3 minute read

Der Fachkräftemangel beschäftigt alle

GEWERBEGRUPPE AGV: DER FACHKRÄFTEMANGEL BESCHÄFTIGT ALLE

Die interfraktionelle Gewerbegruppe des Grossen Rates traf sich zum Gewerbelunch. Das Thema: der Fachkräftemangel.

Er beschäftigt die Gewerbetreibenden: der Fachkräftemangel. Ein guter Grund also, dieses Thema ins Zentrum des Gewerbelunches der interfraktionellen Gewerbegruppe zu stellen. 30 Grossrätinnen und Grossräte folgten der Einladung; auch die beiden Regierungsräte Markus Dieth und Dieter Egli waren unter den Gästen. Benjamin Giezendanner, Präsident des AGV, gab in seinem Grusswort einen Einblick in das Engagement des AGV. Mit Initiativen wie «Schule trifft Wirtschaft» will man Schule und Unternehmen wieder näher zueinander bringen. «Lehrpersonen sollten sich vermehrt mit verschiedenen Unternehmen auseinandersetzten, damit sie ihre Schülerinnen und Schüler besser im Berufswahlprozess begleiten können», so Giezendanner.

Die Kerngruppe der Gewerbegruppe – bestehend aus Silvan Hilfiker (FDP), Michael Wetzel (Die Mitte), Daniel Notter (SVP) und mir als Obmann – hatte zwei Referenten eingeladen. Claude Perrinjaquet erzählte, wie ihn der Fachkräftemangel als Gartenbauunternehmer trifft. «Wenn wir eine Stelle besetzten müssen, dann ist es mit einem Inserat auf der Webseite oder in einer Zeitung nicht getan. Eigentlich müssen wir die Stelle bereits besetzen, bevor sie frei wird», sagte er. Daher sei es wichtig, die Fluktuation niedrig zu halten. Man müsse als Unternehmen attraktiv sein. Dazu gehöre auch, in die Aus- und Weiterbildung zu investieren. Und: «Früher sagte man den Lernenden, sie sollen nach der Ausbildung in eine andere Unternehmung gehen, um Erfahrungen zu sammeln. Heute ist mir das zu riskant – ich möchte gute Fachkräfte lieber behalten.» Es werde immer wichtiger, gegen aussen präsent zu sein; auch auf Social Media.

Offene Stellen auf historischem Hoch

Martin Meyer, VP Adecco Workforce Solutions Deutschschweiz, zeigte in seinem Referat die aktuelle Situation anhand von Zahlen auf dem Arbeitsmarkt auf – und diese ist besorgniserregend. «Die Zahl der offenen Stellen ist auf einem historischen Hoch», sagte er. Dies zeigt auch die Studie, die Adecco jährlich in Zusammenarbeit mit dem Stellenmarktmonitor Schweiz der Universität Zürich durchführt. Im Management Summary der im November 2021 erschienen Studie heisst es: «Gemäss dem Fachkräftemangel Index Schweiz nimmt der Fachkräftebedarf im Sommerhalbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr (Sommerhalbjahr 2020) um 27 % zu.» Meyer zeigte auf, wie sich die Welt verändern wird. So rechnet man damit, dass bis 2030 durch die Digitalisierung zwar 20 % neue Jobs geschaffen werden, gleichzeitig durch Digitalisierung und Automatisation aber auch 20 % der Jobs verschwinden. Die Herausforderung: Der Fachkräftemangel wird sich verstärken, da es an Mitarbeitenden mit den richtigen Skills fehlt.

Es fehlen nicht nur die guten Handwerker/innen – Politik und Gewerbe stehen vor grossen Herausforderungen.

Regierungsrat Dieter Egli machte in der anschliessenden Diskussion darauf aufmerksam, dass es auch in der Verwaltung immer schwieriger werde, die offenen Stellen zu besetzen. Fachkräftemangel sei also nicht nur ein Problem in der Privatwirtschaft. «Täglich pendeln 100 000 Menschen aus dem Kanton hinaus, um zu arbeiten. Diese müssen wir hierbehalten können. Mit Initiativen wie Work Life Aargau versuchen wir, Fachkräfte und offene Stellen zueinander zu bringen.»

Gemeinsam etwas bewirken

Die Grossrätinnen und Grossräte entwickelten viele Ideen, wie man aus politischer Sicht dem Fachkräftemangel begegnen könnte. So soll zum Beispiel die Berufsmatur gestärkt werden. Und man müsse mehr in praxisbezogene Bildung investieren, so der Grundtenor. Es geht dabei aber keinesfalls darum, den akademischen Weg gegen die Berufslehre auszuspielen oder umgekehrt, da waren sich die Grossrätinnen und Grossräte einig. Ein zentraler Punkt ist die Wertschätzung. Wer eine Berufslehre macht, darf nicht das Gefühl haben, dass er oder sie den zweitbesten Weg geht. Dazu braucht es Bestrebungen in der Politik, aber genauso im Elternhaus, in der Schule, ja in der ganzen Gesellschaft. Ideen gab es auch bezüglich der Bildung. Der Quereinstieg in den Lehrerberuf soll erleichtert werden. So fliessen Entwicklungen aus der Privatwirtschaft in die Schule ein und Lehrpersonen können Schülerinnen und Schüler besser in der Berufswahl unterstützen. Und es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um gesellschaftliche Entwicklungen auch in der Berufswelt abbilden zu können – zum Beispiel der Wunsch nach einer 4-Tage-Woche oder Teilzeitarbeit. Wünscht ein Betrieb längere Tagesarbeitszeiten, um den Fachkräften eine kürzere Arbeitswoche zu ermöglichen, so darf die Politik da nicht im Weg stehen. Die Gewerbegruppe wird in Zukunft mit Vorstössen einige dieser Themen lancieren und so dafür sorgen, dass die Unternehmen die besten Voraussetzungen haben, um sich weiterzuentwickeln.

This article is from: