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ANTI-MAFIÖSE, GESUNDE KOST

LIBERA TERRA Feine Aromen gegen den schlechten Geschmack der Mafia

Die Bevölkerung in Süditalien ist es gewohnt, dass ihre Lebensbereiche durch das organisierte Verbrechen geprägt sind. Libera Terra widersetzt sich der Mafia. Mit biologischen Produkten aus Landflächen, die der Mafia entzogen wurden. Und mit legaler und fair bezahlter Arbeit. Einmal monatlich werden die Produkte im Breitsch angeboten.

Martin Jost Für solche Unternehmen wurde die Bewegung «Addiopizzo» aufgebaut, welche die Bezahlung von Schutzgeldern an die Mafia ablehnt.

Biologischer Landbau und legitime Arbeit gegen die Mafia: Remigio Funiciello verkauft Produkte von Libera Terra. Bild: Alexander Egger

«Allein gegen die Mafia»: So hiess die erfolgreichste Fernsehserie aller Zeiten in Italien. Remigio Funiciello muss nicht allein antreten gegen die Organisation, deren Einfluss bis in alle Ebenen von Verwaltung und Politik reicht. Er stammt aus Kampanien und ist Teil von Libera Terra, einem Verbund von landwirtschaftlichen Kooperativen in den Regionen Apulien, Kalabrien, Kampanien und Sizilien, der sich seit 25 Jahren dem Widerstand der Mafia verschrieben hat. Remigio Funiciello erzählt gerne Geschichten. Lieber solche zu den Produkten als solche über die Produkte selbst. Denn die Geschichte zur Entstehung der Produkte ist auch die Geschichte von Libera Terra. «Der Ursprung von Libera Terra geht auf gemeinsame Aktivitäten von ‹Legambiente› und der Kirche zurück. ‹Legambiente› ist die wichtigste Umweltschutzorganisation in Italien.» Und die Kirche in Italien habe den Schlüssel zu allem, begründet er die Rolle der christlichen Glaubensgemeinschaft, und «kann somit alle Türen öffnen». Nachdem die Katholische Kirche in Italien jahrzehntelang die Mafia geduldet hatte, wurden endlich die richtigen Türen geöffnet. Dazu brauchte es Mut von den kirchlichen Würdenträgern. Und ein Gesetz aus dem Jahr 1982.

Die Würde von Mensch und Natur Dieses erlaubt dem italienischen Staat, Personen schon beim begründeten Verdacht auf die Mitgliedschaft in einer mafiösen Organisation zu enteignen. Die konfiszierten Güter gehen in den Besitz der Kommunen über und können zivilgesellschaftlichen Organisationen zur Nutzung überlassen werden. «Der Staat hat die Mafia enteignet», sagt Remigio Funiciello, «der Bevölkerung in den süditalienischen Regionen erschien solches erst als Traum.» Die Türen für die Erschaffung des Projektes Libera Terra waren aufgestossen, im Jahr 1995 erfolgte die Gründung. «Die Gründergeneration hatte gegen grosse Widerstände zu kämpfen», sagt Remigio Funiciello, «bevor überhaupt mit der Produktion begonnen werden konnte.» So ohne weiteres liess sich das organisierte Verbrechen nicht abspeisen. Der Aufbau der Betriebe wurde durch Aktivitäten gestört, Felder wurden abgebrannt oder Maschinen waren plötzlich weg. «Es dauerte erst mal 10 Jahre, bis der Boden entgiftet war und mit biologischem Landbau begonnen werden konnte.» Das war eine Durststrecke für die landwirtschaftlichen Genossenschaften, denn Libera Terra bezahlt dem Staat Mietkosten für die Nutzung des Landes. Gemäss dem Leitsatz von Libera Terra sollen qualitativ hochwertige Produkte hergestellt werden. Unter Bedingungen, welche die Würde der Natur respektieren. Und die des Menschen.

Perspektiven für Junge Damit manövriert sich Libera Terra zwangsläufig auf Konfrontationskurs mit der Mafia. Dieser sind solche Ansprüche an sich selbst nicht nur fremd, sie sind ihr ein Stachel im Fleisch. Denn die Mafia erträgt es nicht, wenn den Menschen in ihrem Einflussbereich Alternativen angeboten werden. Genau das tut Libera Terra. «Es ist das beste Mittel, gegen den Einfluss der Mafia anzukämpfen», ist Remigio Funiciello überzeugt, «die legitime Arbeit schafft Perspektiven für die Menschen.» Das weiss auch Don Pino De Masi. Er ist Pfarrer in einer kalabrischen Gemeinde, Regionalkoordinator von Libera Terra und stellt fest, dass junge Menschen in der Region nur drei Möglichkeiten haben: Wegzug, Anschluss an die Mafia oder Einsatz für den Wandel. «Das imponiert mir», sagt Remigio Funiciello und meint damit die Menschen, die sich für den Wandel engagieren, «ich will solche Leute unterstützen.» Was er denn auch tut. Zusammen mit dem Verein «Lupi solidali». Diese «solidarischen Wölfe» verkaufen ohne Gewinnorientierung die Erzeugnisse von Libera Terra. «Ich bin dem Breitsch-Träff sehr dankbar für die Möglichkeit, die Produkte hier anzubieten.» Olivenöl, Teigwaren, auch Honig und Wein sind einige der Produkte, welche die Aromen aus Süditalien verbreiten. Bevor es so weit ist, müssen die Produkte weiterverarbeitet werden. Durch italienische Firmen, die sich konsequent der Mafia verweigern. «Sizilien ist hohe Kultur» Der Aufwand für den Vertrieb der Produkte wird so niedrig wie möglich gehalten, eine Firma im Tessin organisiert den Import und ist zuständig für die Abwicklung des administrativen Aufwandes. Libera Terra hat seine Wurzeln im südlichen Italien. Das gilt auch für die Mafia, insbesondere für die Region Sizilien. Höchste Zeit für Remigio Funiciello, etwas festzuhalten, das ihm genauso am Herzen liegt wie das Projekt Libera Terra: «Sizilien ist nicht einfach nur Mafia. Sizilien ist auch hohe Kultur.» In seiner umtriebigen und rührigen Art gelingt es ihm mit Leichtigkeit, die touristischen Aktivitäten unter dem Begriff «Agriturismo» zu erwähnen, die auch zum Projekt Libera Terra gehören. Also die Möglichkeit für Touristen, Ferien in umgebauten Bauernhöfen zu verbringen, in denen die Bio-Produkte der landwirtschaftlichen Genossenschaften angeboten werden. Trotz der erfreulichen Entwicklung des Projektes und den Perspektiven daraus erinnert Remigio Funiciello daran, dass die Mafia weiterhin Einfluss hat. Offene Gewalt werde zwar nicht mehr so oft angewendet, aber «in wirtschaftlich sehr schwierigen Zeiten wie jetzt könnte die Mafia wieder stärker werden und ist bemüht, sich beliebt zu machen». Die Kraft und die Ausdauer von Organisationen wie Libera Terra wird weiterhin nötig sein.

 www.liberaterra.it

INFO

Marktstand mit Bio-Produkten von Libera Terra: Jeden ersten Samstag im Monat ab 9.00 Uhr beim Breitsch-Träff. Remigio Funiciello / 078 783 99 25  www.liberaterra.it

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