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EIN MANN, DER VIELES KANN

Walter Geissberger, Naturmensch, Velofahrender, Kunstschaffender,

Pädagoge uvm. Bild: Corinna E. Marti

Walter (Capramontes) Geissberger, Kunstschaffender, Kunstorganisator und ehemaliger Gestaltungslehrer an der Kunstgewerbe schule, lebt und arbeitet seit neun Jahren im ehemaligen Dorfladen und vormaligen Haus des Käsehändlers Heugel in Rüfenacht. Er organisierte bis vor Kurzem Kultur-Events, besass bereits 12 Ateliers, wandert gerne über die Hügel im Umland und liebt den Dialog, ob physisch oder online. Obwohl Walter heute beruf lich keinen d i rekten Bez ug z um Nordquartier mehr hat, interessieren mich seine Erinnerungen und Gedanken daran.

Welchen Bezug hast du zum Breitenrain? Ich habe zweimal 17 Wochen RS in der Kaserne im «Breitsch» verbracht und wurde danach sogar noch Korporal. Ich war stolz, ja, und ich war engagiert und sehr sportbegeistert. Noch heute habe ich viele Bekannte im Nordquartier; Pfuschi (Cartoonist, «Galerie für Komische Kunst») und Paul Ott (Kriminalroman-Autor), um zwei von ihnen zu nennen. Ich war auch mal mit einer Künstlerin aus dem Breitenrain liiert und habe einige Nächte dort verbracht (lacht). Dank Paul hatte ich übrigens die erste Lesung in meinem Schaulager in Rüfenacht. Und mit der Galerie Ar-chivArte bin in dank dem Nachlass von Margareta Ebeling, den ich 30 Jahre lang gehütet habe, verbunden. Mit Walter Kretz habe ich den Nachlass seinerzeit in die Galerie zu Steffi Göber-Moldenhauer gefa hren. Verbindungen habe ich auch zur Galerie 9a am Stauffacherplatz sowie zum «Breitschträff» und dessen sardischer Szene.

Du warst lange Zeit Lehrer des Vorkurses an der Kunstgewerbeschule (SfGB) Ja, d ieser Job hat mich gerettet und ich konnte dank ihm meine Familie und mich ernähren und mir mein Atelier leisten. Ich hat te z war zw ischendurch immer ma l w ieder klei nere Auf träge, aber Ende Monat war meine Kasse jeweils leer. Zum Job kam ich übrigens beim z weiten A nlau f. Das erste Ma l, a ls Mumprecht von der Kunstgewerbeschule wegg ing, übernah m der da ma lige Rek tor Bruno Cerf die Nachfolge und ich u nter r ichtete Zeichnen a n der K lasse der Repro-Fotografen. Zwei Jahre später gr ündete man eine 3. Vorkurs-K lasse, welche ich übernahm und zehn Jahre leitete. Danach gab ich viele WeiterbildungsKurse. Ak t zeichnen, figü rliches Zeich nen, Tier- u nd Pflan zenzeichnen, Tiefdr uck, Grund kurs Gesta lten usw.

Elektronik und Kunst – welche Parallelen gab/gibt es für dich? Die Mechaniker-Grundausbildung (Bohren, Sägen, Feilen, Löten) kam mir beim Schaffen meiner Objekte zugute.

Welches deiner Werke berührt dich am meisten und weshalb? Mein Pendant zu Pestalozzis TorBerg. Es stellt mich mit der Schule für Gesaltung auf dem Kopf dar (siehe Bild). Ich habe es 2010 für eine Ausstellung gezeichnet. Pestalozzi und ich sind ja beide Pädagogen. Das stellt auch meinen Bezug zu ihm dar.

Welcher Lehrer an der Kunstgewerbeschule hat dich am meisten geprägt? Hans Schwarzenbach (Anm. Wissenschaftlicher Illustrator, Werbeillustrator) Welches deiner Werke hast du ungern verkauft? Man sagte mir, die Preise für meine Werke seien fokussierend, diverse Male, ich wolle ja gar nicht verkau fen. Doch diese Preise errechnete ich wie ein gewerbliches Unternehmen, um mir Atelier und Ausgaben – die Gussrechnungen gingen in die Tausende – zu leisten. Ich bin kein guter Verkäufer, und trotzdem gab es immer wieder welche (lacht).

Du hast kürzlich dein (letztes?) Atelier aufgelöst. Wie fühlte es sich an, nach so langer Zeit loszulassen? Gut, endlich ist alles weg! Ich habe das schon lange vor mich hergeschoben. Meine letzte Ausstellung hatte ich 2016 in Solothurn. Seither ruhten meine Geräteschaften ...

Kunst ist heute ein bisschen «alltäglicher» geworden als noch vor 50 Jahren. Sind die Menschen heute kreativer und kunstinteressierter als damals? Schwarzenbach pflegte zu sagen: Es geht mich alles nichts mehr an. So denke auch ich heute.

Du warst in der 68er-Bewegung aktiv. Gibt es da auch Erinnerungen an Aktivitäten im Nordquartier? Ernst «Aschi» Leuenberger (Anm. Ehemaliger Schweizer Gewerkschafter und Nationalratspräsident) forderte mich und die «Stifte» der Weiterbildungskurse von Hans Schwarzenbach auf, im Leseklub Herbert Macuse durchzunehmen. Das Gedankengut des Soziologen Macuse hat mich sehr geprägt.

Du warst 32 Jahre als Lehrer an der Kunstgewerbeschule tätig und im Quartier eingebunden. Wie hat sich, insbesondere die Umgebung um die SfGB, verändert? Ich bin kaum mehr im Quartier unterwegs, weil ich momentan keine ÖV benutze und Velofahrer bin. Ich erinnere mich aber noch gut, als ich in er alten Kunstgewerbeschule im heutigen Gewerbeschulgebäude (GIBB) hinüber zur Baugrube der heutigen Schule für Gestaltung blickte. Den Architekten der Schule – Willy Pfister – kannte ich im Übrigen gut.

Weshalb der Name Capramontes? Als ich mit Franz Sommer und der Vorkursklasse in Vulcano weilte, kam Sommer daher und begrüsste mich mit «Capramontes». Was das heisse, fragte ich ihn. Berggeiss, antwortete er. Fortan benutzte ich den Namen, der mir besser als «Geissberger» gefiel, für meine Kunstprojekte.

CORINNAS QUARTIER TALK

mit

WALTER GEISSBERGER

PERSÖNLICH

Walter Geissberger wurde 1947 als Ältestes von vier Kindern in der Länggasse geboren und wuchs zuerst im Rossfeld, dann in Bümpliz auf. Wie es in einer Autobiografie heisst, zeichnete der kleine Walter schon im Kindergarten akribisch und später in der Volksschule war er nur der «Wale, der gut zeichnet. Dennoch zog es ihn noch nicht zur Kunst hin. Er machte die Ausbildung zum Fernmelde- und Elektronikapparate-Monteur und zeichnete – seine grosse Leidenschaft –nebenbei. Walter beschloss, anstatt weiterhin Richtung Technik zu lernen, Wochenend- und Abendkurse an der Kunstgewerbeschule zu besuchen. Er wollte Künstler werden! Er war beeindruckt von einem Cousin des Vaters, einem Aquarellisten und Anthroposophen und seinem Nachbarn, dem Maler Roset, der im AfdN einst portraitiert wurde. Nach 28 Semestern Kunststudien an der Kunstgewerbeschule verkündete er am Silvesterabend 69 seinen Freunden, dass er ab morgen Künstler sei. Und so begann sein Leben mit der Kunst. Er studierte Bildhauerei und Zeichnen. Mit 25 heiratete er die Tochter eines bekannten Bildhauers, der ihn als Assistenten angestellt hatte. Nach dem Vorkurs an der Kunstgewerbeschule wollte er zu neuen Ufern aufbrechen, wurde Bauer, immer schon fasziniert von der Natur. Seine Frau fand die Idee weniger passabel und Walter kehrte zur Kunst zurück, wurde 1977 Vater einer Tochter und begann, an der Volkshochschule und später der Kunstgewerbeschule zu unterrichten. Er wurde Klassenlehrer des Vorkurses und begrub seine künstlerischen Tätigkeiten, weil Kunst machen und Schule geben nebeneinander nicht möglich waren. Mit 42 trennte er sich von seiner Frau und zog aufs Land, besuchte Persönlichkeitsentwicklungs-Weiterbildungen und begann wieder vermehrt Kunst zu machen. 2003 bezog er in Bolligen ein zweistöckiges Atelier. Nebst seinem kreativen Schaffen organisierte er da, mittlerweile 2012 in Rüfenacht wohnend, Lesungen, Konzerte und Ausstellungen. Mit dem ersten Lockdown begann sich sein Leben zu wandeln und er beschloss, sein Atelier Schritt für Schritt aufzulösen.

QUARTIER-SCHAUFENSTER

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Raum und Zeit sind relativ, im Grunde genommen reine Kopfsache ... Wenn es um Schnitt, Farbe und Pflege geht, sind sich die drei Künstlerinnen von Raumzeit – Reine Kopfsache – jedoch einig: Verwöhnen mit hochwertigen Dienstleistungen und Produkten ist ein Muss. Weiterbildungen stehen weit oben in der Agenda der drei Profis und sie zeigen dir ihr Können mit Leidenschaft und Freude. Zudem nehmen sich Daniela, Katja und Sophie viel Zeit für dich. Und sie tun dies in einem Raum, der dich mit Düften und Musik zum Erholen und Verwöhnen-Lassen einlädt. «Wir sind eine Familie und unsere Kundschaft – Frauen, Männer und Kinder, gehören mit dazu und spüren das auch». Corinna E. Marti

daher sehr individuell und persönlich. Dein Wunsch ist das Ziel von Sophie, Katja und Daniela. Und nebst den drei Haarartistinnen ist auch die Kosmetikerin Sarah Marino mit im Boot für dein Verwöhnrundumprogramm. Sarah arbeitet ausschliesslich mit natürlichen Pflegeprodukten, frei von synthetischen Konservierungs- und Parfümstoffen. Die tiefgründige Behandlung entführt dich auf eine Reise mit wunderbaren Düften und Ölen ... Auch hier geht es um mehr als nur eine profunde Behandlung deines Gesichts; Sarah bringt deinen Körper durch Entspannung und mittels ihren Impulsen in eine Balance auf allen Ebenen.

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Katja, Sophie und Daniela (v.l.) sorgen für Haar-, Haut- und Seelenwohl. Bild: zVg

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FEUERWEHR VIKTORIA Eine Wundertüte, verpackt zwischen Buchdeckeln

Mehr als zwei Jahre wurde recherchiert, gestaltet, fotografiert, gesucht und gefunden und schliesslich geschrieben. Noch grösser als die Ausdauer aller Beteiligten war die Lust am Projekt. Entstanden ist ein kreativer Genuss als Chronik der Entwicklung von der Feuerwehr zur heutigen definitiven Nutzung. Martin Jost

Die Beziehung der städtischen Feuerwehr zu ihrer Kaserne dauerte 78 Jahre. Das müssten doch beste Voraussetzungen sein für das Liebespaar, das sich im Restaurant Löscher in der Feuerwehr Viktoria kennen lernte. Und dem ein Kapitel des Buches «Feuerwehr Viktoria» gewidmet ist. Es ist eine von vielen Geschichten; eine, die sich nahtlos einreiht in eine Vielzahl von Interviews, Porträts, Zitaten und Fotografien. In erster Linie sind es Geschichten von Menschen, die eine besondere Verbundenheit mit dem Ort haben. «Ja, das Buch braucht es», ist Rea Wittwer, Journalistin und Texterin, überzeugt, «so vieles ist hier entstanden, so viele Leute haben mitgemacht; ohne ein Buch wäre das alles einfach so passiert und mit der Zeit vielleicht sogar in Vergessenheit geraten.» Sie gehört zusammen mit der Journalistin Sarah Forrer zu den treibenden Kräften für das Buchprojekt. Zusammengebracht habe sie Manfred Leibundgut. Der pensionierte Architekt und ehemalige Vereinspräsident war Mitinitiant der Zwischennutzung – und sehr hartnäckig. Ohne diese Eigen-

Das Kernteam, das die Wundertüte realisierte (v. l.): Manfred Leibundgut, Sarah Forrer, Rea Wittwer, Tim Engel. Bild: zVg

schaft wäre das Projekt kaum vollendet worden. Der visuelle Gestalter Tim Engel komplettierte das Kernteam, das sein Werk als eine Art Wundertüte bezeichnet, als ein Sammelsurium, das erst gegliedert werden musste. «Der Weg war das Ziel», blickt Sarah Forrer zurück, «am Anfang war es eher wie ein Traum; mittlerweile stelle ich fest, dass all das, was wir dabei erlebten, ein grosser Lernprozess war. Eine tolle Chance, in einem Team etwas entstehen zu lassen. Das ist für mich das grösste Geschenk.»

Ein Buch wie ein Kunstwerk Für Rea Wittwer soll das Buch auch ein grosses Dankeschön sein an alle, die in irgendeiner Form mitgemacht haben. Alle, das heisst in diesem Fall viele Menschen mit vielen unterschiedlichen Erfahrungen, Gefühlen und entsprechenden Statements, allesamt fotografisch bereichert. Dazu gehören die Betriebe und Projekte in der Feuerwehr, die sich selbst vorstellen. Aber auch die kritische Nachbarin oder Quartierbewohner, Künstlerinnen und Politiker, genauso wie die Schlüsselfiguren im Hintergrund, die den Weg von der Feuerwehr zu einem zugänglichen Ort für alle ermöglichten. Und eben das Liebespaar, das als Sinnbild steht für die Liebe, mit der das Buch realisiert wurde. Es ist ein kleines Meisterwerk der Buchkunst. Ohne Fesseln und doch geordnet, spielerisch und farbig gestaltet, das Naturpapier verwöhnt den Tastsinn und ist gebunden mit einer offenen Fadenbindung, welche, so Rea Wittwer, an die Unfertigkeit einer Zwischennutzung erinnern soll. Eine Wundertüte eben, gespickt mit so vielen Überraschungen, dass selbst die Macherinnen und Macher immer wieder überrascht wurden von all den inspirierenden Geschichten, die auf sie zukamen. «Die Freude, mit der alle Beteiligten mitwirkten, war für uns eine der schönsten Erfahrungen während der Entstehung des Buches», sagt Sarah Forrer. Ob das Buch eine Wirkung nach aus sen erzielen wird, weiss Rea Wittwer nicht. Hoffnung hat sie hingegen schon: «Vielleicht machen wir anderen Mut, ihre Projekte in die Realität umzusetzen. Es wäre sehr schön, wenn das Beispiel Feuerwehr zeigt, dass so etwas entstehen kann. Dass Orte zugänglich gemacht werden können für die Menschen, die dort leben.»

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Titel: Feuerwehr Viktoria Verlag: Lokwort Preis bei Direkt bezug: CHF 32.–(Porto 7 Franken) F E U E R W E H R V I K T O R I A Bezugsquellen:  wwww.feuerwehrviktoria.ch/buch

«SAUERSTOFF» Chronik zu weiteren Wellen

Das Virus lässt nicht locker. Der Autor Samuel Geiser und der Fotograf Alexander Egger tun es auch nicht. Mit der Bildchronik «Sauerstoff» folgt von ihnen ein weiteres Journal mit Alltagsbeobachtungen des Ausnahmezustandes. Die täglichen Einträge werden ergänzt durch Statements von Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft und Politik. Martin Jost

Je mehr Zeit verstrich, je mehr Einträge Samuel Geiser für das neue Buch zusammenhatte, desto mehr Fragen beschäftigten ihn. «Vielleicht hatte ich anfangs der Pandemie eine zu romantische Haltung, vielleicht sogar die traumhafte Hoffnung, dass uns eine solche Ausnahmesituation weiterbringen könnte. Uns als Individuen, uns als Gesellschaft.» Wer solches festhält, ist ernüchtert, und der Journalist macht keinen Hehl daraus, dass er das ist. Erschreckt stellt er fest, dass plötzlich die laute Stimme einer neuen Bewegung, bestehend aus Anhängern von Verschwörungen, Skeptikern und Verweigerern, in den Vordergrund rückt. Anstatt grundsätzliche Fragen. Wie solche, ob ein Gesundheitswesen, das Gewinn erwirtschaften muss, das richtige ist in einer Pandemie. Oder die Suche nach der Antwort, wie viele Todesopfer in Kauf genommen werden sollen auf dem Weg, den die Schweiz geht. «Welches Land kann es sich leisten, eine solche Bewegung zu haben?», fragt er rhetorisch, «und einen Bundesrat, der sich im Outfit eben dieser Bewegung zeigt?» Der Autor betont, dass er ein Suchender ist, dass er sich nicht anmasst, Antworten zu liefern. Aber er nimmt sich die Freiheit, Fragen zu stellen. Weil er nicht mit allen Antworten zufrieden ist und sich als freien, aber nicht unbefangenen Chronisten bezeichnet. Als einen, der zu seinen persönlichen Kommentaren steht.

Coronakrise als Chance? Die Chronik mit täglichen Einträgen umfasst den Zeitraum vom Oktober 2020 bis Mai 2021. Nach der Veröffentlichung des Buches «Fieber» zum Lockdown im Jahr 2020 – ebenfalls ein Journal mit täglichen Einträgen – verspürte Samuel Geiser den Drang, die Ereignisse aus seiner Sicht erneut in

Samuel Geiser mit den ersten Exem pla ren der neuen Bildchronik «Sauerstoff». Bild: mj

Buchform festzuhalten. «Ja, es ist eine Fortsetzung von ‹Fieber›. Ein Gemisch aus Texten, geschrieben von einem, der in Bern im Breitenrain lebt. Geprägt von Beobachtungen, die ich mache. Zum Fenster raus in das Quartier und weiter in die Stadt; daraus ergibt sich eine Auseinandersetzung mit dem, was ich durch die Medien wahrnehme.» Der Drang zu einem weiteren Buch sei dadurch entstanden, dass er durstig war nach Einschätzungen, die andere machen, nach deren Einordnung und Ansichten. Samuel Geiser suchte und fand die Meinung von Menschen, «die mehr Autorität haben als ich. Diese wertvollen Erfahrungen habe ich aufgenommen.» So werden seine täglichen Einträge bereichert durch Auszüge aus Medien, durch Zitate und politische Kommentare. Alltagsbeobachtungen aus einer Intensivstation finden genauso Platz wie die Sichtweise einer Verwaltungsratspräsidentin, einer Musikerin oder eines Velokuriers. Mit seinen sorgfältigen Fotografien gelingt es Alexander Egger, Nähe und damit Glaubwürdigkeit zu den Menschen herzustellen, die in der Chronik zu Wort kommen. Auch solche, die zu Beginn der Pandemie davon ausgegangen waren, dass Corona eine Chance sein könnte. Eine Chance zu nachhaltigen Veränderungen. «Diese Chance haben wir bisher vertan», ist Samuel Geiser überzeugt, «ich frage mich, ob wir uns überhaupt bewusst sind, dass es unser Virus ist. Und dass jederzeit ein neues Virus ausbrechen kann.»

INFO

Samuel Geiser, Alexander Egger «Sauerstoff» Corona – Was war. Was kommt. Verlag: Sinwel Preis: CHF 38.50 Ab sofort erhältlich im Buchhandel Weihnachtsverkauf von «Sauerstoff»: 18. Dez., 10–13 Uhr/Stand Breitsch-Träff Buchpräsentation mit Lesung: 22. Februar 2022/19.30 Uhr/Breitsch-Träff  www.breitsch-traeff.ch

BERNER BÜCHER 2021 Licht ins Dunkel

Noch wissen wir nicht, wie dieser Winter punkto kultureller Angebote ausfallen wird. Sorgen Sie deshalb vor, gute Bücher erhellen jede finstere Nacht. Jean-Claude Galli

Ohne jemandem nahezutreten, gibt es wohl tatsächlich sinnvollere Geschenke als alkoholische Getränke. Bücher zum Beispiel. Noch besser als irgendein internationaler Allerwelts-Bestseller machen sich unter den Tannenbäumen in den Nordquartier-Stuben aber Werke von Autorinnen und Autoren aus der Umgebung.

Der Anzeiger für das Nordquartier liefert Ihnen hier eine einfache Rundsicht über passende Erscheinungen in diesem Jahr. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, doch mit dem Versprechen, faule Eier schon im Vorfeld beseitigt zu haben. Die Bandbreite reicht vom Krimi über den Gedichtband und Roman bis hin zum Sachbuch. Mögen die Gaben gut ankommen.

Christine Brand, «Der Bruder», «Wahre Verbrechen», beide Blanvalet; «Bis er gesteht», Kampa An ihr kam heuer in den Buchläden niemand vorbei, an Echo und Erfolg gemessen ist sie die Berner Frau des Jahres. Mit atemberaubender Kadenz publiziert die ExNZZ- und «Der Bund»-Journalistin Christine Brand, Tochter eines Emmentaler Leichenbestatters, ihre Pageturner. Zudem schreibt sie auch an der SRF-Krimiserie von Michael Steiner mit, die im Herbst 2022 anläuft. Reto Kohler, «Ausbrecherkönig Stürm», Zytglogge Die Biografie über den Berufskriminellen Walter Stürm (1942–1999), verfasst vom Journalisten Reto Kohler, erschien 2004 und war länger vergriffen. Dank dem nun angelaufenen Spielfilm «Stürm: Bis wir tot sind oder frei» von Oliver Rihs, Sohn von YB-Mäzen Andy Rihs, erhält das Buch eine verdiente Neuauflage. Ausgiebig schildert Kohler darin auch Stürms wilde Berner Jahre.

Thomas Bornhauser, «Belpmoos», Weber Der ehemalige Migros-Aare-Kommunikationschef Thomas Bornhauser ist ähnlich fleissig wie Christine Brand, auch bei ihm leidet die Qualität keineswegs darunter. Mit «Belpmoos» legt Bornhauser bereits seinen siebten Kriminalroman um den fiktiven Berner Ermittler J. R. Ritter vor, wie jedes Mal inspiriert von wahren Begebenheiten und mit gros ser Liebe zum Lokalkolorit.

Artur K. Vogel, «Der Zeitungsmann, dem die Sprache verloren ging», Cameo Der frühere «Der Bund»-Chefredaktor Artur K. Vogel ist ein weitgereister, sinnverliebter Bonvivant. Beeindruckend am schriftstellerischen Œuvre, das seit seinem Rückzug aus dem Medienhaus rasant wächst, ist die thematische Bandbreite. Vogels aktuelles Buch ist entgegen dem Titel keine Autobiografie, sondern ein tiefschürfendes Protokoll der Suche nach unserer Daseinsberechtigung.

Beat Sterchi, «Capricho – Ein Sommer in meinem Garten», Diogenes Die Kritikerrunde im SRF-Literaturclub» war sich betreffend die Einschätzung von Beat Sterchis neuem Roman «Capricho – Ein Sommer in meinem Garten» jüngst nicht einig. Wir bleiben mit unserem Urteil auf der Linie von Erfolgsautor und Gast Pedro Lenz, der das Werk über die sublime Kunst des Einfachen damals in der Runde vorstellte: Unbedingte Kaufempfehlung!

Eva Maria Leuenberger, «kyung», Droschl Die Berner Lyrikerin Eva Maria Leuenberger begeisterte mit ihrem Langgedicht «kyung» diesen Sommer die Presse im ganzen deutschsprachigen Raum. «Ein poetisches Glanzstück, das sich allen Genrebezeichnungen entzieht», schwärmte stellvertretend der «Schweizer Monat».

Elisa Shua Dusapin, «Ein Winter in Sokcho», Blumenbar/Aufbau Wie Leuenberger wurde auch Elisa Shua Dusapin am Literaturinstitut Biel ausgebildet. Mit der englischen Version von «Ein Winter in Sokcho» hat die Jurassierin soeben den National Book Award, neben dem «Pulitzer» der renommierteste US-Literaturpreis, in der Kategorie «Übersetzte Literatur» gewonnen. Und eine Verfilmung des Stoffes ist gerade in Arbeit.

Carol Blanc, «Wohäre überhoupt», Zytglogge Die gebürtige Thunerin Carol Blanc ist als Dramaturgin, Regisseurin und Schauspielerin ein Multitalent. Bekannt ist sie auch durch «Philip Maloney» oder mit ihren «Morgengeschichten» auf Radio SRF. «Wohäre überhoupt» ist nun das Erstlingswerk der in Bern lebenden Autorin.

Verena Stefan, «Ein Riss im Stoff des Lebens», Nagel & Kimche Mit ihrem 1975 erschienenen Roman «Häutungen» sorgte die Bernerin Verena Stefan (1947–2017) international für Furore. Ab 2002 lebte sie mit der Diagnose Krebs und ref lektiert im posthum erschienenen Memoir ihren Alltag mit Ehefrau Lise Moisan als Ausland-Schweizerin in Kanada.

Stefan Künzli, «Schweizer Rock Pioniere», Zytglogge Der AZ-Journalist Stefan Künzli gehört zu den profundesten Musikkennern. In seiner umfangreichen, reich bebilderten «Spurensuche» würdigt er auch die Berner Polo Hofer und Hanery Amman. Als Urheber des ersten Mundart-Rocksongs verortet er allerdings Toni Vescoli.

WEITERE EMPFEHLUNGEN

Belletristik Jessica Jurassica, «Das Ideal des Kaputten» Lectorbooks Regina Dürig, «Federn lassen», Droschl Samuel Schnydrig, «Klaus: Leben vor dem Steinschlag», Zytglogge Flurin Jecker, «Ultraviolett», Haymon Thomas Duarte, «Was der Fall ist», Lenos

Sachbücher: Karoline Arn, «Die Entourage von Elisabeth de Meuron-von Tscharner», Zytglogge Christian Schmid, «Nur die allergrössten Kälber wählen ihren Metzger selber», Cosmos Franziska Streun, «Die Baronin im Tresor», Zytglogge Charles Beuret, «100 Jahre für YB – Verein Fussballstadion Wankdorf», erhältlich im YB-Fanshop Bettina Hahnloser und Urs Frieden, «Heinz Minder – Mein Leben, mein YB», Lokwort Niklaus Talman, «Die Tinguely-Clique», Weber Cordelia Hagi, «Playful Business», Midas

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