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ANTIKES ERHALTEN UND PFLEGEN

«SCHÖNES ERHALTEN UND PFLEGEN» Die Antikschreinerei Blaser verhilft alten Möbeln zu neuem Glanz

In den 70er Jahren gründete Verena Blaser die Antikschreinerei Blaser. Die Faszination, antikes Holz zu erhalten und aufzuarbeiten, teilt die ganze Familie: Sohn Bruno, Leiter des Familienunternehmens, gibt Einblicke in die Geschichte und das faszinierende Schaffen des kleinen Betriebes mit langer Tradition. Bianka Balmer

«JedesantikeMöbelisteinUnikat. SeineHerstellungundGeschichte ist einmalig. Deshalb muss jedes Möbelindividuellbetrachtetwerden, damit die bestmögliche Restaurationsvariante gewählt werden kann.» Diese Einleitung auf der Website macht neugierig, mehr zu erfahren über dieses interessante Arbeitsfeld.

Lieber Herr Blaser, erzählen Sie uns doch etwas über sich und das Faszinierende an Ihrem Beruf! Die grösste Faszination ist sicherlich die Vielseitigkeit: der Kontakt mit den Kund:innen, die Beratung, die Herausforderung, die Restaurationsmöglichkeiten zusammen mit ihnen zu erarbeiten und dann die Stücke wunschgemäss zu restaurieren. Es ist einfach wunderbar, in der Ausführung möglichst das Maximum aus jedem Möbel herauszuholen. Die Freude der Kundschaft, wenn sie nach der Restauration und Lieferung ihr Möbel zu Hause bewundern kann, ist dann unsere grösste Belohnung. Wann, wo und wie hat alles angefangen? In den 70er Jahren hat meine Mutter Verena die Antikschreinerei ihres damaligen Lehrmeisters/Arbeitgebers in der Lorraine übernommen und als Ein-Frau-Betrieb Restaurationsarbeiten ausgeführt. 1986 folgte der Umzug an unseren heutigen Standort an der Viktoriastrasse 47, wo meine Frau Katrin und ich zusammen mit einem Teilzeit-Mitarbeiter bis heute den edlen Stücken neuen Glanz verleihen.

Welche Möbel restaurieren Sie hauptsächlich und mit welchen Methoden? Die Restaurationstätigkeit umfasst eine grosse Bandbreite: vom 400-jährigen Renaissance-Objekt über die Kommode aus den 60er Jahren bis hin zu einem modernen Massivholztisch, dessen Tischblatt neu geschliffen und geölt werden soll. Unsere grosse Passion liegt aber klar bei Möbeln des 18. und 19. Jahrhunderts, als die bekannten Berner Ebenisten Funk, Hopfengärtner, Aebersold und Hossfeld ihre Blütezeit hatten. Die von ihnen gefertigten Möbel bereiteten durch ihre perfekte Holzauswahl verbunden mit grossartiger Verarbeitung bereits vielen Generationen Freude, sind auch heute noch gröss«Vielleicht sind genau das tenteils in sehr Warten, die Geduld und gu ba tem, rem brauchZustand die Vorfreude ein mit und können bei antiken Möbelstücken ric ge ht n iger och Pf wei l t e e verbundener Anreiz.» re Generationen erfreuen. Unser Angebot ist vielfältig: von der klassischen Schellack-Handpolitur über das Ölen, Wachsen und Seifen bis zum Lackieren. Der Geschmack unserer Kund:innen hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Als ich meine Arbeit im Geschäft meiner Mutter begann, wünschten sich viele die perfekte Restauration ihrer Möbelstücke und dass sie fast wieder in den Neuzustand gebracht wurden. Dies geschah meistens durch eine Schellack-Handpolitur. Heute bevorzugt gerade unsere jüngere Kundschaft eher rustikal restaurierte Möbel, die gar nicht perfekt sein sollen und denen man ihr Alter und ihre Geschichte ruhig ansehen darf. Wer zählt zu Ihrer Hauptkundschaft? Eine solche gibt es nicht: Die junge Studentin findet bei uns ebenso wie der Professor des Inselspitals oder auch die Dame aus dem Haus nebenan ein Stück, das gefällt. Es war uns schon immer wichtig, für eine möglichst breite Zielkundschaft tätig sein zu können und für alle Lösungen zu finden, um ihre Möbelstücke wieder gebrauchstauglich zu reparieren bzw. zu restaurieren.

Neben Restaurationen bieten Sie auch Liquidationen von Nachlässen an. Aus unserem ursprünglichen Kerngeschäft, der Restauration, hat sich der Handel mit Antiquitäten mit der Zeit von selbst ergeben – am Anfang durch Kund:innen, die für ihre geliebten Stücke einen neuen Platz suchten. Der Antiquitätenmarkt hat sich in den letzten Jahren stark verändert: Das gesunkene Preisniveau hat zur Folge, dass sich heute auch Leute mit kleinerem Budget schöne Antiquitäten leisten können. Wenn ich zu einer Liquidation eines Haushaltes gerufen werde, ist das für mich jedes Mal wie eine Reise in eine andere Welt: Beim Betreten einer fremden Wohnung taucht man in eine komplett andere Umgebung und oft auch in eine völlig andere Zeitepoche ein und staunt über die Schätze, die Jahrhunderte überdauert haben. Gleichermassen spannend ist auch die Begegnung mit den Menschen, die ihr Zuhause verlassen wollen, um sich zu verkleinern, oder dies aus gesundheitlichen Gründen müssen. Oft werden mir Lebensgeschichten erzählt, Dramen spielen sich ab oder Erbstreitigkeiten kommen zu Tage. Manchmal bin ich dabei Tröster, einfach Zuhörer oder auch Schlichter. Was muss ich tun, wenn ich ein altes Möbelstück aufarbeiten lassen möchte? Interessent:innen an einer Restauration oder Reparatur nehmen am besten telefonisch oder per E-Mail Kontakt mit uns auf. Danach begutachte ich das Möbel gemeinsam mit seinem/seiner Eigentümer:in vor Ort oder bei uns im Geschäft, erfahre, welche Wünsche zur Restauration bestehen, berate, was diesbezüglich machbar und sinnvoll ist, und erstelle dann eine verbindliche Offerte. Eine komplette Restauration eines Möbelstückes mit Schellack-Handpolitur kann unter Berücksichtigung der Trocknungszeiten des Leims, der Grundierung und der Politur gut 3 bis 4 Monate dauern, während kleinere Reparaturen innerhalb weniger Tage erledigt werden können. Weil wir ein «Kleinstbetrieb» sind, brauchen unsere Kund:innen je nach Auftragseingang und Umfang der Restauration schon mal mehrere Monate Geduld, bis der gewünschte Auftrag erledigt werden kann. Bei allen, die diese Geduld in der heutigen schnelllebigen Zeit noch aufbringen, bedanke ich mich an dieser Stelle ganz herzlich.

Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft? Vielleicht sind genau das Warten, die Geduld und die Vorfreude ein gewisser mit den antiken Möbelstücken verbundener Anreiz. Möglicherweise wird ihnen der gewisse Zauber dadurch verliehen, dass sie nicht als Lagerware in jeder Variation auf Abruf bereitstehen, sondern dass man sein Wunschobjekt zuerst suchen, finden und nach individuellen Wünschen und Vorstellungen restaurieren lassen muss, um es dann nach längerer Zeit der Vorfreude in die eigenen vier Wände stellen zu können – genauso wie die Vorbesitzer des jeweiligen antiken Möbels, die vor 200 oder 300 Jahren zum Ebenisten gingen, um z. B. ihre Kommode in Auftrag zu geben, und erst mehrere Monate später ihr fertiges Wunschmöbel bekamen. Ich denke, so einzukaufen ist auch viel bewusster und nachhaltiger. Unser Wunsch ist es, unseren Kund:innen noch lange mit unserer Arbeit Freude bereiten zu können.

Lieber Herr Blaser, vielen Dank für dieses Interview und Ihr Wirken. Wir wünschen Ihnen alles Gute!

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