflagen sind besser. Dabei wollen die Leser das Gegenteil – möglichst wenig Informationen in einer möglichst exklusiven, auf sie zugeschnittenen Auflage. Auf dieses Paradox habe ich noch keine Antwort. Aber ich spüre, die Zeit ist gekommen, das Gewohnte zu verlassen. Der Schritt ist kurz von meiner kleinen Ratlosigkeit zur grossen Verwirrung der Welt. Während Generationen konnten die Menschen darauf hoffen, ihre Kinder würden es besser haben. Und die Hoffnung wurde meistens bestätigt. Die Lebensreise hatte ein Ziel, dem man zumindest näher kam. Heute ist das anders. Das Kollektiv der Menschheit hat höchst unsichere Perspektiven. Die Armut greift um sich, vor allem im Süden. Bildung wird wieder zu einem Privileg und der Fortschritt raubt uns unsere Heimat: die Erde. «Alternativlos» sagen die Mächtigen über ihre Massnahmen. «No future» sagen die, denen sie gelten. Irgendwie sind wir auf unserer Reise in ein vermeintlich besseres Leben in einem unwirtlichen Niemandsland gelandet, wo die letzten Strassen in den Einöden des Endzeit-Kapitalismus, der Umweltzerstörung oder im big-brother-country enden. Die Reiseleiter feilschen um abenteuerliche Rettungsbusse, zweifelhafte Notrationen wechseln für Unsummen die Hand. Gespannte Ruhe liegt in der Luft. Die letzten Sorglosen – die konsumierende Mehrheit – grölen noch in den Public Viewing Areas. Aber auch dieses Spiel geht zu Ende und das Bier wird knapp.

Man darf nicht aufhören, ganz unten anzufangen. Wolfgang Neuss

Wer hier weiter will, muss den Pfad verlassen und irgendetwas zwischen Wildnis und Wüste wagen. Das schärft die Sinne und plötzlich sieht man neue Möglichkeiten. Wüste wie Wildnis sind gastfreundliche Orte: Wo man aufeinander angewiesen ist, hilft man sich. Der Mensch ist vielleicht allein mit sich, aber zusammen mit andern. Was die Geschichten in diesem Heft zeigen: Reisen in die Welt sind immer auch Reisen zu sich selber. Dazu wollen wir mit diesem Zeitpunkt anregen. Ich wünsche Ihnen gute Reise und freue mich auf ein Wiedersehen in zwei Monaten. Es wird bestimmt etwas zu erzählen geben. Mit herzlichen Grüssen Christoph Pfluger, Herausgeber PS: Das für den 30. Juni und den 1. Juli geplante Jubiläumsfest musste ich leider absagen. Unsere Vorfreude war grösser als unsere Kräfte, ein zweitägiges, grosses Fest an einem Ort mit wenig Infrastruktur über die Bühne zu bringen. Der Anlass wird nachgeholt, nicht als Jubiläum und in kleinerem Rahmen.

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Inhalt

Schwerpunkt: Lebensreisen

26 Entscheiden & arbeiten

6 Das Leben – eine Reise? Ein Schiff ist am sichersten im Hafen. Aber dafür ist es nicht gebaut Roland Rottenfußer 10 «Ich bin meine Reise»  Seit bald fünfzig Jahren ist der 72-jährige Heinz Stücke mit dem Fahrrad unterwegs Andrea Freiermuth 15 Allein, aber nicht einsam  Walter Glomp – 30 Jahre unterwegs… Roland Rottenfußer 17 Wir haben nicht die Wahl. Wir haben nur einander Christine Ax 18 Die Reise begann im Postauto  Von der Kunst, die Dinge so anzunehmen, wie sie sind… Melanie Küng 20 Auf zur letzten Reise Der Ruf nach den FährFrauen ertönt, wenn die Zeit sich neigt Brigitte Müller 22 «Auf der Walz» … und weitere Kurzmeldungen 25 Das Leben, eine Reise: LeserInnentipps

26 Erben – der ungerechte Lohn der Geburt  Der Sohn von Michael Ballack wird nicht nächster Kapitän der Fussball-Nationalmannschaft. Roland Rottenfußer 30 Vollgeld im Steigflug  Immer mehr Menschen wollen die private Geldschöpfung durch die Banken stoppen Christoph Pfluger 31 Bundesrat und Geldschöpfung:   Diskussion unerwünscht 33 «Heatball» – mit Humor gegen das Glühlampenverbot Christoph Pfluger 34 Der amerikanische Kongress muss sich   mit der Geldreform befassen  … und weitere Kurzmeldungen

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Inhalt

38 Vollwertig Leben

52 Horizonte erweitern

38 Die postrevolutionäre Möhre  Der Kapitalismus steckt auch in unseren Köpfen. Jan-Hendrik Cropp 40 Geld trennt, aber es geht auch anders Christoph Pfluger 41 Grüner Spuk zwischen Beton und Asphalt Der neue Gärtner – aufgetaucht aus dem Nichts, hat er in kürzester Zeit die Städte erobert Melanie Küng 42 Urin – Dünger der Zukunft Beat Rölli 44 wahre Werte 45 Kampf dem grünen Wischiwaschi – Thomas Vellacott, der neue Chef des WWF Schweiz ist gefordert Christoph Pfluger 47 Einfamilienhäuser verbieten! … und weitere Kurzmeldungen 49 Die gute Adresse für Ihr Zuhause 50 Gegen Depressionen ist ein Kraut gewachsen … und weitere Kurzmeldungen 51 Die gute Adresse für Ihre Gesundheit

52 Hinter dem Schleier der Propaganda – sechzehn deutsche Journalisten, Fotografen und Intellektuelle besuchen den Iran    Jürgen Elsässer 55 Die gute Adresse zur Horizonterweiterung 56 «Die Universität der Wildnis»  Immer wieder reiste John Muir in sein «heiliges Land» Dieter Steiner 57 Die gute Adresse für sanften Tourismus 58 Kaiser & Schmarrn: Grüssgott! sagt Billo Heinzpeter Studer 59 Die guten Adressen 60 Ein Festival wie von einer anderen Welt  … und weitere Kurzmeldungen 61 Agenda 62 K leinanzeigen 64 Leserbriefe 66 Brennende Bärte – wir geben Gas?

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Unser Leben besteht aus Abreise und Ankunft, und doch sind wir auf ewig verankert. Ziel ist nie ein Ort, sondern eine neue Art die Dinge zu sehen. Henry Miller

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Lebensreisen

Das Leben – eine Reise Ein Schiff ist am sichersten im Hafen. Aber dafür ist es nicht gebaut. Wir reisen, um ein Ziel zu erreichen oder um ein anderer Mensch zu werden. Hauptzweck der Reise ist aber die Reise selbst. Für das Leben gilt dasselbe. Wer mit den Gedanken dort bleibt, wo er herkommt, verpasst, wofür er   von Roland Rottenfußer aufgebrochen ist.

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as Leben ist eine Reise, auf der wir vergessen haben, wo wir zuhause sind. Je nach Glaubensbekenntnis füllen wir dieses Nichtwissen mit Vorstellungen aus. Wir seien aus einer «geistigen Welt» hervorgegangen, einem «Jenseits». Pessimisten deuten unser Erdenleben sogar als «Exil». Man kann es aber auch positiver sehen: Die Erde ist unser Reiseland: ebenso fremd und anstrengend wie schön und faszinierend.

Familie münden. Und darin, dass sich der Held beruflich etabliert. Heute zerfallen Berufs- und Liebesleben in viele kleine Heldenreisen. Das Ankommen wird durch einen verworrenen Beziehungs- und Arbeitsmarkt erschwert, und für viele gestaltet sich das Leben eher als Antihelden-Reise. Neben diesen vielen kleinen Abenteuerreisen gibt es jedoch auch die eine grosse Heldenreise, die unser ganzes Leben umfasst. Einige archetypische Stationen möchte ich hier beschreiben.

Die Metapher von der «Lebensreise» wird selten zu Ende gedacht. Einen wichtigen Denkanstoss lieferte Joseph Campbell 1949 mit seiner Theorie der «Heldenreise». Er sah darin ein Grundmuster mythologischer Erzählungen, das man in allen Epochen und bei allen Völkern der Erde findet. Der Held befindet sich in einer stabilen Ursprungssituation, wenn ihn der «Ruf des Abenteuers» ereilt. Er überschreitet die Schwelle zu einem unbekannten Bereich jenseits der Komfortzone. Er erlebt dort Abenteuer und Prüfungen, häufig auch einen «Abstieg in die Unterwelt». Er birgt einen Schatz oder befreit eine Prinzessin, um am Ende gereift an seinen Ausgangspunkt zurückzukehren. Man findet das Schema der Heldenreise in vielen Märchen und Sagen, im Tarot, in Romanen oder in modernen Kinofilmen wie «Krieg der Sterne». Was bedeutet das Schema der Heldenreise übertragen auf unsere Leben? Im Kleinen umfasst der Mythos das Erwachsenwerden des jungen Mannes oder der jungen Frau. Er beschreibt die Lehr- und Wanderjahre, die in der Gründung einer eigenen

1. Der «Ruf zum Abenteuer» (nach Campbell). Man kann darin einen vorgeburtlichen Drang der Seele sehen, sich zu verkörpern – aus welchen Gründen auch immer. 2. Mit der Reise schwanger gehen. Die Idee zu einer Reise, speziell einer langen und gefährlichen, reift in uns heran wie der Fötus im Mutterleib. Viele erleben ein Zögern vor der Schwelle, den Wunsch, doch lieber in der Komfortzone zu bleiben. Andererseits ist da eine vibrierende Aufbruchs-Energie: Reisefieber. 3. Der Aufbruch des Helden. In Geschichten ist es der Moment, in dem der Held über die Schwelle nach aussen tritt. Im Leben vergleichbar mit der Geburt: einer der beiden Eckpunkte der Reise. 4. Eingewöhnungsphase. Man muss sich erst noch mit den Lebensbedingungen im Gastgeberland vertraut machen, agiert entsprechend unbeholfen. Man braucht Helfer, um überhaupt zurecht zu kommen: Reiseleitung, Flugpersonal, Herbergsvater … Dem entsprechen im Leben die Eltern. Sie lehren uns, zu gehen und lassen los, wenn wir selbst laufen

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Lebensreisen

können. In der «Jugend» scheint die Reise noch endlos vor uns zu liegen, kein Ende ist in Sicht. 5. Reisebekanntschaften. Gefährten, Begleiter, auch Gegner treten auf. Es kommt vor, dass wir uns auf Reisen verlieben und einen kurzen Rausch erleben, der mit einem schmerzlichen Abschied endet. Reizvolle und verstörende Bilder ziehen an uns vorüber, keines können wir festhalten. Alle Begegnungen – mit Orten und Menschen – laufen nach dem gleichen Schema ab: Erste Begegnung, Vertiefung, (manchmal) Konflikt, Abschied. 6. Das Bergfest. In der Mitte der Reise umweht uns eine Ahnung von Vergänglichkeit. Wir beginnen, das Ende ins Auge zu fassen und eine erste Bilanz zu ziehen. Melancholie oder hektische Aktivität, um noch etwas zu erleben, prägen den Rest unserer Reise. Im Leben entspricht diese Phase der Midlife-Crisis. 7. Die späte Phase. Traurigkeit und das Gefühl, die Zeit nicht optimal genutzt zu haben, prägen oft den «Abend» einer Reise oder unseres Lebens. Manchmal gelingt es uns, jeden Augenblick mit Blick auf das nahende Ende noch intensiver zu geniessen. Manche halten vor allem Rückschau, für andere dominiert schon das Heimweh. 8. Der Abschied. Die zweite wichtige Schwelle ist der Abschied vom Reiseland. Im Lebenslauf eines Menschen entspricht er dem Tod. Im Gegensatz zum Leben ist das «Danach» bei Reisen jedoch meist bekannt. 9. Die Ankunft zuhause. Manche sind euphorisch, wenn sie zuhause ankommen. Manche fühlen sich eher genervt oder gelangweilt und träumen schon von der nächsten Reise. Was uns nach dem Ende unseres Lebens erwartet und ob es weitere «Reisen» geben wird – darüber können wir nur spekulieren. 10.Die   Auswertung. Wir speichern und ordnen unsere Fotos, erzählen von der Reise, denken über das Erlebte nach. Ob es nach dem Tod so eine «Auswertungsphase» gibt, wissen wir nicht. Plausibel ist es aber. Welches sind unsere Erträge? Was haben wir gelernt? Wie hat das Reisen uns verändert? Viele Menschen lassen sich durch eine Reise nicht verändern. Sie bleiben in jeder Hinsicht die Alten. Der Spiesser beklagt sich über den Dreck in Venedigs Kanälen anstatt von den Wundern menschlicher Kreativität zu schwärmen. Er jammert, dass die Würste auf der «Pizza con Wurstel» nicht so gut waren wie daheim in Paderborn. «Auf Reisen suchen viele Deutsche eigentlich nicht das fremde Land, sondern Deutschland mit Sonne», sagte Erwin Kurt Scheuch. Ihr Leben gleicht dann eher einem zweiwöchigen Club Med-Aufenthalt als einer Pilgerreise.

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Pilgerfahrten sind immer ein Abbild des Lebens selbst – ob nach Rom, Santiago oder anderswohin. Unser Leben kann als grosser «quest» zu einem Heiligtum gedeutet werden. Paulo Coelho erfand für seinen Bestseller «Der Alchimist» eine gewagte Handlung: Der Held Santiago reist unter vielen Mühen von Andalusien bis Ägypten, um am Ziel einen Hinweis auf seinen Schatz zu erhalten: Er ist an dem Ort vergraben, von dem er aufgebrochen war. Das Heilige war schon immer da, scheint Coelho sagen zu wollen. Du hattest es nur nicht erkennen können. Erst in der Ferne erschloss sich dir der Wert des Nahen. Allerdings hat auch der Vergleich mit einer Pilgerfahrt einen Schwachpunkt: Es wird unterstellt, dass das Erreichen eines Ziels Hauptzweck der Reise wäre.

Heute zerfallen Berufs- und Liebesleben in viele kleine Heldenreisen. Das Ankommen wird durch einen verworrenen Beziehungs- und Arbeitsmarkt erschwert, und für viele gestaltet sich das Leben eher als Antihelden-Reise. Dabei sagte schon Goethe: «Man reist ja nicht um anzukommen, sondern um zu reisen.» Egal, ob man vom Hotel mit dem Aufzug an den Strand gefahren oder schwitzend mit dem Rucksack angereist ist: Wenn sich im Meer die Gischt an unserem Körper bricht und wir danach mit prickelnder Haut die Wärme der Sonne aufsaugen, dann zählt nur der Augenblick. Zu welchem Ziel geniessen wir die Reise, geniessen wir unser Leben? Wenn wir eins sind mit dem Glück unseres Daseins, stellt sich die Frage nicht. Spirituelle Menschen stehen oft schon mit einem Bein im «Jenseits» und weigern sich, richtig im Leben anzukommen. Sie leben quasi immer im Hinblick auf künftiges Totsein. Dazu aber wurde uns das Leben nicht geschenkt. Wenn wir nach Italien reisen, nehmen wir die Erfahrungen mit, die wir nur dort machen können. Wir essen Spaghetti Vongole und Tiramisu und nicht Sauerkraut und Rösti. Wenn wir in einer materiellen Welt zu Besuch sind, sollten wir Erfahrungen suchen, die wir nur dort machen können: Wie fühlt es sich an, krank zu sein und die Schwere eines Körpers zu spüren? Wie fühlt sich ein Zungenkuss an oder ein Orgasmus? Wie ist es, betrunken zu sein oder nach stundenlangem Fussmarsch durch die Berge halb verhungert in ein Käsebrot zu beissen? Wie ist es, auf engem Raum zusammengepfercht zu sein und die Menschen nicht


Das Leben – eine Reise

zu sehen und zu hören, sondern nur zu spüren und zu riechen? Solche Erfahrungen sind typisch irdisch und insofern unendlich wertvoll. Vielleicht geht es gar nicht um das Erreichen eines Ziels, sondern schlicht darum, zu erfahren, wie es sich anfühlt, ein Mensch zu sein. Haben wir das erkannt, gibt es fast nichts, womit wir unsere Aufgabe verfehlen können. Es ist zweitrangig, ob unser Leben im herkömmlichen Sinn «gelingt», ob wir die Anerkennung möglichst vieler Mitreisender erringen. Auch das Scheitern ist ein Teil der Antwort auf die Frage, wie es sich anfühlt ein Mensch zu sein. Es gibt eigentlich nur einen Weg, wie wir unsere Lebensaufgabe verfehlen können: Wenn wir versuchen, etwas anderes als ein Mensch zu sein, eine Art Über-

mensch, der über irdischen Erfahrungen in erhabener Gleichgültigkeit thront. Unterwegs sein ist beschwerlich, aber welche Reise haben wir im Nachhinein wirklich bereut? Für mich sind es eher die halbherzigen Reisen, an deren Ende ich dachte: «Das hätte ich zuhause auch haben können». Zu leben, das kann bedeuten, eine Lust zu kosten, um die uns körperlose Gespenster beneiden. Oder sich zu fühlen wie ein Fremder auf Erden, den bitteren Geschmack eines unbestimmten Heimwehs auf der Zunge. Unser Ego will immer ein «gutes» Leben, einseitig von angenehmen Erfahrungen geprägt. Unsere Seele dagegen inszeniert gern das «ganze» Leben: bestehend aus Höhen und Tiefen. Sagen wir ja dazu!

Ich bin dann mal da Was das Reisen so wertvoll macht, bereichert auch den Alltag. Die meisten werden sich nie in einem Fischerboot 1450 Kilometer den Mekong Fluss hinuntertreiben lassen oder ohne Gepäck in sechs Wochen fünf Kontinente bereisen, wie dies der amerikanische Reiseschriftsteller Rolf Potts in seinen mehr als 15 Jahren Unterwegssein getan hat. Es geht ja nicht nur darum, was wir tun, sondern warum und wie wir etwas tun. «Betrachte Reisen als eine Metapher dafür, wie du dein Leben zuhause lebst», sagt Rolf Potts und fasst seine wichtigsten On-the-RoadErkenntnisse in fünf Punkten zusammen: 1. Deine Zeit ist dein wahrer Reichtum. Kein Einkaufsbummel kann die Glücksgefühle ersetzen, wenn wir tun, was wir gerne tun, interessante Menschen kennenlernen und Zeit mit der Familie oder Freunden verbringen. Die Erfahrungen machen uns reich an Leben, nicht die materiellen Dinge. 2. Sei wo du bist. Das Schöne am Reisen ist das Einlassen auf das Hier und Jetzt. Wir nehmen be-

wusster wahr, was sich vor unseren Augen abspielt. Das können wir auch zuhause. Statt uns immer nur um das Gestern und Morgen zu sorgen, dauernd unsere Emails zu checken und uns vom Fernseher ablenken zu lassen, sollten wir uns auf Erlebnisse in Echtzeit konzentrieren. 3. Entschleunige. Ob auf Reisen oder im Alltag, sobald wir aufhören von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit oder von Termin zu Termin zu hetzen, werden wir offen für Neues und Unerwartetes. Ein Leben ist dann erfüllend, wenn wir uns die Zeit nehmen, es täglich auszukosten. 4. Keep it simple. Reisen zwingt uns, nur das Nötigste mitzunehmen und unterwegs nicht zu viel Unnötiges anzuhäufen. Macht nichts. Das Wichtigste sind die Erinnerungen, und darauf gibt es kein Gewichtslimit. Auch zuhause dürfen wir uns fragen: Was brauchen wir wirklich, um glücklich zu sein? 5. Setze dir keine Grenzen. In ferne Länder zu reisen

eignet sich besonders, um alten Gewohnheiten, Angst und Misstrauen ein Ende zu bereiten. Wir sind gezwungen, uns auf fremde Menschen und ungewohnte Lebensweisen einzulassen. Mit Offenheit, Neugierde und Mut, Neues anzunehmen, erschliessen sich auch im Alltag ganz neue Möglichkeiten. Die längste Reise ist das Leben selbst. Solange wir ihm jeden Tag mit Offenheit und Neugierde begegnen, uns auf den Moment und auf uns selbst einlassen, wird auch das Leben zuhause ein Abenteuer bleiben. mk Rolf Potts‘ Reisetipps zur Umsetzung zuhause unter: http://www.fourhourworkweek.com/blog/2010/02/25/rolfpotts-vagabonding-travel/ Mehr zur Kunst des Reisens: Rolf Potts: Vagabonding – An Uncommon Guide to the Art of Long-Term World Travel. Villard, 2002. 224 S., Fr. 20.90 / 11,95 Euro.

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Lebensreisen

«Ich bin     meine Reise» Seit bald fünfzig Jahren ist der 72-jährige Heinz Stücke mit dem Fahrrad unterwegs und hat es damit als «most travelled man» ins Guiness Buch der Rekorde geschafft. Was wird aus einem Reisenden, der nie ankommt? Antworten von

Heinz Stücke im Gespräch mit Andrea Freiermuth

as Leben des 72-jährigen Heinz Stücke ist eine einzige grosse Reise: Er hat 195 Länder, 86 Territorien und andere Regionen mit speziellem politischen Status besucht, rund 622 000 Kilometer zurückgelegt – also 15 Mal die Erde umrundet – und das alles mit seinem 3-gängigen Fahrrad! Wenn der Deutsche gerade mal nicht auf dem Sattel sitzt, weilt er in einem Zimmer in Paris, seinem «Bunker», wo sich Reiseerinnerungen in zahlreichen Kartonschachteln stapeln.

Warum bist du immer weitergefahren? 1977 wollte ich eigentlich einen Punkt machen. Ziemlich genau 14 Jahre nachdem ich Europa über Gibraltar verlassen hatte, setzte ich am Bosporus mit der Fähre über. Doch irgendwie hatte ich Angst, auf direktem Weg nach Hause zu fahren, dieses Leben voller Freiheit und Abenteuer aufzugeben. Die Vorstellung, wieder in mein erzkatholisches Dorf zu-

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Wie kommt es, dass dein Leben eine einzige Reise ist? Schon in der Schule war ich sehr interessiert an Geografie. Ich verschlang eine Menge Bücher über Reisen und fremde Länder. Bald wollte ich nicht nur darüber lesen, sondern auch eigene Abenteuer erleben. Das wollen wir alle, aber die meisten kehren irgendwann nach Hause zurück oder werden sesshaft. Das hatte ich auch vor. Auf meine erste Weltreise brach ich mit 20 auf, im August 1960. Ein Jahr, 20 Länder und 17 000 Kilometer später war ich wieder zu Hause in Hövelhof, Westfalen. Ich hatte so viel erlebt und sah mich in Deutschland mit einem langweiligen Leben konfrontiert – als Fabrikarbeiter und Sklave der Industrie und der Gesellschaft. Also stieg ich 1962 erneut auf mein Rad und bin seither nie mehr zurückgekehrt. Heute bin ich ein Sklave meiner Reise.

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«Ich war in allen Ländern dieser Welt, ausser dem Südsudan. Den gibt es erst seit letztem Jahr. Er ist mein nächstes Ziel.» rückzukehren. You know, ich hatte die ganze Welt gesehen und dabei entdeckt, dass es nicht nur eine Religion gibt. Dass es viele verschiedene Möglichkeiten gibt, das Leben zu leben. Und dass die absolute Wahrheit nicht existiert. Also sagte ich mir: Du musst dich erst wieder an Europa gewöhnen und radelst lieber hier noch ein wenig weiter. In Holland, nur 200 Kilometer von meinem Heimatort entfernt, besuchten mich mein Vater und meine zwei Schwestern und deren Familien für ein Wochenende. Meine Mutter war inzwischen gestorben. Als ich von ihrem Tod erfahren hatte, war sie schon beerdigt. Du hast deine Familie nach 17 Jahren bloss für ein Wochenende gesehen? Ja, sie mussten schliesslich arbeiten und am Montag wieder zurück. Das machte mir klar, dass ich noch


Ich binLebensreisen meine Reise

Heinz Stücke (r.) 1976 in Afghanistan

«Es de mi vie de die

nicht aufhören würde. Also begann ich neue Pläne zu schmieden. Ich ging nach England und dann … … das mutet wie eine Flucht an. Für mich ist es eher eine Suche. Es ist das Unbekannte hinter der nächsten Wegbiegung, das mich vorwärts treibt. Es gibt so vieles zu entdecken auf dieser Welt. Ich möchte den ganzen Globus sehen, den ganzen Erdball fühlen und die Entfernungen spüren. Und mit den Jahren habe ich mir natürlich auch persönliche Ziele gesteckt, wollte Rekorde aufstellen. Lange Zeit war ich auf der Jagd nach dem besten Foto, nach möglichst vielen Kilometern, nach allen Ländern. Letzteres ist gar nicht so einfach, weil es immer wieder politische Veränderungen gibt und das Guinness-Buch auf bestimmten Vorschriften besteht, damit die Rekorde akzeptiert werden. Mir war das immer zu kompliziert. Bekannte haben die Anträge für mich eingereicht, damit ich meine Fotos besser verkaufen konnte. Inzwischen habe ich niemanden mehr, der das für mich macht. Darum werde ich auch nicht mehr aufgeführt. Egal. Ich war in allen Ländern dieser Welt, ausser dem Südsudan. Den gibt es erst seit letztem Jahr. Er ist mein nächstes Ziel. Heinz Stücke wurde 1940, mitten im 2. Weltkrieg, in eine Arbeiterfamilie geboren. Nach der Schule absolvierte er eine Lehre als Werkzeugmacher. Doch da war dieser Drang nach mehr – nach der Begegnung mit Menschen aus verschiedenen Kulturen, nach dem Anblick der Weltwunder und vor allem nach persönlicher Freiheit. Sein Fernweh und Reisefieber haben ihn in alle Ecken dieser Welt getrieben – in Urwälder, durch Wüsten

und über alle möglichen Gebirge. Einzig die beiden Pole hat er ausgelassen. Er spricht fliessend Französisch, Englisch und Spanisch, kann sich auf Russisch, Arabisch und Japanisch unterhalten. In vielen weiteren Sprachen verfügt er über einen Basiswortschatz.

Warum hast du ausgerechnet das Fahrrad als Transportmittel gewählt? Mit 20 war es natürlich vor allem eine Geldfrage. Aber ich lernte das Fahrrad bald als perfektes Fortbewegungsmittel schätzen. Es ist der ideale Reisepartner, um die Welt zu entdecken – langsam genug, um Land und Leute kennenzulernen und schnell genug, um grössere Entfernungen zu bewältigen. Es macht mir Spass, mich körperlich zu fordern. Ich will beim Reisen nicht nur konsumieren, sondern auch etwas leisten. Ist das Fahrrad ein Türöffner? Auf jeden Fall. Wobei man sagen muss, dass ich früher, als es auf der Welt noch weniger Touristen gab, viel häufiger von Einheimischen eingeladen wurde. Auf manchen Strecken sind heutzutage selbst Radtouristen keine Exoten mehr. Das ist nebst der Inflation der Hauptgrund, warum ich viel mehr Geld brauche als früher. Das teuerste Jahr war 2003 mit 13 000 Euro. Allerdings habe ich in jenem Jahr viele Inseln besucht, die mir noch fehlten – und musste deshalb oft fliegen oder Tickets für Schiffsfahrten kaufen. Der 3-Gänger von Heinz Stücke ist eine echte Attraktion. Es ist immer noch dasselbe Rad, mit dem er 1962 auf sei-

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Lebensreisen

v.l.n.r.: Heinz Stücke 1981 in Madagaskar, 1981 in Yemen, 1977 in Bosnien und 2000 in Österreich. (alle Bilder: heinzstucke.com)

ne unendliche Reise aufgebrochen ist. Allerdings musste der Weltenradler den Rahmen inzwischen 16-mal schweissen und alle Komponenten mehrmals ersetzen. Speziell ist der doppelte Lenker, den er sich angebaut hat, um verschiedene Sitzpositionen einzunehmen und damit Rückenschmerzen vorzubeugen. Und natürlich die Weltkarte, die im Rahmen eingeschweisst ist und die Reise dokumentiert – mit fünf verschiedenen Farben für die fünf Jahrzehnte, die diese «Tour du Monde» bereits dauert.

Ich habe mich nie gefragt, welches der schönste Ort ist – ich suche nicht das Paradies. Ich fahre einfach und versuche, meine Augen offen zu halten, aufnahmebereit zu sein und zu verstehen, was meines Weges kommt.

Heinz Stücke in Zahlen 72 Jahre alt 622 000 Fahrrad-Kilometer 195 Länder 86 Territorien oder andere Regionen mit speziellem politischen Status 50 Jahre unterwegs 80 bis 120 Kilometer pro Tag 3- Gang-Velo mit 25 Kilo Eigengewicht 40 bis 50 Kilogramm Gepäck 6 Mal wurde das Velo gestohlen 6 Mal fand er es wieder 21 mit Stempeln gefüllte Reisepässe 4 Autounfälle als Beifahrer 1 ernsthafter Fahrradunfall 16 Rahmenbrüche 80 000 Dias www.heinzstucke.com

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Wie kommst du zu Geld? Ganz einfach – ich verkaufe das einzige Produkt, das ich habe: meine Reise. Vor Jahren habe ich eine Broschüre erstellt, die ich in mehrere Sprachen übersetzen liess. Inzwischen habe ich wohl 80 000 davon verkauft – für drei Dollar oder Euro das Stück. Wobei die Leute oft gar kein Wechselgeld wollen. Nicht nur Stückes Fahrrad ist ein Oldtimer. Auch er selber ist von gestern. Ein Dinosaurier unter den Globetrottern. Man stelle sich vor: Gestartet ist er noch bevor die Beatles ihren ersten Hit einspielten und bevor der erste Mensch auf dem Mond stand. Inzwischen haben wir Handys, Internet und Apps für alles Mögliche. Digitale Speicher, virtuelle Welten und interaktive Foren. Mit all dem kann Heinz Stücke nichts anfangen. Er ist ein digitaler Analphabet und hat den Anschluss verpasst – und zwar komplett. Selbst die Metro in Paris benutzt er nicht mehr, seit man die Tickets an vielen Stationen nur noch am Automaten bekommt.   Stücke sitzt in seinem Bunker auf einem Schatz. Er weiss es und träumt davon, ein Buch zu schreiben sowie seine rund 80 000 Dias zu sichten und nach Themen zu ordnen. Doch das Schreiben ist nicht sein Ding. Und was nützen ihm sortierte Dias, wenn in den Agenturen und Redaktionen alles immer erst am Computer begutachtet wird?

Wo ist es am schönsten auf dieser Welt? Das kann ich nicht sagen. Was man am liebsten hat, hängt davon ab, was man am liebsten tut oder sieht. Für die einen sind es die Berge oder die Seen, für

andere das Meer oder die Wüsten. Für andere sind es fremdartige Kulturen, exotische Menschen, Tiere und Pflanzen. Wieder andere wollen Abenteuer erleben, unberührte Gebiete entdecken oder luxuriöse Ferienfahrten geniessen. So hat jeder seine Vorstellung. Ich habe mir diese Frage nie wirklich gestellt, denn ich bin nicht auf der Suche nach dem Paradies. Ich fahre einfach und versuche, meine Augen offen zu halten, möglichst aufnahmebereit zu sein und zu verstehen, was meines Weges kommt. Wie hat sich die Welt in den letzten 50 Jahren verändert? Ich bin nie zweimal auf der gleichen Strecke unterwegs. Es gibt Drehscheiben, wo ich immer wieder vorbeikomme, aber ich mag keine Wiederholungen. Einzig das Pedallieren: Die Beine gehen immerzu rauf und runter. Ich habe mir selber auferlegt, dass ich jedes Jahr 12 000 Kilometer fahren muss. 2008 habe ich mit 21 505 am meisten Kilometer zurückgelegt, gefolgt vom Jahr 2002 mit 21‘350. Aber was war die Frage? Wie sich die Welt verändert hat. Es gibt viel mehr Touristen und Autos als früher. Ich bin froh, die grossen Dinge noch vor den Massen gesehen zu haben. In Machu Picchu beispielsweise habe ich zwischen den Ruinen gecampt. So was wäre heute unvorstellbar. Und man muss alles buchen, Monate im voraus – sogar wenn man wandern will, wie zum Beispiel auf dem Milford Track in Neuseeland. Zum Glück ist es zwischen den grossen Städten und bekannten Hotspots auch heute vielerorts noch ruhig. Und mit dem Rad kommt man da auch problemlos hin. Natürlich hat die touristische Entwicklung auch Vorteile. Es ist viel leichter, ein Visum zu erhalten, Geld zu beziehen und man kann viel günstiger telefonieren. Hast du viele gefährliche Situationen im Verkehr erlebt? Ich hatte vier Autounfälle. Allerdings sass ich immer als Beifahrer im Wagen und nicht etwa auf dem Rad. Auf zwei Rädern bin ich x-mal im Graben gelandet. Oft war ich selber schuld, weil ich auf dem Rad eingeschlafen war. Natürlich wurde ich auch ein paar Mal von einem Auto abgedrängt. Das Resultat


Lebensreisen

waren aber meist nur ein paar blaue Flecken. Den beängstigendsten Radunfall hatte ich Anfang 2000 in Deutschland, auf einem Radstreifen – ein Autofahrer missachtete meinen Vortritt. Radstreifen sind gefährlich. Es ist viel sinnvoller, wenn man als Fahrradfahrer mit dem Verkehr rollt, dann wird man auch beachtet. Wie in Indien: dieses Chaos. Dennoch passiert dort wenig, weil alle aufpassen.

«Das Fahrrad ist der ideale Reisepartner, um die Welt zu entdecken – langsam genug, um Land und Leute kennenzulernen und schnell genug, um grössere Entfernungen zu bewältigen.» Und sonstige Gefahren? Ich könnte dir 1000 Geschichten erzählen – von wilden Tieren, arroganten Militärs, korrupten Polizisten, aggressiven Bienenschwärmen. Damit ich jeweils nicht völlig ausufere, wenn die Leute eine Frage stellen, schreibe ich mir Memos mit Stichwörtern. Ich notiere alles in meinen Tagebüchern und kann alles lückenlos zurückverfolgen. Zum Beispiel, in welchem Jahr ich wo Weihnachten verbracht habe, wie oft ich pro Jahr campe, privat übernachte oder im Backpacker schlafe. Oder wie viele Grenzen ich in einem Jahr überschritten habe. Nur mit den Tagen habe ich ein Problem – ich entdecke immer wieder Ungereimtheiten in meinen Unterlagen. Hat dich das Reisen verändert? Was soll ich sagen – ich bin 50 Jahre älter als damals, als ich aufbrach. Jeder verändert sich mit den Jahren. Es ist schwierig zu sagen, was dabei das Reisen und was das Alter ausmacht. Ich bin meine Reise. Das lässt sich nicht mehr trennen. Hast du Angst vor dem Altwerden? Was will man machen: Mein Alter wird mir irgendwann Grenzen setzen. Derzeit steige ich wie ein alter Mann auf meinen 3-Gänger, mit dem Bein zuerst über das Sattelrohr. Ich war zu lange mit dem Faltvelo unterwegs, das hat meine Beweglichkeit eingeschränkt, denn es ist viel niedriger. Und dann die Vergesslichkeit – wenn ich meine Lesebrille nicht

immer an den selben Ort lege, finde ich sie fast nicht mehr. Das Vergessen, das ist meine schlimmste Befürchtung. Wenn du auf dein Leben zurückblickst: was würdest du anders machen? Ich bedaure, in der Schule keine Sprachen oder das Fotografieren gelernt zu haben. Das wäre mir auf meinen Reisen nützlich gewesen. Gibt es Dinge, die du in deinem Leben vermisst? Fussball und Familie. Ich war in jungen Jahren richtig gut mit dem Ball. Und je älter man wird, desto mehr wünscht man sich Enkelkinder um sich. Fühlst du dich manchmal einsam? Nein. Es gibt immer was zu tun. Wenn ich unterwegs bin, muss ich mich ständig organisieren. Die Prioritäten sind Essen, Trinken, Radeln. Und wenn ich mal nichts zu tun habe, dann bin ich am Träumen oder Planen. Ich kann mich stundenlang in Karten vertiefen. Hier in meinem Bunker fällt mir manchmal das Dach auf den Kopf, doch dann führe ich einfach meine Listen nach und bereite die nächste Reise vor. Wenn du mal nicht mehr Radfahren kannst, erhältst du auch kein Geld mehr. Hast du nie Existenz­ ängste? Meine Reise ist meine Rente. Darum möchte ich ja auch endlich das ganze Material sichten. Wenn es gar nicht anders geht, bin ich immer noch Deutscher Staatsbürger und könnte eine Minimalrente von 360 Euro beziehen. Wenn man so gelebt hat wie ich, kommt man damit schon durch. Aber eigentlich möchte ich beweisen, dass es auch ohne Väterchen Staat geht. Wie lange wirst du noch weiterfahren? Vielleicht steige ich Ende 2012 endgültig ab. Im November bin ich ja seit 50 Jahren unterwegs. Das wäre ein guter Moment. Das Interview stammt aus dem Globetrotter, einer Art Gesundheitsmagazin für Fernwehkranke. Aus diesem schönen Heft – und nicht etwa umgekehrt – entstand das Reisebüro «Globetrotter», einer der führenden Anbieter der Schweiz. Jahresabo mit vier Ausgaben: Fr. 30.–. Kontakt: Globetrotter Club, PF 7764, 3001 Bern. Tel. 031 313 07 77. www.globetrotter-magazin.ch

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Lebensreisen

Allein, aber nicht einsam

Walter Glomp war stinksauer. Monatelang hatte sich der 18-jährige Gymnasiast darauf gefreut, mit Freunden per Interrail nach Norwegen zu reisen – sein Traum. Doch einer nach dem anderen machte schlapp. «Norwegen? Da laufen doch Eisbären auf der Strasse rum.» «Ach nö – dann doch lieber nach Griechenland an den Strand.» Der Münchner hatte genug und entschied, allein zu fahren. Er campierte im Wald, kochte für sich selbst. Schliesslich trampte er zum Nordkap – stimmungsvoller Höhepunkt der Tour. Als Walter zurückkam, hatte er sich verändert. Ich erlebte das hautnah, da ich in seine Klasse ging. «Ich war damals in der Schule extrem uncool und wurde gemobbt», gibt er zu. «Es fehlte mir einfach an Selbstsicherheit. Durch Norwegen merkte ich: Du kannst auch allein eine Menge erreichen.» Die Clique war Walter fortan egal. Er hatte auf Reisen weit «coolere» Typen kennen gelernt – und die akzeptierten ihn so wie er war. «Vielleicht lag es also nicht nur an mir, wenn ich in der Schule unbeliebt war.» Diese Erkenntnis markierte einen Durchbruch. Ich bin überzeugt: Was die Persönlichkeit Walter Glomp heute ausmacht, wurde vor allem auf Reisen «geschmiedet». Das Image vom «Norwegen-Walter» war geboren. Der, der allein in den hohen Norden reist und keine Strapaze scheut, mutig, exzentrisch im wahrsten Sinn. Denn Walter mied Zentren und Menschenansammlungen. «Draussen bin ich allein, aber nicht einsam»,

von Roland Rottenfusser

sagt er. «Ich bin aufgehoben in der Natur, bei den Tieren und Pflanzen.» Obwohl er gesellig ist, liebt es Walter bis heute, allein zu reisen. «Wenn was schief geht, kann ich mich nur über mich selbst aufregen.» Fehler blieben nicht aus in gut 30 Jahren als Reisender. Walters kühnstes Unterfangen: Mit zwei Freunden baute er ein Floss und fuhr 500 Kilometer auf dem Yukon flussabwärts. Keiner der drei hatte Flossbau studiert. Mit praktischem Verstand mussten sie alle Probleme lösen: Bäume fällen, entasten und zusammenfügen. «Ich habe nie wieder so hart gearbeitet», erzählt der Abenteurer. Schliesslich war die Konstruktion fertig, sogar mit einem «1. Stock», einer Plattform für das Zelt. Neben Bären und Stromschnellen war das andauernde Hantieren mit Werkzeugen die grösste Gefahr. Walter sägte sich in den Finger. Mit notdürftigem Verband lief er viele Kilometer bis zur nächsten Indianersiedlung. Dort nähte ihn ein Arzt mit 19 Stichen. Aufgeben kam nicht in Frage, die Flossreise ging weiter. Walter Glomp ist heute 50. Er war in Alaska, in Nordwestrussland, in Neuseeland, Island und Spitzbergen – Hauptsache weit weg, Hauptsache Natur. Besonders gern mag er den Nordwesten von Kanada, das Yukon-Territorium, Schauplatz der Romane von Jack London. Leben in und aus der Natur fasziniert ihn. «Man kann tagelang gehen, ohne auf Anzeichen von Zivilisation

zu stossen.» Walter erlebte magische Momente, wenn das Lagerfeuer knisterte, der Duft von selbst gefangenem Fisch aufstieg und von fern die Wölfe heulten. Und die Kälte? «Gegen Kälte kann man sich anziehen, gegen Hitze nicht», sagt er pragmatisch. Trotzdem verschlug es ihn auch ins heisse Australien – und in die libyische Sandwüste, die kaum ein Europäer betritt. Letzteres hatte berufliche Gründe. Walter Glomp ist Geologe – genau der richtige Beruf für ihn. So kann er professionell in menschenleere Gegenden reisen. Den harten Kerl zu spielen ist Walter Glomp fremd. Strapazen sind eher unvermeidliche Begleiterscheinung, wenn man die schönen Seiten des Reisens erleben will. «Survival bedeutet für mich: mit dem Wenigen, das man mitnehmen kann, ein Maximum an Bequemlichkeit erreichen.» Es gibt sicher noch extremere «Fälle» als Walter – Menschen, die sich bewusst in Gefahr begeben oder ihr ganzes Leben auf Reisen verbringen. Walters Erweckungserlebnis ist jedoch für die meisten von uns erreichbar und macht Mut, selbst den Aufbruch zu wagen. Mit das Beste am Reisen ist für Walter Glomp sowieso das Heimkommen: Wieder den Lichtschalter anknipsen und ins warme Bett kriechen. Manchmal muss man erst weit weg gewesen sein, um zu verstehen, wie schön es daheim ist.

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VOICE – eine magische Reise

Radikale Vergebung

The Sacred Heart

Making Love

The Art of Being

The Fluid Body

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Andreas Tröndle 5-Rhythmen-HeartbeatWorkshop 30. 8. – 2. 9. 2012

Alan Lowen Das Universelle Erlebnis 28. morgens – 30. Sept. 2012

Colin & JoAnn Tipping 7. – 12. Oktober 2012

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Kai Ehrhardt Continuum Movement 16. – 20. November 2012

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Lebensreisen

Wir haben nichT die Wahl.

Wir haben nur einander Manchmal kommt es mir vor, als sässe ich in einem Zug, der mit grosser Geschwindigkeit auf ein unbekanntes Ziel rast. Ich schaue interessiert aus dem Fenster und sehe, wie die Landschaft des Lebens an mir vorüber zieht. Manches kommt mir bekannt vor. Anderes ist mir fremd. Manchmal schlägt mein Herz höher. Und es gibt auch Dinge die mir so fremd sind, dass ich sie nicht einmal erkennen kann. Sie erinnern mich an gar nichts. Ich weiss nicht wirklich, wie ich in diesen Zug hineingekommen bin. Ich erinnere mich nicht an den Augenblick, in dem ich einstieg. Aber ich erinnere mich an den Augenblick der Erkenntnis, dass ich aus diesem Zug nicht aussteigen kann. Und dass ich mir die Mitreisenden nicht ausgesucht habe. Sie sind meine Zeitgenossen. Wir haben (nur) einander. Wir haben nicht die Wahl. Nicht einmal den Zeitpunkt des Ausstiegs wählen wir. Mein Vater ist jetzt nach langen Jahren am Ende seiner Reise angekommen. Er hat kein Bewusstsein von der Zeit mehr. Er ist den Weg, den er zu Beginn seiner Lebensreise gemacht hat in den letzten Jahren rückwärtsgegangen und hat «entlernt». So etwas nennt man Demenz und es kann so ziemlich alle treffen. Wir müssen nur alt genug werden. Ich gehe diesen Weg seit über einem Jahr mit ihm und es ist eine sehr bewegende Erfahrung. Denn ich habe das Gefühl, dass dieser letzte Abschnitt unserer gemeinsamen Lebensreise mich noch stark verändert. Wir machen auf unserer Lebensreise viele existenzielle Erfahrungen. Die Liebe gehört sicher dazu. Sie berührt und verändert uns in unserem tiefsten Wesen. Denn unsere Existenz verdanken wir der Sehnsucht des Lebens nach dem Leben. Von unseren Eltern lernen wir in den ersten Wochen, Monaten, Jahren, was uns zu mitfühlenden und sozialen Wesen macht. Von ihnen erwerben wir auch ein Bild, Mutter oder Vater zu sein. Doch wir sind es dann noch nicht.

von Christine Ax

Zu echten Müttern und Vätern machen uns erst unsere Kinder. Von ihnen lernen wir das Eltern-Sein. Erst sie bringen diese Fähigkeiten, die in uns schlummern, zur Entfaltung. Dabei werden wir auch ein zweites Mal Kind und zum zweiten Mal Mensch. Unsere Kinder sind unsere Spiegel. Was wir ihnen nicht geben konnten, wird ihnen fehlen. Was wir falsch gemacht haben, wird sie prägen und uns noch lange beschäftigen. Jetzt – da meine Kinder groß sind – und mein Vater zum Kind wurde, lerne ich noch einmal viel über mich und über das Ende dieser Reise. Wenn ich meinem Vater begegne, dann bin ich auch ein Kind, das von seinem Vater Abschied nimmt. Aber ich tue es auch als Mutter. Von einem Vater – der zum Kind geworden ist – und der jetzt das Gefühl hat, dass ich alles bin, was ihm Frauen in seinem Leben waren. Dass die Mutter in mir meinem Vater mit der gleichen mütterlichen Empfindung begegnen kann, wie ich meinen Kindern begegnet bin, ist eine unerwartete Erfahrung. Es gibt Empfindungen und Rollen, auf die uns niemand vorbereiten kann. Es gibt Brücken, über die wir nur alleine gehen können. Und es gibt Brücken über die jeder von uns ein erstes Mal und ein letztes Mal gehen muss. Brücken, die uns in Landschaften führen, die auf keiner unserer vielen Landkarten verzeichnet sind. Die Begleitung meines Vaters auf dem letzten Stück seiner Lebensreise gehört in diese Kategorie. Und ich fühle: Es schliesst sich ein Kreis. Was ich von ihm bekam und an meine Kinder weitergab, gebe ich ihm jetzt zurück. Und habe das Gefühl dass ich ihn in den Tiefen seiner Träume erreiche. So wie er mich damals erreichte. Als meine Reise begann. So wie es anfing, geht es wohl auch zu Ende.

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Lebensreisen

Die Reise begann im Postauto «Es ist, wie es ist!» heisst es am Anfang des Buches «Hinwendung» von Rudolf Hausammann, das wichtige Lehrreden des Buddha zusammenfasst. Von der Kunst, die Dinge so anzunehmen, wie sie sind, handelt nicht nur   von Melanie Küng Hausammanns Buch, sondern auch sein Leben.

E

s ist der Gang aufs Arbeitsamt, der den gelernten Schlosser Rudolf Hausammann im Sommer 1975 zum ersten Mal an den Fuss des Himalaya bringt. Ein Schweizer Restaurantbesitzer in Kathmandu sucht einen Chauffeur, um ein ausgedientes Postauto gemeinsam nach Nepal zu überführen. Das Postauto soll in Zukunft Touristen von Kathmandu in die rund 200 Kilometer nord-westlich gelegene Stadt Pokhara befördern. Schon 14 Tage später machen sich der 26-jährige Hausammann und der Restaurantbesitzer auf den knapp 10 000 Kilometer langen Weg. Mit an Bord finden sich auch immer wieder einige Weltenbummler – vom Vietnam-Söldner über abenteuerlustige Studenten bis hin zu Professoren –, die auf Zwischenhalten in der Türkei, in Afghanistan und Indien aus- und zusteigen. Das Gefährt mit Jahrgang 1949 bringt es auf eine Höchstgeschwindigkeit von 68 km/h, nach fast acht Wochen erreichen die beiden ihr Ziel. Rudolf Hausammann erinnert sich gut an seine

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ersten Eindrücke von Nepal — Die hügelige Landschaft, die Reisfelder-Terrassen, das satte Grün. Es sollte nicht die einzige Fahrt bleiben, Hausammann überführt noch ein zweites und drittes Postauto nach Kathmandu. «Aufbrechen» und «Ankommen» — das gehört nicht nur zum Reisen, sondern auch zum Leben. «Wenn wir mal angekommen sind, müssen wir nicht gleich weitersuchen», sagt Hausammann. Die längeren Aufenthalte in Nepal ermöglichen ihm, sich mit Land und Bewohnern, aber auch dem Hinduismus und Buddhismus vertraut zu machen. Der Austritt aus der reformierten Kirche mit anfangs zwanzig hat seinem Interesse an Religion keinen Abbruch getan. Weit einflussreicher als Religion erweisen sich zu dieser Zeit jedoch die Kontakte zu tibetischen Flüchtlingen, die seit 1960 in der nepalesischen Teppichindustrie eine Existenzgrundlage gefunden haben. Hausammann lernt auch Wangdu La kennen, den Hauslama der


Die Reise begann im Postauto

Links: Gebetsfahnen auf dem Lalung-La (Pass 5050 m). Im Hintergrund der Gaurishankar Himal.

tibetischen Exilgemeinschaft. Es sind die tiefen Freundschaften mit Tibetern, die Hausammann dazu bewegen, den Erlös aus den Postautos in das Teppichgeschäft zu investieren. 1977 kehrt er mit einer ersten Ladung der damals noch fast unbekannten Tibeterteppiche in die Schweiz zurück. Er nimmt seinen Beruf als Schlosser im Fahrzeugbau wieder auf, versucht aber, mittels Ausstellungen das Teppichgeschäft weiter auszubauen und eröffnet 1986 schliesslich seinen eigenen Laden. Die Zusammenarbeit mit seinem Teppichproduzenten — einer Flüchtlingsfamilie aus Westtibet —, bringt Hausammann dabei regelmässig nach Nepal zurück. Von 1987 bis 2007 organisiert und leitet er zudem auch immer wieder Reisen nach Nepal und Tibet. Nicht «Religion», sondern «Physik des Lebens» nennt Hausammann die Lehre Buddhas, mit der er sich nach Aufgabe seines Ladens 1996 endlich wieder intensiv auseinandersetzen kann. «Buddha wirft uns auf uns selbst zurück». Gemäss der Idee von «Karma» (Sanskrit für ‹Tat, Wirken›) zieht jede Handlung eine Folge nach sich, die rückwirkend insbesondere auch den Handelnden beeinflusst. Dieser Zusammenhang ist mit der naturwissenschaftlich geprägten Vorstellung von Ursache und Wirkung im Westen vergleichbar. «Leider bleiben wir oft bei der Materie stehen», sagt Hausammann. Aber: «Der Geist steht über der Materie» — eine wichtige Erkenntnis, auch im Hinblick auf seine bevorstehende Prüfung. «Eine schwere Zeit steht an», sagt Lama Wangdu La, als ihn Hausammann im Jahre 2000 zum Abschluss einer weiteren Tibet- und Nepalreise besucht. Kurz nach der Rückkehr in die Schweiz erleidet Hausammann einen Wirbelbruch. Es wird eine Krebserkrankung des Knochenmarks festgestellt. Nach den Jahren der intensiven

Auseinandersetzung mit der Lehre Buddhas, bricht nun eine «Zeit für die Praxis» an. «Kämpfen» wäre das falsche Wort. «Das klingt, als stünden wir im Krieg gegen irgend­ etwas», sagt Hausammann. Anstatt der Krankheit den Krieg zu erklären, nimmt er sie an: «Es ist meins, und es wird seinen Grund haben.» Die Chemotherapie zehrt stark an Hausammanns Körper. Seine geistige Stärke hilft ihm, dennoch nicht zu verzweifeln. Und er vertraut ganz den Worten des Lamas: «Es wird gut kommen». Geistige Betreuung erhält Hausammann nicht nur von Wangdu La, sondern auch von einem weiteren tibetischen Lama, Tulku Lobsang Jamyang Rinpoche. «Ich kann dir nicht helfen, ich habe kein Geld», sagt dieser einmal zu ihm, «aber wir werden für dich beten.» In den folgenden Monaten überwindet Hausammann nicht nur den Krebs, er heiratet auch und baut ein Haus. «Die Aufgaben, die uns gestellt werden, müssen wir annehmen», sagt Hausammann, «nehmen wir eine Aufgabe heute nicht an, kommt sie morgen.» Nach zwei Krebs-Rückfällen geht es Hausammann heute gut. Er möchte nichts missen in seinem Leben, auch wenn nicht immer alles einfach war. Man glaubt ihm, in seinen Worten schwingt Gelassenheit. Als Buddhisten will sich Hausammann dennoch nicht bezeichnen: «Buddhist sein, was heisst das? Ich bin ein Mensch.» Zum Menschsein gehört für ihn, dass wir uns auf den Weg machen, durch Begegnungen mit anderen Menschen unseren Horizont erweitern und uns somit auch dem Göttlichen öffnen. Bewusst zu leben, heisst anzunehmen, was uns das Leben zuträgt und sich einzufügen in das, was ist. «Die Schöpfung meint es gut mit uns», dessen ist sich Hausammann sicher. «Dieser innere Funke, dass wir mit allem verbunden sind, auch mit Gott, der sollte nicht verloren gehen.»

«Hinwendung   — Lehrreden des Buddha   mit Fotos aus Tibet»

von Rudolf Hausammann ist ein ebenso einladendes wie unaufdringliches Buch. Es regt zum Denken an und schenkt uns gleichzeitig Ruhe. Die Fotos, die Hausammann auf seinen vielen Reisen zwischen 1987 und 2006 gemacht hat, zeigen atemberaubende Landschaften im Himalaya, aber auch religiöse Motive und Momentaufnahmen aus Tibets Alltag. «Lesen Sie langsam, halten Sie inne, setzen Sie sich ruhig hin und erwägen Sie weise, dann wird sich das Zeitlose und Unveränderliche offenbaren», sagt Hausammann in seinem Geleitwort. Bei diesem wunderschönen Buch folgt man seinem Rat gerne.

Tibeter-Teppiche Baggwilgraben 28 3267 Seedorf Tel. 032 392 80 88

Rudolf Hausammann: Hinwendung — Lehrreden des Buddha mit Fotos aus Tibet. Fischer Print, 2008. 150 S., Fr. 35.-.

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Lebensreisen

Auf zur letzten Reise

FährFrauen Sabine Brönimann (l., Quelle: Kösel Verlag) und Marianne Schoch (r., zVg)

Des Todes Schmerz liegt in der Vorstellung. William Shakespeare

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A

Der Ruf nach ihnen ertönt, wenn die Zeit sich neigt, das Leben zu Ende geht: Die Bestatterinnen Sabine Brönnimann und Marianne Schoch geleiten Sterbende vom Ufer des Lebens in ein uns unbekanntes Reich hinüber.   Ein Porträt von Brigitte Müller

ls Kind wusste Sabine Brönnimann, dass sie 84 Jahre alt werden würde. Mit 42 erinnerte sie sich daran – und stand plötzlich in der zweiten Lebenshälfte. Hatten vorher Gedanken zu Aufstieg, Werden und Wachsen ihr Leben geprägt, begann sie nun über den sich neigenden Lebensbogen, über das Sterben nachzudenken. «Der Tod ist uns fremd geworden, wir müssen wieder lernen, auf gute Weise von Freundinnen und Freunden, von Töchtern oder Söhnen Abschied zu nehmen. Das Leben ist nicht zu haben ohne den Tod. Darum müssen wir herausfinden, was es braucht, damit Abschied und Tod gelingen», findet Brönnimann. Sie begann zu suchen und griff schliesslich zusammen mit anderen engagierten Frauen das traditionelle Handwerk der Leichenbestatterin wieder auf. Es folgte die Gründung des Vereins «FährFrauen», der sich im Rahmen einer KulturWerkstatt für einen Wandel in der Abschieds-, Bestattungs- und Trauerkultur engagiert und Angehörige begleitet. Brönnimann ist heute als selbständige FährFrau tätig: «Wir Gründerinnen des Vereins FährFrauen sind überzeugt, dass die Begleitung an den Rändern des Lebens traditionell in der Obhut von Frauen lag. Der Berufsstand der Hebammen hat die Hexenverbrennungen, die Aufklärung und die technische Revolution überlebt. Die Leichenfrauen, Totenwäscherinnen und Klageweiber sind derweil fast verschwunden.» Fehlten Brönnimann am Anfang noch die Worte für die Gestaltung des Abschieds, sind sie heute ebenso selbstverständlich geworden wie das Kümmern um die Toten und deren Körper. So gern sie mit ihren Händen arbeitet – sie denkt auch viel über das nach, was sie tut. Aus vielen Beobachtungen, Gesprächen und Erfahrungen sind Texte entstanden, die Mitte Juli

in Buchform erscheinen. In «Wenn die Zeit sich neigt» (siehe Box) finden sich Geschichten und Reflexionen über das Erlebte – dem Muster einer Abschiedsfeier entsprechend. Im Buch beschreibt die 54-Jährige zum Beispiel, wie früher in einigen Kulturen die Alten ihre Sippe und ihr Dorf verliessen, um zu sterben. Sie gingen in die Natur, suchten die Einsamkeit. Ob dies ganz freiwillig geschah, ist offen, doch der Gedanke des Rückzugs scheint in unserer Gesellschaft immer mehr verloren zu gehen. Dabei, so Brönnimann, hätten viele den Wunsch in Ruhe gelassen zu werden und sich in ihr Inneres zurückzuziehen. Sie haben ihr Leben gelebt und sind bereit zu gehen. Doch vielen wird dieser Wunsch verwehrt, das Ideal vom ewig aktiven Menschen spukt in unseren Köpfen. In Altersheimen werden Aktivierungs- und Beschäftigungstherapien angewendet, und Verwandte winken ab, wenn Ältere über das Sterben reden möchten: «Ach was, du wirst uns noch alle überleben!»

Das Leben ist nicht zu haben ohne den Tod. Darum müssen wir herausfinden, was es braucht, damit Abschied und Tod gelingen. Dabei sind viele am Ende ihrer Lebensreise buchstäblich «des Lebens müde». Gehen zu lassen, bedeutet eben auch, den Wunsch nach Ruhe und Rückzug zu respektieren statt unsere Vorstellungen und Ideale auf andere zu übertragen – beim Leben genauso wie beim Sterben. Schliesslich weiss niemand von uns, wie dereinst sein oder ihr Leben zu Ende gehen wird. Ein Wunsch der FährFrauen: «Lasst den Tod zu den Sterbenden».


Auf zur letzten Reise

«Menschen spüren, wenn das Ende naht», ist Marianne Schoch überzeugt. Die in Solothurn lebende FährFrau arbeitete früher «am Anfang der Lebensreise». Nach der Geburt ihrer beiden Söhne war sie derart von diesem Erlebnis berührt, dass sie sich zur Geburtsvorbereiterin ausbilden liess. Auch sie war ständig mit den Themen Wachsen und Werden in Kontakt, doch mit 49 spürte sie, dass etwas Neues kommt. Durch die Krankheit und das Sterben ihres Vaters wurde sie an ihre neue Lebensaufgabe herangeführt. «Vieles von dem, was die Bestatterin damals sagte, entsprach dem, was ich vor einer Geburt erzählt hatte». Plötzlich war klar: Ich will Bestatterin werden.

So selbstverständlich wie die Hebammen beim Eintritt in diese Welt gerufen wird, so natürlich soll der Ruf nach der FährFrau beim Austritt aus dem Leben sein. Seit 2006 ist Schoch eine FährFrau. Statt Babys auf die Welt zu holen, hilft sie nun Menschen, sich auf ihre letzte Reise vorzubereiten und begleitet Angehörige in Abschied und Trauer. Bereut hat sie diesen Schritt nie, im Gegenteil. «Viele Frauen fangen in der zweiten Lebenshälfte an, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen und möchten FährFrau werden. Doch ein

Das klare Todesbewusstsein von früh an trägt zur Lebensfreude, zur Lebensintensität bei. Nur durch das Todesbewusstsein erfahren wir das Leben als Wunder. Max Frisch

Kurs in Sterbebegleitung allein reicht da nicht», sagt sie. 24 Stunden Bereitschaftsdienst gehören genauso zur Arbeit wie die Ungewissheit, zu wem sie als nächstes gerufen wird. Ist es ein alter Mensch, der gestorben ist, oder ein Kind? «Man muss sich abgrenzen können. Und darf keine Angst vor dem Sterben und dem Tod haben. Da jeder Abschied wieder anders ist, braucht es neben Empathie und Achtsamkeit auch enorm viel Klarheit.» Heute arbeiten Sabine Brönnimann und Marianne Schoch auf eigene Rechnung. Der Stundenansatz liegt bei 120 Franken, 10 Prozent der Einnahmen gehen an den Verein «FährFrauen». In seinem Namen decken die beiden Frauen die Deutschschweiz ab. Das klingt nach viel Arbeit für zwei, doch Schoch hätte gerne mehr zu tun. Sie wird vor allem aktiv, wenn der Tod schon eingetreten ist und Angehörige sie rufen. Dabei würde sie sich wünschen, dass man die FährFrauen schon «in der Blüte des Lebens» zu Rate zieht, das eigene Begräbnis plant oder sich Gedanken über eine Patientenverfügung macht. Die 64-Jährige sieht sich immer wieder in der Wichtigkeit ihrer Arbeit als FährFrau bestätigt, wenn sie Angehörige in der Zeit zwischen Tod und Bestattung beim Abschiednehmen begleiten darf. Die FährFrauen haben denn auch eine klare Vision, die Marianne Schoch auf den Punkt bringt: «So selbstverständlich wie die Hebamme beim Eintritt in diese Welt gerufen wird, so natürlich soll der Ruf nach der FährFrau beim Austritt aus dem Leben sein.»

Sabine Brönnimann (54) ist Initiatorin und Gründungsmitglied des Vereins FährFrauen und wohnt in Rorbas. Sie hat den Aufbau von Verein und Dienstleistungen wesentlich mitgestaltet und geprägt. Seit 2009 arbeitet sie als selbständige FährFrau und ist für Dienstleistungsangebote in der Region Zürich-Ostschweiz verantwortlich.

Marianne Schoch (64) wohnt in Solothurn und ist seit 2009 als selbständige FährFrau verantwortlich für die Dienstleistungsangebote in der Region BernMittelland. Sie hat als Präsidentin die Entwicklung des Vereins mitgetragen und -geprägt.

Die VereinsFrauen

Buchtipp:

Der Verein wird von rund 100 VereinsFrauen ideell und finanziell getragen. Der Mitgliederbeitrag beträgt Fr. 120.– (nach oben offen). Die VereinsFrauen kommen aus verschiedenen Regionen der Deutschschweiz und auch ihre Motivation ist individuell. Allen gemeinsam ist ihr Interesse, dass Themen rund um Abschied, Tod und Trauer wieder vermehrt in unserer Kultur, in unserem Alltag und in unserem Leben sichtbar werden. Neue VereinsFrauen sind jederzeit herzlich willkommen!

Sabine Brönnimann: Wenn die Zeit sich neigt. Eine FährFrau begleitet bei Abschied, Tod und Trauer. Kösel Verlag 2012, 224 S., Fr. 24.50 / 16,99 Euro. «Geburt und Tod sind die Tore zu jenem Zeitabschnitt, den wir Leben nennen. Was vorher war und was nachher kommen mag, entzieht sich unserem Blick. An den Rändern des Lebens stellen sich Fragen, die uns unterwegs auf dem Lebensbogen nicht im gleichen Mass beschäftigen. Darum ist es spannend und aufschlussreich, zwischendrin innezuhalten und zurückzuschauen auf die Zeit der Geburt. Und es lohnt sich, einen Blick in die offene Zukunft zu wagen.»   FährFrau Sabine Brönnimann hat ein Buch mit kurzen Geschichten über Angst und Trauer, aber auch über das Loslassen und Vertrauen geschrieben. Sie erzählt über das Leben und regt mit ihren Texten zum Nachdenken an. Ein lesenswertes Buch, das berührt. BM

Fragen oder Anmeldungen an: info@faehrfrauen.ch oder über den 24hRuf 044 865 47 44

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Lebensreisen

Auf der Walz Es ist kurz vor Weihnachten. In einem Dorf bei Olten gehen fünf Wandergesellen durch die Kälte der aufziehenden Winternacht. Einer von ihnen ist der damals 30-jährige Mättu aus Bern. Nach zweieinhalb Jahren Wanderschaft ist er nun auf dem Weg nachhause. «Ich bin kein Weitgereister,» sagt er bescheiden und wird mir gleich neun Länder nennen, in die ihn seine Wanderschaft führte. Nachdem er ein Jahr lang mit einem zugeteilten Altgesellen unterwegs gewesen war, machte sich der junge Zimmermann alleine auf die Socken. Zu zweit, sagt er, verlasse man sich zu sehr auf den Anderen, habe es nicht nötig, Leute kennenzulernen. Alle paar Wochen weiterzureisen und immer aufs neue nach Unterkunft und Arbeit zu fragen, verlangt den Wandergesellen viel ab. Mehr als einmal musste Mättu unter freiem Himmel übernachten. Auf kleine Annehmlichkeiten, wie Zelt oder Gaskocher, müssen die Wandergesellen dabei verzichten. Sie haben nur das, was sie am Leibe tragen und eine zweite Tracht in einer Kleiderrolle zusammengeschnürt, die man «Charly» nennt. Wenn die Gesellen früher in Berlin-Charlottenburg (deswegen auch «Charly») Arbeit annehmen wollten, mussten sie eine Kleiderrolle dabeihaben, um sich von herumstreichendem Gesindel zu unterscheiden.   Auch das Wanderbuch, dass jeder Geselle mit sich führt, hat eine lange Tradition. In früheren Zeiten diente es als Ersatz für die heute üblichen Do-

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kumente, wie Pass oder Identitätskarte. Heute ist es mehr zum romantischen Accessoire geworden. Stempeln lassen es die jungen Männer aber noch heute. Der schönste Stempel: Kopenhagen. Auch Mättu hat auf seiner Wanderschaft viele Stempel bekommen. Deutschland, Slowenien, Baltikum, Spanien und Skandinavien – wie ist es, überall aufzufallen? Die Tracht sei ein Türöffner, bestätigt Mättu. «Wenn die Leute dich anstarren, lächelst du oder sagst etwas und schon ist das Eis gebrochen». Darauf, dass ihre Tracht immer sauber, das Hemd weiss und gebügelt ist, achten die Wandergesellen sehr. Sie haben eine zum Arbeiten und eine «Schöne». Sie zeigt nicht nur die Zusammengehörigkeit unter den Gesellen, sondern nimmt die jungen Männer auch in die Pflicht. Sich anständig zu benehmen ist dabei Ehrensache. Dramatische Folgen hatten Ausrutscher für die Wandergesellen früherer Jahrhunderte. Ihnen riss man den Ohrring weg, worauf sie lebenslänglich als «Schlitzohr» gebrandmarkt waren.   Schlechte Erfahrungen hat Mättu keine gemacht. Wohl aber die Menschen besser kennengelernt. «Leute, die selber wenig haben, geben gerne», erklärt er mir, so wie jene alleinerziehende Mutter in einem Vorort von Olten, die an einem frostigen Winterabend fünf fremden Männern Sandwiches mit «eme Gläsli Wisse» machte, bevor sich Mättu in der warmen Stube, zu seiner letzten Nacht auf Wanderschaft zusammenrollte. SL

Missionar   auf zwei Rädern Der Inder Somen Debnath reist seit 2004 mit dem Fahrrad um die Welt. Allerdings nicht zu seinem Vergnügen, sondern für seine Mission, in der Welt mehr Bewusstsein für HIV/Aids zu schaffen. Er redet an Schulen, Universitäten und vor NGOs, wo er für das Verteilen von Spritzen an Drogenabhängige und den Gebrauch von Kondomen für Prostituierte plädiert. Um die Menschen für das Thema zu sensibilisieren, greift Somen auch mal zu spezielleren Methoden wie diesen Mai mit dem «Free Hugs»-Event in Paris.   Die Inspiration für seine Mission hatte Somen mit 14, als er einen Artikel mit dem Titel «Aids ist tödlicher als Krebs» las. Es ging darin um einen Obdachlosen, der, verlassen von seinen Dorfbewohnern, vor das Medical College von Kalkutta gelegt wurde, um dort zu sterben. Der Artikel liess Somen nicht mehr los und er begann, seine Lehrer nach Aids und dem HIV-Virus zu fragen. Doch diese konnten ihm keine zufriedenstellenden Antworten geben. Zwei Jahre später begann Somen eine Ausbildung zum Facharzt und führte Aufklärungskampagnen zu HIV und Aids durch – angefangen bei seinen ehemaligen Lehrern.   Stigmatisierung der Krankheit und mangelndes Wissen motivieren ihn am meisten bei seiner Arbeit. Mit seiner Mission erreichte er zuerst die Menschen in seinem Dorf, dann in seinem Land und inzwischen ist daraus eine weltweite Kampagne gewachsen. Bisher fuhr er durch 59 Länder und hat dabei rund 83 000 Kilometer zurückgelegt. Bis zum Jahr 2020 will der ambitionierte Inder 191 Länder bereist haben. BM www.somen2020world.com/hivaids-awareness.html


Lebensreisen

Der letzte seiner Art

Zigeunerleben In der Schweiz leben 30 000 Jenische und 37 000 Rätoromanen. Zwei Minderheiten. Während die Rätoromanen in Häusern wohnen, ihre Hypothek abbezahlen und sich der Staat um die Erhaltung ihrer bedrohten Sprache kümmert, haben die Jenischen in unserem Land andere Sorgen: Die 30 000 Fahrenden, würde man meinen, sollten fahren können. Doch die Plätze, die ihnen für ihre längeren Rasten zur Verfügung gestellt werden, bilden noch heute kein richtiges Netz. Irgendwo, in der Agglo der Agglo, bietet man den Jenischen Stellplätze an. Sanitäre Einrichtungen, wie auf jedem Campingplatz, ja sogar auf Baustellen, gibt es hier keine. Keine Grünflächen. Dafür einen Zaun, der den Ghettocharakter dieses vergessenen Bodens noch unterstreicht. Der Lärm der vorbeiziehenden Autobahn hingegen stört die Jenischen nicht, den würden sie inzwischen gar nicht mehr hören, sagen sie.

Viele Fahrende, die noch das alte Handwerk des Messerschleifers oder Korbers gelernt haben, arbeiten heute als Selbständige in der Recyclingbranche. Das Vorurteil, sie würden stehlen, hält sich trotzdem hartnäckig. Die verknöcherten Meinungen der sesshaften Bevölkerung zu widerlegen fällt den Jenischen nicht leicht, denn bei der Integration happert’s: «Ich bin Jenischer, ich bin Schweizer, ich zahle Steuern, ich mache Militär gleich wie jeder Sesshafte, aber ich bin nicht integriert als Fahrender», erzählt Herr D. Trotzdem bleiben die Fahrenden gerne unter sich. Ihre Kinder gehen zwar auf die öffentliche Schule, aber dann bei den Eltern in die Lehre. Grund uns zu trauen haben sie wenig. Ihnen die Hand zu reichen wäre nicht schwer: Die Jenischen an der Autobahnausfahrt Grenchen wünschen sich eine Thuja-Hecke statt einen Zaun. Das wäre nicht zuviel verlangt für die fünftgrösste SL Volksgruppe der Schweiz.

Meine Recherchen zu Walter Rys, dem möglicherweise letzten echten Hausierer der Schweiz, verliefen sich im Leeren. «Einisch isch jo de s’letzscht Mol woni chume», sagte Rys im Gespräch mit dem Schweizer Fernsehen, das sich 2006 seiner Geschichte annahm. In diesem Punkt wird er nun recht behalten haben. Fast vierzig Jahre war Rys mit seinem Handwagen im Aargau unterwegs. Hemli, Socken, Nastücher und lange Unterhosen stapelten sich in Netzsäcken in seinem Wagen, den er zu Fuss von Hof zu Hof zog. Angefangen hatte alles in den Achzigern, als Rys senior den damals 47 Jahre alten Walter in die Lehre nahm: Ein strenger Chef, der das Portemonnaie nie aus der Hand gab. Mehr als einmal bot die Wohngemeinde Walliswil Walter eine andere Arbeit an. «Walter», fragten sie ihn, «willst du nicht die Post austragen?» Aber Walter wusste, dass der Vater ihn brauchte. Nach seinem Tod übernahm er das Geschäft – gab denen, die es gut meinten mit ihm, Rätsel auf. Vielleicht auch sich selbst: «Zahlen konnte man, essen konnte man, aber wenn man dann auch noch hätte heiraten wollen ...» Walter blieb zeitlebens ledig, die Frauen aber kannte er ganz genau. Vielleicht hat er gerade deshalb sein Sortiment nie gewechselt. Ihnen etwas aufzuschwatzen, das hatte Walter nie nötig. Wohin er kam, gingen Fenster und Türen vor ihm auf. So auch im Altersheim «Jurablick» in Niederbipp, wo zuletzt viele seiner Kunden lebten. Ein kleines Fest, wenn wieder der Handwagen über den Hof rumpelte und Walter endlich mit den karierten Nastüchern kam. SL

diger in den 23 Tagen Marschzeit. «Wie eine Mumie», sei er gewesen, «aber eine happy Mumie.» Sein wichtigstes Training für den ersten Marsch zu den Indianern. Rüdiger Nehberg ist ein Survival-Junkie. Die Droge hat er in den 60ern in den USA kennengelernt und seither scheint er am glücklichsten, wenn er irgendwo auf der Welt sein Leben in Gefahr bringen kann. Während andere sich zum Achtundsechzigsten eine Rheinschifffahrt leisten, liess sich Nehberg in Badehosen und Sandalen vom Hubschrauber im Dschungel aussetzen. Dass er im Laufe seines Lebens 22 bewaffnete Überfälle «survivte», hatte bei ihm wenig mit Glück zu tun. Er weiss, wie man überlebt. Erst verhielt sich Rüdiger Nehberg wie ein schlaues Tier. Mittlerweile ist er so bekannt, dass schon mal der Eindruck entsteht, schlaue Tiere verhielten sich wie er. Seine Bücher und Vortragsreisen haben Tausende junger Globetrotter inspiriert oder auch zur einen oder anderen Dummheit verführt. Nehberg polarisiert gerne und ist bekannt für seinen tiefschwarzen Humor. Seine Popularität und Medienpräsenz nutzt er jedoch auch, um sich gemeinsam mit seiner Hilfsorganisation TARGET gegen Genitalverstümmelung bei Mädchen einzusetzen. Mit grossem Erfolg: 2007 erreichte er, dass höchste islamische Geistliche die Mädchen-

beschneidung zum Verbrechen erklärten und der Brauch fortan als Sünde geächtet wurde. Nehberg ist ein leidenschaftlicher Mensch, der sich auf Waldboden genauso geschickt zu bewegen vermag, wie auf politischem Parkett. Er wollte immer kurz und knackig leben. «Nun ist es nicht nur knackig geworden, sondern auch lang», freut sich der Überlebende. Herr Nehberg, mögen Sie hundert Jahre werden. Und dann eine «happy Mumie». SL

Der (Über)lebensreisende Mit 17 wollte Rüdiger Nehberg Schlangenbeschwörer werden. Dass er dafür mit dem Fahrrad von Bielefeld nach Marokko fahren musste, störte ihn nicht. Seinen Eltern sagte er einfach, er fahre nach Paris. Dort drückte er einem Freund ein Bündel vorfrankierter Postkarten in die Hand, die dieser wöchentlich an seine Eltern schicken sollte, während Rüdiger Richtung Afrika radelte. Als er feststellen musste, dass die marokkanischen Schlangenbeschwörer ihren Tieren allesamt die Giftzähne zogen, fuhr er enttäuscht wieder heim. «So ist die Schlangenbeschwörung keine grosse Kunst», sagte er sich. Die gleiche Entschlossenheit und Konsequenz sollte sich durch alle seine künftigen Reisen und Projekte ziehen. Halbe Sachen hat Rüdiger Nehberg in den letzten 77 Jahren nirgendwo herum liegen lassen. Ob er dabei als Bäcker- und Konditormeister einen Laden mit fünfzig Angestellten führte, auf Baumstämmen den Atlantik überquerte oder sich für die Rechte der Yanomami Indianer stark machte, die Intensität seines Handelns blieb immer die gleiche. Wenn ihn etwas begeistert, verschlingt er es mit Haut und Haaren. Wenn es sein muss, pulverisiert er dafür seine eigene Substanz. So wie bei seinem Deutschlandmarsch 1981, als er ohne Ausrüstung und Nahrung von Hamburg nach Oberstdorf marschierte. 25 Pfund verlor Rü-

Von Rüdiger Nehberg ist zuletzt erschienen: Sir Vival blickt zurück – Resümee eines extremen Lebens. Piper, 2010. 192 S., Fr. 28.90 / 19,95 Euro. Wovor hat der bekannteste Überlebenskünstler und Menschenrechtler Angst? Worauf ist er stolz, was ist Glück für ihn, welche Fehler bereut er? Ehrlich und nachdenklich stellt sich Rüdiger Nehberg den großen Lebensfragen. Infos über Rüdiger Nehberg www.ruediger-nehberg.de und seine Menschenrechtsaktivitäten: www.target-human-rights.com

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Lebensreisen

Eine volle Fahrt Zwei Dinge hatte sich die damals 22-jährige Rose Marie fest vorgenommen: a. Nach Australien auswandern und b. sich nie mehr verlieben. Beides klappte nicht. Trotzdem wurden die sechs Monate auf einem polnischen Containerschiff «das Ding» in ihrem Leben, wie sie es selbst nennt.   Eigentlich wollte Rose Marie einfach weg, weg aus der engen Schweiz, weg von den Ansprüchen ihres Umfelds auf eine rasche Heirat. Einfach mal die jungen Flügel ausbreiten und sich treiben lassen. Dass sie ernsthaft vorhatte, in Australien zu bleiben, sagte sie niemandem. Von zusätzlichem Erfolgsdruck wollte sie sich die Reise nicht vermiesen lassen.   Die erste Woche auf dem Frachter war furchtbar. Die Langeweile. Aber nicht nur die: Ein aufdringlicher Steward machte ihr das Leben schwer. Rose Marie war mit den Nerven am Ende. Doch gerade, als sie nur noch nach hause wollte, stieg ein amerikanischer Professor mit seiner australischen Gattin zu. «Weitgereiste, belesene Leute», erinnert sich Rose Marie. Mit ihnen fühlte sie sich sicher. Und dann war da noch dieser Matrose, der singen und Gitarre spielen konnte. Während er Rose Marie die ersten Griffe beibrachte, begannen ihre Vorsätze in der

heissen Mittelmeersonne dahinzuschmelzen. Dass es nicht für immer sein konnte wusste sie und versuchte, nicht an den Abschied zu denken.   Dass die Ankunft in Australien ihr gleich in mehrfacher Hinsicht den Boden unter den Füssen wegziehen würde, damit hatte Rose Marie nicht gerechnet. «Nach sechs Monaten auf See schwankte der Boden bei jedem Schritt. Ich musste mich andauernd hinsetzen – und dazu der Liebeskummer». In Australien kannte Rose Marie niemanden. Andere Backpacker hatten ihr gesagt, es sei einfach, in Australien schwarz zu arbeiten. Aber Rose Maries Englisch reichte nicht. In einem libanesischen Take away entliess man sie nach einem Tag. Nach zwei Monaten ging Rose Marie das Geld aus. Ihre neuen Freunde liessen sie am Ende umsonst bei ihnen übernachten. «Die einzige richtige Arbeit hatte ich in der letzten Nacht, als ich in einer Zigarren-Fabrik putzte», lacht Rose Marie. Auf dem Rückweg über Singapur zog sie Bilanz. Hatte sich die Reise gelohnt? Heute, vierundzwanzig Jahre später zögert Rosmarie mit der Antwort keine Sekunde. «Die Erlebnisse von damals nähren mich immer noch», sagt sie. Noch 2008 ist ihr die Reise so nah, dass sie ein Tagebuch zu schreiben

beginnt, das nun unter dem Titel «Seemannsgarn» als Buch erschienen ist. Es scheint, als wäre ein Teil von Rose Marie noch immer unterwegs, ganz so wie wir alle immer ein bisschen zweiundzwanzig bleiben. SL Rose Marie Gasser Rist: Seemannsgarn – ein Reiseabenteuer für Erwachsene. BoD, 2010. 160 S., Fr. 17.- / 11,90 Euro. Kann auch direkt bestellt werden bei Rose Marie Gasser, Kaffeegasse 7, 8595 Altnau, Tel. 071 690 09 82, seemannsgarn.jimdo.com Rose Marie Gasser ist auch der gute Geist hinter dem Netzwerk «terra nova», das sich im Raum Bodensee für eine nachhaltige Lebensweise und eine Kultur des Miteinanders einsetzt. Auf Facebook: Terra Nova (Bodensee)

Spiel, Ernst und Wandlung Ein Spiel ohne Gewinner, das einen ganzen Tag dauert und bei dem es «nur» um persönliches Wachstum geht – das kann nicht wirklich spannend sein. Das dachte ich am Morgen, als ich mit Claudia Böni Glatz und zwei weiteren Mitspielern vor dem «Spiel der Wandlung» sass und es losgehen konnte. Das «Game of Transformation» wurde in den 70er Jahren in der spirituellen Gemeinschaft von Findhorn (Schottland) als Instrument zur Förderung von Wandlungsprozessen entwickelt und verbreitete sich von dort in alle Welt. Seit 1992 ist es auch auf deutsch verfügbar. Auf dem Brettspiel würfeln sich bis zu vier Teilnehmer durch einen Lebensweg, von der

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Geburt durch die physische, emotionale und mentale auf die spirituelle Ebene, müssen Rückschläge hinnehmen und machen dabei allerhand Erkenntnisse. Bewusstseinspunkte und gute Dienste bringen einen weiter auf die nächste Ebene. Engel kommen zu Hilfe, um das in einem Umschlag verborgene Unbewusste sichtbar zu machen, Schmerzpunkte aufzulösen oder sonstwie weiter zu kommen. Wer in Zufällen nicht ein Minimum an Sinn erkennen kann, braucht nicht zu spielen. Alle andern werden auf den elf verschiedenen Erfahrungsfeldern – u.a. anderem Geistesblitz, Rückschlag, Einsicht, Wunder, Blockade oder freier Wille – Bezüge zur Spielabsicht entdecken, die man zu Beginn schriftlich formuliert. Man kann sich etwa vornehmen, den Stress im Beruf abzubauen, die Partnerschaft zu erneuern oder seine innere Stimme besser zu hören. Jeder Spielzug wird deshalb, moderiert von der Spielleiterin, reflektiert und besprochen. Ich kann mir vorstellen, dass man diese Reflexion auch übertreiben und als Therapieersatz verstehen kann. Aber Claudia machte dies locker und konzentriert, die Offenheit unter den drei spielenden Männern wuchs

von Runde zu Runde. Der Tag verging wie im Flug und als das Spiel wie geplant um vier Uhr beendet wurde, hätte ich gerne noch weitergemacht. Die spirituelle Ebene, dies als Hinweis zu meinem Bewusstseinszustand, hatte ich nämlich noch nicht erreicht. Das Transformation Game wird üblicherweise unter der Leitung eines ausgebildeten «Facilitators» gespielt. Das macht Sinn. Denn der Grat zwischen Spiel und Ernst ist wie im normalen Leben auch, recht schmal. Und wenn man auf die eine oder andere Seite kippt, findet keine Wandlung mehr statt, sondern Versteifung oder Unverbindlichkeit. Wer die Gratwanderung jedoch beherrscht, erkennt, dass Spiel und Ernst ohne einander gar nicht CP existieren können. Claudia Böni Glatz ist Psychomotorik-Therapeutin, Sing-, Tanz-, Ritualfrau und ausgebildete Leiterin für das «Spiel der Wandlung».. Die von ihr geleiteten Spiele finden in einem schönen Pavillon im Garten ihres Hauses mit Blick auf das Aaretal statt, eine stimmige Umgebung. Die Teilnahme kostet je nach Dauer Fr. 100.– bis 130.–. Weitere Informationen finden Sie auf www.claudiaboeniglatz. ch, oder bei einem der nächsten Infoabende am Montag, 16. Juli oder Donnerstag. 16. August jeweils 19.45 Uhr in Bellach/SO. «Das Spiel der Wandlung» ist im Greuthof Verlag erschienen und für 69,80 Euro erhältlich. www.greuthof.de


Lebensreisen

Das Leben, eine Reise: LeserInnentipps Das Abenteuer   ihres Lebens

Vom Rausch der Reise «Fremd ist der Fremde nur in der Fremde» sagte schon Karl Valentin. Und so beginnen Elmar Schenkels Betrachtungen zum Reisen mit einem Text zum Fremdeln. Fremdeln als Motiv und Ziel der Reise, Fremdwerden als Zentrum der guten Geschichten der Weltliteratur, Befremdung als Voraussetzung eines Weges zu sich selbst. Das geht damit los, dass das Kind Elmar in die fremde Kreisstadt ins Gymnasium kommt. Es geht weiter über Homer und Dante und manchen Eckpfeiler von Literatur- und PhilosophieGeschichte bis ins Paradies des 1. Buch Mose: Fremdeln und Fremde als Voraussetzung von Erkenntnis. 300 Seiten geht es im Husarenritt weiter über Nähe und Ferne, Beobachtungen und Betrachtungen, immer mit einem schönen Schuss Humor. Schreiben kann dieser Elmar Schenkel, das Lesen ist eine Freude. Und Reisen tut er für sein Leben gern. Da er auch noch ein tiefsinniger Beleuchter seiner Beobachtungen ist, verbindet sich die Entführung an nahe und ferne Orte zu einem einmaligen Lesevergnügen. Walter Siegfried Hahn

Alexandra David-Néel war die erste Europäerin in Lhasa, der für Fremde verbotenen Hauptstadt Tibets. Sie wurde 1868 in der Nähe von Paris geboren. Nichts konnte sie von ihrem Lebenstraum abbringen, Tibet zu erforschen und so durchquerte sie nach dem 1. Weltkrieg das Land zu Fuss. In zahlreichen Büchern hat sie ihre Abenteuer festgehalten. Zeitlebens auf Reise, hat sie mit 100 Jahren ihren Reisepass vorsorglich verlängern lassen...

Lebendiges Werk   über eine Dichterin Ilka Scheidgen kennt die Dichterin Hilde Domin seit vielen Jahren und hat für die einzige autorisierte Biografie zahlreiche Gespräche mit ihr geführt: über Kindheit, Jugend, die Flucht vor den Nazis, ihre Jahre im Exil und die Rückkehr nach Deutschland. Diese Lebensstationen verknüpft die Autorin mit ausgewählten Gedichten Domins die zeigen, wie eng das Leben und Werk der Dichterin miteinander verbunden sind.

Elmar Schenkel: Vom Rausch der Reise. Futurum Verlag 2012. 330 S., Fr. 20.65 / 19,90 Euro.

Alexandra David-Néel: Mein Weg durch Himmel und Höllen. Das Abenteuer meines Lebens. Fischer Verlag 2012. 320 S., Fr. 11.90 / 9,95 Euro.

Das einfache Leben

Pilgern für die Kraft der Sonne

Nach vielen Reisen in der algerischen Sahara veränderte die Deutsche Anne Donath ihr Leben komplett und trennte sich von allem, was sie nicht wirklich brauchte. Seitdem macht sie in ihrer Holzhütte, versteckt zwischen Weinreben und Rosen, ihren persönlichen Traum wahr – ohne Strom, Telefon, Heizung und Fernsehen. Einen Tag in der Woche geht Anne Donath arbeiten, die restliche Zeit verbringt sie damit, zu leben und die Welt zu bereisen.

Der Basler Arzt Martin Vosseler ist ein ruhiger Mensch, der nie stehen bleibt und mit Sonnen-, Muskel und Geisteskraft weiter kommt als die atomgetriebenen Manager des schnellen Geldes. Der Träger des schweizerischen und des europäischen Solarpreises ist u.a. Initiant der Schweizer Sektion der ÄrztInnen für soziale Verantwortung und von SONNEschweiz. Er ist Mitbegründer des internationalen Energieforums sun21 und der Ökostadt Basel und vor allem ist er für die Sonne weit gewandert:

Anne Donath: Wer wandert, braucht nur, was er tragen kann. Bericht über ein einfaches Leben. Piper 2007. 192 S., Fr. 13.90 / 9,20 Euro.

Ilka Scheidgen: Hilde Domin. Dichterin des Dennoch. Kaufmann Verlag 2011. 248 S., Fr. 21.90 / 19,95 Euro.

2003 von Basel nach Bethlehem, 2008 von Los Angeles nach Boston und 2011 von Basel nach Petersburg. Zudem schaffte er als erster mit Freunden die Atlantik-Überquerung im Solarboot. Seine Wanderungen hat er in zwei faszinierenden Büchern beschrieben: Der Sonne entgegen – zu Fuss von Basel nach Jerusalem für 100 % erdverträgliche Energie. emu-Verlag, 2010. 160 S., Fr. 41.90 /  26,80 Euro Mit Solarboot und Sandalen – leise um die halbe Welt: Die erdverträgliche Entdeckung Amerikas. Emu-verlag, 2010. 188 S., Fr. 45.90 / 29,80 Euro.

13.–15. September 2012 Marktplatz für effiziente Energielösungen

Casinotheater und Neumarkt, Winterthur

Der Paradigmenwechsel in der Energieversorgung – ein Blick in die Zukunft. Kongress, Workshops und Ausstellung www.blue-tech.ch

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Erben – der ungerechte Lohn der Geburt Der Sohn von Michael Ballack wird nicht nächster Kapitän der Fussball-  Nationalmannschaft. In der übrigen Welt sind derlei Absurditäten aber durchaus üblich. Erbschaften zementieren Familienprivilegien und unterhöhlen die Chancengleichheit. Schwerer wiegt, dass sich die Akkumulation von Vermögen und politischem Einfluss über Generationen fortsetzen kann. Wer für das Leistungsprinzip und gegen demokratisch nicht legitimierte Machtkonzentration ist, kann nicht gleichzeitig für uneingeschränktes Erben sein. Es müssen Wege gefunden werden, Erbschaften auf   von Roland Rottenfußer ein sozialverträgliches Mass zu begrenzen.

D

ie Ungerechtigkeit von Erbschaften empörte schon die grossen Geister der Aufklärung. 1784 schrieb der Komödiendichter Beaumarchais in seinem berühmten Monolog des Figaro an die Adresse des Adels: «Adel, Reichtum, Rang und Würden, all das macht Sie so stolz! Was haben Sie denn geleistet für so viele Vorteile? Sie haben sich die Mühe gegeben, geboren zu werden, weiter nichts.» Das Stück wurde zum Skandal, die betreffende Textstelle musste von Mozart und da Ponte aus ihrer Oper «Le Nozze di Figaro» entfernt werden. In der öffentlichen Diskussion über die Verteilung des Reichtums wird das Thema Erbschaften selten berührt. Dabei basiert eines der bekanntesten Rechenbeispiele über die Absurdität des Zinses auf dem Prinzip der unbegrenzten Vererbung: der «Josephspfennig». Der englische Moralphilosoph Richard Price rechnete 1772 aus: Ein Pfennig, angelegt mit 5 Prozent zum Zeitpunkt von Jesu Geburt, hätte bis in die Gegenwart ein Vermögen im Wert von 150 Erden aus purem Gold erwirtschaftet. Das Beispiel funktioniert nur, wenn man die ungeschmälerte Weitervererbung von Vermögen unterstellt. Riesenvermögen verhindern! Hier muss festgehalten werden: Übermässiger Reichtum ist nicht nur deshalb schädlich, weil er Armut bedingt (dieser Effekt könnte ja durch Wirtschaftswachstum begrenzt werden). Reichtum ist vielmehr

an sich schädlich, weil er Macht generiert, die nicht demokratisch verliehen ist. Sahra Wagenknecht, Sprecherin der Partei «Die Linke», schreibt hierzu: «Politische Macht ist heute nicht mehr unmittelbar erblich, wirtschaftliche Macht dagegen ist es, und mit ihr vererbt sich auch die Macht, der ganzen Gesellschaft die eigenen Interessen aufzuzwingen.» Eigentlich ist die Erbschaftssteuer traditionell dafür konzipiert, solche Ungerechtigkeit zu begrenzen. In der Bayerischen Verfassung heisst es sogar: «Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern.» (Art. 123) Gut gemeint. Aber nur etwa 15 Prozent der Deutschen kommen jährlich in Genuss einer grösseren Erbschaft oder Schenkung. Der Rest ist faktisch «enterbt». Diese glückliche Minderheit wird von der Erbschaftssteuer meist nicht behelligt. Die Freibeträge belaufen sich auf 300 000 Euro (Ehegatten) oder 200 000 Euro (Kinder). Die Steuersätze sind nur für entfernte Verwandte wirklich bedrohlich (60 Prozent). Kinder kommen mit 15 Prozent davon. Das feudale Zeitalter beenden! Angesichts der machtvollen Zinseszinsdynamik und der für Erben sehr milden Gesetzgebung verwundert es, dass nicht noch grössere Vermögen angehäuft wurden. Kriege, Naturkatastrophen, Finanzkrisen und Währungsreformen haben in der Vergangenheit immer wieder Werte vernichtet. In einem globalen Monopoly, dessen «natürlicher» Spielausgang darin

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besteht, dass am Ende einem die ganze Erde gehört, konnte nur millionenfaches menschliches Leid (z.B. durch Kriege) das gröbste Unrecht verhindern. Dabei betraf die Geldvernichtung hauptsächlich das Bar- und Buchgeld. Boden- und Unternehmensbesitz blieben auch über die Weltkriege hinweg sehr oft unangetastet. Christian Felber, Mitbegründer von Attac Österreich, fordert in seinem Buch «Gemeinwohlökonomie», Unternehmen nicht ausschliesslich an Söhne und Töchter, sondern an eine «demokratische Eigentümer­ Innengemeinschaft» zu übergeben. Blutverwandte können sich unter bestimmen Umständen daran beteiligen, folgen ihren Eltern aber nicht mehr automatisch in Führungspositionen nach. Dazu Felber: «Das ist, im Grunde genommen, nur ein noch ausständiger Schritt aus dem feudalen Zeitalter.» Erben in der heutigen Form verursacht gesamtgesellschaftlich mehr Schaden als Nutzen. Christian Felber begründet dies so: «Das (unbegrenzte) Erbrecht annulliert die einzige ‹natürliche› negative Rückkoppelung des Kapitalismus: Dass aufgebaute und konzentrierte Vermögen wieder dekonzentriert und zerteilt werden. Damit ist es das vielleicht grösste Einzelhindernis auf dem Weg zu einer chancengleichen, egalitären und demokratischen Gesellschaft.»

Erfahrungen vererben sich nicht – jeder muss sie allein machen.  Tucholsky

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Brutpflegeinstinkt Und die Verdrängung des Todes Wie konnte sich etwas so offensichtlich Unlogisches und Ungerechtes so lange halten? Interessanterweise glauben auch Benachteiligte des herrschenden Erbrechts oft irrtümlich, dieses sei zu ihrem Vorteil. Man freut sich über die 5000 Euro, die die alte Mutter noch auf ihrem Sparbuch hatte. Wenige erkennen, dass auch beim Erben die überwältigende Mehrheit der Menschen draufzahlt. Das Gesamtvermögen in Deutschland beläuft sich auf 8,1 Billionen Euro. «Würde dieses zu gleichen Teilen auf alle neu in das Erwerbsleben Eintretenden verteilt, wären das bis zu 200 000 Euro pro Person.» (Christian Felber). Jeder, der weniger erbt, gehört rechnerisch also zu den Verlierern. Wenn wir fragen, warum die meisten Normalbürger dem Prinzip des Erbens intuitiv Sympathie entgegenbringen, kommen wir – neben fehlenden Informationen – vor allem auf drei Gründe: 1. Eine Art «Brutpflegeinstinkt». Man möchte seine Kinder versorgt wissen, auch über den eigenen Tod hinaus. 2. Die Verdrängung des Todes. Man hofft, in seinen Erben noch indirekt weiterleben zu können. 3. Der Wunsch nach Macht. Man möchte über den Tod hinaus das Verhalten der Nachkommen dominieren.

Erbstreitigkeiten und unfähige Kronprinzen Von diesen Gründen sind mindestens die ersten beiden legitim. Man vergisst aber leicht, dass Erbschaften seit Urzeiten Anlass für viel psychisches Elend, Neid und Ungerechtigkeit waren. Ein Beispiel ist die Situation auf Bauernhöfen im ländlichen Raum. Teilte man Hof und Grund auf alle Kinder auf, so war der Besitz parzelliert, die Einzelteile waren nicht mehr überlebensfähig. Also vererbte man alles dem ältesten Sohn. Der jüngere musste sich beim Nachbarbauern als Knecht verdingen. Die Tochter wurde verheiratet. Solche Konstellationen vergiften zahllose Familien nach dem Tod des Erblassers – und schon vorher, indem sich Kinder zu unterwürfigem Verhalten veranlasst sehen. Nicht besser ist die Situation bei der Vererbung von Familienunternehmen. Christian Felber beklagt: «Das Erbrecht führt dazu, dass die meisten Unternehmen, die heute von UnternehmerInnen aufgebaut werden, morgen von Personen geführt werden, die sich in erster Linie dadurch qualifiziert haben, Sohn und Tochter der VorbesitzerIn zu sein.» Ungeeignete und unwillige Erben werden in verantwortungsvolle Positionen gehievt und bestimmen über das Wohl und Weh der Angestellten. «Stille Erben» begnügen sich mit einer Position im Hintergrund und schöpfen im Unternehmen nur den Rahm ab. Fähige Manager werden, da nicht von edlem Geblüt, von der Spitze ferngehalten. Milliardenvermögen kann man nicht «verdienen» In welche Richtung sollten Lösungen also gehen? Hierzu gibt es aus jüngerer Zeit ein paar bedenkenswerte Vorschläge. Sarah Wagenknecht argumentiert in ihrem Buch «Freiheit statt Kapitalismus»: «Wer sein Einfamilienhaus, sein erarbeitetes Spargeld und seine persönlichen Gegenstände in der Hand seiner Kinder wissen will, den sollte der Fiskus in Ruhe lassen. Millionen- oder gar milliardenschwere Grossvermögen dagegen beruhen nie nur auf der Arbeitsleistung eines einzelnen Menschen. Vielfach wurden sie selbst bereits ererbt.» Als Schlussfolgerung schlägt Wagenknecht vor, Erbschaften generell auf 1 Million Euro zu begrenzen. Alles, was darüber hinausgeht, solle mit einer Steuer von 100 Prozent belastet werden. Betriebsvermögen, das die 1-Million-Grenze überschreitet, soll laut Wagenknecht jedoch nicht an den Staat gehen, «sondern würde in unveräusserliches Belegschaftseigentum übertragen». Die meisten Firmenerben, argumentiert sie, seien ohnehin nicht daran interessiert, ein Unternehmen weiterzuführen. Nur 20 Prozent der Unternehmen gingen auf die zweite Generation über. «Erben führen also nichts


Erben – die Mühe geboren zu werden

weiter, sie verkaufen. Die Beschäftigten, auf deren Arbeit der Unternehmenserfolg wesentlich beruht, werden zur Manövriermasse ohne relevante Mitspracherechte.» Indem man die Privilegien der Erben abbaut, beschreitet man für Wagenknecht auch den «Weg in eine echte Leistungsgesellschaft».

Privilegienerhalt für den Geldadel Im Übrigen würde eine Begrenzung der Hinterlassenschaften auf ein «Höchsterbe» einige Probleme lösen, die ein höherer Spitzensteuersatz und eine milde Vermögenssteuer nicht lösen können. Solche Massnahmen bremsen die Dynamik der Umverteilung von

Millionenschwere Grossvermögen beruhen nie nur auf der Arbeitsleistung eines einzelnen Menschen. Mögliche Lösung: die «demokratische Mitgift» Christian Felber ist, was die Verwendung der Gelder aus Erbschaftsteuer betrifft, noch präziser. Er will Erbschaften bei Finanz- und Immobilienvermögen auf 500 000 Euro pro Person begrenzen. «Darüber hinausgehende Erbvermögen gehen in das Eigentum der Allgemeinheit über und werden zu gleichen Teilen an die Nachkommen der nächsten Generation verteilt.» Diesen Zuschuss für alle Nachkommen nennt Felber die «Demokratische Mitgift». Sie könnte jungen Menschen z.B. automatisch mit ihrem 18. Geburtstag ausgezahlt werden. Würde die demokratische Mitgift z.B. 50 000 Euro pro Person betragen, erhielte jemand, der von seinen Eltern später 75 000 Euro erbt, nur noch die Differenz: 25 000. Der Rest käme jungen Menschen ohne privates Erbe zugute. Die demokratische Gesellschaft würde Berufsteinsteigern damit signalisieren: Ihr seid uns etwas wert, und wir trauen euch etwas zu. Was das Weitervererben von Immobilien betrifft, so weist Felber darauf hin, dass in Österreich nur fünf Prozent der Bevölkerung ein Haus besitzen, das mehr wert ist als 450 000 Euro. Die wenigsten würden also bei einer Erbschaftsreform verlieren. Und wer doch betroffen wäre, käme nicht gerade an den Bettelstab. Ins_194x65:Ins_Nest

5.12.2011

12:35 Uhr

unten nach oben kaum, die u.a. durch Zinsen und Mieten vorangetrieben wird. Es stellt eine traurige Selbstkastration politischen Handelns dar, wenn sich «Visionäre» heute fast nur noch darauf beschränken, eine destruktive Entwicklung zu verlangsamen. Greift der Staat das liquide Vermögen und das Anlagevermögen an, können Superreiche auf Sachwerte ausweichen: Boden, Immobilien, Lebensmittel. Damit richten sie mitunter noch mehr Schaden an. Bei einer Obergrenze für Erbschaften risse wenigstens Gevatter Tod den privilegierten Familien das Streichholz aus der Hand, mit dem sie das Dach der Realwirtschaft in Brand setzen könnten. Eine Neuordnung des Erbrechts ist notwendig. Die Nutzung von vererbtem Gut sollte an eigenen oder gemeinschaftlichen Gebrauch, an Sozialverträglichkeit und an die Bereitschaft gekoppelt sein, durch Eigenleistung dessen Wert zu erhalten. In allen anderen Fällen ist Weitervererbung nichts als Privilegienerhalt für einen Geldadel, den zu alimentieren sich unsere schlingernde Volkswirtschaft nicht mehr leisten. Literaturtipps: Christian Felber: Gemeinwohlökonomie Verlag Deuticke, 2010. 160 S., Fr. 26.90 / 15,90 Euro Sahra Wagenknecht: Freiheit statt Kapitalismus Campus Verlag 2012, 406 S., Fr. 28.90 / 19,99 Euro

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Nest – die ökologisch-ethische Pensionskasse

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Vollgeld im Steigflug Dreimal mehr Besucher als vor einem Jahr verzeichnete die Tagung «Vollgeldrefom oder Systemkrise?» von anfangs Juni in Zürich. Das ist ein schöner Erfolg für den Verein Monetäre Modernisierung. Aber die Flughöhe ist noch nicht erreicht. Das Vorhaben, die private Geldschöpfung zu beenden,   von Christoph Pfluger kann immer noch in die Bedeutungslosigkeit abstürzen.

«Es wird eine Zeit kommen, wo – in unserem Lande wie anderwärts – sich grosse Massen Geldes zusammenhängen, ohne auf tüchtige Weise erarbeitet und erspart worden zu sein: Dann wird es gelten, dem Teufel die Zähne zu weisen; dann wird es sich zeigen, ob der Faden und die Farbe gut sind an unserem Fahnentuch.» Mit diesen prophetischen Worten von Gottfried Keller eröffnete Hansruedi Weber, Präsident des «Vereins Monetäre Modernisierung» (MoMo) am 1. Juni an der Universität Zürich die Tagung. 300 Personen waren gekommen, um sich in das «bestgehütete Bankgeheimnis» einführen zu lassen, in die Frage nämlich «wie entsteht Geld?»

Wem das Geld zu Kopf steigt, der hat keinen. Aristoteles Onassis

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Die Antwort gab Joseph Huber, Prof. für Wirtschafts- und Umweltsoziologie der Uni Halle in seinem Eröffnungsreferat: Es waren die Banken, die öffentlichen Schuldnern ohne Rücksicht auf Rückzahlbarkeit bedingungslos Kredit gewährten und damit die Giralgeldmenge exponentiell steigerten. Das Resultat: Wiederholte Blasenbildung ohne reale Wertschöpfung mit darauf folgenden Krisen. Die Derivate, die ursprünglich der Absicherung der Ansprüche dienten, verkehrten sich in der Folge in ihr Gegenteil und wurden zu blossen, risikoreichen Wetten. Dies zeigte Prof. Marc Chesney, Vizedirektor des Departementes «Banking and Finance» der Uni Zürich. Die Perversion geht mittlerweile so weit, dass sich mit Bankrotten von Staaten mehr Geld verdienen lässt, als wenn diese gedeihen würden. Er sieht deshalb ein Zulassungsverfahren für Finanzprodukte wie bei vielen Produkten in der Realwirtschaft als unabdingbare Voraussetzung für die Domestifizierung der Finanzwirtschaft zur Dienerin der Realwirtschaft.

Aber, wie der Historiker und Buchautor Peter Hablützel («Die Banken und ihre Schweiz») feststellte: Die Schweizer Politik hat die Chance der Krise zur Reform nicht gepackt, sondern im Gegenteil nichts von dem umgesetzt, was sie vollmundig angekündigt hatte. Warum versucht die Politik, das Schuldenproblem mit weiteren Schulden zu lösen, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben? Nach Ansicht der Geldexpertin Prof. Margrit Kennedy leiden die Politiker aller Parteien an einer vollständigen Unkenntnis über die Funktionsweise unseres Geldsystems und verkennen daher auch die Bedeutung komplementärer Regionalwährungen, die wesentlich zur Stabilität unseres Geldsystems beitragen und die Zwänge des Bankengeldes mildern könnten. Aus der Systemtheorie weiss man, dass hocheffiziente, monopolartige Netze wie unser Finanzwesen viel weniger stabil sind als solche, die auf mehreren Pfeilern ruhen, selbst wenn sie weniger effizient sind. Unser Geldsystem mit der eingebauten Umverteilung von Arbeitenden zu Besitzenden wirft natürlich auch ethische Fragen auf, wie Prof. Mark Joób erläuterte. Freiheit im neoliberalen, negativen Sinn (z.B. die Abwesenheit von Zwang und Regulierung) müsse mit einer positiven Freiheitsauffassung ergänzt werden: als reale Handlungsmöglichkeiten, Zuteilung von Ressourcen und einem nachhaltigen Sozialstaat, der nur in einem Vollgeldsystem realisiert werden könne. Die Versorgung der Gesellschaft mit Geld muss öffentliche Aufgabe sein und darf nicht den Eigeninteressen privater Banken überlassen werden. Daran liess der emeritierte Staatsrechtsprofessor der Hoch-


Vollgeld im Steigflug

schule St. Gallen, Philippe Mastronardi, im Abschlussreferat keinen Zweifel und stellte eine umfassende Finanzmarktreform vor. Kernpunkt: Das in Art. 99 der Bundesverfassung formulierte Geldmonopol wird von Münzen und Banknoten auf das von den Banken geschöpfte Giralgeld erweitert. Alles Geld, auch das unbare, wird nach Massgabe des Wirtschaftswachstums von einer Nationalbank mit erweiterten Kompetenzen über die staatlichen Organe zins- und schuldfrei in Umlauf gebracht. Der Verein MoMo bewies mit der Einladung von Referenten mit abweichenden Meinungen Mut zu einer kontroversen Tagung. Aber er wurde schlecht belohnt. Einerseits blieb das Medienecho erneut mehr als mager und man muss sich schon langsam fragen, was den Mainstream bewegt, ein derart wichtiges Thema wie die privatisierte Geldschöpfung so konsequent zu ignorieren. Andrerseits wurden die strittigen Fragen an der Tagung bloss gestreift, aber nicht diskutiert. Während der Buchautor und Journalist Werner Vontobel («Blick») das «kaputte Finanzsystem» als Resultat der kaputten Wirtschaft mit einseitigen Überschüssen und unkontrollierter Umverteilung sieht, liegt für Joseph Huber die Ur-

sache in der unkontrollierten Geldschöpfung durch die Banken. Der liberale Wirtschaftspublizist Beat Kappeler gab sich als Gegner der privaten Geldschöpfung zu erkennen und forderte aber ein 100-ProzentGeld, nach dem sich die Wirtschaft nicht mehr über Kredite, sondern Anlagegelder finanzieren soll, wie dies in den USA bereits zu 70 Prozent der Fall sein soll. Eine Geldschöpfung durch staatliche Organe erfordere «engelhafte Politiker» und könne deshalb nicht funktionieren. Wenn solche Fragen nicht ausdiskutiert werden, wird es die geplante Volksinitiative für eine Vollgeldreform schwer haben, die nötige Unterstützung in der Zivilgesellschaft zu finden. Obwohl der Verein Monetäre Modernisierung kräftig gewachsen ist, musste er die Lancierung der Initiative vom Jahresende auf den nächsten Frühling verschieben. Immerhin hat er mit dieser Tagung gezeigt, dass er mit seinem kompetenten wissenschaftlichen Beirat die führende Kraft der Geldreform ist. Was vor allem fehlt, sind ein paar Politiker, die dem heissen Thema eine Bresche schlagen. Weitere Informationen: Verein Monetäre Modernisierung, Wettingen. www.vollgeld.ch. Auf der Website sind die einzelnen Vorträge aufgeschaltet.

Bundesrat und Geldschöpfung: Diskussion unerwünscht «Nicht befriedigt» erklärten sich die Nationalräte Geri Müller (Grüne/AG) und Lukas Reimann (SVP/SG) mit der Antwort des Bundesrates auf ihre Interpellationen, in denen sie u.a. brisante Fragen nach der privaten Geldschöpfung und deren Schaden für die Realwirtschaft stellten. «Nicht befriedigt» ist eine mehr als anständige Reaktion auf ein bundesrätliches Papier, das im Grunde eine Frechheit ist. Auf die Frage von Geri Müller, wie sich die private, unbare Geldschöpfung durch die Banken mit dem in Artikel 99 BV formulierten Geldregal vereinbare, nach dem das Geld- und Währungswesen Sache des Bundes ist, antwortet der Bundesrat: «Die Entwicklung des Bargeldsurrogats ist im Sinne der verfassungsrechtlichen Konzeption dem Markt überlassen.» Wie bitte? Irgendwo in den Gewölben des Bundeshauses muss sich eine verfassungsrechtliche Konzeption der wichtigsten Substanz unserer Volkswirtschaft verstecken. Aber der Bundesrat verliert kein Sterbenswörtchen über ihre Herkunft und Natur. Vermutlich existiert sie gar nicht. Da halten wir uns lieber an das Gesetz, und das listet die gesetzlichen Zahlungsmittel abschliessend auf: Münzen, Bargeld und Sichtguthaben bei der Nationalbank – für Normalbürger nicht erhältlich und das einzige unbare gesetzliche Zahlungsmittel. Für das Bargeldsurrogat bestehe keine Annahmepflicht, schreibt der Bundesrat in seiner lumpigen Antwort.

Das ist nur auf dem Papier richtig. In der Realität ist das Gegenteil wahr, wie ich unlängst beim Versuch, meine Steuerrechnung bar zu bezahlen erfuhr. «Hier können Sie nicht bezahlen» beschied man mir am mit «Steuerinkasso» bezeichneten Schalter. Nach einigen Minuten freundlichen, aber unnachgiebigen Hinundhers wird die Vorgesetzte gerufen, die mir mit der Überzeugung einer unfehlbaren Beamtin erklärt, die Barzahlung von Steuern sei nicht möglich. Doch auch sie muss vor dem Argument des gesetzlichen Zahlungsmittels kapitulieren und holt den Abteilungsleiter. Der humorvolle Mann hat Verständnis für meinen Test, kassiert und quittiert den Betrag, den er noch gleichentags an einem Schalter in Buchgeld verwandeln wird, das über die Vorschriften über Mindestreserven, Eigenmittel und Liquidität nur noch zu rund zehn Prozent aus gesetzlichem Zahlungsmittel besteht. Fast noch schlimmer erging es Lukas Reimann mit seinen Interpellationen. Ein Problem der kaum kontrollierten Geldschöpfung durch die Kreditvergabe durch die Banken ist das gestörte Gleichgewicht zwischen Geld- und Gütermenge. Konsequenterweise wollte er u.a. wissen, wofür die Bankkredite (das neu geschöpfte Geld!) verwendet wurden. Der Bundesrat versuchte, ihn mit einer NichtAntwort abzufertigen: «Gemäss Kreditstatistik gingen Ende 2011 5 Prozent der gesamten Kredite an finanzielle

Unternehmen; 95 Prozent der gesamten Kredite wurden somit an Haushalte, nicht-finanzielle Unternehmen und öffentliche Unternehmen vergeben.» Die Klassifizierung der Empfänger der Kredite sagt rein gar nichts über deren Verwendung aus. Diese ist nicht nur für die Inflationsgefahr wichtig, sondern auch für die Realwirtschaft. Je mehr Kreditgeld in Finanzanlagen fliesst und dort leichte Gewinne ermöglicht, desto stärker leidet die Realwirtschaft, wo die echten Werte geschöpft werden. Mit seinen Antworten macht der Bundesrat klar, für wen er Partei ergreift (nicht für die Realwirtschaft), wie gross sein Interesse an einer Klärung der Geldschöpfungsfragen ist (unter Null) und wie er die Diskussion über die Grundfragen unseres Geldsystems zu führen gedenkt (mit Nebelschwaden aus Plastikwörtern und nicht-existenten «verfassungsrechtlichen Konzeptionen»). Falls die Finanzkrise auch in der privilegierten Schweiz voll zuschlägt, könnten sich Papiere, wie er sie Müller und Reimann geliefert hat, durchaus zu einem Rücktrittsgrund entwickeln. Zum Glück muss er Antworten auf Interpellationen nicht unterschreiben. Dann ist hinterher niemand verantwortlich. CP Alle fünf Interpellationen, Antworten des Bundesrats und Kommentare sind zu finden auf www.zeitpunkt.ch (Suchbegriff «Geld-Interpellationen»)

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«Heatball»

mit Humor gegen das Glühlampenverbot Es war nur als Satire gedacht, aber die Behörden haben voll mitgespielt. Dr. Rudolf Hannot, studierter Elektrotechniker und Inhaber einer Firma für Entwicklung und Produktion elektrotechnischer Bauteile war anfangs der Stromsparlampe «sehr zugetan» und hat sie «offensiv eingesetzt». Doch die Qualität des Lichts und die Langlebigkeit unter den versprochenen 15 000 Stunden befriedigten ihn nicht. Als dann die EU die Glühlampen verbot und Hannot erfuhr, dass mit der Herstellung der giftigen Lampen enorme Umweltschäden verbunden waren und die verbliebenen Hersteller riesige Gewinne einfuhren, setzte er zusammen mit seinem Schwager Siegfried Rotthäuser zum satirischen Gegenangriff an. Sie gründeten die «Elektrische Widerstandsgenossenschaft eG» (EWG) und lancierten den «Heatball», ein «Kleinheizelement mit Lichtverlust, passend für die Lampenfassung.» Eine erste Serie von 4000 Stück wurde im Herbst 2010 im Nu verkauft. Das Medienecho war enorm, zumal Umweltminister Röttgen vor laufender Kamera in der Sendung «Beckmann» einen Heatball erhielt. Da verstanden die Behörden keinen Spass mehr. Die für Sprengstoffe zuständige Abteilung der Bezirksregierung Köln untersuchten die Heatballs, stellte fest, dass es sich um Glühlampen handelte und verbot die Inverkehrsetzung der gefährlichen Ware. Es begann eine Serie von Verfahren, mit Beschlagnahmung der Heatballs im Zollfreilager, dann Freigabe unter Beibehaltung des Verkaufsverbots. Der aktuelle Stand: Die Heatballs dürfen zu Ausstellungszwecken abgegeben werden. Und: Gerichtlich wurde festgestellt, dass jeder «durchschnittlich intelligente» Mensch die Aktion als Satire erkennen könne. Das Glühlampenverbot ist von zweifelhaftem Nutzen für die Umwelt, dafür umso grösserem für Philips und Siemens, die beiden hauptsächlichen Patentinhaber. Gab es vor dem Verbot noch Dutzende von Herstellern in Europa, beherrschen heute

be Lampe unter der Bezeichnung «Heatball 2.0» auf den Markt zu bringen, können wir nur ahnen. Ohnehin sind die Behörden längst zur verdeckten Kriegsführung übergegangen. Die Firma des Geschäftsführers der Genossenschaft wurde aus heiterem Himmel einer neunmonatigen Zollprüfung unterzogen, in deren Verlauf die Angestellten 25 000 Dokumente kopieren mussten – allerdings ohne wesentliches Ergebnis. Der Spass endet, wo das monopolisierte Geschäft beginnt. ein paar wenige Firmen den Markt. Glühlampen kosten in der Herstellung in China 10 bis 15 Cent, mit Transport und Zoll ab einem europäischen Hafen 20 Cent. Bei einem Endverkaufspreis von 60 Cent liegen für die verschiedenen Handelsstufen insgesamt 40 Cent drin, abzüglich Mehrwertsteuer, wahrlich kein lohnendes Geschäft. Ganz anders bei den Stromsparlampen: Billigere Modelle kosten in der Herstellung 30 Cent, teurere rund 60 Cent, geliefert und verzollt ab europäischem Hafen rund 70 Cent. Bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 6 Euro, beträgt die Bruttomarge Euro 5.30 oder rund dreizehnmal mehr. Bei jährlich 2,1 Mrd verkauften Lampen kommt da ein hübsches Sümmchen zusammen. Dafür lohnt es sich auf jeden Fall, in Brüssel und bei den Umweltorganisationen zu lobbyieren. Nur wenige wissen, dass Philips herkömmliche Glühlampen noch immer verkaufen darf, aber nur noch als «stossfeste» Arbeitslampe und nicht für den breiten Konsum. Diese Lampe ist bei der EWG seit ein paar Monaten im Angebot, von den Behörden toleriert. Die Realsatiriker von der Elektrischen Widerstandsgenossenschaft eG planen schon den nächsten Schritt, die Lancierung dieser Philips-Lampe als «Workball». Diese wird das Gericht kaum verbieten können. Was geschieht, falls die EWG-Leute auf die naheliegende Idee kommen, diesel-

In zwei Jahren wird die EU-Kommission das Glühlampen-Verbot revidieren und wahrscheinlich zur Erkenntnis kommen, dass die Stromsparlampen nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Aber anstatt zur Glühlampe zurückzukehren und mit einem Klimaschutzaufschlag zu belegen, wird sie den Weg zur zwangsweisen Einführung der LED-Leuchtmittel ebnen. Die kosten dann noch einmal fünfmal mehr als die Stromsparlampen. Das Geschäft muss schliesslich weitergehen. Der Humor auch. Christoph Pfluger In der Schweiz lagern ebenfalls 4000 Heatballs, bei Franz Gehrigs Werbeartikelfirma in Bern. Ihr Verkauf wurde vom Bundesamt für Energie unter Strafandrohung verboten. Gehrig gibt aber nicht auf. Auch er hat den Humor noch nicht verloren. Weitere Informationen: Elektrische Widerstands­genossenschaft eG, 52382 Niederzier, Tel. +49 242 890 56 70, www.heatball.de Der soeben in Deutschland gestartete österreichische Dokumentarfilm Bulb Fiction nimmt das Verbot der Glühlampe zum Anlass, um Macht und Machenschaften der Industrie, sowie den Widerstand gegen die «EU-Richtlinie zur Regulierung von Lichtprodukten in privaten Haushalten» zu portraitieren. Energiesparen, egal zu welchem Preis. Brüssel verbietet die Glühlampe und zwingt damit alle EU-BürgerInnen zum Kauf von quecksilberhaltigen Kompaktleuchtstofflampen. Der Film zeigt, warum diese von Industrie, Politik und NGOs als «win, win, win» bezeichnete Massnahme für uns BürgerInnen teuer, ungesund und fragwürdig ist. Christoph Mayr: Bulb-Fiction. Nach einer Idee von Moritz Gieselmann. Neue Sentimental Film, 2011. 90 Min. www.bulbfiction-derfilm.com

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Der amerikanische Kongress muss sich mit der Geldreform befassen Während Obama, Hollande und andere Spitzenpolitiker für einen «Wachstumspakt» und eine markante Erhöhung der Verschuldung werben, hat der amerikanische Kongressabgeordnete Dennis Kucinich (Cleveland/Ohio) eine einfache Lösung: Der amerikanische Kongress soll sein verfassungsmässiges Recht der Geldschöpfung nutzen und damit die dringend nötige Instandsetzung der Infrastruktur finanzieren. Dies fordert ein Gesetzesvorschlag, den Kucinich am 1. Mai unter dem Titel «National Emergency Employment Defence Act (The N.E.E.D. Act) einreichte. Insgesamt geht es um 2200 Milliarden Dollar, die in den nächsten fünf Jahren nötig sind, um den Abstieg der USA zum Schwellenland zu verhindern. Zudem geht es um die Schaffung von Millionen von Arbeitsplätzen in der Realwirtschaft.

Was auf den ersten Blick wie ein Inflationsbeschleuniger aussieht, hat aber Hand und Fuss. Anstatt dass sich der Staat bei den Banken weiter verschuldet und damit mehr Geld zurückzahlen muss, als er erhält, schöpft er es kraft seiner verfassungsmässigen Kompetenz und gibt es für die Schaffung realer Werte aus, die allen zugute kommen. Weil Geldmenge und Bruttosozialprodukt im Gleichschritt steigen, tritt keine Inflation ein.   Die Umsetzung der einleuchtenden Idee ist allerdings nicht so einfach. In Umlauf gebracht wird das Geld bis jetzt zum grössten Teil von den Banken (als Kredit) und in geringerem Ausmass vom Federal Reserve System (Fed), der in ihrem Besitz stehenden amerikanischen Zentralbank. Kucinichs Gesetzesnovelle fordert deshalb

Ökostrombörse Schweiz gestartet Der Bund will sie, die Wirtschaft will sie, die Bevölkerung will sie – erneuerbare Energie. Doch harzt es hierzulande an einer entscheidenden Stelle: Wegen der sogenannten Deckelung erhalten viele Produzenten und solche, die es werden wollen, keine kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für den Strom, den sie aus Sonne, Biomasse, Wind oder Wasser gewinnen. Die Ökostrombörse Schweiz, die am 5. März online ging, will einen Ausweg aus dem Dilemma schaffen, indem sie eine Alternative zur KEV bietet. Stromproduzenten nicht geförderter Photovoltaik-, Wind-, Wasserund Biomasseanlagen können auf dieser elektronischen Börse ihren nachhaltigen Strom anbieten und erhalten dafür einen marktgerechten Preis. Das Angebot richtet sich insbesondere an private Produzenten, die z.B. Strom durch Photovoltaikflächen auf dem eigenen Dach erzeugen.

So funktioniert die Börse: 1. Ein Energieversorger schreibt eine bestimmte Menge an erneuerbare produziertem Strom aus: beispielsweise 100 000 kWh für 5 Jahre. 2. Anlagenbetreiber bieten eine bestimmte Menge Strom zum gewünschten Preis an. 3. Die Angebote werden nach dem Preis sortiert. Wenn die ausgeschriebene Menge erreicht ist, fällt das teuerste Angebot raus. Alle Anbieter können jedoch ihr Angebot anpassen. Es spielt ein transparenter Wettbewerb. 4. Nach Ablauf der Ausschreibung stehen die Gewinner fest und erhalten einen Abnahmevertrag. 5. Der Energieversorger liefert den Strom an seine Kunden. Bereits nutzen namhafte Energieversorger wie die Wasserwerke Zug WWZ, die Aargauer Energiewerke AEW und das Elektrizitätswerk des Kantons Zürich EKZ die Börse. CP www.oekostromboerse-schweiz.ch

die Verstaatlichung der Fed und ihre Integration in das Finanzministerium. Eine separate «Money Authority» soll die Geldschöpfung überwachen und sicherstellen, dass sie den Bedürfnissen der Wirtschaft entspricht und weder inflationär noch deflationär wirkt.   Die von Kucinich angestrebte Neuregelung ist im Grunde eine Vollgeld-Reform, welche die Geldschöpfung durch die privaten Banken unterbinden und durch ein staatliches, zins- und schuldfreies Zahlungsmittel ersetzen will. Im Hintergrund der Reform steht das Amercian Monetary Institute AMI. Ohne breites Bewusstsein für die Natur des Geldes, wird sie es schwer haben, sich in der Politik durchzusetzen, auch wenn sie bereits von einigen Berufsverbänden unterstützt wird. Weitere Informationen: www.kucinich.us CP

Schädlicher Ablasshandel Fluggesellschaften werben damit, Bahnunternehmen ebenso – klimaneutral reisen. Kann die Bahn noch versuchen, das durch Einsatz von Strom aus Wind- und Wasserkraft zu erreichen, bleibt beim Fliegen nur der Trick mit den sogenannten Ausgleichsmassnahmen. In der Vergangenheit entzündete sich die Kritik in der Regel an der Art dieser Ausgleichsmassnahmen, da deren langfristiger Klimaeffekt nicht selten zweifelhaft ist. Ein grosser Umweltkongress in London Ende März befeuerte die Diskussion nun aufs Neue.   Der renommierte Klimaforscher Kevin Anderson vom britischen Tyndall Centre for Climate Change Research sollte eine der Sitzungen der Konferenz unter dem Titel «Planet Under Pressure» («Planet unter Druck») leiten. Die Veranstalter wollten einen klimaneutralen Kongress und planten bei den Kongressgebühren 35 Pfund Sterling für Klimaausgleichsmassnahmen ein. Anderson, seit langem Kritiker solcher Ausgleichsmassnahmen, beschloss, nicht teilzunehmen. Zum einen bemängelt Anderson, dass die Veranstalter selbstverständlich die Anreise per Flugzeug voraussetzten, statt etwa klimafreundliche Beförderungsmittel vorzuschlagen und nach der Klimabelastung der Anreise gestaffelte Teilnahmegebühren zu erheben.   Zum anderen vermittelten die CO2-Ausgleichsmassnahmen den Eindruck, damit sei alles erledigt und man könne problemlos von Kongress zu Kongress jetten. Das Ergebnis sei ein sich selbst verstärkender Kreislauf von immer mehr Reiseverkehr, der beständigen Vergrösserung von Flughäfen und Neubestellung weiterer Flugzeuge. Dabei wächst dann zwar auch das Geschäft mit Ausgleichsmassnahmen, doch schneller noch steige die zusätzliche Emission von Treib­ Steffen Schmidt hausgasen durch den Verkehr. (aus Neues Deutschland, 16.4.2012)

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Kurzmeldungen

«Containern» ist kein Verbrechen

Handy-Entzug als Strafe   –  wenn Jugendliche richten

«Das Mitnehmen weggeworfener Lebensmittel aus Abfallcontainern ist legitim. Industrie und Handel entsorgen ungestraft grosse Mengen geniessbarer Lebensmittel. Wegen ‹Containerns› landen dagegen bedürftige Menschen und Aktivisten, die ein politisches Zeichen gegen die Wegwerfmentalität setzen wollen, vor Gericht. Das muss sich ändern», erklärt Karin Binder, Ernährungsexpertin der Fraktion «Die Linke». Binder weiter:   «Die Linke fordert die Bundesregierung auf, das ‹Containern› nach Lebensmitteln straffrei zu stellen. Bevor Container- und Mülltonnenabfall durch den Entsorgungsbetrieb übernommen wird, könnte er in Deutschland wie in anderen Ländern auch als abgetretenes Eigentum im Sinne einer herrenlosen Sache betrachtet werden. Der Handel sollte verpflichtet werden, einen ungehinderten Zugang zu nicht mehr verkaufsfähigen, aber noch geniessbaren Lebensmitteln sicherzustellen.»

«Jeder verdient eine zweite Chance, auch wenn er Mist baut» findet Tina Weigand vom Aschaffenburger Friedrich-Dessauer-Gymnasium. Seit 2008 ist die 17-Jährige «Richterin» in einem kriminalpädagogischen Projekt und entscheidet über Delikte von Gleichaltrigen wie Sachbeschädigung, Diebstahl oder Beleidigung. 24 Stunden Theorie sind nötig, um aus den Jugendlichen Rechtssprecher zu machen. Gesprächstechniken gehören dabei ebenso dazu wie juristisches Rüstzeug. Nur im schlimmsten Fall geht eine Akte an die Staatsanwaltschaft zurück, normalerweise reichen die Strafen des «Teen Courts». Das Interesse an den 16 ehrenamtlichen Ämtern ist gross. Voraussetzungen: mindestens 14 Jahre alt, gute schulische Leistungen, ein gefestigter Charakter und – keine Vorstrafen.   Das Aschaffenburger Projekt war 2000 das erste seiner Art, inzwischen sind weitere deutsche Städte dem Beispiel gefolgt. Denn die Idee funktioniert, die Sanktionen wirken. Vielleicht auch, weil sie manchmal ungewöhnlich ausfallen: Vom Aufsatz schreiben über Kuchen backen oder HandyEntzug für eine Woche – Gleichaltrige wissen eben, was die Delinquenten trifft. Die Erfolgsquote gibt ihnen recht: Einer Studie der Uni München zufolge ist die Rückfallquote mit rund 7 Prozent niedriger als bei normaler Strafverfolgung. BM

Mundraub als Straftatbestand gibt es in der Schweiz nicht und ist in Deutschland abgeschafft. Im alten Testament wurde er wie folgt geregelt (5. Buch Mose):

«Wenn du in deines Nächsten Weinberg gehest, so magst du Trauben essen nach deinem Willen, bis du satt bist, aber Du sollst nichts in Dein Gefäss tun.»

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Quelle: Publik Forum

Hört nicht auf die Weltbank – wir entwickeln uns selbst! In einem kleinen Dorf in Rajasthan in Indien kann auch LehrerIn werden, wer weder lesen noch schreiben kann. Am Barefoot College («Barfuss College») spielen Titel und Zertifikate keine Rolle – das Wissen misst sich am Nutzen für die Gemeinde. Männer und Frauen werden zu Solaringenieuren, Architekten und Handwerkern ausgebildet, um in ihren eigenen Dörfern nachhaltig zu wirken. Dies ist die Grundidee des Barefoot College, und sie funktioniert.

Seva-Mandir-Mitarbeiterin im Barefoot-College in Tilonia/Indien.

Die Erfolgsgeschichte beginnt 1965, als ein junger gebildeter Inder aus gutem Hause in West Bengal ein Dorf auf dem Land besucht. Er wird zum ersten Mal mit Armut und Hunger konfrontiert, lernt in der Bevölkerung aber auch Fähigkeiten und Wissen kennen, die keine Universität lehren kann. Zum Schock seiner Eltern beschliesst der junge Mann, seine vielversprechende Zukunft hinter sich zu lassen, bevor sie begonnen hat, um für fünf Jahre in einem Dorf Brunnen zu bauen. So wurde Sanjit «Bunker» Roy 1972 zum Gründer der Barefoot College Bewegung. 1986 erhält das College seinen ersten Campus. Alle Gebäude werden von Barefoot Architekten und Handwerkern entworfen und gebaut. Solarkollektoren versorgen die gesamte Anlage mit Energie. Die Wasserversorgung wird durch das Auffangen von Regenwasser auf den Dächern sichergestellt. Abendschulen sorgen dafür, dass auch Kinder, die tagsüber Tiere hüten oder Hausarbeiten erledigen, eine Ausbildung erhalten. Vermittelt werden nicht nur Schreiben und Lesen, sondern auch Grundsätze der Demokratie und Zivilgesellschaft. Die Kinder wählen alle fünf Jahre einen eigenen «Prime Minister» und ein Kabinett und gestalten so ihre Schule entschei-

Gründer Sanjit «Bunker» Roy bei einem seiner Vorträge.

dend mit. Auch die Selbstermächtigung der Frau wird im Barefoot College gross geschrieben. Grossmütter, die zu Solaringenieurinnen ausgebildet werden, bauen die Energieversorgung in ihren Dörfern auf. Diese Frauen im Alter von 40 bis 50 Jahren besitzen zudem die nötige Reife und Toleranz, um ihr Wissen an andere weiter zu geben.   Barefoot Projekte gibt es inzwischen auch in Afrika und Afghanistan. Die Lektion von Bunker Roy: «Hört nicht auf die Weltbank, hört auf die Menschen vor Ort – sie haben all die Lösungen, die es braucht». MK

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Gefahr einer Kernschmelze 200 Mal höher als gedacht US-Veteranen: «Wir töten nicht mehr für euch!» Wenn Linke gegen den Krieg demonstrieren, juckt dies das konservative Amerika wenig. Aber hoch dekorierte Veteranen aus dem Irak- und Afghanistan-Krieg? Das ist zweifellos eine Ohrfeige für die Kriegspolitik von Obama und dessen Vorgänger Bush. Am Grant Park in Chicago, nahe dem NatoGipfel, fand am 20. Mai eine bemerkenswerte Demo statt. 40 Ex-Soldaten schleuderten vor Publikum ihre Orden in Richtung der versammelten Kriegspolitiker. Die Demonstranten skandierten: «Keine Nato, kein Krieg. Wir arbeiten nicht mehr für euch. Wir töten nicht mehr für euch.» Dann traten Veteranen nacheinander vor und begründeten, warum sie ihre Orden zurückgaben. Iris Feliciano, 2002 in Afghanistan stationiert: «Ich sage den Leuten hinter diesen Mauern, die immer noch eine Politik auf der Basis von Angst und Lügen machen: Wir stehen

nicht länger für sie ein: für ihre gescheiterte Politik und für ihre ungerechten Kriege. Beendet den Krieg jetzt!» Greg Miller ergänzt: «Das Militär verteilt diese billigen Medaillen an Soldaten und versucht dadurch die Leere auszufüllen, an deren Stelle vorher ihr Gewissen war.» Eine wütende Tirade kam von Vince Emanuele, früher im US Marine Corps: «Unsere Feinde leben nicht 10.000 Kilometer von hier. Sie sitzen in den Vorstandsetagen. Es sind Konzernchefs, Banker und Hedgefond-Manager. Es sind die Millionäre und Milliardäre, die diesen Planeten kontrollieren.» Besonders bewegend: Ex-Sanitäter Jason Hurd entschuldigte sich beim irakischen und afghanischen Volk für die Zerstörungen, die das US-Militär dort angerichtet hat. Werden die Kriegstreiber diese massive Anklage hören? RR

Das Risiko einer Nuklearkatastrophe wurde bisher um mindestens den Faktor 200 unterschätzt. Dies zeigt eine Studie des Max Planck-Instituts für Chemie in Mainz. Die Methode der Forscher ist denkbar einach: Zunächst wurde die Laufzeit der zivilen Kernreaktoren ermittelt. Derzeit sind 440 in Betrieb und 60 weitere in Planung, was 14‘500 Jahre Gesamtlaufzeit ergibt. Dividiert wurde diese Zahl durch jene der vier Kernschmelzen, eine in Tschernobyl und drei in Fukushima. Das Ergebnis: Alle 3‘625 Reaktorjahre kommt es zu einem grössten anzunehmenden Unfall (GAU), also alle zehn bis zwanzig Jahr eine Katastrophe in irgendeinem Reaktor. Alter, Typ und Sicherheitsorganisation wurden in der Studie nicht berücksichtigt, durchaus mit Absicht, wie Studienleiter Jos Lelieveld meint: «Auch in vermeintlich sicheren Reaktoren kann es zu einer Kernschmelze kommen, da sich nicht alle Ursachen vorhersehen lassen – und auch in Japan rechnete zuvor niemand mit dem GAU. Menschliches Versagen kann es immer geben, ebenso Terroranschläge, Sabotage oder Naturkatastrophen, zudem werden Laufzeiten meist überzogen. Diese Risikofaktoren kann man nicht quantifizieren, weshalb wir uns an den Erfahrungswerten orientiert haben.»   Die Wahrscheinlichkeit eines GAUs ist in Westeuropa mit seiner hohen Reaktordichte am höchsten. Davon betroffen wären im Schnitt 28 Millionen Menschen.  CP Quelle: pressetext.austria

Unkraut wichtig für gesunde Landwirtschaft

Griechenland – Versuchsfeld für Regionalwährungen?

Unkraut steigert den Ertrag. Das weiss der revolutionäre Landwirt Uwe Wüst in Tauberbischofsheim schon lange. Er pflügt nicht, düngt nicht, vermehrt bewusst das «Unkraut» und erzielt doch bessere Erträge als konventionelle Bauern (ZP 102, Die neuen Paradiese). Das hat jetzt auch die Wissenschaft herausgefunden. Nach einer im renommierten Magazin «Science» veröffentlichten Studie sind «Unkräuter» wie Disteln, Wiesenkerbel, Butterblumen oder Klee für die Biodiversität in der Landwirtschaft von grosser Bedeutung und erfüllen in den Nahrungsketten eine wichtige Funktion. Werden sie unterbrochen, leiden vor allem Schmetterlinge und Bienen, aber auch Vögel und Nagetiere. Die englischen Forscher untersuchten mehr als 1500 Zusammenhänge zwischen 560 Organismen in unterschiedlichen Nahrungsnetzen. Die Erkenntnis dürfte wie «Unkraut» im konventionellen agrochemischen Denken wirken. Wir wünschen ihm grosse Verbreitung. CP

«Wo die Gefahr wächst, wächst das Rettende auch», sagte Hölderlin. Die Griechen greifen in der Not zur Selbsthilfe – und üben mehr Solidarität miteinander. Tauschringe, Bartering und Regionalwährungen erhalten seit letztem Jahr grossen Zulauf. Die Regierung hat die Systeme kürzlich legalisiert, die sich bisher in einer rechtlichen Grauzone bewegten. In Volos wird die Regionalwährung TEM schon von 800 Menschen genutzt. Der Bürgermeister der Hafenstadt sagte, die Politik «unterstützt die Initiative, weil sie ein guter Weg aus der tiefen ökonomischen und sozialen Krise ist.» Die Lage ist vielerorts so kritisch, dass die Gemeinden erwägen, Bürgern Grünflächen zur

Quelle: EU-Umweltbüro

Verfügung zu stellen, um selbst Gemüse anzubauen. Der Gemeinschaftsgeist insgesamt nimmt zu in dem von der EU gedemütigten Land: Als in Athen die Busse ausfielen, organisierten Bürger ein Ersatzsystem per Carsharing. Christos Papaioannou, Betreiber der Webseite von TEM, ist gedanklich schon einen Schritt weiter: «Wir sind auf unbekanntem Territorium. Es wird sehr viel Veränderung geben. Vielleicht ist es der Beginn der Zukunft.» Warum mit dem Bau der Rettungsboote warten, bis es uns ergeht wie den Griechen?

RR

Quelle: Sein

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vollwertig leben

Die postrevolutionäre MÜhre

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vollwertig leben

Der Kapitalismus steckt auch in unseren Köpfen. Und da ist er nur schwer wegzubringen, wie das Beispiel eines solidarischen Landwirtschaftsprojekts im hessischen Witzenhausen zeigt. Sein Prinzip: Die Produzenten arbeiten so viel sie wollen und können; die Konsumenten beziehen, was sie brauchen und bezahlen anonym, was ihnen das Gemüse und Projekt wert sind.   von Jan-Hendrik Cropp

D

er Kapitalismus hat seine ungeschriebenen Gesetze. Sie erscheinen uns durch Gewöhnung so selbstverständlich, dass wir nie darüber nachdenken. Ein paar Beispiele: • Den Konsumenten werden Waren aufgedrängt ohne dass ein konkretes Bedürfnis geäußert wurde. Das sollen sie dann bitte entwickeln. • Über den Preis werden die verschiedensten Produkte und Dienstleistungen abstrakt miteinander gleichgesetzt. Alles, was einen Euro kostet, ist gleich viel «wert». Alles, was nichts kostet, ist auch nichts «wert». • Geld ist das einzige Symbol für Wertschätzung, wodurch man andere Wege, diese auszudrücken, oft gar nicht erst ausprobiert. • Zeigen sich Probleme, werden sie überwiegend mit dem Ellbogen gelöst, z.B. durch «Ausschalten» der Konkurrenz. • Da Produkte auf dem Markt einen Wert erzielen müssen und Menschen primär für Lohn arbeiten, wird Tätigkeit zu Arbeit und Arbeit zur Last. Für die müssen sich Arbeitende dann wieder durch «Freizeit» entschädigen. Wir wollten anders leben und arbeiten und diesen Fehlentwicklungen etwas Eigenes entgegensetzen. «Wir», das ist ein Kollektiv von fünf Gärtnerinnen und Gärtnern im Im Kapitalismus werden nordhessischen WitzenMenschen und Tätigkeiten hausen-Freudenthal. Wir ständig miteinander verglichen. suchten uns eine Gruppe Ungleiches wird durch Geld von 60 Personen, die «Begleichgesetzt. Diese Denkweise gärtnerten», die von uns durch Bearbeitung von verschwindet auch in einem 5000 m2 Ackerfläche mit alternativen Projekt nicht sofort. Gemüse versorgt werden wollten. Zusammen formten wir eine verbindliche Gemeinschaft. Das Besondere: Jeder Einzelne bestimmt selbstverantwortlich, wann und in welchem

Umfang er für das Projekt tätig sein will. Im Kollektiv werden dann entsprechende Vereinbarungen ausgehandelt. Die finanziellen Bedürfnisse («Lohn») werden unabhängig von der Arbeitszeit des Einzelnen bestimmt. Die Begärtnerten geben anonym einen für den Produktionszeitraum verbindlichen, monatlichen Beitrag, der ihren Möglichkeiten entspricht. Von null Euro aufwärts ist alles erlaubt. Auch Fähigkeiten (z.B. Massagen) und Ressourcen (z.B. Land) können eingebracht werden. Diese Zusage ist neben anderen Vertragsbedingungen schriftlich festgehalten. Unsere Produktionskosten werden mit diesen freiwilligen finanziellen Beiträgen gedeckt. Das geerntete Gemüse wird den Begärtnerten in Depots frei zur Verfügung gestellt. Die Verteilung vor Ort organisiert die Gemeinschaft je nach den individuellen Bedürfnissen, es gibt keine genormten «Gemüsekisten». Die Mitglieder sind frei, sich über ihren finanziellen Beitrag hinaus am Projekt zu beteiligen, z.B. durch Hilfe bei der Ernte, Einmachen oder das Einbringen weiterer Fähigkeiten. Engagierte formen dafür Arbeitsgruppen. Durch dieses Experiment sollen kapitalistische Prinzipien überwunden werden. In der Art, wie wir Produkte herstellen und verteilen wie auch in unserem Verhältnis zueinander. Und das in mehrfacher Hinsicht: • Freiwilliges Beitragen und Schenken statt normiertes Tauschgeschäft. • Niemand muss, jeder kann nach seinen Fähigkeiten (u.a. finanziell) beitragen. • Bedürfnisse werden erhoben, und entsprechend wird produziert. Bedürfnisse werden also nicht künstlich geschaffen (z.B. durch Werbung). • Die Produkte haben keinen festgelegten Tauschbzw. Geldwert. Dies gibt allen den Freiraum, mit neuen Formen der Wertschätzung zu experimentieren: durch Worte, Gesten und vor allem gegenseitige Verantwortung.

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vollwertig leben

• Freie Tätigkeit statt abstrakter Arbeit in Konkurrenz • Unsere finanziellen Bedürfnisse werden von vornherein abgedeckt. Daher können wir Anbauweise und Arbeitsabläufe frei bestimmen, um unsere Bedürfnisse und die anderer zu befriedigen. Seit knapp einem Jahr läuft unser Projekt nun. Wir können Rückschau halten und einige Problemfelder identifizieren. Diese Analyse halte ich für wichtig. Denn in vielen Projekten, die helfen wollen, die Waren- und TauschgeWenn man aber anfängt, sellschaft zu überwinden, dürften sie sich auf ähnArbeitszeiten zu normieren, ist liche Art zeigen. man schnell dabei, die ganze

Tätigkeit zu normieren. Was, wenn eine Person schneller oder «effizienter» als die andere ist?

Der verinnerlichte Kapitalismus im Kollektiv. Im Kapitalismus werden Menschen und Tätigkeiten ständig miteinander verglichen. Ungleiches wird durch Geld gleichgesetzt. Diese Denkweise verschwindet auch in einem alternativen Projekt nicht sofort. Jeder, der in einem kapitalistischen Umfeld aufgewachsen ist, hat sie tief verinnerlicht. Auch wir im Kollektiv vergleichen weiterhin, wie viel Zeit jeder in das Projekt investiert. Manche bekommen ein schlechtes Gewissen, weil sie «zu wenig» tun; andere grummeln, weil sie angeblich «zu viel» leisten müssen. Schnell glaubt jemand, sich für seine Bedürfnisse rechtfertigen zu müssen. Oft erzeugt nicht das Kollektiv diesen Druck, sondern die Betroffenen selbst. In solchen Situationen bieten sich die üblichen Abstraktionen des Kapitalismus als «Hilfsmittel» an.

Der Ruf nach greifbaren «Arbeitszeiten» und nach «Urlaub» wird laut. Dem liegt die Sehnsucht nach einem abstrakten Gerechtigkeitsbegriff zugrunde. Statt zu sagen: «Es soll allen damit gut gehen, was und wie viel sie tun», fordern wir nun: «Alle sollen gleich viel Arbeit verrichten bzw. gleich viel Urlaub nehmen.» Wenn man aber anfängt, Arbeitszeiten zu normieren, ist man schnell dabei, die ganze Tätigkeit zu normieren. Was, wenn eine Person schneller oder «effizienter» als die andere ist? Weitere Probleme können sich durch die räumliche Enge ergeben. Der Acker ist vor unserer Haustür. Wir wohnen zwar in verschiedenen WGs, aber doch zusammen auf einem Hof. Dies kann zu einem Gefühl sozialer Kontrolle führen. Jeder bekommt vom anderen mit, wie viel er arbeitet oder wie er seine Freizeit verbringt. Eine Lösung wären klare Vereinbarungen, die trotzdem flexible Elemente enthalten. Man hat z.B. feste Tage, an denen man im Projekt tätig ist; die Tagesarbeitszeit kann jedoch variieren, und Abweichungen sind spontan nach Absprache möglich. So könne2 Probleme im Kollektiv gelöst werden, statt dass Schuldzuweisungen oder zähneknirschende Selbstausbeutung Überhand nehmen. Lustprinzip und Verantwortung. Auch in einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft braucht es Verantwortung und Verbindlichkeit. Eine Gruppe von 60 Menschen rechnet fest damit, dass wir für sie Gemüse produzieren. Da wir entfremdete Arbeit, die als Zwang empfunden wird, überwinden wollen, ist das Lustprinzip als Leitlinie wichtig. Wenn alle Beteiligten jedoch das Motto «Ich mache, wozu ich Lust

Geld trennt, aber es geht auch anders Geld habe ich bis jetzt immer als etwas grundsätzlich Verbindendes betrachtet – sieht man von seinen Perversionen ab, die durch die Finanzkrise ins Bewusstsein kamen. Während wir beim Realtausch nur mit einer sehr begrenzten Zahl von Partnern in Austausch kommen können, erschliesst uns das Geld eine fast unbeschränkte Zahl von Tauschpartnern. Aber die verbindende Funktion des Geldes ist ein Irrtum. Wie der amerikanische Philosoph und Mathematiker Charles Eisenstein in seinem Opus Magnum «Die Renaissance der Menschheit» schreibt, stellt Geld eine allgemeine Gleichwertigkeit her: «Gleichwertigkeit bedeutet, dass ich keine Beziehung mehr mit der anderen Person eingehen muss. Ich kann jede beliebige Person dafür bezahlen. Das führt zu einer grundlegenden Veränderung unserer sozialen Beziehungen. Ich kann alles von jedem anderen bekommen. Je mehr eine Gesellschaft alles in Geld bemisst, umso getrennter werden wir und umso mehr treten wir in Konkurrenz zueinander.»

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Die Natur unseres sich selbst vermehrenden Kreditgeldes hat weitere schwerwiegende Konsequenzen: «Alles wird zunehmend in Geld umgewandelt, der Wald in Bretter, der Ozean in Fischfang und die Fähigkeit der Atmosphäre, Verschmutzung abzubauen in Verschmutzungszertifikate. Wir haben das Öl im Boden in Geld umgewandelt. Im Dienstleistungsbereich nimmt man eine unentgeltliche Beziehung und wandelt sie in eine Dienstleistung um. Heute werden zwei Drittel aller Mahlzeiten ausser Haus eingenommen und bei den zuhause gekochten werden vorfabrizierte Produkte verwendet. Rat, Unterhaltung und sogar Phantasie werden zu Produkten.» Charles Eisensteins Vision ist eine Ökonomie des Schenkens. Während der Kauf die Partner trennt, entsteht durch das Schenken eine Verbindung zwischen den Menschen. Davon sind wir gar nicht so weit entfernt. Die Natur und der Erfindungsgeist des Menschen produzie-

ren im Überfluss, er ist nur höchst ungleich verteilt. Die materielle Basis für eine Kultur des Schenkens wäre also vorhanden. Nur die geistige Entwicklung ist noch nicht so weit. Eisenstein hat das menschliche Wissen von seinen beiden Enden her studiert, über die Mathematik und die Philosophie. Sein Werk ist nicht nur von erstaunlicher Erkenntnis geprägt, sondern auch von starker Vision und echter Herzenswärme. Und es liest sich leicht. Eine unedingte Leseempfehlung. CP

Charles Eisenstein: Die Renaissance der Menschheit – über die grosse Krise unserer Zivilisation und die Geburt eines neuen Zeitalters. Scorpio, 2012. 784 S., Fr. 36.90 / 22,95 Euro. Im Internet lesen: www.kanope.de


Die postrevolutionäre Möhre

Weitere Infos zum Thema: Schweiz: Verein Interkulturelle Gärten, www.interkulturelle-gaerten.ch AG/SO: HEKS Neue Gärten Aargau/ Solothurn, www.bit.ly/Ll25Ru BS/BL: Urban Agriculture Basel, www.urbanagriculturebasel.ch Agrico, Birsmattehof Therwil, www.birsmattehof.ch BE: soliTerre, Bern, www.soliterre.ch Gemeinschaftsgarten «L’arbre à palabres», Biel//Bienne, gemeinschaftsgarten@gmx.net ZH: ortoloco – Die regionale Gartenko­operative, Zürich, www.ortoloco.ch Pflanzplatz Dunkelhölzli, Verein Stadtrandacker, Zürich, www.dunkelhoelzli.ch Seed City Verein, ETH Zürich, www.seedcity.ethz.ch Urban Farmers, Zürich, www.urbanfarmers.ch Xylem, Gmües Abo, Thalheim, www.xylem.ch Romandie: Les Jardins de Cocagne, Bernex, www.cocagne.ch Deutschland: Interkulturelle Gärten in Deutschland, Stiftung Interkultur, München, www.stiftung-interkultur.de meine ernte, Bonn, www.meine-ernte.de Solidarische Landwirtschaft, Kassel, www.solidarische-landwirtschaft.org Prinzessinnengärten, Moritzplatz, Berlin, www.prinzessinnengarten.net

habe», radikal umsetzen, ist das gerade in der Landwirtschaft schwierig. Landnutzung ist ja vor allem die Kunst, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Da kann die Witterung uns zwingen, etwas zu tun, worauf wir gerade keine Lust haben. Der Druck wird also auch in einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft nicht ganz verschwinden. Im letzten Jahr hatten wir zum Beispiel mit einer ungewöhnlichen Trockenheit zu kämpfen. Pflanzen warten nicht darauf, bis jemand Lust hat, sie zu bewässern. Und wo bleibt die Lust, wenn alles vertrocknet und es nichts mehr zu ernten gibt? Die Balance zwischen Kollektiv und Individuum muss also immer neu gefunden werden – ein ständiger Lernprozess. Fehlende Selbstorganisation im Netzwerk. Genauso wie wir Gärtner und -innen Aspekte der «arbeitssüchtigen Gesellschaft» verinnerlicht haben, werden die Begärtnerten nicht ganz von einer Konsumhaltung loskommen. Der freiwillige monatliche Beitrag kann diese Haltung verstärken. Während sich einige ein radikales Experiment gegen den Kapitalismus wünschen, reicht es für andere, ihr Gemüse auf «alternative» Weise zu beschaffen. Um Enttäuschungen vorzubeugen, ist es wichtig, dass Produzenten und Begärtnerte eine gemeinsame Vision formulieren. Daran anknüpfend kann jeder eine Aufgabe übernehmen – selbstbestimmt, aber verantwortlich. Diese Vision könnte auch eine Ausweitung der schenk-ökonomischen Prinzipien auf andere

Lebensbereiche beinhalten, etwa durch Vernetzung mit anderen umsonst-ökonomischen Projekten. Es wäre auch möglich, die Bedürfnisse der Gärtner und -innen nicht durch Geld, sondern durch andere Leistungen zu decken. So könnte ein Begärtnerter, der gleichzeitig Arzt ist, andere in der Gemeinschaft umsonst behandeln. Wer hat Zugang zu den Erzeugnissen? Nicht-kapitalistisches Gemüse ist unter den jetzigen Verhältnissen ein begrenztes Gut. Die Wartelisten von Höfen, die ähnlich produzieren wie wir, zeigen: Das Problem lässt sich nicht einfach mit der Neugründung weiterer oder der Vergrösserung bestehender Projekte lösen. Dies wäre die ideale Lösung und ihr sollte die meiste Energie zufliessen. Wer soll also bevorzugt Zugang zu den Erzeugnissen haben? Diejenigen, die als erste da waren? Die mit den besseren persönlichen Beziehungen? Diejenigen, die am meisten zahlen? Oder jene, die die brauchbarsten Fähigkeiten einbringen? All diese Lösungen befriedigen nicht. Schliesslich geht es bei unserem Projekt auch um die Entkoppelung von Geben und Nehmen. Die Frage abschliessend zu beantworten, ist schwer. Klar scheint nur: Die unvermeidlichen Kosten des Projektes müssen gedeckt werden. Und alle Beteiligten sollten mit der Lösung glücklich sein. In der Praxis bedeutet das wohl wie in allen ähnlichen Fällen: Man muss es aushandeln. Weitere Infos: www.solidarische-landwirtschaft.org

Grüner Spuk zwischen Beton und Asphalt «Ein Gespenst geht um in Europa, ein fröhliches buntes Gespenst mit Dreck unter den Fingernägeln: der Neue Gärtner. Aufgetaucht aus dem Nichts, hat er in kürzester Zeit die Städte erobert». Dieses Gespenst beschreibt Martin Rasper in seinem Buch «Vom Gärtnern in der Stadt – Die neue Landlust zwischen Beton und Asphalt». Es regt nicht nur dazu an, den Spaten gleich selbst in die Hand zu nehmen, sondern auch die Stadt und nicht zuletzt die Gesellschaft neu zu denken. Gärtnern bedeutet nicht nur die Auseinandersetzung mit natürlichen Ressourcen wie Luft, Wasser, Boden und Nahrung. Es ist

auch eine Form der Selbstermächtigung. Rasper stellt Gartenprojekte, Initiativen und Menschen vor, die der Lebensmittelproduktion und Saatgutherstellung in den Händen mächtiger transnationaler Konzerne den Kampf angesagt haben.   In leichtfüssiger Sprache führt uns Rasper durch den Garten als Ort des Wachstums, aber auch der Begegnung und des Lernens. Er macht uns die Sortenvielfalt von Obst und Gemüse schmackhaft, die durch die Monokulturen der industriellen Lebensmittelerzeugung bedroht sind, und erzählt von der Notwendigkeit, die lokalen Stadt-Umland-Beziehungen produktiver zu gestalten. Stadtgärtner

und solche, die es werden wollen, finden zudem viele Tipps für die Praxis.   In einer Zeit, in der unsere natürlichen Ressourcen knapp werden und der Begriff der Nachhaltigkeit nicht mehr wegzudenken ist, sagt Rasper zu Recht: «Ohne ein Verständnis von ökologischen Zusammenhängen werden wir in Zukunft nicht mehr zurechtkommen. Wir werden weder die Städte der Zukunft managen können noch die Welt als Ganzes.» mk Martin Rasper: Vom Gärtnern in der Stadt – die neue Landlust zwischen Beton und Asphalt. oekom, 2012. 208 S., Fr. 27.80 / 19,95 Euro.

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vollwertig leben

Urin – Dünger der Zukunft Urin gehört in den Boden und nicht ins Wasser. Statt ihn wegzuspülen und in Seen und Meeren ökologische Schäden zu verursachen, sollten wir ihn besser als Dünger verwenden, denn Harn ernährt Bodenlebewesen. Vom Rohstoff ist genügend vorhanden, nun braucht es nur noch ein Umden  von Beat Rölli ken im Kopf. Seit Millionen von Jahren ist Urin ein wichtiger Teil des Ökosystems Boden. Lebendiger Boden kann kleine Mengen davon schnell aufnehmen und verarbeiten. Urin dient als Nahrung für Bodenlebewesen und fördert die Bodenfruchtbarkeit und die Humusbildung. Harn enthält viel Stickstoff, der wiederum wichtig für das Pflanzenwachstum ist, denn jede Zelle braucht Eiweisse und jedes Eiweiss braucht Stickstoff. Wenn wir im Garten Urin giessen, betreiben wir Kreislaufwirtschaft. Wir imitieren einen bewährten Prozess. In vielen Ländern wird seit Jahrhunderten mit Urin gedüngt, bei uns ist es verboten. Zeit, umzudenken! Denn Urin und Kunstdünger führen zu zwei ökologischen Katastrophen. Zum einen führen Kot und Urin im Wasser zu Überdüngung und Verschmutzung von Flüssen, Seen und Meeren, viele Länder haben

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keine Kläranlagen. So gehen dem Land Nährstoffe für die Pflanzen verloren. Zum andern enthält Kunstdünger wasserlösliche Salze. Diese sind aggressiv und töten Bodenlebewesen ab, die natürliche Bodenfruchtbarkeit und die Humusbildung gehen zurück. Bei starkem Regen wird Kunstdünger ausgewaschen und Grund- und Oberflächenwasser verschmutzt. Es entsteht eine Durchlaufwirtschaft, die Gefahr von Hunger steigt. Hinzu kommt, dass jährlich mit hohem Energieaufwand und grosser Umweltbelastung Millionen von Tonnen Harnstoff für Dünger produziert und transportiert werden. Dass wir keinen Urindünger verwenden, liegt an unserer Einstellung zu Harn. Viele Leute ekeln sich vor dem eigenen Urin, sie denken fälschlicherweise, er enthalte nur Abfallstoffe. Harn besteht aus


Urin – Dünger der Zukunft

Eine ganz andere Eigenschaft dieses Saftes zeigte Andy Warhol mit seinen ‹Oxidation-Paintings› auf. Andy Warhol, Oxidation Painting (in 12 parts), 1978. Copper metallic pigment and urine on canvas, 121,9 × 124,5 cm.

Stoffen des Blutplasmas. Die Niere, wo der Urin zunächst entsteht, scheidet Substanzen aus, die im Blutplasma eine zu hohe Konzentration aufweisen. Deshalb befinden sich im Urin dieselben Substanzen wie im Blutplasma – nur in anderer Konzentration. Diese sind so wertvoll, dass Menschen Eigenurin als Medizin verwenden. Die emotionale Abneigung gegen Urin ist in unserer Kultur tief verwurzelt. Da helfen meist die besten Argumente nicht weiter, sondern nur noch ein Trick: Wir machen den Urin unsichtbar und geruchlos, indem wir Holzkohlestaub hinein mischen. Dieser absorbiert Geruch und Farbe. Anschliessend wird die Flüssigkeit direkt als Dünger eingesetzt. Wenn Tomaten und andere Nahrungsmittel dann erst einmal wunderbar gedeihen und vorzüglich schmecken, kann man die Leute immer noch mit der unbequemen Wahrheit konfrontieren.

hältnis zum Volumen auf. Bakterien können diese Oberflächen besiedeln. Zudem kann Holzkohle über Jahrhunderte im Boden überdauern. Um Urin als Dünger verwenden zu können, muss er von Fäkalien getrennt werden. Dafür sorgen «NoMix-Toiletten» (siehe Box). Der Urin läuft getrennt vom restlichen Abwasser in einen Sammeltank, die Fäkalien werden – wie gehabt – hinten weggespült. Der gesammelte Urin muss nur noch mit Wasser verdünnt werden (Verhältnis 1:10), damit er als Schnelldünger verwendet werden kann. Konzentriert würden die Pflanzen eingehen. Durch das Giessen mit Urin (1 bis 3 Liter pro m2) wird Terra Preta übrigens wie ein Akku wieder aufgeladen. Den Urin kann man in dichten Kanistern oder Tonnen über Monate zur Verwendung lagern. Es wird denn auch eine halbjährige Lagerung empfohlen, damit Bakterien absterben.

Holzkohle ist ein wertvoller Bodenverbesserer: Die sagenumwobene Terra preta der präkolumbianischen Amazonasindianer, eine von Menschen gemachte Erde, ist 500 Jahre nach dem Verschwinden dieser Kultur noch immer fruchtbar. Terra preta bedeutet schwarze Erde. Sie ist schwarz, weil sie Holzkohle enthält. Holzkohle hat die chemische Eigenschaft, Mineralien, Wasser und viele weitere Stoffe zu binden und sie später an Pflanzenwurzeln abzugeben. Sie weist eine grosse Oberfläche im Ver-

Mit der neuartigen WC-Wirtschaft lassen sich Wasserverschmutzung vermeiden und die Nährstoffe und Mineralien kommen wieder dorthin, wo sie hingehören, nämlich in den Boden. Noch braucht das System Anwender. Sind Sie dabei? Beat Rölli arbeitet hauptberuflich als Permakultur-Designer. In seiner «Permakultur Beratung» führt er verschiedene Kurse und Ausbildungen (dipl. Permakultur-Designer und Permakultur-Training) durch. Rölli lebt mit seiner Familie in der Ökosiedlung Unter-Grundhof in Emmen bei Luzern. Kontakt: B. Rölli, Emmen. Tel. 041 210 92 91, www.permakultur-beratung.ch

NoMix-Toilette: gutes System mit kleinen Tücken Die moderne, wassergespülte NoMix-Toilette wurde in den 1990er Jahren in Schweden erfunden. Das Prinzip ist simpel: der Urin wird vorne aufgefangen und in einen separaten Tank geleitet, während die Fäkalien wie gewohnt hinten weggespült werden. Es handelt sich bei der NoMix-Toilette also um eine Art WC mit vorne eingebautem Urinal.   Eine Umfrage der Eawag (Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz) zeigt: Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung wäre bereit, NoMix-WCs zu benutzen und mit Urin gedüngte

Lebensmittel zu kaufen. Doch die Sanitärbranche zeigt bisher wenig Interesse an der neuen Technologie, und das System selber hat auch noch seine Tücken. So entsteht mit der Zeit Urinstein, der die Leitungen verstopfen kann. Zudem hängt die Nutzung des NoMix-WCs stark von individuellen Faktoren wie Gewohnheit oder Ergonomie ab. Manche Männer setzen sich immer fürs kleine Geschäft, andere nie. Die NoMix-Toilette funktioniert aber nur bei richtigem Gebrauch. Die korrekte Sitzposition ist vor allem für Kinder schwierig.

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Fazit: Es gibt gute Gründe, NoMix-Toiletten zu installieren. Doch man sollte sich bewusst sein, dass diese (noch) ihre Tücken haben und etwa doppelt so viel wie konventionelle WCs kosten. BM www.eawag.ch

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wahre Werte

Der Reiz der Drôme Die Drôme im gleichnamigen französischen Departement, 2 ½ Autostunden südlich von Genf, ist der einzige unverbaute Fluss Europas mit mehr als 100km Länge. An deren Unterlauf, 5 km von der Stadt Crest entfernt, zwischen Valence und Montélimar liegt die Auberge la Plaine, ein Seminarhotel, das seinesgleichen sucht. Inmitten der mittelalterlichen Mauern fühlen Sie sich rundum wohl. Es stehen Ihnen 19 geräumige Zimmer mit eigenem Badezimmer, zwei grosse Seminarräume und ein wunderschönes Restaurant zur Verfügung. Im Innenhof fühlen Sie sich geborgen und im Park der 5 Häuser finden Sie schöne Schattenplätzchen und ein Schwimmbad. Der Fluss Drôme und das an unser Gelände angrenzende Naturreservat «Les Ramières» sind in 2 Minuten zu Fuss erreichbar.

Unser Seminarhotel ist komplett renoviert und modern ausgestattet, ohne den Charme der historischen Mauern zu verlieren. Eine einheimische Küche mit Produkten aus der nahen Umgebung und immer der Saison entsprechend, meistens biologisch angebaut, sorgt für Ihr leibliches Wohl. Unser Haus ist inmitten von Landwirtschaftsland direkt angrenzend ans einzigartige Naturreservat. Bei uns können Sie konzentriert Ihre Kurse durchführen, Yoga, Massagen, Theater, Musik, Tanz, Kolloquien, Firmenseminare, etc. Auch Einzelgäste sind bei uns sehr willkommen.

Die Drôme bietet Bademöglichkeiten, Naturbeobachtungen und Kajakvermietung, die angrenzenden Berge sind ein Wanderparadies und die ausgedehnten Velowege stehen Ihnen ebenfalls zur Verfügung.

Auberge la Plaine Mourier, La Plaine F – 26400 Chabrillan Tel. +33 475 62 82 69 www.aubergelaplaine.ch

10. Natur Sound Openair Kiental

Vom 6. bis 8. Juli findet im Kiental das Jubiläumsfestival des Natur Sound Openair auf dem Kientalerhof, dem Bildungs- und Begegnungszentrum für Körperarbeit, statt. Eröffnet wird das Festival am Freitag Abend von Sarbach, dem «einzigartigen Liederzüchter aus dem tiefsten Emmental». «Süüferli», also behutsam und mit Bedacht, eröffnet der schrägste Troubadour der Schweizer Liedermacher-Szene das 3-tägige Festival.   Ausserdem an diesem Abend: Das Einfrauen-Orchester Frölein Da Capo, bekannt aus «Giacobbo/Müller»,

der englische Musiker und Sänger Gus MacGregor & Band mit Wahlheimat Bern, der Pop, Country, Folk und Blues zum besten geben wird. Den Abschluss macht die Stadtberner-Band 2 for Soul. Am Samstag Mittag findet eine Meditation für den Frieden statt, am Nachmittag locken neben William White Blues-, Chansons-, Folk- und Pop-Konzerte. Am Sonntag stehen u.a die bekannte Mantra-Sängerin Dechen Shak-Dagsay und viele Workshops auf dem Programm.   Zwischen den Konzerten können sich die jüngeren Besucher auf dem Kinderspielplatz vertun, bei sommerlich warmen Temperaturen lockt das kühle Nass des Schwimmbads des Kientalerhofs. Sollte sich Regen ankündigen, können einzelne Konzerte ins Innere verlegt werden.

Für die Übernachtung stehen Zimmer im Kientalerhof, dem Hotel Chalet und Hotel Bären zur Verfügung – bitte frühzeitig reservieren. Ausserdem hat es einen schönen Zeltplatz gleich neben dem Festivalgelände, wo gratis campiert werden kann.   Kinder unter 14 Jahren zahlen mit Begleitung eines Erwachsenen keinen Eintritt. Vom Tages- bis 3-TagesPass ist alles zu haben, Kostenpunkt: zwischen 39 und 114 Franken. Infors und Programm unter: www.naturalsound.ch Kientalerhof Griesalpstrasse 44 3723 Kiental

30 Jahre Schweibenalp Das Zentrum der Einheit Schweibenalp feiert Geburtstag und lädt am Wochenende vom 6. bis 8. Juli zur Feier. Die Schweibenalp ist ein Kraftplatz in den Alpen mit alten, schön renovierten Häusern und einem neuen, acht­ eckigen Seminarhaus. Wir sind bekannt als Vertreterin einer Integration von Spiritualität, Sozialem, gerechter Ökonomie und nachhaltiger Ökologie. Wir sind eine Gemeinschaft im Aufbau, die nach neuen Lebensformen sucht. Vom Ashram haben wir uns zum interreligiösen Zentrum der Einheit hin zum Seminarzentrum und nun zur Gemeinschaft entwickelt, die an Modellen des Lebens forscht und experimentiert.

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Was sind schon 30 Jahre, mag sich manch einer fragen. Und doch... Wenn wir die globale Entwicklung der neuesten Zeit betrachten, so stellen wir je nach Standpunkt Beschleunigung, Stillstand oder Rückbildung fest. Wenn wir einen Blick auf die Geschichte des Zentrums werfen, steht zwar Veränderung im Vordergrund – sowohl baulich und strukturell als auch inhaltlich. Doch der Impuls vom indischen Avatar Sri Babaji, einen Ort zu schaffen, an dem in einer Zeit des Übergangs und des kulturellen Wandels ewiges und neues Wissen vermittelt, erforscht und in der Gemeinschaft geübt werden soll, ist und wird unser Leitmotiv bleiben.

Nun, nach 30 Jahren, feiern wir unser Dasein, unser Bewusstsein. Und wir feiern unsere neuen Zweige, die Alpine Permakultur und die Konferenzplattform Green Phoenix. Wir, der Stiftungsrat, die Gemeinschaft und Volontäre, freuen uns, dich am Wochenende vom 6. bis 8. Juli zu empfangen. Das Wochenende ist auf Spendenbasis.

Wir bitten um Anmeldung unter Tel. 033 952 20 00 oder reservation.anfrage@schweibenalp.ch. Verein Zentrum der Einheit, Schweibenalp Postfach, 3855 Brienz


vollwertig leben

Kampf dem grünen Wischiwaschi «Wir wollen keinen Wischiwaschi-Umweltschutz», sagt Thomas Vellacott, der neue CEO des WWF Schweiz, mit 260 000 Mitgliedern die grösste Umweltorganisation des Landes. Ob der neue Chef, früher Berater bei McKinsey und zuletzt für die Beziehungen zwischen WWF und Wirtschaft zuständig, der richtige Mann ist, das Steuer herumzureissen, wird sich weisen. Mit «Wischiwaschi» wird er auf jeden Fall zu tun haben, genauer gesagt mit «Greenwashing». Das wirft nämlich der mehrfach preisgekrönte deutsche Filmer und Autor Wilfried Huismann in seinem viel beachteten Film «Der Pakt mit dem Panda» und seit kurzem im «Schwarzbuch WWF» der weltweit grössten Umweltorganisation vor. Um die Zusammenarbeit mit den Multis zu fördern, hat der WWF runde Tische ins Leben gerufen, in denen Industrie und WWF privat Nachhaltigkeitsstandards definieren und die entsprechenden Produkte mit einem Label versehen. Das Ausmass dieses Greenwashing ist enorm: So rodet der weltgrösste Palmölkonzern Wilma auf Borneo 300 000 Hektar Urwald, zwei Prozent lässt er als Schutzgebiet stehen (aus dem die Ureinwohner wie aus den anderen Gebieten vertrieben werden) und kann nun sein Palmöl mit einem Nachhaltigkeits-Zertifikat vertreiben. Auch Gentech-Soya wird dank eines Labels des Roundtables for Responsible Soya» als nachhaltig verkauft. Und Holz mit dem FSC-Label, eine weitere Initiative des WWF, kann durchaus aus Kahlschlag stammen. Der WWF kann sich nicht mit dem Hinweis aus der Verantwortung ziehen, dass er diese Roundtables nicht mehr führt und die Projekte von externen Firmen kontrolliert werden. Nur dank dem WWF haben sie noch ein bisschen Glaubwürdigkeit, und dafür wird er auch fürstlich honoriert,

wenn auch nur auf Umwegen. Unter anderem spendete die HSBC-Bank, das führende Geldhaus zur Finanzierung von PalmölProjekten, für ein gemeinsames Projekt mit dem WWF 100 Mio. Dollar, das allerdings ausserhalb der Bilanz geführt wird. Der WWF ist sich der Problematik seiner zwiespältigen Politik durchaus bewusst. Aber anstatt sich von Monsanto und Gentech-Soya zu distanzieren, verlegt er lieber den Sitz des Roundtable for Responsible Soya von der Hohlstrasse 110, dem Sitz des WWF Schweiz, an einen weniger verräterischen Ort. Wenn der neue WWF-Chef tatsächlich keinen Wischiwaschi-Umweltschutz will, dann muss sich der WWF Schweiz von diesen Aktivitäten, die von der weltweiten WWF-Zentrale aus eingefädelt werden, distanzieren. Davon ist allerdings wenig zu spüren. Im Gegenteil: Der WWF führt einen regelrechten Krieg gegen den Film und das Buch, mit nunmehr 15 einstweiligen Verfügungen. Federführend ist der Berliner Medien- und Promianwalt Christian Schertz, besonders erfolgreich in der Sparte, missliebige politische Bücher aus dem Verkehr zu ziehen. Ob es bei den gerichtlichen Attacken um wahrheitsgemässe Darstellung oder einfach um Einschüchterung geht, ist unklar. Am 15. Juni verhandelt das Kölner Landgericht eine einstweilige Verfügung, die die WWFMitarbeiterin Dörte Bieler damit begründet, sie sei von Huismann im Anschluss an eine Konferenz entgegen der Abmachung zu Themen befragt worden, die mit ihrem Referat nichts zu tun gehabt hätten. Huisman, der das Referat aufgezeichnet hat, sieht der Verhandlung gelassen entgegen. Aber der Buchhandel ist bereits eingeknickt. Auf die Drohung der Kanzlei Schertz Bergmann, im Falle einer Verurteilung von Huisman auf Schadenersatz zu klagen, haben Amazon

und die deutschen Buchhandelsgrossisten «Das Schwarzbuch WWF» kurzerhand aus dem Angebot gestrichen. Für Rainer Dresen, den Juristen der Verlagsgruppe Random House ist «das massive Auftreten [des WWF] bisher singulär – und der Verlag hat schon Schwarzbücher über Scientology oder die Waldorfschulen veröffentlicht. Der Vorgang zeigt, wie weit die Pressefreiheit schon ausgehöhlt ist – vom Markt, nicht von den Gerichten. Beim Verlag, kleineren Internet-Versendern und in der Schweiz ist das Buch nach wie vor erhältlich. Das Buch ist spannend wie ein Krimi, was es ja auch ist. Es ist aber auch erschütternd, wie unkritisch die Öffentlichkeit mit dem von Grosswildjägern gegründeten Club umgeht. 260 000 «Mitglieder» zählt der WWF Schweiz, die offenbar nicht einmal merken, dass sie nichts zu sagen haben. Denn der WWF ist eine Stiftung und kein Verein, in dem die Mitglieder die Geschäftsleitung zur Rechenschaft ziehen können. Da gibt es eigentlich nur eine Antwort: Den WWF zu demokratischen Regeln zwingen und die Spendengelder solange an kleine Umweltorganisationen leiten, die nicht mit umweltzerstörerischen Multis zwielichtige Geschäfte treiben. Christoph Pfluger

Wilfried Huismann: Schwarzbuch WWF – dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda. Güterloher Verlagshaus, 2012. 256 S., Fr. 28.50 /19,99 Euro. Bild: Thomas Vellacott (l.), der neue CEO des WWF Schweiz schaufelt nachhaltiges Soja, zusammen mit Brigit Hofer (Coop) und Paul Klemenz vom Inporteur und Futtermittelproduzenten Fenaco. Die Soja könnte nach den vom WWF mitbestimmten Regeln des «Roundtable on Responsible Soy» durchaus auch gentechnisch verändert sein. Die erste Ladung, die hier 2006 gelöscht wurde, entspricht jedoch den etwas strengeren «Basler Kriterien», die Gentech-Saatgut verbieten. (Foto: Justin Hesson, WWF)

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Kurzmeldungen

Einfamilienhäuser verbieten! Die Hüslischweiz ist zwar schon gebaut. Aber man hätte es anders machen können. Man hätte Einfamilienhäuser schlicht verbieten müssen und nur noch solche mit Einliegerwohnung erlauben dürfen. Warum? Einfamilienhäuser sind ein volkswirtschaftlicher Unsinn (deshalb werden so viele finanziert): Sie brauchen viel Fläche, sind teuer und werden nur zur Hälfte der Zeit angemessen genutzt. In den ersten 20 Jahren sind die Kinder da, das Haus ist voll. Dann ziehen sie aus und der Raum bleibt ungenutzt. Schliesslich werden die Eltern pflegebedürftig, ein Elternteil stirbt und der andere lässt sich nicht mehr entwurzeln. Das Leben im zu grossen Haus wird einsam. Wir wissen, dass die Lebensfreude von Muscheln nach der Einnahme von Prozac steigt oder warum Spechte keine Kopfschmerzen kriegen (aktuelle Nobelpreise für lustige Forschung), aber wir wissen nichts über die Nutzung von Einfamilienhäusern, wie man bei der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung bestätigt. Dabei sind Einfamilienhäuser eine gigantische Position in unserer Volks-

wirtschaft mit Hypotheken im Wert von 800 Mrd. Franken. Zu viel Geld, um nichts darüber wissen zu wollen und eine Missachtung des obersten Grundsatzes der Raumplanung, des haushälterischen Umgangs mit Boden. Die Einliegerwohnung ist nicht der Weisheit letzter Schluss, aber eine angemessene Synthese zwischen dem Bedürfnis nach eigenen vier Wänden, der sinnvollen Nutzung der Infrastruktur und einer vernünftigen Erweiterung der Kleinfamilie. Wenn die Kinder klein sind, wohnt vielleicht die Grossmutter in der Einliegerwohnung und findet in der Betreuung der Kinder eine anregende Beschäftigung – vom Nutzen für die Kinder gar nicht zu sprechen. Wenn die Kinder als Jugendliche lauter leben wollen, können sie in die Einliegerwohnung ziehen bis zum Moment der Rochade, wo die Eltern Grosseltern werden und die Kinder selber welche bekommen. Anstatt der Spitex schauen die übrigen Bewohner zum Rechten und alle gewinnen an familiärer Verantwortung und Lebendigkeit.

Sommergrüsse   von den Marktweibern

Pappe ohne Grenzen Dieser Designer-Couchtisch ist selbst gemacht. Und er ist nicht aus Beton, obwohl er so aussieht, sondern aus Pappe. Gefunden haben wir ihn im neu erschienenen Buch «Möbel aus Karton selbst gebaut». Eine Französin mit dem Pseudonym Kiki Carton zeigt darin Schritt für Schritt, wie aus Pappe originelle Möbel entstehen. Die Vorteile des Recycling-Materials liegen nicht nur im Preis, sondern auch in der beschränkten Werkzeugpalette, die es zur Verarbeitung braucht und in der grossen Formenvielfalt. Runde und nicht rechtwinklige Formen sind mit Karton kein Problem – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Einfamilienhäuser sind auch eine unsichere Zukunftsinvestition, in mehrfacher Hinsicht. Demographie: Das Bundesamt für Statistik prognostizierte 2006 bis 2020 eine Schrumpfung der Menschen in der Familiengründungsphase um 270’000 und bis 2040 um 400’000 Menschen. Mobilität: Die Menschen zieht es in die Stadt, die Pendlerkosten steigen. Das macht Ortschaften ausserhalb der Agglomerationsgürtel unattraktiv. Heidi Haag, Geografin bei der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung befürchtet denn auch an solchen Orten die Entstehung von «Einfamilienhaus-Brachen» mit leer stehenden und schwer verkäuflichen Objekten. Vielseitig nutzbare Liegenschaften sind da eindeutig im Vorteil. So gesehen würde ein Verbot gewöhnlicher Einfamilienhäuser nicht nur das soziale Leben verbessern und die Zubetonierung und den Energieverbauch reduzieren, sondern kurzsichtige Häuslebauer auch vor grossem Schaden bewahren. CP

Dank intelligenter Verstrebungen im Innern sind die Pappmöbel auch sehr stabil. CP Kiki Carton: Möbel aus Karton selbst gebaut. Ökobuch Verlag, 2012. 128 S., mit zahlr. Abb., Fr. 24.40 / 16,95 Euro, www.oekobuch.de Viele Abbildungen von Pappmöbeln aller Art sind zu finden auf www.kikicarton.com

Strapazierte Füsse? Ein wohltuendes Zitrone-Minze-Fuss­ peeling hält die Füsse geschmeidig und lässt sie auch noch gut riechen. Mistel-Balsam sorgt für Linderung bei rissiger, trockener Haut. Macht ein Regentag dem Sommer einen Strich durch die Rechnung, hellt Johannisöl die Stimmung auf. Diese und weitere Produkte vertreiben die «Marktweiber» in ihrem Onlineshop. Die Marktweiber, das sind Rita Krapf, Ruth Cozzio, Lydia Studerus und Cornelia Spissu – alle miteinander verwandt. Die vier Frauen stellen Produkte her, die ihre Anforderungen an natürlichen Anbau erfüllen. Die Palette reicht von Socken, Pflege- und Speiseölen, Likören bis hin zu Peelings und Blumensamen. Alles wird in der Hausküche selbst produziert, im Garten angebaut oder – wie im Fall der Stulpen, Pullunder, Socken & Co. – gestrickt. Können die Vier etwas nicht selber herstellen, achten sie beim Zukauf auf faire Produktion und biologischen Anbau. BM www.marktweiber.ch

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vollwertig leben

Café RebelDía – ja zu Bio, nein zu teuren Labels Soll Bio drauf stehen, müssen zapatis­ tische Kleinbauern in Südmexiko tief in die Tasche greifen. Rund 2 500 Franken jährlich zahlt ihre Genossenschaft an die mexikanische Zertifizierungsagentur Certimex. Die Zertifizierung für den Schweizer Bio-Markt kostet nochmals 1 700 Franken. Die mexikanischen Kleinbauern, die zu den ärmsten Schichten des Landes gehören, haben genug von teuren Bio-Labels. «Warum sollen wir wegen dem ‹Bio-Stempel› irgendwelchen Funktionären, die einmal im Jahr mit ihren Aktenköfferchen eine Stichprobe nehmen, Geld in den Hintern schieben?» empört sich ein Kaffeebauer. Bei insgesamt 600 involvierten Familien seien einzelne Stichproben ohnehin wenig repräsentativ. Zudem enthalten die Richtlinien keine Bestimmungen zu Arbeitsrechten. «Wir können uns selber «Aufgrund der Repression des mexi­ zertifizieren», lautet kanischen Staates gegenüber der Zadaher das Fazit des patistas nennen wir keine Namen, Orte Kleinbauern. und fotografieren keine Gesichter.» Wie das geht, zeigt Foto: Café RebelDía «Ssit Lequil Lum», eine der vier exportierenden mexikanischen Kaffeegenossenschaften. Die eigene Zertifizierung nach internationalen Bio-Richtlinien stand von Anfang an im Zentrum. Jeder der sieben Bezirke verfügt über einen Kaffee-Experten, der die Bauern in biologischem Landbau berät und Betriebe aus anderen Bezirken kontrolliert. Überwacht wird das Ganze von

der autonomen zapatistischen Regierung. Der selbstzertifizierte Kaffee wird in Griechenland, Frankreich, Deutschland und Italien bereits erfolgreich vertrieben. Café RebelDía nimmt die Anliegen der Kleinbauern ernst. Nach Besuchen und Gesprächen vor Ort befürwortet der Verein die Autozertifizierung von zapatistischem Kaffee, will vor der Einführung aber noch die Meinung der Kunden erfahren. Die zapatistischen Kaffeegenossenschaf­ ten sind mit ihren Problemen nicht alleine. Die zunehmende Unübersichtlichkeit von Bio-Zertifizierungen und Fairtrade-Labels und ihr Einsatz zum Greenwashing bereitet immer mehr Kleinbauernverbänden Sorgen. Im Labyrinth der Gütesiegel findet sich der Kunde kaum noch zurecht, davon profitieren vor allem Grosskonzerne und Supermärkte. Aldi, Lidl und Nestlé fühlen sich wohl im Fahrwasser von Fairtrade und Bio — die Marken lassen sich gut verkaufen und pflegen das Image. «Fair Trade» ist kein geschützter Begriff, die Standards variieren, das Logo ist auch für Grossplantagen attraktiv geworden. Die Verlierer sind die Kleinbauern, die um ihre Absatzchancen auf dem Fairtrade-Markt mit den Grossplantagen konkurrieren müssen. Verlierer sind aber auch die Kunden, die kleine Strukturen fördern möchten und dabei die Massenmärkte stärken. Die GEPA, Europas grösste Organisation für fairen Handel, hat deshalb ihr eigenes Logo entwickelt und möchte in Zukunft bei möglichst vielen Produkten auf das herkömmliche Fairtrade-Siegel verzichten. An den WeltladenFachtagen vom 22. – 23. Juni 2012 in Hersfeld wird zudem eine Podiumsdiskussion zum Thema «Entsiegelung» stattfinden. MK Weitere Informationen: www.chiapas.ch/

Strom messen mit Stil Die Übersicht über den Energieverbrauch behalten ist gar nicht so einfach. Helfen kann «Wattchers», bestehend aus einem Sensor, einem Sendegerät und einer Anzeige. Der Sensor kann auf jedem Stromzähler (analoge Messinstrumente mit einem Dreh-Impulsgeber, digitale Messinstrumente mit LED-Anzeige und smart meters) platziert werden. Der Sensor wird an das Sendegerät angeschlossen. Beide werden im Stromkasten angebracht.

Das Sendegerät schickt ein Funksignal zur Anzeige (bis zu 40 Meter), die man in jede (Eurostandard) Steckdose stecken kann. «Wattcher» zeigt den neben dem aktuellen auch den täglichen und den angestrebten Verbrauch: Wie hoch ist Ihr Tagesverbrauch verglichen mit der angestrebten Menge? Sprich: Sparen Sie wirklich Energie? Ein praktisches Gerät für 118 Franken, das gleich hilft, die Anschaffungskosten wieder rauszuholen. BM Erhältlich im Online-Shop von www.rrrevolve.ch

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Japan: positiv Am 11. März 2011 stand der Reisefachmann Thomas Köhler vor dem Aus. Erdbeben, Tsunami, AKW-Katastrophe bewogen seine Kunden, ihre Reise nach Japan abzusagen. «Eine Annullierung nach der anderen musste ich bearbeiten. Mir war klar, dass ich meine Arbeit verlieren würde», erinnert sich der Japan-Experte. Doch nach der Kündigung zuhause rumzusitzen kam für den Hobby-Marathonläufer nicht in Frage. Nach drei Monaten Vorbereitungszeit flog er nach Hokkaido, um Japan zu Fuss zu durchqueren. Die Vorstellung mancher Europäer, das Land sei nun für alle Zeiten unbegehbar, wollte Köhler nicht auf den Inseln sitzen lassen. Jeden Tag, egal wie müde oder wie schlecht die Internet-Verbindung war, bloggte er. Als ein japanischer Journalist darauf aufmerksam wurde, war es vorbei mit der Ruhe. Überall im Land musste der Winterthurer Interviews geben und wurde von Einheimischen mit Schweizerfähnli begrüsst. Für die Menschen dort wurde er zu einem Symbol für Normalität. «Von der Reserviertheit, die dem Volk nachgesagt wird, spürte ich nicht das Geringste», sagt Köhler rückblickend. Nicht selten wurde ihm auf seiner Wanderung ein Schluck Reiswein angeboten oder gar ein Bett zum Schlafen. «Negativ: nichts», schrieb er jeden Abend in seinem Blog. Für seine Marsch-Aktion wurde Köhler jetzt mit einem Talisman aus der Präfektur Fukushima geehrt, einem Okiagari-Koboshi, dem traditionellen, japanischen Stehaufmännchen. SL Der Dokumentarfilm «negativ: nichts» feiert im September in Zürich und Tokio Premiere. www.japanfenster.ch


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Auch Europa hat   eine traditionelle Naturheilkunde Die traditionelle chinesische Medizin (TCM), die übrigens erst in der Not der Kulturrevolution aus den überlieferten Praktiken zusammengestellt wurde, kennt heute jeder. Aber wussten Sie auch, dass es eine «traditionelle europäische Naturheilkunde» (TEN) gibt. Sie steht für das Jahrtausende alte Medizinsystem, das erst im 19. Jahrhundert durch die heutige Schulmedizin weitgehend ersetzt wurde. TEN ist entsprechend mehr als nur eine Sammlung diagnostischer und therapeutischer Methoden, sondern eine eigenständige «Heilkunst nach den Gesetzen und mit den Mitteln der Natur». Zum ersten Mal werden nun in einem Buch die verschiedenen Elemente der TEN zu einem systematischen Ganzen zusammengefasst. Viele ihrer Methoden wie die Heilpflanzenkunde, Schröpfverfahren oder Kneipp-Anwendungen sind zwar feste Bestandteile der Alternativmedizin, werden aber meist losgelöst von ihren traditionellen Wurzeln praktiziert. Darunter leidet ihre Effizienz, denn erst die Integration in das ursprüngliche Medizinalkonzept ermöglicht eine wirklich naturgemässe und vor allem individuelle Gesundheitspflege und Behandlung kranker Menschen. Mit «Grundlagen der Traditionellen Europäischen Naturheilkunde» legen die Autoren – erfahrene Naturheilpraktiker, die seit Jahren in ihren Praxen mit der TEN arbeiten – den Grundstein für die Definition des TEN als Fachrichtung innerhalb der Alternativmedizin und haben gleichzeitig ein Lehrbuch für die Aus- und Weiterbildung von TEN-Therapeuten geschaffen. BM Christian Raimann et. al.: Grundlagen der Traditionellen Naturheilkunde. Bacopa Verlag 2012, 588 S., Fr. 106.- / 79,- Euro. Ausserdem: Die Akademie für Naturheilkunde in Basel bietet die Ausbildung zum Naturarzt ANHK, Fachrichtung TEN an. Studienbeginn ist der 20. August 2012. Informationen: Akademie für Naturheilkunde ANHK, Basel, Tel. 061 560 30 60, www.anhk.ch

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Vor langer Zeit ging in der damals noch namenlosen Provinz Dalarna im Herzen Schwedens ein Fichtensamen auf. 9500 Jahre später würden die Biologen Lisa Öberg und Leif Kullman den Baum nach Lisas sibirischem Husky «Old Rasmus» nennen. Es würde der älteste Baum der Erde sein. Einer, der den Stürmen des Urmeeres trotzte, Meteoriten-Einschläge, Dürren und eisige Winter überlebte. Auch wenn «Old Rasmus» über ein ausgedehntes Wurzelsystem verfügt – die Fichte mit den 9500 Jahresringen ist aus ihm nie geworden. Umgäbe seinen Fuss nicht dieses eigenartige Nest aus Ästen und abgestorbenen Zweigen, könnte man ihn für ein vom Wind zerzaustes, zwanzigjähriges Bäumchen halten. Dass er aber kein Baum ist, an dem man einfach vorbeigehen sollte, hat er nun der Wissenschaft bewiesen. Während schwedische Forscher bisher der Ansicht waren, Fichten seien ver-

gleichsweise junge Einwanderer, gab «Old Rasmus» den Anstoss zu weiteren Untersuchungen. So fand man zwischen Dalarna und Lappland 20 Fichten, die über 8000 Jahre alt sein könnten. Auch der Methusalem selbst blieb nicht ohne Nachkommen: Das scheinbare Geäst unter seinem Stamm identifizierten die Biologen als kleinwüchsige Nachkommen des alten Baumes. Die «Kleinen» sind bis zu 9000 Jahre alt. SL Quelle: scienceticker.info

Visionäre Landwirtschaft Gegen Depressionen   ist ein Kraut gewachsen Der Verein «Terre Vision» baut seit September 2011 in Biel und Umgebung eine Vertragslandwirtschaft auf. Seit diesem Mai erhalten die Konsumenten jede Woche feldfrisches Gemüse und Obst aus lokaler, kontrollierter und biologischer Produktion. Die Konsumenten wissen, woher Früchte und Gemüse stammen, die Bauernhöfe stehen Mitgliedern für Besuche und Auskünfte offen. Bislang liefern sechs Produzenten wöchentlich Gemüse und Früchte nach Biel. 35 Personen haben bisher ein Gemüse-Abo gelöst. Ziel sind 50 bis Ende Jahr. Es gibt ein kleines Abo für 1 bis 2 Personen für 20 Franken die Woche und ein grosses für 3 bis 4 Personen für 35 Franken. Die Körbe können an der Verteilzentrale anhand einer Liste selber zusammengestellt werden. Neben Gemüse, Früchten, Beeren und Obstsaft steht auch die Lieferung von Brot, Fleisch und Milchprodukten zur Diskussion. BM Terre Vision, 2503 Biel, Tel. 032 322 86 66, www.terrevision.ch

Johanniskraut ist die beliebteste pflanzliche Arznei gegen Depressionen. Aber wirkt es tatsächlich? Die renommierte «Cochrane Collaboration» gab eine Studie in Auftrag. Was Freunde der Naturmedizin schon lange wissen, liegt nun auch schwarz auf weiss vor: «Die Johanniskraut-Präparate waren Placebos deutlich überlegen und ebenso effektiv wie die üblichen Antidepressiva, nur ohne deren Nebenwirkungen.» Interessant: Im deutschsprachigen Raum, wo die medizinische Verwendung von Johanniskraut eine lange Tradition hat, zeigten die Studien bessere Ergebnisse als in anderen Regionen. Ein Argument, das bisher gegen die Einnahme von Johanniskraut sprach, war die Lichtempfindlichkeit. Diese ging auf die Erfahrung zurück, dass helle Weidetiere, die zu viel vom Kraut fressen, Überempfindlichkeitreaktionen wie Bläschenbildung und Hautausschläge zeigen. Eine Studie konnte aber nun die photosensibilisierende Wirkung beim Menschen widerlegen. Reaktionen von Überempfindlichkeit treten beim Menschen erst bei einer starken Überdosierung auf. SL


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hinter dem Schleier der Propaganda Sechzehn deutsche Journalisten, Fotografen und Intellektuelle machten sich auf in den Iran, um hinter die Kulissen der westlichen Propaganda zu schauen und sich ein eigenes   von Jürgen Elsässer Bild zu machen…

A

nkunft Imam Khomeini-Airport, 19. April, kurz vor Mitternacht. Wir verlassen den Terminal und steigen in unseren Reisebus. Die Fahrt zu unserem Hotel im Norden der iranischen Hauptstadt sollte über eine Stunde dauern. Das lag einerseits an den gewaltigen Abmessungen Teherans, das heute mit zwölf Millionen Einwohnern so gross wie London ist. Andererseits und vor allem an der verstopften Stadtautobahn: Trotz nachtschlafender Stunde gab es nur stop-and-go, Stossstange an Stossstange – und das auf einer gut ausgebauten Strecke mit bis zu zehn Fahrspuren in einer Richtung.

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Dieser erste Eindruck sollte während unserer zehntägigen Reise immer wieder neu belebt werden: Die Dynamik des Landes, seine Modernität – bis hin zu deren Schattenseiten wie dem drohenden Verkehrsinfarkt. Dabei liegt das Land seit Mitte der 1990er Jahre unter Sanktionen, die, von den USA ausgehend, mittlerweile von allen westlichen Staaten (der selbsternannten «internationalen Gemeinschaft››) übernommen wurden und ständig verschärft werden. Ich kannte ein anderes Land, das unter einer Wirtschaftsblockade litt – Jugoslawien. Mitte und Ende der 1990er Jahre war ich regelmässig in Belgrad und bekam einen Eindruck von den Auswirkungen: Die

Foto: AFP

Horizonte erweitern


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Kuppel der Sheikh-Lotf-Allah Moschee in Isfahan, Iran (Foto: Phillip Maiwald)

Achtung: Es wird scharf geschlammt Die Iran-Reise der Gruppe um Jürgen Elsässer hat in Deutschland einen mittleren Mediensturm ausgelöst. Im Zentrum: Der FDP-Landtagskandidat Clemens Hübscher, der den «Irren von Teheran» besucht und dem «Diktator» sogar die Hand geschüttelt hat. Trotz seiner Verdienste um das HolocaustGedenken wurde er aus der «Gesellschaft für deutsch-jüdische Zusammenarbeit» ausgeschlossen. Besonders heftig reagierte die linke Presse. Für sie ist Jürgen Elsässer, der ehemalige Mitarbeiter von «Konkret» und «Neues Deutschland» sowie Mitbegründer der «Jungle World» ein rotes Tuch, seit er sich u.a. dafür stark macht, dass sich die Nationalstaaten gegen das internationale Finanzkapital zur Wehr setzen, z.B. durch eine Rückkehr zur D-Mark. Christian Böhme, langjähriger Chef der Allg. Jüdischen Wochenzeitung, bezeichnete in der Jungle-World die Gruppe als «selbst ernannte Durchblicker» und als «Diktatoren-Groupies». (Der Text ist in ganzer Polemik unter www.jungleworld.com zu finden). Im Kampf um die Medienhoheit zum Thema Iran wird scharf geschossen, meist mit Schlamm. Der vorliegende Text stammt aus dem von Elsässer verantworteten Monatsmagazin «Compact», das eine Gegenöffentlichkeit zu den MainstreamRealitäten schaffen will. CP www.compact-magazin.com

Strassen voller Schlaglöcher, die Autos alt und zerbeult, an den Häusern selbst in der Innenstadt bröckelte der Putz, auch in den besten Hotels fiel der Strom aus. Nichts davon in Teheran. An jeder Ecke, buchstäblich auf Schritt und Tritt, werden Apartmenthäuser hochgezogen, die Strassen sind gepflegt, die PKW grösstenteils neuerer Bauart. Wer vor 20 Jahren den Bauboom im wiedervereinigten Berlin miterlebt hat und im Geiste dessen Tempo verdoppeln würde, könnte sich ein Bild von Teheran 2012 machen. Die Hoffnung des Westens, man könnte das Land aufgrund seiner fehlenden Raffinerien in der Benzinversorgung austrocknen, hat offensichtlich getrogen. Man sagt uns, seit letztem Jahr sei der Iran autark bei der Spritversorgung. Das können wir nicht nachprüfen, aber wir sehen den nie enden wollenden Verkehr, und wir sehen an den Tankstellen den ausgehängten Literpreis von umgerechnet 30 Cent. In der englischsprachigen Tehran Times ist zu lesen, dass der Ölexport im Februar gestiegen sei – trotz des totalen Kaufboykotts der westlichen Staaten. Was ich damit sagen will: Durch wirtschaftliche Strangulierung wird man dieses Land nicht kleinkriegen. Es hat zu viel eigene Ressourcen, vor allem Öl und Gas. Am nächsten Tag besichtigen wir das Autowerk Saipa. Dort rollen jeden Tag 1 100 Mittelklassewagen vom Band, Stückpreis umgerechnet 3 500 Euro. Kein Wunder, dass ein solches Schnäppchen Abnehmer findet: Die grösste Kfz-Fabrik im Nahen Osten exportiert in alle arabischen und zentralasiatischen Länder, in Venezuela und Syrien hat sie eigene Fertigungsstätten. Seit der französische Partner Renault im Zuge der Embargoverschärfung ausgestiegen ist, werden alle Teile komplett im Inland produziert. Die 9 000 Kollegen arbeiten im Dreischicht-Betrieb und bringen monatlich 700 bis 1 000 Euro nach Hause. Das liegt über dem Durchschnittslohn im Iran, und die Miete in der Hauptstadt frisst davon auch noch 200 bis 400 Euro weg. Aber dennoch ist der Lebensstandard für die Masse des Volkes in dem vermeintlichen Schurkenstaat höher als selbst in den osteuropäischen Mitgliedsländern der Europäischen Union: Nirgends sieht man Bettler und Elendsquartiere, die Mehrzahl der Wohnungen in der Hauptstadt wurde in den letzten 20 Jahren gebaut. Was vor allem sensationell ist: Im Iran werden in der Industrie und beim Staat nur sechs Stunden pro Tag und 30 Stunden pro Woche gearbeitet. Statt Samstag und Sonntag, wie bei uns, sind Donnerstag und Freitag frei. Hinzu kommt die Erfüllung einer Forderung, die hierzulande vor allem Grüne und Linke – bis dato vergeblich – erhe-

ben: Es gibt ein garantiertes Grundeinkommen, monatlich etwa 50 Euro pro Person. Eine vierköpfige Familie kann so vom Staat 200 Euro extra kassieren. Da es keine bürokratische Kontrolle dieses Anspruches gibt, können die Bürger damit auch ihren Lohn aufstocken. Ein Exiliraner in Berlin sagte mir, dass selbst in Deutschland lebende Landsleute mit Hilfe von Konten im Iran an diese Zahlungen gelangten. Mit diesem Grundeinkommen hat Präsident Mahmud Ahmadinedschad bei den Armen gepunktet. Vorher gab es nämlich Subventionen für Einzelartikel, etwa für Benzin, Heizöl, Kleidung und Nahrungsmittel. Da die Reichen sich davon mehr kaufen konnten, waren auch ihre Zuschüsse höher. Die Umstellung der Stütze auf das Pro-Kopf-System wirkte egalitär und stellte Familien, die kein Auto, aber mehrere Kinder haben, besser als zuvor. Zu den Schattenseiten der Wirtschaftsentwicklung gehört die trabende Inflation, die nach inoffiziellen Angaben bei über 20 Prozent liegt. Doch wir wollen uns nicht im ökonomischen Klein-Klein verlieren, sondern gleich ans Eingemachte gehen: Was nützt der ganze wirtschaftliche Fortschritt, wenn er mit Einschränkung von Freiheitsrechten, Folter, Steinigung und Todesstrafe einhergeht? Gab es nicht auch unter Hitler und Stalin beeindruckende Wachstumsraten, und würde dies irgendein vernünftiger Mensch als Pluspunkt bei der Beurteilung dieser Diktatoren, sozusagen als mildernden Umstand, gelten lassen? Es soll nicht beschönigt werden, dass es diese Menschenrechtsverletzungen im Iran gibt. Die Berichte von Menschenrechtlern sind bedrückend. Und eine Aufrechnerei kann nur im Zynismus enden: Der Schmerz einer Mutter, deren Sohn in einem Gefängnis gefoltert wurde, wird nicht dadurch geringer, dass ihre Tochter eine gut bezahlte 30-Stunden-Woche hat. Und doch sollte man die Unterschiede zum Nationalsozialismus und Bolschewismus im Auge behalten: Der NS-Staat war ein rassistisches Regime, eines seiner wichtigsten Ziele war die Ausrottung der Juden. Im Iran aber geniessen die ]uden nicht nur volle Religionsfreiheit, sie haben auch ihre eigenen Parlamentsabgeordneten (ebenso wie die Christen und die Zarathustra-Anhänger). Und die Oktoberrevolution war der Putsch einer relativ kleinen Avantgarde und die daraus entstandene «Diktatur des Proletariats›› notwendiger weise die Herrschaftsform einer Minderheit. Im Unterschied dazu war die Islamische Revolution gegen den Schah im ]ahre 1978 ein Aufstand fast des ganzen Volkes. Die Mehrheitsverhältnisse waren so eindeutig, dass die Soldaten des alten Regimes angesichts der demonstrierenden Millionen ihre Gewehre wegwarfen – der Macht-

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Nicht ohne Folgen… Eine Woche nach der Rückreise war auf Elsässers Blog zu lesen: «Gibt man bei ‹google news› den Namen von Claus Hübscher ein, kommt man derzeit auf 53 Treffer. Vom Ostfriesischen Kreisanzeiger bis zum Oberammerauger Liebfrauenboten wurden die Praktikanten in Marsch gesetzt, um einer vom anderen abzuschreiben, selbst Radio und Fernsehen müssen mitmachen: Claus Hübscher, einer der 15 Mitreisenden auf der Iran-Reise, ist nämlich FDP-Landtagskandidat in Delmenhorst. Jetzt heisst es, er habe dem ‹Diktator› die Hand geschüttelt, dem ‹Irren von Teheran›, den Holocaust ‹verharmlost›, sei der neue Möllemann etc. Die FDP solle ihn rausschmeissen etc.» Auch die anderen Mitreisenden bekamen ihr Fett ab. Als Beispiel ein Zitat aus der jungle-world.com: «Vielleicht war der FDP-Mann so mutig, weil er in Teheran mehr als ein Dutzend aufrechter Mitstreiter an seiner Seite wusste. Menschen, die wie Ahmadinedschad Probleme mit Juden haben, Israel für die grösste Bedrohung des Friedens halten und ‹den Westen› und die US-Regierung zum Teufel wünschen. Und die fest davon überzeugt sind, dass die Welt eine einzige grosse Verschwörung ist. Jürgen Elsässer zum Beispiel gehört zu diesen Menschen. Der Mann war mal Zu Besuch beim Chef in der ersten Reihe (v.l.n.r.): Andreas Neumann, Anneliese Fikentscher, Frau und Herr Özoguz, Claus Hübscher, Mahmud Ahmadinedschad, Jürgen Elsässer, Gerhard Wisnewski, Elias Davids­son.

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wechsel war weitgehend unblutig. Dass sich das in der Folge änderte, hängt auch mit dem Überfall des Irak 1980 zusammen. Während der – vom Westen finanzierten und munitionierten – achtjährigen Aggression Saddam Husseins starben 300 000 Iraner. Trotz der Repressalien gegen – vermeintliche und echte – 5. Kolonnen des Feindes büsste die religiöse Führung des Landes in diesem Abwehrkampf nichts an ihrer Popularität ein. Das ist auch der Grund, warum die Islamische Republik bis heute als Demokratie funktionieren kann. Es wird auf allen Ebenen gewählt, ganz anders als in den Golfstaaten und Saudi-Arabien. Und es gibt eine Gewaltenteilung: Ahmadinedschad als Präsident bestimmt die aktuelle Politik, aber im Parlament – auch das haben wir live erlebt – wird scharf gegen ihn geschossen, und der mächtige Wächterrat verhindert, ganz wie unser Verfassungsgericht, Verstösse von Legislative und Exekutive gegen die Grundlagen des Staates. Dass dieser Wächterrat bestimmte Kandidaten bei Präsidentschaftswahlen nicht zulässt, sollten die USA übrigens besser nicht kritisieren: Auch dort gibt es eine solche Vorauswahl, nur nimmt sie nicht die Hohe Geistlichkeit vor, sondern das Grosse Geld. Wer nicht die Unterstützung des Finanzkapitals hat, wird in God‘s Own Country nie zu den Präsidentschaftswahlen antreten können. Was die Islamische Republik so stabil macht, konnten wir beim zentralen Freitagsgebet in Teheran erleben: Der Prediger, Ajatollah Dschanatti, brach in Tränen aus, als er über das Schicksal der Prophetentochter Fatima sprach – und viele der 100 000 Gläubigen auf dem Riesenareal weinten mit ihm. Das für uns Westler schwer Verständliche ist, dass diese Erinnerung an Ereignisse vor fast 1 500 Jahren

für die Schiiten keine religiöse Folklore ist, sondern aktuelle politische Handlungsanleitung: Sie assoziieren die Kalifen, die sich (unter anderem) durch die Tötung Fatimas den Weg zur Nachfolge Mohammeds freikämpften, mit dem Macht- und Geldprinzip, das heute in den westlichen Staaten ebenso dominiert wie etwa in Saudi-Arabien. Demgegenüber verträten nur sie, die Partei (Schia) des von Mohammed designierten Nachfolgers AU, die Reinheit des Glaubens ohne persönliche Bereicherung. Aus dieser Lesart der islamischen Geschichte ergibt sich ein starker sozialrevolutionärer Impuls, der den Iran auf den ersten Blick aussehen lässt wie früher die sozialistischen Staaten: Überall hängen in Teheran die riesigen Porträts der Revolutionsführer Khomeini und Chamenei, so wie früher in Moskau die Konterfeis von Marx und Lenin. Auch die Slogans auf den Spruchbändern («Für die Unterdrückten auf der Welt!») sind ähnlich. Dies zeigte sich auch bei unserem Empfang bei Ahmadinedschad. Er sprach mit uns weniger über aktuelle Politik, als über Philosophie und Religion, etwa dass alle Menschen unabhängig von Hautfarbe und Religion Brüder seien und denselben Gott hätten. Ganz besonders appellierte er an uns als Christen: Der jüngste Tag, der Gerechtigkeit auf Erden bringen soll, werde angekündigt durch die gemeinsame Wiederkehr des «verborgenen Imam» in Begleitung von Jesus Christus. So eine Rede hätte ich vom Dalai Lama erwartet, aber nicht von einem Politiker. Aber genau in dem, was wir beim Freitagsgebet und bei Ahmadinedschad erlebt haben, liegt die Stärke des Iran: Dass der Staat die spirituellen Kraftquellen des Volkes, vor allem die religiösen Werte und Traditionen, als Leitlinie für die Politik (und für das Alltagsleben) erschlossen hat und ständig weiter erschliesst. Dabei ist mir klar geworden, dass die Islamische Republik als Vorbild für unsere europäischen Völker nicht geeignet ist, weil deren Religion und Traditionen einfach nicht die unseren sind, und jeder Versuch, diese uns überzustülpen, nur mit Mord und Totschlag enden könnte. Die Schiiten, übrigens im Unterschied zu Salafisten und Wahhabiten saudischer Provenienz, scheinen das auch verstanden zu haben. Modell kann der Iran aber insofern sein, als dass ein Volk nur dann zu sich selbst finden und einen stabilen Staat aufbauen kann, wenn es die Wurzeln der je eigenen Kultur und des je eigenen Glaubens wiederfindet und pflegt. In diesem Sinne ist es eigentlich ein Segen, dass der gegenwärtige Papst ein Deutscher ist. Wann reist Benedikt XVI. nach Teheran und betet mit Imam Chamenei für den Frieden der Welt?


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«Die Universität der Wildnis» Immer wieder reiste er in sein «heiliges Land». In der Wildnis holte sich John Muir, der schottisch-amerikanische Universalgelehrte und Pionier des Naturschutzes die Kraft für sein Lebenswerk. In den USA eine Berühmtheit, bei uns fast unbekannt, ist Muir ein Mensch, von dem wir einiges für unsere Reise mitnehmen können.   von Dieter Steiner

I

ch wanderte von Fels zu Fels, von Fluss zu Fluss, von Hain zu Hain. ... Wenn ich eine neue Pflanze entdeckte, setzte ich mich für eine Minute oder einen Tag neben sie, um Bekanntschaft zu schliessen und zu hören, was sie zu erzählen hatte.» So beschrieb John Muir seine Art, wissenschaftliche Feldarbeit zu betreiben. Er leitete seine Befunde aus der direkten Begegnung mit der Natur ab, orientierte sich an der «Universität der Wildnis». Geschriebenes war von geringerem Wert. «Sich einen Tag lang in den Bergen aufzuhalten ist besser als Fuhren von Büchern», steht in seinem Tagebuch. Dieses Werturteil bringt aber auch zum Ausdruck, dass er sich selbst als unfähig betrachtete, das Erfahrene adäquat zu Papier zu bringen. Er selber liess sich durchaus auch von Büchern über die Natur inspirieren. Wer aber war John Muir? Ein 1838 geborener Schotte, der als Jüngling ein hartes Farmleben in Wisconsin mitmachte und mit 22 Jahren das Weite suchte, um sich aus den Fängen eines tyrannischen Vaters zu befreien. Nach Zwischenstationen, darunter einem halben Studium an der University of Wisconsin in Madison, landete er in Kalifornien. Da entdeckte er die überwältigende landschaftliche Szenerie der Sierra Nevada, die Berge mit Schnee und Eis, die Canyons mit steilen Felswänden und Wasserfällen, die riesigen, oft mehrere tausend Jahre alten Mammutbäume. Ein achtsamer Besucher wie Muir konnte davon nicht unberührt bleiben: Dies war ein heiliges Land. Nicht die von Menschen errichteten Kirchen, sondern die hiesigen Wälder waren «Gottes Tempel». Diesem Juwel drohten aber Gefahren: Nachdem die Indianer beiseite geräumt waren, betrachteten viele der weissen Ein-

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1903 lud John Muir (r.) den amerikanischen Präsidenten (l.) Theodore Roosevelt zu einem mehrtägigen Camping in den Yosemite-Nationalpark ein. Das Resultat war u.a. ein verbesserter Schutz des Parks.

wanderer die staatlichen «public lands» als Selbstbedienungsladen. Riesige Schafherden frassen alles kahl, und Holzfäller rückten den Baumriesen zu Leibe. Muir machte sich erste Gedanken über Naturschutz und begann trotz seiner Bedenken zu schreiben. Mit einer Mischung von wissenschaftlicher Exaktheit und poetischer Emotionalität versuchte er den Graben zwischen «dem Genauen und dem Mächtigen» (Karl Schmid) zu überbrücken. In dieser Zeit wurde Muir zu einem Zivilisationsflüchtling, allerdings einem nie gänzlich überzeugten. Zwar pflegte er zu sagen, in die Berge zu gehen sei gleichbedeutend mit nach Hause zu kommen, aber er vermisste dabei die auch ihm teure Geselligkeit unter Menschen. Nach langen abenteuerlichen Jahren kippte Muirs Leben auf die sesshafte Seite: Er wurde Ehemann und Familienva-

ter und gut verdienender Früchteproduzent, was ihm aber sowohl physisch und psychisch nicht bekömmlich war. Mit seiner Ranch trug er selbst zur rasanten landschaftlichen Umwandlung Kaliforniens bei, die ihm im Innersten doch zuwider war. Nach zehn Jahren befreite er sich von der Rancharbeit, engagierte sich fortan bei politischen Naturschutzkampagnen und unterstützte die­se mit der Veröffentlichung von Artikeln und Büchern. Sein grösster Erfolg war die Gründung des Yosemite-Nationalparks 1890, seine grösste Niederlage der Entscheid von 1913, für die Wasserversorgung San Franciscos das innerhalb der Parkgrenzen liegende Hetch-Hetchy-Tal einem Stausee zu opfern. Es ist wahrscheinlich, dass dieser Tiefschlag das Ende Muirs beschleunigt hat: Er starb am Weihnachtstag 1914. Mit dem Leben und Wirken des bei uns praktisch unbekannten Muir ist eine Botschaft verbunden: Ob wissenschaftlich oder nicht, unser heute teilnahmsloses Verhältnis zur Natur muss wieder etwas von der Muirschen Achtsamkeit annehmen, wenn wir unseren Planeten nicht flächendeckend ruinieren wollen. Dies kann auch so beginnen, wie Mike van Audenhove es in einem seiner unnachahmlichen Comics dargestellt hat: Ein Mann im Auto sitzt im Stau fest und steigt zum Zeitvertreib aus. Dabei entdeckt er ein aus dem Asphalt des Trottoirs spriessendes Blümchen. Er steigt wieder ein und sagt zu sich selbst: «Moll, so öppedie verusse cho, das mach i glaub öfter.»

Dieter Steiner: Die Universität der Wildnis – John Muir und sein Weg zum Naturschutz in den USA. oekom Verlag, 2011. 402 S., Fr. 42.- / 23,99 Euro.


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KAISER&SCHMARRN

& SCHMARRN Grüssgott! sagt Billo Heinzpeter Studer KAISER

Ich berichte in dieser Kolumne über Österreich durch mein Schlüsselloch in Graz. Seien Sie froh, dass ich nicht in Wien sitze! Da erführen Sie vom Land ähnlich wenig wie von der Schweiz aus dem Mund eines Zürchers, der seine Stadt bekanntlich nur ferienhalber verlässt: Richtung Ausland. Überhaupt tragen Wienerenen*, Zürcherenen oder Pariserenen die Nase so hoch, dass sie gar nichts beobachten können. Der Blick aus der etwas abseits liegenden, zweitgrössten Stadt des Landes ist gerade richtig. Hier werden keine Stereotype bedient. Natürlich ist die Mehrheit der Österreicherenen ziemlich deppert. Das gilt bis auf weiteres für die Mehrheit jedes Volkes. Andernfalls sähe es auf der Welt gemütlicher aus. Meine Sehhilfen sind: Erstens die «Kleine Zeitung», eine südösterreichische Mischung aus Käseblatt und Blatt von Welt, zweitgrösste Tageszeitung des Landes, mein tägliches Leibblatt dank flotter Schreibe und toilettengängigem Tabloidformat. Zweitens das «Megaphon», von der steirischen Caritas herausgegebenes und frei heraus gemachtes Grazer Strassenmagazin, sowie andere zufällig ergatterte Zeitschriften. Und drittens Beobachtungen bei Bahnfahrten quer durchs Land und Austausch mit Freundenen querfacebook. Interpretationshilfen sind meine Lebenserfahrungen aus einem andern Land, das ich kenne wie meinen Hosensack. Stolpern ist dabei nicht ausgeschlossen, zum Beispiel über Sprachschwellen zwischen helvetischem und austrianischem Deutsch. Fritaten- statt Flädlisuppe, Gustostückerl statt Filet, Marille statt Aprikose: das ist erlernbar – aber was bitte, wenn das selbe deutsche Wort hier eine andere Bedeutung hat als dort? Was heisst schon Deutsch? Wenn die Menschen in Österreich und der Schweiz

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etwas eint, ist es Distanz gegenüber den «echten» Deutschen, welche die beiden ähnlich kleinen Alpenrepubliken sozusagen als Provinzen mit niedlichen Dialekten betrachten. Der Schweizerenen vom ersten Schuljahr an innewohnende Komplex gegenüber den «richtig» Sprechenden aus dem Norden verfliegt beim Aufenthalt im östlichen Nachbarland: man spricht gleichermassen «falsch», aber eigen und darum echt. Die Abwehrreflexe sind freilich dies- und jenseits des Alpenrheins durchaus unterschiedlich. Der Anschluss ans tausendjährige Reich war manchem im kurz zuvor kleingestutzten Österreich noch so recht; in der Schweiz hingegen waren Anschlusswillige schon damals verpönt. Eher unbeliebt sind Deutsche in Österreich heute wohl nicht zuletzt, weil – anders als in der Schweiz – Teile der heimischen Wirtschaft vom Norden aus dirigiert werden. Die Supermarktketten Billa, Merkur und Penny gehören dem Kölner Rewe-Konzern, die Hofer-Kette dem Discounter Aldi, das Boulevardblatt Krone zur Hälfte der mächtigen WAZ-Mediengruppe mit Sitz in Essen, die serbelnde AUA der Lufthansa. Das Beispiel mit der Airline kennen Schweizer aus eigener Anschauung, jenes mit den Supermärkten haben sie wohl längst vergessen. 1993 hatte die Migros zahlreiche Läden in Österreich zusammengekauft, um für ihre eigenen Produktionsbetriebe Absatz im Ausland zu schaffen; doch nach wenig mehr als einem Jahr zog sie sich Hals über

Natürlich ist die Mehrheit der Österreicherenen ziemlich deppert. Das gilt bis auf weiteres für die Mehrheit jedes Volkes. Andernfalls sähe es auf der Welt gemütlicher aus.

Kopf zurück, unter Verlust einer halben Milliarde Franken – der helvetische Charme des Konsumierens war hierzulande wenig gefragt und der austrianische Schlendrian im Umgang mit Leichen im Keller war den Zürchern ein Greuel. Ein wenig Migros-Feeling gibt’s heute immerhin für die Kundschaft der selbständigen österreichischen Spar-Gruppe, vom S-Budget-Programm bis zu Frey-Schokolade. Auf Anhieb scheint leicht erkennbar, dass sich Österreicherenen vieles gefallen lassen. Doch ihre westlichen Nachbarenen brauchen sich gar nicht ins hohlen Schweizerkreuz zu werfen: Sie lassen sich genau so sehr übern Tisch ziehen. Mobiles Internet, das ich – oft unterwegs – häufig gebrauche, ist in der Schweiz ein Mehrfaches teurer. An der Technik kann der Unterschied nicht liegen. Vermutlich haben sich Helvetenen einfach daran gewöhnt, dass man ihnen schamlos das Geld aus der Tasche zieht, egal, wie billig der Anbieter sich gibt. Auf viel zu grossem Fuss lebt Österreich vor allem anderswo: nämlich weit über seine politischen Verhältnisse. Mit der höchsten Parteienfinanzierung der Welt. Mit Skandalen, die anderswo ein Land erschüttern würden. Mit Landeshäuptlingen, die alles blockieren. Mit Roten und Schwarzen, die gegen- und miteinander packeln, bis es ins blaue Auge geht. Mehr davon nächstes Mal. * Der Autor experimentiert hier. Er setzt den genderkorrekten Sprachkrücken eine neue, unbetonte, les- und sprechbare Neutralendung entgegen, die, wie in Österreich üblich, leicht nasal auszusprechen ist. Probieren Sie es aus. Billo Heinzpeter Studer pendelt der Liebe halber seit 2010 zwischen Winterthur und Graz, wo er seit seiner Pensionierung im April 2012 offiziell wohnt. www.communicum.ch Studer war Mitbegründer des Migros-Frühlings, Geschäftsführer von KAGfreiland und zuletzt Geschäftsführer von fair-fish.


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Horizonte erweitern

Ein Festival wie von einer anderen Welt Ein Empfang, wie er schöner nicht sein könnte: Inmitten freier Natur begrüssen uns Tausende von Lichtern, wir finden uns plötzlich in einem Zauberdorf mit einer künstlerisch gestalteten Bühne, reizenden Türmchen und einem zweistöckigen Restaurant aus Rundholzstämmen, Marktständen und einer Zeltstadt wieder, alles eingetaucht in eine magisch-feierliche Vollmondstimmung – ein wahr gewordener Traum!

Die OskarMaus-Feuernacht 2011 lässt einen erst lange nach Mitternacht wieder zu sich kommen. Ein Höhepunkt jagt den anderen: Auf Rigolos Wasser-Show folgt eine Feuer-Show, danach tritt die hölzerne

OskarsMaus auf, die, begleitet von mittelalterlichen Dudelsäcken, abbrennt und die Zuschauenden im Feuerregen tanzen lässt, bis die Aufmerksamkeit zur Bühne geht, wo der Abend mit einem genialen Konzert abgeschlossen wird. Als ehemalige SonntagsBlick-Party-Reporterin habe ich einige Dutzend Events erlebt, das aber war der Schönste und Berührendste – ever! Den Organisatoren ist gelungen, was der von einem Kinderbuch adaptierte Titel (Oskarmaus geht aus) verspricht: Oskar, eine Hausmaus, wird sich eines Tages eines Lichtstrahles gewahr, der an der Nase kitzelt. Als er den Kopf durch das Loch in der Wand steckt, fällt sein Blick auf einen bisher unbekannten Reichtum an Farben, Formen und Düften. Und genau dieses Eintauchen in eine neue Welt ist es, was die Macher um den Kultur-Unternehmer Ananda Geissberger mit ihrem WorldMusic-, Kunst- und Kulturfest erreichen wollen – und es wird ihnen sicher auch dieses Jahr gelingen, unvergessliche Erlebnisse in die Herzen der Besucher zu zaubern! Nell Andris 9. OskarMausFestival: Vom 31. August bis 9. September in Ganterschwil/SG, 3-Tagespass Wochenende (Perlen aus der World Music) Fr. 110.-, unter der Woche Workshops, Abendprogramm: Tagespass Fr. 15.-; Infos: www.oskarmaus.ch

Sommercamps: Experimentieren mit Lehm ecco terra organisiert seit 15 Jahren die etwas anderen Sommerferien für Experimentierfreudige, diesen Sommer ein Lehmerlebnislager für Familien (23.– 28. Juli 2012) und ein Camp «Grundlagen des Lehmbaus» für Selbstbauer (30. Juli – 4. August 2012). Die Durchführungsorte (Lieli/AG und Sternenberg/ ZH) bieten ideale Möglichkeiten für Lehmbau- und Spiel­ erlebnisse, Skulpturen- und Ofenbauen, Gruben- oder Fassbrand. Fachleute vermitteln praktische und theoretische Kenntnisse über Lehmbau, wie man die richtige Lehmmischung herstellt, Lehm stampft, Weidenruten zu einem Grundgerüst verflechtet, den aufbereiteten Lehm auf die Konstruktionen aufträgt, verputzt, modelliert und

verziert. Die Teilnehmenden üben sich in Kunst und probieren traditionelle Arbeitstechniken aus. CP Infos und Anmeldung: Verein Feuervogel, Lauigasse 8, 3076 Worb, Tel. 031 832 45 94, www.eccoterra.ch

Musik für Kinder – Rudra-Tour 2012 Wegen der schwierigen sozialen Umstände in Nepal verlieren viele Kinder ihre kulturellen Wurzeln und damit einen Teil ihrer Identität. Die Kunst- und Kulturinitiative «Imagine Rainbow» setzt sich dafür ein, dass diese Kinder weiterhin ein Instrument erlernen und Musikunterricht besuchen können. Finanziert werden die Projekte mit Benefizver-

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anstaltungen, Konzerten und CD-Verkäufen der Rudra Band. Sie ist demnächst auf Tournee in der Schweiz und spielt mit verschiedenen einheimischen Künstlern. Die Tour startet am 17. August in Gelterkinden (BL) und endet am 8. September am Oskar Maus Festival. BM Tour-Daten, CDs und Infos: www.imagine-rainbow.ch

Gaukler auf Probe das wünschen sich viele. Wer nicht gleich seine ganze Habe verschenken und mit ein paar Jonglierbällen in der Tasche losziehen will, kann das Gauklerleben am «Carpe Viam», dem internationalen Strassenkunstfestival, unverbindlich testen. Fünf Tage lang, vom 17. bis 22. August, wird Tübingen zur offenen Bühne. In kostenlosen Workshops kann jeder seine Talente entdecken, ausbauen und präsentieren. Aber auch während der vegetarischen Mittagsverpflegung sollte man die Augen offen halten, schliesslich könnten Leute vorbeigehen, mit denen man noch lange unterwegs sein wird. SL www.carpe-viam.org

Das Gemeinsame der Religionen verstehen «Unterschiedliche Formen der Mystik von fünf verschiedenen Religionen verstehen und das Gemeinsame feiern», das will ein Seminar des Zentrums für integrale Friedensförderung im «Zentrum der Einheit» auf der Schweibenalp ob Brienz. Sundar Robert Dreyfus, Arzt, Mystiker und Gründer des Zentrums der Einheit Schweibenalp, Anju Angelika Brendel, langjährige Zen-Praktizierende, Irene Latifa Weiss, Sufi-Lehrerin und Werner Binder, Psychotherapeut und christlicher Mystiker, führen die Teilnehmenden während fünf Tagen auf die mystischen Wege des Hinduismus, Zen-Buddhidmus, Sufismus, Judentum und Christentums. In Meditationen, Gebeten und Feiern wird das Verständnis für die mystischen Formen der einzelnen Religionen vertieft. Und durch Wandern im Schweigen verbindet sich die Seminargruppe immer wieder mit der Mystik der Alpenwelt. Das Zentrum für integrale Friedensförderung ist ein Projekt der Integralen Politik Schweiz und will dazu beitragen, den Frieden in sich selbst zu finden und die Kraft des Friedens nach aussen zu tragen. CP «Interreligiöse Mystik», 14. – 19. August, Schweibenalp. Infos: www.integrale-friedensfoerderung.ch


Horizonte erweitern

Agenda 22. – 24. Juni 2012

Jubiläumsfest 40 Jahre Salecina Salecina – Ferien- und Bildungszentrum, Postfach 107, 7516 Maloja Tel. 081 824 32 39 www.salecina.ch

30. Juni bis 15. September 2012

Zirkus Chnopf zeigt «Grenzland» – Tour 2012 Tournéedaten und Infos: www.chnopf.ch

8. bis 12. August 2012 Anarchistische Buchmesse und Internationales Anarchistisches Treffen Patinoire d‘Erguel (Eishalle), Beauregard 4 2606 Saint-Imier (Schweiz) www.buechermesse.ch www.anarchisme2012.ch

25. August 2012

Permakultur-Tag 2012 Permakultur Schweiz, Urban Agriculture Basel und Lebensmittel Gemeinschaft Basel laden zum gemeinsamen Fest am Samstag, 25. August 2012 ab 10 Uhr. www.urbanagriculturebasel.ch www.permakultur.ch

31. August Oskarmaus-Festival bis 9. September 2012 Tickets und Infos unter www.oskarmaus.ch oder bei OM Productions, St. Gallerstrasse 13, 9230 Flawil.

Vom 22. – 24. Juni findet ein Fest zum 40-jährigen Bestehen der Stiftung Salecina statt. Um alle Gäste aufnehmen zu können, darf an dem Wochenende um das Haus herum gezeltet werden. Von Freitag bis Sonntag werden kostenlose Workshops zu Themen wie «alternative Ökonomie» und «gut leben statt viel haben» stattfinden. Musik wird auch gemacht, eine Lesung sowie eine Podiumsdiskussion zur Zukunft Salecinas sind vorgesehen.

Vertreter anderer selbstverwalteter Häuser/ Institutionen sind eingeladen, sich zu präsentieren und in einen Erfahrungsaustausch mit unserem Haus einzutreten.

Ein zirzensisches Traummärchen für alle Träumer ab 5 Jahren. In der jüngsten Chnopf-Produktion begeben wir uns mit einem Mädchen in eine Welt zwischen Wach und Schlaf, wo Fantasie und Realität verschmelzen. Auf der Flucht von ihrem grauen Alltag verirrt sie sich in einem Labyrinth aus Träumen, aus dem sie kein Zurück mehr findet. Denn wie wacht man auf, wenn man nicht mehr weiss, ob man wach ist oder schläft? Und: Sind unsere Träume eigentlich nicht genau so reell wie die Welt des Wachseins?

Mit dem Stück «Grenzland» geht der Zirkus Chnopf im Sommer 2012 zum 23. Mal auf Tournee. Jugendliche haben wieder die Möglichkeit, erste künstlerische Erfahrungen zu sammeln. Daneben gibt es kulturelle Animation während der Tour, z.B. Projekte mit Bewohnern, Begegnungs- und Zirkuswochen für Menschen mit und ohne Behinderungen sowie Schülervorstellungen.

2010 fand zum ersten Mal in Biel eine anarchistische Buchmesse statt. Mit gut 500 BesucherInnen, mehr als zwei Dutzend Ausstellern und einer kleinen, aber feinen Auswahl an Vorträgen zur Theorie und Praxis des Anarchismus war diese Veranstaltung ein Erfolg.   Die Buchmesse bietet jährlich einen Überblick über die Publikationen antiautoritärer, herrschaftskritischer Verlage und Organisationen aus der ganzen Welt. Parallel zum Anlass finden Lesungen und Vorträge statt.

Diesen Sommer findet zudem in der Nähe von Biel im Bernerjura in St. Imier ein anarchistischer Kongress statt (8. bis 12. August 2012). Für die Organisatoren der Buchmesse war schnell klar, dass die Buchmesse einige Kilometer verlegt wird, um den AusstellerInnen und BesucherInnen eine zweite Anreise zu ersparen.

Dieses Jahr findet der PermakulturTag zum ersten Mal in einer Stadt, im Permakultur-Gemeinschaftsgarten Landhof in Basel, statt. Alle Interessierten sind eingeladen, am Fest teilzuhaben, mitzufeiern und ihr eigenes Engagement zu zeigen. Unsern Gästen möchten wir mit einem vielfältigen Angebot an Workshops, Vorträgen und Filmen die vielen Facetten der Permakultur zeigen.

Ein bunter Markt mit Verkaufsständen & kulinarischen Genüssen lädt zum Verweilen ein.   Wir sind auf der Suche nach interessierten Menschen, die mit ihrem Wissen oder ihren Produkten gemeinsam mit uns zum Gelingen des Permakulturtages beitragen möchten. Wer sich für eine Teilnahme am Permakulturtag in Basel interessiert, kann sich bis am 13. Juli anmelden unter: festen@urbanagriculturebasel.ch

10 Tage voller Kunst und Magie … Das Oskarmaus-Festival in der Nähe von Herisau (SG) bietet Konzerte und Workshops. An zwei Wochenenden locken musikalische Perlen aus der ganzen Welt.   Die Gäste erwarten ausdrucksstarke Künstler verschiedenster Kulturen, die tief verwurzelte Traditionen in die Moderne

weitertragen. Musik voller Feuer und Emotionen lädt ein zum Tanzen oder Träumen. Daneben sorgen Show- und Zirkusleute für verschiedene Performances und Theaterstücke. Aber auch die Spontanität soll nicht zu kurz kommen: Wer selber etwas performen möchte, ist herzlich eingeladen, die Bühne zu nutzen.

Anmeldungen für das Fest oder einen Aufenthalt zu einem anderen Zeitpunkt unter www.salecina.ch. Dort findet sich auch das genaue Festprogramm sowie die Übersicht zu den Seminaren, die in diesem Jahr noch stattfinden.

Die Vorstellungen sollen für alle zugänglich sein. Deshalb finden die Produktionen unter freiem Himmel statt und der Eintritt ist frei.

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Leserbriefe

Leserbriefe@zeitpunkt.ch Blinde Selbstüberschätzung «Das Leben selbst in die Hand …», ZP 117 Sarita Walther begründet den Selbstunterricht ihres Kindes damit, dass Kinder an öffentlichen Schulen an der Realität des Schulalltags scheiterten. Jedes Kind sollte das lernen, woran es momentan wirklich interessiert ist. Ich bin auch davon überzeugt, dass unsere Schulen vieles lehren, das man später nicht braucht, dafür überlebenswichtige Kenntnisse nicht einmal tangieren. Die Rudolf-Steiner-Schule versucht hier schon seit Jahrzehnten einen Gegenpol zu setzen. Ich habe viel mit solchen Schülern zu tun gehabt. Das grosse Problem wird durch diese «Sonderbehandlungen» allerdings nicht nur nicht gelöst, sondern sogar noch verschärft. Ein Kind kann man noch in einem geschützten Umfeld betreuen und fördern – im späteren Alltagsleben geht dies leider nicht mehr. Daher sind es gerade oft solche Schüler, die dann an der Realität des Lebens zerbrechen. Im Geschäftsalltag leiden heute viele Menschen am Egoismus und der Respektlosigkeit vieler Vorgesetzter. Auch wenn die öffentlichen Schulen «realitätsfremd» sind, bereiten sie den Menschen besser auf das harte Erwachsenenleben vor als die «geschützte Werkstatt». Schwieriger wird es, wenn Erwachsene in blinder Selbstüberschätzung die Welt mit eigenen Methoden retten wollen.

Otto Gerber, Wädenswil

Erfrischender Journalismus Ich möchte euch ein grosses Kompliment machen für euren Zeitpunkt. Ich würde einmal ganz unbescheiden behaupten, dass dies das beste und erfrischendste ist, was in

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der Schweiz journalistisch so geboten wird. Macht weiter so! Christian Zwahlen, Tägertschi Eine echte Könnerin «Alles muss man selber machen», ZP 118 Christine Ax erweist sich in ihrem Hohelied auf die Autodidakten als echte Könnerin in unserer «Könnensgesellschaft». Vielleicht können Sie ihr raten, sich einer «Entbefähigung» zu unterziehen, um dann entbefähigt in den beschriebenen Status der Amateure zu gelangen. Aus der Sicht eines Dilettanten bin ich hell begeistert über diese beiden Wort-Neuschöpfungen. Kenner, Hüter, Förderer und Freunde der deutschen Sprache sollten die Autorin im Auge behalten! Christian Mäder, Stralsund Blauäugig und selektiv «Naher Osten, Frieden weit», ZP 119 Ich schätze den Zeitpunkt in seiner Andersartigkeit sehr; auch kontroverse Diskussionen finde ich anregend. Bei der meiner Ansicht nach blauäugigen und nur durch sehr selektive Wahrnehmung möglichen Polemik über Syriens Demokratiebewegung bleibt mir aber einfach nur die Spucke weg. Dass das ZDF schon mal was sendet, was die falsche Bildunterschrift hat, kann ich mir gut vorstellen. Das beweist aber nicht, dass Assad ein feiner, sein Volk liebender, der Gewalt ferner und der Demokratie plötzlich zugewandter Kanzler, äh Herrscher (Diktator ist so ein böses Wort...) ist. Dass die USA in Syrien Interessen haben, bestreite ich auch nicht. Deshalb wäre es umso wichtiger, die Syrerinnen und Syrer bei ihrem Kampf um die Demokratie zu unterstützen anstatt sie als LügnerInnen und Weicheier hinzustellen. Bitte ziehen Sie doch auch einmal Literatur der «anderen Seite» hinzu und informieren sich umfassend (z.B. Ärzte ohne Grenzen, diverse Blogs, Interview mit Rafik Schami etc.). Anne Meinke, Freiburg DE

Vom Ich- zum Allbewusstsein «Reise mit Risiken», ZP 119 Ich glaube, dass die Zeit für spirituelle Wege bald zu Ende sein wird. Als Menschen und Personen erfahren und festigen wir unsere Individualität und unser Ichbewusstsein. Deshalb bewerten wir spirituelle Wege nach ihrem Wert für uns und gehen sie mit einem persönlichen Ziel. Gleichzeitig sind wir jedoch auch kosmisches oder Allbewusstsein und sobald wir zu diesem erwachen, verlieren die persönlichen Ziele an Bedeutung. Dann geht es uns einizig darum, der Schöpfung zu dienen. Dazu ist kein spiritueller Weg mit Lehrer, Lehre, Technik, und Übung erforderlich. Wir leben den Alltag und bemühen uns um die Verwirklichung der Schöpfungsgesetze, die in uns seit Ewigkeit vorhanden sind und auch unsere eigene Entwicklung steuern. Jens v. Bandemer, Eisingen DE

Hausputz im eigenen Leben «Reise mit Risiken», ZP 119 Der spirituelle Weg ist eine Reise nach innen. Die erste Lektion dahin ist: Übernimm Verantwortung für dein Leben. Um das wahre Ich, das sich vom Ego unterscheidet, zu erkennen, ist ein Hausputz nötig. All der Ego-Müll, den wir über Leben angesammelt haben, muss erst mal ausgemustert werden. Dafür ist ein Lehrer sehr hilfreich, weil er ein Spiegel ist, der unsere Ego-Spielchen entlarvt. Wer nicht bereit ist Verantwortung zu übernehmen, betreibt Esoterik-Lifestyle, was wiederum pures Ego ist. Absolute Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, das Spüren nach innen (als Methode) und die Übernahme von Verantwortung sind der Weg. Das einzige Risiko dabei ist, sich selber zu finden. Dafür braucht es sehr viel Mut und die Bereitschaft zur Hingabe in Liebe. Das wussten schon die Mystiker. Sieglinde Lorz, Bern


Leserbriefe

Verdrehter Kompass «Naher Osten, Frieden weit», ZP 119 Dieser Text ist eine Frechheit, eine intellektuelle Bankrotterklärung, man kann es nicht anders ausdrücken. Herr Pfluger verteidigt Herrn Assad und ignoriert die ungezählten Berichte über Tötungen und übelste Folterungen, die dieser Herr zu verantworten hat (nein, die Berichte sind nicht alle vom Westen gesteuert, Verschwörungstheorien hin oder her). Sicher hätte Herr Pfluger auch bei einem Besuch in der Sowjetunion der Dreissiger Jahre Herrn Stalin gelobt und viele Leute auf der Strasse gefunden, die ihn verteidigt hätten; nur weil man Touristen nicht in Folterkeller führt, heisst das noch lange nicht, dass sie nicht existieren. Sie gehören für mich in die Liga «Günter Grass» – ihr Kompass, was gut und böse ist, ist völlig verdreht. Manfred Joss, Ittigen Eine Herzensangelegenheit Zugegeben, es war keine Liebe auf den ersten Blick, als ich vor einigen Jahren diese Zeitschrift entdeckte. Es war dieses «ja, ganz interessant, schauen wir mal», das mich bewog, ein Abo zu bestellen. Und die ersten Ausgaben wurden sporadisch und unregelmässig gelesen. Heute ist das anders, die Liebe ist sozusagen organisch gewachsen und der Zeitpunkt zu einer echten Herzensangelegenheit geworden. Die Artikel sind aus der Kraft der Begeisterung geschrieben und man spürt die Menschen dahinter. Ge-

nau das macht für mich das Besondere aus. Es sind zudem Themen, die den Puls der Zeit treffen und die mich selber bewegen. Aus meiner anfänglichen Lauheit ist die Lektüre heute etwas Wesentliches für mich geworden. Man hat nie das Gefühl von Auftragsjournalismus. Die Texte wirken nie abstrakt oder konstruiert, sondern lebendig und lebensnah. Generell ist es dieses «in Frage stellen» von ganz grundsätzlichen Standpunkten und Lebensthemen, die nie rechthaberisch oder besserwisserisch abgeurteilt werden, trotzdem aber klar sind, aufwecken und nachdenklich machen, was den Zeitpunkt so einzigartig macht. Ein Journalismus, der sich nicht auf die Position einer «objektiven Wahrheit» stellen will, sondern aus der eigenen Betroffenheit, aus dem eigenen Verhaftetsein – selbstreflektierend – auftritt und die Dinge auf den Tisch legt. Nicht irgendeine Ideologie oder eine neuer «ismus» wird zelebriert, sondern ein mitten-drin-stehen im Gang der Zeit, eine Zeitgenossenschaft gewissermassen. Das ist eine echte Hilfe aus der Perspektive der Gleichberechtigung heraus. Man fühlt sich nicht belehrt, sondern verstanden. Wandel ist ein grosses Wort und in aller Munde heute, doch wenn es einen solchen geben soll, dann nur aus der Kraft einer solchen Begeisterung, aus einem lebendigen und stets offenen, dialogfähigen Geist. Journalismus ist eben nicht nur Inhalt, sondern auch Haltung. Urs Weth, Basel

Da hilft nur noch fliegen lernen Aus meiner heutigen Sicht wird das gesamtgesellschaftliche Problem nicht dadurch gelöst, das wir Geld anders organisieren, es sei denn aus dem kollektiv gesund(et)en Bewusstsein. Denn wenn man es richtig betrachtet, wird Geld in der zivilisierten Gesellschaft «geschöpft» aus nichtgelebter Liebe. Jeder Euro entspricht einer «Portion» Liebe oder Lebens-Energie, die ignoriert, geleugnet oder unterdrückt wurde. Das Ergebnis dieser Praxis kann man ablesen an den offiziellen Statistiken über gesundheitliche Störungen aller Art, über Drogenkonsum, Kriminalität, Missbrauch oder Suizid. Während aber die Regierungen noch immer Oberflächenkosmetik betreiben, frisst sie diese kollektive Zivilisations-Neurose von innen her auf. Wer sein Bewusstsein nicht mit Leben erfüllt, dem verfault es bei lebendigem Leibe. Die kollektive Zivilisations-Neurose wächst nun exponentiell. Und damit steigt die Gefahr einer kollektiven Psychose. Ein einprägsames Beispiel für so etwas hat Deutschland zwischen 1933 und 1945 geliefert. Das Geld ist genau genommen schon völlig uninteressant! Wir befinden uns – ohne dass 99 Prozent der Menschen das auch nur ahnen – quasi im freien Fall. Und da hilft nur noch eines: fliegen lernen. Und zwar bewusstseinsmässig, geistig-seelisch. Wolfgang Heuer

Verlagsmitteilung Feiern Sie nicht! Auf jeden Fall nicht das Zeitpunkt-Jubiläum am 30. Juni und am 1. Juli in der Komturei Tobel. Wir haben den Aufwand und unsere Möglichkeiten überschätzt und müssen den Anlass absagen. Die Leserinnen und Leser, über deren e-mail-Adresse wir verfügen, haben wir bereits Mitte Mai orientiert. Die Idee eines grösseren Lesertreffens ist damit keineswegs gestorben. Falls Sie gerne über Relevantes zwischen den Erscheinungsdaten des Heftes informiert sein möchten, abonnieren Sie auf www.zeitpunkt.ch unseren elektronischen Newsletter. Er erscheint ungefähr alle vier Wochen. Wenn die Details im Zeitpunkt in letzter Zeit besonders gepflegt wurden, dann hat

dies nicht nur einen Grund, sondern auch einen Namen: Brigitte Müller. Nun wollte es die Natur – und sie selber –, dass diese sympathische und bestens organisierte Frau Ende August Mutter wird. Nach dem Mutterschaftsurlaub will sie sich neu orientieren, vermutlich etwas näher an ihrem Wohnort. In die Produktion, für die sie verantwortlich war, werde ich mich mit dem Layouter Tom Hänsel (tintenfrisch.net) teilen, bis eine ebenso kompatible Nachfolge gefunden ist. Ich danke Brigitte für die kompetente Führung der Redaktionsarbeit und wünsche ihr Erfüllung und Anregung als Journalistin und Mutter. Diese Mischung können die Medien jedenfalls gut gebrauchen. Christoph Pfluger, Herausgeber

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Der u n k t Zeitp e t s h c l it ät ä

i r it u a n, wie nd Sp u k i amme t i s u z Pol t gu asser. t wa so das Weihw m an e n e s nd pa s nor re ufel u l it i k e der Te nte die Po en, wenn ih n n ö e nt k win D ab e i undam e it g e F k s g e i g d i w ür ei s t n t ät e Glaub r ein g Spirit uelle e b ü re n den A kteu en. Und de gement in t t. a g g ü g n f E ur u ver k retes r Politik n n o k e n ei te n nd r unge u im nächs t. Niede z a d g Au us Mehr , Ende t k n u Z e it p

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Brennende Bärte

Wir geben Gas!

W Motto: Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahr­ heit durch ein Gedränge zu tra­gen, ohne jemandem den Bart zu versengen. Lichtenberg

ie würde sich Ihr Bild der Konflikte im Nahen Osten ändern, wenn Sie wüssten, dass sich im Meer zwischen Zypern, Israel und Syrien ein riesiges, 2010 entdecktes Gasvorkommen befände? Oder wenn Sie wüssten, dass Iran, Irak und Syrien im Juli 2011 den Bau einer Gas-Pipeline beschlossen, die das iranische Gas in den Mittelmeerraum und damit nach Europa, dem zweitgrössten Energiemarkt der Erde bringen soll? Syrien ist damit zu einer Drehscheibe des Gasgeschäfts im Nahen Osten geworden, schreibt Prof. Imad Shueibi, Vorsitzender des Center for Strategic Studies and Documentation in Damaskus in einem Artikel, der vom Réseau Voltaire veröffentlicht wurde. Das alternative, französische Pressenetzwerk ist eine hervorragende Quelle von Hintergrundinformationen zum geopolitischen Kräftemessen, von dem der durchschnittliche Zeitungsleser so gut wie nichts mitbekommt (www. voltairenet.com). Es geht in Syrien also um viel mehr als um ein korruptes Regime. Es geht nach dem Fall Libyens um den letzten Zugang von Iran, Russland und China zum Mittelmeerraum. Das ist allemal ein Volksaufstand wert. Seit Fukushima hat Gas markant an Bedeutung gewonnen. Wenn Atomkraftwerke vorzeitig vom Netz genommen werden und die Solarenergie nicht kräftig gefördert wird (was zu befürchten ist), dann ist Gas die Alternative erster Wahl. Eine neue Dynamik ist durch das Schiefergas entstanden, das in tonhaltigen Schichten in mehreren Kilometern Tiefe lagert und mit einer aufwändigen und ökologisch ungesicherten Technologie gefördert wird, dem so genannten «Fracking». Dabei werden Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in das Gestein gepumpt, bis es aufbricht und das Gas entweicht. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt die Vorkommen auf das Doppelte der bestehenden Reserven an konventionellem Erdgas. Die Reserven würden bei konstantem Verbrauch noch 250 Jahre reichen. Fazit: ein Riesengeschäft, aber im Gegensatz zum kartellisierten Erdölgeschäft, hart umkämpft. Auch Griechenland sitzt übrigens auf enormen Öl- und Gasvorkommen im Wert von 300 bis 600 Mrd. Euro, die bis zum Schuldenschnitt erfolgreich unter dem Deckel gehalten wurden. Am 2. Juli sollte

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von Christoph Pfluger

diese pikante Tatsache hoffentlich auch die Mainstream-Medien erreichen. Dann nämlich startet Griechenland eine Ausschreibung für die Ausbeutung seiner Bodenschätze, nachdem in den umliegenden Ländern Albanien, Montenegro, Türkei und Bulgarien längst gewinnbringend gefördert wird. Griechenland ist reich – wenn das nur die deutschen Steuerzahler wüssten. Nicht gerade einen Volksaufstand, aber eine «Neugründung Europas von unten», das wünschen sich Intellektuelle um den deutschen Soziologen Ulrich Beck und den grünen Europa-Politiker Daniel Cohn-Bendit. Die beiden haben ein Manifest verfasst und unterschrieben haben es berühmte Menschen wie Altbundeskanzler Helmut Schmidt, die Literaturnobelpreisträger Herta Müller und Imre Kertész oder der Philosoph Jürgen Habermas und die Regisseure Wim Wenders und Doris Dörrie. Die Diagnose beginnt ganz ordentlich: «Die Jugend Europas, besser ausgebildet denn je, erfährt mit den drohenden Staatsbankrotts (sic!) und dem Niedergang der Arbeitsmärkte ihr ‹europäisches Schicksal›. Jeder vierte Europäer unter 25 Jahren ist arbeitslos. Dort, wo das jugendliche Prekariat seine Zeltlager errichtet hat und seine Stimme öffentlich erhebt, geht es um die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit.» Da kann man nur sagen: Ja! Aber alles, was das Manifest als Antwort bietet, ist «ein freiwilliges Jahr für alle – für Taxifahrer und Theologen, für Angestellte, Arbeiter und Arbeitslose, für Musiker und Manager, für Lehrer und Lehrlinge, Künstler und Köche, Richter und Rentner, für Frauen und Männer – als eine Antwort auf die Euro-Krise!» Das war’s. Keine Rede vom bereits seit 25 Jahren bestehenden studentischen Austauschprogramm «Erasmus», kein Wort über den Europäischen Freiwilligendienst, bei dem junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren bis zu zwölf Monaten irgendwo in Europa arbeiten können. Und selbstverständlich kein Pieps über die Ursache der beklagten sozialen Ungerechtigkeit, die unverschämte Umverteilung von Arbeitenden zu Besitzenden durch die Zinsmechanik in unserem Kreditgeldsystem. Das Manifest zur Neugründung Europas von unten – ein grosses Wort und eine kleine Idee. Und ganz sicher nicht der Paukenschlag, als den es die deutsche Wochenzeitung «Zeit» bezeichnet. Der aber wird bestimmt noch kommen. Dann ist es Zeit für das Volk, aufzustehen.


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