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EIN ZWEITES LEBEN «GESCHENKT»
URS JAUN «Das Beste im Leben ist gratis»
Urs Jaun, «Wanderbär», wie er sich selber nennt, ist ein begnadeter Erzähler. Er sollte an Abendfeuern sitzen und aus seinem an Geschichten reichen Leben berichten. «Auf meinen Wanderungen geht mir halt viel durch den Kopf, ich erlebe mein Leben noch einmal und schwelge in Erinnerungen und Erkenntnissen.»
Manchmal sitze ich so da am Moossee und beobachte die Fische. Stundenlang, das gibt mir richtige Glücksgefühle und sie merken, dass ich da bin.
Ich erinnere mich, wie interessiert ich an Tieren als Bub war. Heugümper, Eidechsli, Frösche – vor allem bei der Grossmutter in Goldswil, meinem liebsten Müeti, sah ich viele auf unseren Spaziergängen am Wasser. Oft zeichnete ich sie, das war meine Welt. Komisch eigentlich, dass ich später nichts mit Tieren gearbeitet habe, aber der Lauf des Lebens übertüncht eben vieles. Ich will sagen: Der Kreis schliesst sich im Alter und ich komme zurück auf die echten Interessen, die ich als Kind schon hatte. Die ich ein Leben lang zurückstellen musste, ich musste schliesslich Kohle machen und eine grosse Familie ernähren.
Der Töffunfall am 11.8. des letzten Jahres hat für mich vieles verändert. Eigentlich wäre er tödlich gewesen. Unfälle sind immer eine Verknüpfung von unglücklichen Ereignissen. Aber ich hatte so viel Glück, das kann man gar nicht fassen.
Der Moossee und seine Leute sind nach der Trennung von meiner Frau mein Revier und meine Familie geworden. Ja, die Trennung war für mich, als würde ein Kupfernagel in einen Baum geschlagen. Etwa das traurigste Ereignis in meinem Leben. Ich war mit meinem 125er-Roller via Sand auf den Heimweg vom Moossee. Dann die Amnesie. Ich weiss wieder, dass ich im Wald stand, es waren viele Polizisten dort und ein Spitalauto Ich stand da wie in einem Fellinifilm in meinem orangen Lieblingspullover. Erst die schroffe Frage der Polizisten, ob die Töffruine meine sei, brachte mir zu Bewusstsein, dass ich in die Ereignisse verwickelt war. Im Spital wurde festgestellt, dass ich einige Rippen und das Schulterblatt angebrochen hatte. Die polizeilichen Untersuchungen ergaben, dass eine Streifkollision zwischen mir und einem Lastwagen stattgefunden hatte. Wobei es sich um ein wirkliches Unglück handelte, niemand hatte etwas falsch gemacht.
Ich beschloss: Ich habe das Leben noch einmal geschenkt bekommen, jetzt setze ich es nicht mehr leichtfertig aufs Spiel. Früher hatte ich oft lebensverkürzende Massnahmen ergriffen, Drogen, Alkohol. Gerade nach der Trennung. Jetzt unternehme ich Lebensverlängerndes, weil ich gern noch ein paar Jahre auf diesem Planeten bleiben würde. Was gäbe es Schöneres? Und das Beste im Leben ist gratis. Als jung fliegt es dir einfach zu. Du merkst es gar nicht. Dabei kannst du dich konditionieren fürs Glück! Höhere Lebenskunst, aber darauf kommst du erst im Alter, wenn überhaupt. Alles im Leben hat seine Zeit und ist wichtig, selbst die Unvernunft.
Nach dem Unfall bekam ich schwerwiegende Lungenprobleme mit Panikattacken. Da fing ich an zu laufen und ganz bewusst zu atmen. Und tatsächlich besserte sich die Lungenkapazität innert Wochen. Seither bin ich fast täglich und bei jedem Wetter unterwegs. Und nahm fünfzig Kilos ab. Wie beim Unfall passte auch hier alles zusammen, aber diesmal glücklich. Ich weiss jetzt, was wichtig ist und was nicht. Gitarre- und Pianospielen und Musikhören zum Beispiel macht mich glücklich! Ich wurde am 6. September 52 in Zürich geboren. Als Vater das Tech beendet hatte, zogen wir nach Interlaken. Mutter war bis dreizehn Stadtzürcherin und wurde nie recht heimisch im Berner Oberland. Mein jüngerer Bruder selig erlitt bei der Geburt einen Sauerstoffmangel, der sich zeitlebens auswirkte. Er starb mit achtundzwanzig während eines Drogenentzugs. Unsere Kindheit war nicht einfach, wobei auch die Eltern es schwierig gehabt hatten. Vater war mutterlos aufgewachsen und Mutter wurde mitten in der Pubertät an einen Ort verpflanzt, wo sie sich nicht wohl fühlte und wo ihre mondäne Ader fremd wirkte.
Die Eltern gingen dann auseinander und hatten je wieder neue Beziehungen. Wir kamen zum ersten Mal ins Heim, mit lauter gestörten Kindern. Eigentlich arme Seelen, die niemand haben wollte.
ARTIER-CHÖPF Q U
FOLGE 128
Welt. 1984 Nadine, darauf Diego und schliesslich Nina. Wir wohnten in Bern und Bümpliz. Und dann lange Zeit in der Lorraine. 1993 gingen wir auseinander. Ich lebte dann viele Jahre an der Jurastrasse und zog 2009 an die Wylerringstrasse. Meine ExFrau starb am 2.2.2020. Auch aus der Zeit mit der Familie und den Kindern gäbe es viele Geschichten zu erzählen. Ein Buch, keine Zeitungsseite ...
Unsere Wege führten weiter via Thun, wo Mutter inzwischen lebte, und Effretikon, wo der Vater jetzt zu Hause war, ins Jugendheim Steigerhubel für mich und in ein Heim in Enggistein für meinen Bruder, wo er täglich zämebrätschet wurde. In Thun hatte ich sehr unter einem Lehrer gelitten und auch in Effretikon klappte es nicht mit der Schule. Ich handelte mit Autos und mit Antiquitäten. Und arbeitete in der Flüchtlingsbetreuung beim Roten Kreuz. 1988 fing ich zusätzlich bei der Post an, anfänglich Nachtarbeit, später voll. 2012 liess ich mich frühpensionieren, und chauffeurlete noch eine Weile bei der Wäscherei Papritz.
Aus Panik, wie einige andere Kinder ewig in dem Heim bleiben zu müssen, versuchte ich mich umzubringen und kam in die Waldau. Ein Schock. Etwa zwanzig Kinder in einem Raum, auch schwerstbehinderte. Ich haute ab und Mutter schickte mich nach Montreux in die Steinerschule. Das war mein Glück und verhinderte, dass ich auf die schiefe Bahn geriet. Die Leute waren Träumer und ich ein Gassegiel, aber sie waren sanft. Nachher aber wurde es wieder heavy. Mein Stiefpère steckte mich in die Selve, ich hätte nun genug Geld gekostet. Dort wurde ich Steinerschüler richtig «gfeckt». Eigentlich wollte ich Grafiker werden, ich war im Zeichnen immer der Beste und gewann sogar Wettbewerbe. Aber das klappte nicht und ich arbeitete an vielen verschiedenen Orten. Dann schaffte ich die Prüfungen bei der Kunstgewerbeschule und konnte den Vorkurs machen. Später lernte ich by doing Antikschreiner. Ich begegnete Dominique. 1982 heirateten wir und Joël kam auf die
Seit ich mein neues Leben habe, interessiert mich manches nicht mehr. Wichtiger als die Fakten ist mir das, was ich erkannt habe: Dass alles Wichtige im Leben gratis ist. «Ich habe darunter gelitWas auch heisst, ten, dass alles immer in dass Geld wir nic e ht s mit kaukürzester Zeit gemacht fen können. Das werden muss, weil es ist sch meine aft, mein B F otinsonst zu teuer ist. Aber al- gerzeig. les hat seine Zeit und alNicht mehr ge und die lanBlätles braucht seine Zeit.» ter fallen von den Bäumen. Aber im Frühling geschieht ein Wunder: Neue Materie entsteht aus dem Boden! Das müssen wir würdigen, alles andere ist vergänglich und unwichtig. Ein Leben lang habe ich darunter gelitten, dass alles immer in kürzester Zeit gemacht werden muss, weil es sonst zu teuer ist. Aber alles hat seine Zeit und alles braucht seine Zeit. Und was ist, muss nicht benannt, sondern erlebt und erfahren werden. Ich schaue nach vorn, und erst wenn ich einmal nicht mehr laufen kann, ist der Moment zu fragen, was jetzt noch möglich ist. Aufgezeichnet von Katrin Bärtschi + 127 ebenso spannende Quartier-Chöpf-Portraits finden Sie auf www.afdn.ch
HIP HOP IM WYLERQUARTIER Wo Bewegung und Kreativität aufeinandertreffen
Jeden Sonntag bietet Tänzerin Nelly Benndorff im Jugendzentrum New Graffiti von 17.00 bis 18.00 Uhr eine GratisTanzstunde an. Ihr Ziel ist es, ein freies Umfeld für Tanzbegeisterte zu schaffen, und das direkt in deiner Nähe! zVg
Nelly macht eine Tanzausbildung in Genf im Bereich Contemporary Dance, klassisches Ballett und Hip Hop. Jeden Sonntagnachmittag kannst du von ihr alles, von einem richtigen Aufwärmen bis zum Kreieren und Erarbeiten einer coolen Choreo, lernen.
Was erwartet dich im Training? Der Tanzkurs ist kostenlos und ein Projekt des Jugendzentrums New Graffiti vom toj, dem Trägerverein für offene Jugendarbeit der Stadt Bern. Das Training beginnt mit einem Aufwärmen des Körpers, um Verletzungen zu vermeiden. Danach werden gemeinsam Isolationsbewegungen geübt, die einen grossen Teil zum Hip Hop beitragen. Auch ein kleines Work-out darf nicht fehlen, um dem Körper die nötige Stabilität zu geben. Die meiste Zeit aber wird mit dem Erlernen und gemeinsamen Kreieren von Choreos verbracht. Bei dem ganzen Training soll der Spass nicht zu kurz kommen. Für Nelly stehen das Finden des eigenen Stils und der kreative Ausdruck im Vordergrund. Zum Abschluss folgt ein gemeinsames Ausdehnen, das sogenannte «Cool-down».
Für wen ist der Tanzkurs? Der Tanzkurs ist offen für junge Frauen, Trans, intergeschlechtliche und nicht binäre Menschen ab 12 Jahren – ob mit oder ohne Tanzerfahrung. Du wolltest schon lange einmal etwas Neues ausprobieren? Du hast Lust, dich am Sonntagnachmittag zu cooler Musik zu bewegen? Egal ob du alleine oder mit Freund*innen kommst: In Nellys Tanzstunde im New Graffiti bist du genau richtig. Du bist herzlich willkommen, mit Voranmeldung oder auch ganz spontan vorbeizukommen. Bei Fragen kannst du dich an Jugendarbeiterin isabel.calvo@toj.ch oder vor Ort direkt an Nelly wenden. Nelly freut sich auf dich.
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Angebote, die sich ausschliesslich an Frauen, Trans-, intergeschlechtliche und nicht binäre Menschen richten, sind wichtig und haben ein gemeinsames Ziel: Sie bieten Schutzräume für Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Geschlechtsidentität im Alltag Diskriminierung erfahren. In solchen Schutzräumen sollen sie sich sicher fühlen, Solidarität erfahren und sich stärken können.
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