Neuö Zürcör Zäitung
Samstag, 14. Dezember 2013 ^ Nr. 291
ZÜRICH UND REGION 23
«Wir sind Teil des Zürcher Businessmodells» Der neue Direktor Jeff Paulson sieht die Zurich International School als treibende Kraft des Wandels Die Zurich International School (ZIS) kann auf eine 50-jährige Geschichte zurückblicken. Seit Sommer 2012 wird sie vom Amerikaner Jeff Paulson geleitet. Er führt sie in eine Zukunft voller Ungewissheiten. Herr Paulson, Sie haben die Hälfte Ihres Lebens in vielen Ländern dieser Erde gelebt. War das ein Grundsatzentscheid? Ich lebte und arbeitete in England, Malaysia, Peru, den USA, Venezuela und jetzt in der Schweiz. Das Umfeld war immer ganz verschieden, aber die Schulen, an denen ich arbeitete, glichen sich stark. Wir haben als Familie die internationalen Schulen als Ort, in dem wir unsere Kinder grossziehen wollten, bewusst gewählt. Wie hat Sie diese Form modernen Nomadentums geprägt? Wir sind eine internationale Familie. Ich habe zwar einen amerikanischen Pass, fühle mich aber in den USA mehr als in der Schweiz als Fremder. Ich liebe es, mit Menschen aus aller Welt zusammenzukommen und fremde Kulturen und Lebensstile zu erleben. In der Schweiz stiess ich auf offene und hilfsbereite Menschen. Ich habe das Gefühl, hier mich selbst sein zu können. Wie erleben Sie die hiesigen Volksschulen? Wo liegen die Hauptunterschiede zur Zurich International School (ZIS)? Persönlich kenne ich das hiesige Schulsystem noch zu wenig, aber was man über die Schweizer Schulen hört, ist sehr positiv. Vergleichen möchte ich die Schulsysteme nicht. Unsere Schule ist Teil eines internationalen Netzes. Es gibt weltweit 6000 ähnliche internationale Schulen. Das erlaubt uns, voneinander zu lernen und das Beste in unsere Schulpraxis einzubauen. Wir haben aber auch gemeinsame Projekte mit der Volksschule, etwa in Adliswil, wo wir
«Einige der traditionellen pädagogischen Überzeugungen und Konzepte der Schulführung müssen verabschiedet werden.» auch enge Beziehungen mit der Gemeinde pflegen, die zum Teil unsere Infrastruktur nutzen kann. Bleibt die ZIS eine Schule für Leute, die nur eine bestimmte Zeit hier leben? Ja, das ist unsere Mission. Jedes Jahr verlassen uns 20 bis 25 Prozent der Schülerschaft. Aufenthalte von drei oder vier Jahren in einem Land sind im internationalen Umfeld die Regel. Ist die ZIS auch eine Schule für Schweizer, die ein alternatives Erziehungsmodell suchen? Unsere Dienste für die Familien von Berufsleuten, die nur vorübergehend in der Schweiz leben, sind unsere Existenzberechtigung. Es können auch Schweizer Familien sein, die aus beruflichen Gründen länger im Ausland leben. Sie müssen uns ihre internationale Mobilität aber aufzeigen können. Was bedeutet für Sie die Zürcher Regelung, dass Sie ausschliesslich solche Expatriates aufnehmen dürfen? Das hat keinen Einfluss, sie sind unsere traditionellen Kunden. Selbstverständlich respektieren wir Zürichs Gesetze. Wird das Kommen und Gehen gut ausgebildeter Leute Zürich auch in Zukunft im heutigen Ausmass kennzeichnen? Davon bin ich überzeugt. Wir erarbeiten zurzeit Modellvorstellungen darüber, wie unsere Schule als Organisation 2020 aussehen könnte. Dabei gehen wir davon aus, dass die stürmische Entwicklung der letzten Jahre abflacht. Weiteres Wachstum ist deshalb nicht unser Ziel. Wir wollen uns aber so aufstellen, dass wir wachsen können, wenn
Jeff Paulson im neuen Campus der Zurich International School im Zentrum von Baden. es nötig ist. In erster Linie geht es um die Sicherung und Entwicklung der pädagogischen Qualität. Mit zu starkem Wachstum laufen wir Gefahr, uns dem Fabrik-Modell anzunähern: das Gleiche für alle. Unsere Stärke ist aber die Ermöglichung individueller Lernerfahrungen und Lernwege – inklusive der Integration und Förderung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen. Damit haben wir den guten Ruf der Schule erworben. Hat sich mit dem Wachstum auch die Zusammensetzung der Eltern verändert? Die einstige «Amerikanerschule» ist eindeutig internationaler geworden. Unsere Familien kommen aus über 50 Nationen und sprechen 41 verschiedene Muttersprachen. Die global tätigen Firmen in Zürich brauchen uns, um gute Mitarbeiter rekrutieren zu können. Und wir wollen ihren Bedürfnissen entsprechen. Dass ständig neue Familien mit ganz unterschiedlichen Erwartungen und Bedürfnissen zu uns kommen, ist eine grosse Herausforderung. Unsere Schulentwicklung hat deshalb zwei Ziele. Das erste ist Qualität, das zweite Flexibilität. Wir versuchen, der Entwicklung immer einen Schritt voraus zu sein. Ihr Vorgänger galt als «Philosoph» der Schule. Fällt Ihnen jetzt die Aufgabe zu, ihr festere Strukturen zu geben? Mein Vorgänger Peter C. Mott war mit seinem unternehmerischen Geist ein Geschenk für die Schule. Es gelang ihm, das rasante Wachstum zu bewältigen. Ohne sein Engagement hätten wir heute nicht fünf Campus in Wädenswil, Kilchberg, Adliswil und Baden. Meine Aufgabe ist es jetzt, Strategien für die nächste Ära zu entwickeln. Die Bildungswelt verändert sich zurzeit vor allem im internationalen Umfeld radikal. Das betrifft nicht nur die Technologien, sondern auch die Formen der Zusammenarbeit unter Schulen. Wir bewegen uns in eine Zukunft mit vielen Unbekannten und sind als Innovatoren
gefordert. Trotzdem müssen unsere Entscheide richtig sein. Das gelingt nur, wenn wir uns über Werte und Grundhaltungen verständigen. Sie sind das Kernstück einer guten Schule. Was sind die grössten Herausforderungen, die Sie auf sich zukommen sehen? Es gibt Herausforderungen in verschiedenen Bereichen, aber keine, die nicht in den Griff zu bekommen wären. Die Schule wird es auch in Zukunft geben. Sie ist jene soziale Organisation, in der die Schüler zum Lernen von- und miteinander zusammenkommen, angeleitet und begleitet von Lehrern. Was in dieser Schule aber abläuft, kann sich grundlegend verändern. Herausfordernd ist es, in einigen Bereichen dieser Wende als treibende Kraft an der Spitze dabei zu sein. Das sind wir heute. Warum ist das Ihr Ziel? Schulen orientieren sich in vielerlei Hinsicht an der Tradition. Kinder lernen aber sehr unterschiedlich. Die Lehrer müssen deshalb auch auf verschiedene Arten unterrichten. Stark verändert hat sich die Multitasking-Fähigkeit der Kinder. Sie können gleichzeitig Musik hören, am Laptop und am iPhone hängen und verrichten die Schularbeit trotzdem korrekt. Einige der traditionellen pädagogischen Überzeugungen und Konzepte der Schulführung müssen verabschiedet werden. Deshalb müssen wir uns mit ihnen auseinandersetzen. Gibt es in der Schweiz spezifische Herausforderungen? Anders als in Bangkok können wir hier mit unseren Schülern einfach in den Wald gehen oder in die Berge fahren. Die Frage, wie wir all das, was uns die Umgebung und die Natur hier bieten, für neue Unterrichtserfahrungen nutzen können, beschäftigt uns sehr. Bern hat eine internationale Schule mit 5 Millionen Franken unterstützt. Sie er-
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Von Venezuela nach Adliswil wbt. ^ Seit August 2012 führt der 50-jährige Amerikaner Jeff Paulson die Zurich International School (ZIS). Paulson doktorierte in den USA nach Studien der Mathematik und der Psychologie in Educational Policy and Administration. Nach Zürich wechselte er nach 8 Jahren in Venezuela. Er blickt auf eine Schullaufbahn von über 25 Jahren zurück. Mit seiner Frau und den beiden 16- und 13-jährigen Kindern lebt er in Adliswil. Im Sommer ist die ZIS 50 Jahre alt geworden. Ihren heutigen Namen trägt sie seit der Fusion der American Internatio-
nal School of Zurich, Kilchberg, mit der International Primary School of Zurich, Horgen, im Jahr 2001. Seit der Gründung stiegen die Schülerzahlen von 120 auf rund 1500 Schüler. Das Wachstum verlief vor allem seit der Jahrtausendwende rasant. Heute verfügt die Schule über fünf Standorte in Wädenswil, Kilchberg (zwei), Adliswil und Baden. Die ZIS ist die älteste und grösste International School in der Deutschschweiz. Ihr Curriculum folgt internationalen Lehrplänen, unterrichtet wird auf Englisch. Deutsch ist bis zur 9. Klasse Pflichtfach.
KARIN HOFER / NZZ
hielten vom Kanton bisher nur ein Darlehen für den Neubau in Adliswil. Was würden Subventionen bringen? Das würde uns helfen, unseren Auftrag zu erfüllen. Unsere Arbeit ist zwar durch die Schulgelder finanziell gesichert, und wir haben gelernt, mit wenig auszukommen. Es gibt aber viele Dinge, die wir mangels Geld nicht tun können, aber gerne täten. Nicht abgedeckt sind die Kosten des Wachstums, etwa die Investitionen in Schulbauten. Diese Mittel müssen wir durch Fundraising aufbringen. Ein Problem ist, dass wir dank dem Wachstum in den letzten Jahren mit stetig wachsenden Einkünften rechnen konnten. Wenn jetzt die Schülerzahlen tendenziell stabil bleiben, stagnieren auch die Einnahmen. Die Kosten wachsen aber weiter. Wir sind gezwungen, unsere finanzielle Basis so anzupassen, dass wir die Qualität halten und die dafür nötigen Programme auch künftig anbieten können. Wer kommt für die Schulgelder auf, die Arbeitgeber oder die Arbeitnehmer? Das variiert je nach Vereinbarung zwischen Firma und Mitarbeiter. Etwa 60 Prozent der Rechnungen gehen direkt an die Unternehmen. Von den restlichen dürfte ein Teil am Ende auch durch die Arbeitnehmer bezahlt werden. Das ist aber nur eine Vermutung. Wie würden Sie argumentieren, um staatliche Unterstützung zu rechtfertigen? Die ZIS hilft, internationale Gesellschaften nach Zürich zu bringen. Wir tragen zur wirtschaftlichen Entwicklung des Kantons Zürich bei und sind Teil des Zürcher Businessmodells. Wir unterstützen die Bemühungen der Unternehmen, gute Arbeitgeber zu sein. Im Zürcher Volksschulgesetz steht, dass Schulen, die im wirtschaftlichen Interesse des Kantons sind, unterstützt werden können. Das sind wir ganz klar. Wie sehen Sie das Verhältnis Ihrer Schule zu Ihrem Zürcher Umfeld? Für uns ist es von grosser Bedeutung, als Teil der Zürcher Gesellschaft und unserer Standortgemeinden wahrgenommen zu werden. Wir erheben nicht den Anspruch, etwas Besonderes zu sein. Alle Schulen hier arbeiten hart daran, Kinder auf eine Zukunft vorzubereiten, die nicht genau vorausgesagt werden kann. Ich glaube sehr stark an den Nutzen der Zusammenarbeit. Je mehr wir uns mit hiesigen Einrichtungen zusammentun, desto besser können wir den Bedürfnissen unserer Kinder gerecht werden. Die Bereitschaft der Zürcher, ohne Frage nach dem Pass zu kooperieren, ist eine gute Voraussetzung dafür. Interview: Walter Bernet
NACHTFALTER
Sieben Leben
Die Stray-Cat-Bar im Kreis 4
Urs Bühler ^ Dass eine streunende Katze zu den beständigeren Elementen in Zürichs Nachtleben zählt, mag Ironie des Schicksals sein. Dem einst flatterhaften Falter, der heute eher flaniert als streunt, ist das Lokal seit Studentenzeiten ein Begriff: Die Stray-Cat-Bar an einer schummrigen Ecke im Kreis 4, kurz bevor die sündige Langstrasse per Unterführung nach Läuterung strebt, war stark verraucht und leicht verrucht. Am Tresen hing manche Gestalt, deren Augenringe nicht nur von Schlafmanko zeugten. An der ausgedienten Tankstelle, die vor der Tür die Illusion der grossen Freiheit verströmte, lagen Gestrandete mitunter wie tote Fliegen. Das wirkte auf brave Studenten anziehend verstörend. Von der Tankstelle ist nur noch das Dach übrig, doch beim Betreten der angenehm unmodisch gestalteten Bar mit Hells-Angels-Vergangenheit fühlt man sich an damals erinnert: die geschwungene Holzbar, die alten Lampen, die wohl fast wieder cool sind, eine grossformatige Monroe aus Pappe und mit weitem Ausschnitt, eine Foto von de Niro alias «Taxi Driver» mit vorgehaltener Knarre. Da waren Geschlechterrollen noch klar verteilt. Nicht ganz so zeitlos wie das Interieur ist das Publikum, jung, clean und angepasst an diesem Freitagabend. Von den schrägen Vögeln ist keiner mehr übrig, von den Flipperkästen einer. Ein bleiches Bürschchen hinter der Theke, das stark an die Titelfigur aus «Harold and Maude» erinnert, bringt die Drinks und will sofort einkassieren, ehe die erfahrenere Barmaid lächelnd eingreift. Die Jukebox ist voll digitalisiert, es läuft Elvis. Elvis, Elvis, Elvis. Der King ist fabelhaft, doch irgendwann braucht
EVA KLÄUI
es «meh Dräck»: Als Presley seine Version von «My Way» heult, schreit das Herz nach jener der Sex Pistols. Die Barfrau registriert das, erfüllt den Wunsch prompt, und das junge Volk nimmt’s gelassen hin. Oder doch nicht? Beim zweiten Besuch einige Wochen später gehen an einem Donnerstagabend innert dreier Stunden fünf Gäste ein und aus. Und der Barman macht den Laden genau zehn Minuten vor Mitternacht dicht und sagt, er müsse auf den letzten Zug. Doch nicht die Sex Pistols haben das Volk vertrieben, es zieht offenbar auch sonst meist andere Lokale in der Umgebung vor. Von den sieben Leben dieser Katze, die mitsamt Terrasse so viel Potenzial hätte, scheinen die meisten aufgebraucht. Ob sich wohl niemand findet, ihr noch eines einzuhauchen, ohne gleich alles kaputt zu renovieren? Stray-Cat-Bar, Neufrankengasse 4, 8004 Zürich.
Notbudget für Bülach
wbt. ^ Nach der Rückweisung des Bülacher Budgets für 2014 durch den Gemeinderat geht die Stadt mit einem Notbudget ins neue Jahr. Es können nur noch jene Ausgaben getätigt werden, welche für die Verwaltungsarbeit unerlässlich, gesetzlich vorgeschrieben oder bereits beschlossen sind, wie die Stadt am Freitag mitgeteilt hat. Der Stadtrat will bis Ende Januar ein neues Budget vorlegen. Damit erhielte das Parlament die Möglichkeit, bis Ende März – noch innerhalb der laufenden Legislatur – ein ordentliches Budget zu verabschieden. Vorgabe des Parlaments an den Stadtrat ist eine Senkung des Aufwands von 133 auf 129 Millionen Franken.