Barry Miles: Zappa

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Frank Zappas Beitrag zur Rockgeschichte ist überwältigend. Der Bürgerschreck aus Baltimore gilt als eines der größten Musik­genies des 20. Jahrhunderts und ist bis heute eine Ikone der amerikanischen Gegenkultur. Barry Miles’ Buch ist ein liebe­volles und kritisches Porträt des genialen Komponisten und Künstlers, der weit mehr war als nur ein erstaunlicher Rockstar. »Elegant geschrieben, musikwissenschaftlich bestechend und so lebendig, als wäre man dabei gewesen – besser kann eine Rockbiografie nicht sein.« Mojo

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barry miles zappa

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Barry Miles (*1943) ist Musikjournalist, Kenner der musi­ka­lischen und literarischen Avantgarde der Beat-Ära und promi­nenter Biograf der Musikszene der 60er und 70er Jahre. Er kannte Zappa seit Beginn seiner Karriere, erlebte ihn als Familienmenschen und war bei Konzerten, Tourneen und Aufnahmesessions dabei.

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barry miles zappa

»Frank hatte jetzt eine Truppe guter Musiker zusammen, die in der Lage waren, seine Musik zu spielen. Zappa: ›Ich hatte eigentlich nie vor, Rockmusik zu schreiben. Ich wollte ernst­hafte Musik für Konzerthallen komponieren, aber mir war klar, dass niemand die aufführen würde. So kam ich auf den Gedanken, dass ich wohl eine Band zusammenstellen und Rockmusik spielen müsse, wenn irgendjemand irgend wann mal eine meiner Kompositionen zu hören bekommen sollte. So habe ich angefangen.‹«

Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins 22.11.2010 15:07:01 Uhr



INHALT EINLEITUNG

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17 TAGE UNTERWEGS 327 18 ORCHESTRALE MANÖVER 344

1 BALTIMORE

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19 DIE FRAUEN DES GROSSEN BRUDERS

2 KALIFORNIEN 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

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LANCASTER, CA 47 ONTARIO, CA 73 CUCAMONGA 86 STUDIO Z 101 DER STRIP 114 FREAK OUT! 128 LAUREL CANYON 143 NEW YORK CITY 164 DAS BLOCKHAUS 196 BIZARRE / STRAIGHT 217 200 MOTELS 242 WAKA / JAWAKA 263 ON THE ROAD 283 DR. ZURKONS GEHEIMES LABOR IN HAPPY VALLEY 300

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20 UND NOCH EINMAL FÜR ALLE . . . 391 21 ABSCHIED 417 22 NACHWORT 436

ANMERKUNGEN 445 BIBLIOGRAFIE 473 DEUTSCHE BIBLIOGRAFIE 479 DISKOGRAFIE 480 FILME UND BÜCHER 500 BILDNACHWEIS 500 REGISTER 501 WERKREGISTER 525



EINLEITUNG

Cucamonga war im Jahr 1965 kaum mehr als ein Dorf: nur ein paar Straßen rechts und links des Foothill Boulevard, der Teil der historischen Route 66 ist und hier die Archibald Avenue kreuzt, etwa 120 Kilometer östlich von Los Angeles. Nicht mehr als 7000 Menschen verloren sich in dieser Vorstadteinöde, die bis nach Los Angeles reichte und die Schwesterstädte Ontario- Upland im Westen und San Bernardino im Osten miteinander verband. Obwohl die Sechziger bereits zur Hälfte vorbei waren, lebten die Menschen hier wie in einer Fünfziger- Jahre- Zeitblase. Cucamonga war konservatives, rechtslastiges Pflaster, und die männliche Bevölkerung lief in kurzärmeligen weißen Hemden und mit Fliege herum, selbst T- Shirts wurden misstrauisch beäugt. Die Stadt hatte eine High School, ein Gericht, eine Holy- Roller- Kirchengemeinde, einen Imbiss für Sodas und Eiskrem und ein Tonstudio, das Studio Z. Letzteres hatte der ortsansässige Paul Buff gebaut, inzwischen aber gehörte es dem 24- jährigen Frank Zappa. Die Geschäfte gingen mau: Auch für den sehr günstigen Stundensatz von 13, 50 Dollar wollten nur wenige der örtlichen Bands Plattenaufnahmen machen, und so fuhr Frank an jedem Wochenende ins 120 Kilometer entfernte Sun Village. Hier, mitten in der High- Mojave- Wüste, spielte er für 7 Dollar pro Abend in einer Barkapelle. Mit ihm im Tonstudio lebten seine 18- jährige Freundin Lorraine Belcher und ein Freund aus High School- Zeiten, Jim >Motorhead< Sherwood. Frank hatte einige Projekte in Planung, darunter einen Low- BudgetSciencefiction- Film: Captain Beef heart vs the Grunt People, in dem sein alter Schulkumpel Don Vliet (später Captain Beefheart genannt) und dessen Eltern auftreten sollten. Und obwohl kein Geld in der Kasse war, hatte Frank voller Zuversicht ein Casting ausgeschrieben. Das rief die örtliche Polizei auf den Plan, die dem Sittendezernat in San Bernardino 9


einen Hinweis gab, woraufhin Detective Sgt. Jim Willis inkognito für die Rolle des Senator Gurney (die >Rolle des Arschlochs<, wie Zappa sagte) vorsprach und überzeugt war, eine Lasterhöhle aufgespürt zu haben. Für Sgt. Willis war das Studio Z der Inbegriff einer Künstlerbude. Die Wände waren mit Zeitungsausschnitten und Memorabilien gepflastert: die Androhung der Verkehrsbehörde, Zappas Führerschein einzuziehen, seine Scheidungspapiere, ein Foto, das ihn in der Steve- Allen- Show zeigt, Absagebriefe diverser Musikverleger, Pop- Art- Collagen und Songtexte. Einer davon war The Streets of Fontana, die Parodie des Folkklassikers The Streets of Laredo, den Zappa gewöhnlich mit Ray Collins in den Clubs der Umgebung als Lachnummer darbrachte. Sgt. Willis fand das gar nicht lustig – Zappa war ganz eindeutig eine Gefahr für die Gesellschaft. Er forderte ein Observierungsteam an, das ein Loch in die Mauer des Studios bohrte; wochenlang sammelten Undercover- Polizisten Beweise für subversives Verhalten. Bei seinem zweiten Besuch trat Sgt. Willis als Gebrauchtwagenhändler auf. Er sei durch das Schild über der Tür aufmerksam geworden (TV PICTURES ), und da er und seine Jungs eine kleine Party planen würden, könnte Zappa ihnen doch vielleicht einen kleinen >aufregenden Film< liefern, der zu diesem Anlass passe? Zappa lebte damals von ErdnussbutterSandwichs und Kartoffelbrei aus der Tüte; rasch überschlug er, dass so ein Film etwa 300 Dollar kosten würde. Dieser Betrag war jenseits des Budgets der Sittenpolizei, und so schlug Zappa vor, dass es vielleicht ja auch ein Tonband für 100 Dollar tun würde. Willis erläuterte, was alles auf dem Band zu hören sein sollte (>oraler Sex< eingeschlossen), und Zappa sagte die Fertigstellung für den nächsten Tag zu. Ihr Gespräch wurde durch ein Mikrofon in Willis’ Armbanduhr übertragen und in einem Lieferwagen aufgezeichnet, der vor der Tür parkte – eine Szene, die aus einem Dick- Tracy- Comic hätte stammen können. An diesem Abend tobten Frank und Lorraine über die Matratzen und brachten die Bettfedern zum Quietschen; heraus kam ein halbstündiges Tonband mit Japsen und Stöhnen, das mit weiterem, wie die Polizei es nannte, Füllmaterial angereichert wurde. Richtiger Sex fand nicht statt. Zappa schnitt das Gekicher und Gelächter heraus und – wie immer ein Profi – unterlegte das Ganze mit Musik. Am nächsten Tag tauchte Sgt. Willis auf und bot ihm 50 Dollar. 10

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Zappa beschwerte sich, dass sie 100 Dollar abgemacht hätten, und wollte das Band nicht herausgeben. In diesem Moment flog die Tür auf, und zwei weitere Beamte aus San Bernardino stürzten herein, zu denen sich noch ein Polizist aus Ontario sowie ein Reporter des Ontario- Upland Daily Report und ein Fotograf gesellten. Zappa und Lorraine wurden verhaftet und in Handschellen abgeführt. Willis und seine Leute durchsuchten das Gebäude, während der Fotograf seine Blitzbirnen verschoss. Zappa und Lorraine wurden ins Bezirksgefängnis gebracht und dort unter dem Verdacht auf »Verschwörung zur Herstellung pornografischen Materials« und »sexueller Perversionen« eingebuchtet – beides nach kalifornischem Recht Kapitalverbrechen. Paul Buff lieh Zappa das Geld, um auf Kaution freizukommen; um Lorraine herauszuholen, erhielt er einen Honorarvorschuss von Art Laboe, dem Betreiber des Labels Original Sound. Eine Woche später wurden sie in Cucamonga vor Gericht gestellt – das Gebäude befand sich genau gegenüber vom Studio Z – und dem Richter vorgeführt. Während der Verhandlung beorderte der Richter die Angeklagten samt aller Anwälte in ein separates Zimmer, um dort das >pornografische< Tonband zu hören. Er fand es allerdings so komisch, dass er zu lachen anfing, was den Anklagevertreter auf die Palme brachte. Der Fall wurde von einem 26- jährigen stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt vertreten, der »im Namen der Gerechtigkeit« eine Gefängnisstrafe für die Herstellung dieses Schmierstücks forderte. Die Anklage gegen Lorraine wurde fallen gelassen, während Zappa eines minderen Deliktes für schuldig befunden wurde. Das Urteil lautete auf sechs Monate Gefängnis, von denen er aber nur zehn Tage absitzen musste; daran schloss sich eine dreijährige Bewährung an. Die zehn Tage im Bezirksgefängnis von San Bernardino hinterließen ein schweres Trauma, sie schreckten Zappa aus seiner Gutgläubigkeit auf und ließen ihn zu jener zynischen, misstrauischen Persönlichkeit werden, die er sein Leben lang bleiben sollte. In Zelle C waren 44 Männer zusammengepfercht, die Temperatur lag bei 35 Grad, und das Licht brannte Tag und Nacht. Am Ende des Zellenblocks gab es eine einzige Dusche, aber die war so verdreckt, dass Zappa sich dort weder wusch noch rasierte. Er war macht- und hilflos, und so saß er nur da und stellte sich gewaltige Gitarrenakkorde vor, die die Wände seines Gefängnisses zum Einsturz bringen würden. EINLEITUNG

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Als er entlassen wurde, hatte er jegliches Vertrauen in die Autoritäten dieses seines Landes verloren. Alles, was er in der Schule über den American Way of Life gelernt hatte, schien nichts als eine Lüge zu sein. Er würde sich nicht noch einmal hereinlegen lassen. Er sorgte dafür, dass sein pornografisches Tonband von allen und jedem gehört wurde – wieder und wieder und auf jeder seiner Platten mehrere Male; er rieb es den anständigen Bürgern unter die Nase und hielt ihnen einen Spiegel vor, zeigte Amerika, wie es wirklich war: falsch, verlogen, hohl und hässlich.

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BALTIMORE

Zappa ist das italienische Wort für >Hacke<, ein Symbol für die Knochen brechenden Mühen der sizilianischen Bauern, die dem trocknen, steinigen Boden mehr schlecht als recht ihren Lebensunterhalt abtrotzen. Frank Zappas Vater, Francis Vincent Zappa, wurde am 7. Mai 1905 in Partinico geboren, einer kleinen Stadt von 20 000 Einwohnern im westlichen Sizilien. Partinico liegt knapp 20 Kilometer westlich von Palermo an einer kurvenreichen Bergstraße. Die Gegend ist von verblüffender Schönheit: Griechische Tempel, römische Brücken, sarazenische Moscheen und abgeschiedene Klöster liegen zwischen Olivenhainen und Weinbergen – mitten im Herzland der Mafia. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die »Partinico- Fraktion« der Hauptlieferant von Heroin an die Mitglieder der »Partnerschaft« – die »Partinico West«- Familien –, die den Rauschgifthandel in Detroit, San Diego, Miami, Las Vegas, Tucson und anderen Städten kontrollierten. Heutzutage wird Partinico von fünf Mafia- Familien beherrscht und ist die Hauptstadt des triangolo d’oro di marijuana, des »Goldenen Dreiecks«, wo in den Weinbergen Cannabis in hoch technisierten Gewächshäusern angebaut wird. Aber als Francis Zappa geboren wurde, war die moderne Mafia gerade erst in ihrer Gründungsphase. Der Familienlegende zufolge wog Francis bei seiner Geburt erstaunliche acht Kilogramm. Aber zumindest war er gesund, was beileibe keine Selbstverständlichkeit war, denn bei den 18 Schwangerschaften seiner Mutter überlebten nur vier Kinder. Francis hatte einen Bruder, Cicero (der später Joe genannt wurde), und Zwillingsschwestern. Die Bauern Siziliens lebten in erdrückender Armut mit all ihren Begleiterscheinungen – ein generell schlechter Gesundheitszustand, Krankheiten und hohe Kindersterblichkeit. Sie emigrierten zu Tausenden nach Amerika und hofften, dort Arbeit zu finden, darunter auch Vincent und Rosa Zappa, 13


Franks Großeltern väterlicherseits. Mit ihren beiden überlebenden Kindern Francis und Cicero (die beiden Mädchen waren traurigerweise bei einem Zugunglück ums Leben gekommen) erreichten sie 1908 auf einem Auswandererschiff Baltimore. Der Gegensatz hätte nicht größer sein können: Partinico war ein verschlafenes mittelgroßes mediterranes Städtchen, Baltimore ein lauter Seehafen am Atlantik – das Hafenbecken voller Schiffe, die Stadt eine Mischung vieler Rassen und Nationalitäten. Für Zappas Großeltern muss es ein Kulturschock gewesen sein. Vincent konnte vom bäuerlichen Lebensstil seiner Heimat nicht lassen. »Von meinem Großvater hieß es«, sagte Frank Zappa, »dass er nie ein Bad nahm, jede Menge Wein trank und den Tag mit einem großen Glas Bromo Selzer begann. Und weil er nie badete, trug er viele Kleidungsstücke übereinander, die er mit Kölnischwasser besprengte. Er hatte einen hoffnungslosen Speckring am Hals; so wie diese fetten italienischen Typen, die immer auf der Veranda sitzen.« Die Zappas waren hart arbeitende Immigranten, die alles dafür taten, Erfolg zu haben, rund um die Uhr schufteten, drei Mal täglich Pasta aßen und ihre Dollars und Cents zusammenhielten. Sie zogen in ein Haus an der York Road im Norden Baltimores, und mit seinen Ersparnissen kaufte Vincent einen Friseursalon direkt am Hafen. Auch der kleine Francis leistete seinen Beitrag. Zappa: »Der allererste Job meines Vaters, er muss etwa sechs Jahre alt gewesen sein [tatsächlich war er acht], bestand darin, im Frisiersalon auf einer kleinen Holzkiste zu stehen und die Matrosen mit Rasierschaum einzuseifen. Dafür bekam er einen Penny pro Tag.« Der jugendliche Francis nutzte seine Kenntnisse des Friseurhandwerks, um während seiner Jahre an der Polytechnic High School sein Taschengeld aufzubessern. Er war ein guter Schüler und ließ Vincent wissen, dass er aufs College gehen wollte. Ein Kind auf dem College war der Traum eines jeden Immigranten; der Vater griff tief in die Tasche und gab Francis 75 Dollar – damals eine gewaltige Summe. Dies und seine Einnahmen beim Bridgespiel ermöglichten es ihm, sich an der Universität von North Carolina in Chapel Hill einzuschreiben, wo er einen Abschluss in Geschichte erwarb. Am College wurde Francis Mitglied der Ringermannschaft und spielte außerdem Gitarre in einem Trio. Die Musikanten standen unter den Fenstern der Studentenwohnheime und brachten den Bewohnerinnen Ständ14

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chen, spielten die Ohrwürmer der Zwanziger wie Pretty Little Red Wing, the Indian Maiden (ein Song mit durchaus anrüchigem Text). Eine dieser Bewohnerinnen war Nel Cheek. Es war eine College- Romanze, und nach kurzer Zeit heirateten Francis und Nel. Im November 1931 wurde ihre Tochter Ann geboren. Francis hatte in jenem Sommer sein Studium abgeschlossen und nahm eine Stelle als Lehrer in Rose Hills, North Carolina, an. Dort aber stieß er auf Vorurteile: Weder Katholiken noch Italiener waren hier sehr beliebt. Auch hatten Francis und Nel zunehmend Probleme, aber zum Bruch kam es erst, als Francis sich entschloss, eine Stelle in Baltimore anzutreten. Nel wollte bei ihren Freunden und ihrer Familie in Chapel Hill bleiben. Die beiden ließen sich scheiden, und Ann blieb bei ihrer Mutter. Im Jahr 1935 traf Francis auf Fifi Colimore; Fifi mochte ihn, dachte aber, dass er besser zu ihrer Schwester Rose Marie passen würde. Sie rief ihre Schwester bei der Arbeit an und vereinbarte für den gleichen Abend ein Treffen zu dritt im italienischen Konsulat; sie würde, sagte sie der Schwester, »einen netten Mann, einen College- Absolventen« zu einer Tasse Tee treffen. Die beiden verstanden sich gut, und Francis bat Rose Marie, sich mit ihm zu verabreden. Sie traf ihn in seinem College, und Rosie sah vom hinteren Teil der Klasse aus zu, wie er eine Geschichtsstunde gab. Danach aßen sie im Biergarten des College- Buchladens. Aber für Rose Maries katholische Familie war die Vorstellung, dass sie sich mit einem geschiedenen Mann traf, der auch noch ein Kind hatte, völlig unakzeptabel, und sie taten alles in ihrer Macht Stehende, um eine Verbindung zu verhindern. Frank Zappas Mutter, Rose Marie Colimore (genannt Rosie), wurde am 7. Juni 1912 in Baltimore geboren; sie war eine Amerikanerin der ersten Generation und das zehnte einer Familie mit elf Kindern. Charlie Colimore, ihr Vater, kam aus Neapel, ihre Mutter Theresa hatte französische und sizilianische Vorfahren und war in Italien zur Welt gekommen. Den beiden gehörte Little Charlie’s, ein Imbiss mit Süßigkeitenladen, nur einen Häuserblock vom Wasser entfernt am 122 Market Place. Die Colimores wohnten am Market Place, in der Nähe des Ladens. Little Charlie’s lag im Zentrum von Little Italy und hatte eine ziemlich hartgesottene Kundschaft: Matrosen, Schauerleute und Lagerarbeiter. Bei Charlie und Theresa gab es das typische neapolitanische Arbeiterklasse- Essen: Suppe, Pasta, Fisch, gegrilltes oder gebratenes Hirn, Schweinekopf, Kohl, gebraB A LT I M O R E

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tene Kalbsleber, süße Küchlein oder Apfelpfannkuchen und jede Menge starken Kaffee. Wie viele der älteren Immigranten sprach Theresa kaum Englisch. Sie erzählte dem kleinen Frank Zappa Geschichten auf Italienisch, und in seiner Autobiografie erinnert er sich an die Erzählung von der »mano pelusa« – der haarigen Hand. »Mano pelusa! Vene qua!«, rief sie laut und strich mit den Fingern über seinen Arm, um ihm Angst einzujagen. Theresa war eine strenggläubige Katholikin, und die Kirche bildete den Mittelpunkt ihres gesellschaftlichen Lebens. Rosies Erinnerungen an ihre Kindheit waren nur »furchtbar« – nie hatte ihre Mutter sie auf oder in den Arm genommen. Vielleicht hatte Theresa Angst, ihren Kindern zu nahe zu sein. Es herrschte damals eine hohe Kindersterblichkeit, der Tod eines Kindes war schmerzhaft und quälend und kaum zu ertragen, und Theresa hatte bereits viel ertragen. Von Rosies Geschwistern – Frank Zappas Onkel und Tanten – starb eine Schwester bei der Geburt; eine andere, Margaret, starb mit zwei Jahren an den Masern und eine weitere, Rose, kurz darauf. Ihr Bruder Louis geriet in schlechte Gesellschaft, verschwand im Alter von 19 Jahren spurlos und wurde nie wieder gesehen. Es tat weh, jemandem zu nahe zu kommen. Rosie besuchte die katholische Seton High School und verstand sich so gut mit den Nonnen, dass sie beinahe in den Orden eingetreten wäre. Aber ihre Mutter war dagegen und weinte und schluchzte so lange, bis der Gedanke fallen gelassen wurde. Theresa hatte andere Pläne für ihre Tochter; die sollte unverheiratet bleiben und sie in späteren Jahren versorgen. Rosie schloss die High School 1931 ab. Sie arbeitete als Bibliothekarin und half ihrer Mutter im Haushalt, bevor sie 1933 wie ihre ältere Schwester Mary als Schreibkraft zur French Tobacco Company ging. Dort verdiente sie 17, 50 Dollar in der Woche – ein guter Verdienst in diesen von allgemeiner Armut gezeichneten Jahren. Als Francis Zappa sie kennen lernte, tippte sie vornehmlich Rechnungen und Briefe auf Französisch. Theresa war entsetzt von der Vorstellung, dass ihre Tochter einen geschiedenen Mann heiraten könnte, deshalb trafen sich Rosie und Francis heimlich. Sie gingen vier Jahre miteinander, bis Theresa eines Abends Francis, der mit Rosie auf der vorderen Veranda stand und redete, zum ersten Mal ins Haus bat. Sie stimmte einer Heirat nur unter der Bedingung zu, dass die beiden zu ihr und Charlie ins Colimore- Haus zogen, um so 16

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Rose Marie Zappa mit Baby Frank, 1941.

Rosie in sp채teren Jahren um sich zu haben. Rosie war 26 und juristisch vollj채hrig, aber die streng katholische Erziehung nach sizilianischer Art erlaubte es ihr nicht, sich ihrer Familie zu widersetzen. Francis und Rosie heirateten am 11. Juni 1939 und zogen zu Theresa und Charlie in das Haus 2019 Wiltshire Avenue in West- Baltimore.

Frank Vincent Zappa kam am 21. Dezember 1940 im Mercy Hospital in Baltimore zur Welt und h채tte die Geburt beinahe nicht 체berlebt. Seine Tante Mary (Maria Cimino) war im Krankenhaus und berichtete, dass B A LT I M O R E

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der Arzt an diesem Tag schon neun Babys entbunden hatte, einfach nicht mehr wollte und Rosie einen Wehenblocker verabreicht hatte. »Das Baby war eine Steißgeburt, und es ging ihm schlecht und schlechter; zwischenzeitlich schienen sogar Mutter und Kind in Lebensgefahr zu sein.« Rosie bekam eine Bluttransfusion, und als die Schwester Frank nach 36- stündigen Wehen endlich herausgezogen hatte, war er welk, die Nabelschnur hatte sich um seinen Hals geschlungen, und die Haut war schwarz. Francis weinte und war überzeugt, dass der Junge sterben würde. Aber Frank erholte sich und kam bald nach Hause (Tante Mary erinnerte sich an »seine wunderschönen Wimpern«). Sie wohnten nur kurze Zeit an der Whittier Avenue, denn Rosies Vater Charlie starb 1941 nach langer Krankheit, und Theresa verkaufte das Haus. Francis unterrichtete jetzt Mathematik an der Loyola Blakefield High School, einer jesuitischen Vorbereitungsschule am Stadtrand von Towson, Maryland, und die Familie zog in den Norden von Baltimore um. Das neue Heim im 4600er- Block der Park Heights Avenue lag näher an Tante Marys Wohnung, und Francis konnte von hier aus bequem zu seiner neuen Arbeitsstätte pendeln. »Es war eines dieser Reihenhäuser«, erinnerte sich Zappa. »Hinter dem Haus war eine schmale Straße, und dort kam der Messerschärfer entlang – du weißt schon, der Typ mit dem Schleifrad. Und alle liefen über die rückseitige Veranda runter zur Straße und ließen ihre Messer und Scheren schleifen.« Franks jüngerer Bruder Bobby wurde am 28. August 1943 geboren. Theresa passte auf ihn auf, während Rosie und Tante Mary an den Wochenenden mit dem kleinen Frank einkaufen gingen: Hecht’s, Hutzler’s, Stewart’s und Hochschild Kahn hieß das Quartett der exquisiten Kaufhäuser, die sämtlich an der Kreuzung Howard und Lexington Street lagen. Meistens trug Frank einen Matrosenanzug und eine Holzpfeife an einer Schnur um den Hals. Tante Mary erinnert sich, dass der etwa dreijährige Frank bei einem der Ausflüge einige Nonnen auf der Straße sah und rief: »Schau mal, die Pinguinfrauen.« Nach dem Tee bei Hutzler’s besuchten sie manchmal den LexingtonMarkt, von dem es nicht weit bis zu Großvater Charlies ehemaligem Imbiss war. In den Vierzigern konnte man in allen Ostküstenstädten mit einer großen italienischen Bevölkerung – in New York, Baltimore, Philadelphia und Boston – noch Leierkastenmänner sehen. Ein Ausflug nach Baltimores Little Italy war damals wie eine Reise nach Italien selbst. 18

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Vom Baltimore der vierziger Jahre ist nicht mehr viel geblieben: Der wirtschaftliche Umschwung zu einer Dienstleistungsgesellschaft, die Flucht in die Vorstädte und die »Stadterneuerung« haben ihren Tribut gefordert. Kein Kreischen der Eisenräder mehr, wenn die Straßenbahnen, deren Oberleitungen ein Spinnennetz von Kabeln durch die Straßen zogen, um die Ecke fuhren, keine Dampfpfeifen der roten Schlepper im Inneren Hafen. Nur ein paar Relikte sind geblieben: der Klang der Holzklöppel, die die Schalen der frisch gedünsteten Krabben aufbrechen, die polierten Marmorstufen der baltimoretypischen Reihenhäuser, die Parks mit ihren Bäumen, die Bay, der Pulverturm – besonders an diesen hatte Zappa noch Kindheitserinnerungen. Der Pulverturm war das höchste Bauwerk der USA gewesen, bis nach dem Bürgerkrieg das WashingtonDenkmal gebaut wurde. Außerdem erinnerte er sich an Besuche in dem riesigen deutschen Restaurant Haussner’s im Osten Baltimores, das eine Speisekarte mit 112 Gerichten hatte und dessen Wände bis auf den letzten Quadratzentimeter mit Wandbildern geschmückt waren (obwohl Zappa sicher zu jung war, um die nackten Frauen, die Gérome und AlmaTadema gemalt hatten, entsprechend würdigen zu können). Gelegentlich aßen die Zappas auch in Little Italy. Pasta mit Linsen gehörte zu den Gerichten, die Zappa in seiner Kindheit gründlich verabscheute. Er behauptete, dass seine Mutter immer auf Vorrat für eine ganze Woche kochte, und nach ein paar Tagen im Kühlschrank wurde alles schwarz. (Rosie bestritt das vehement. ) So oder so, Zappa hatte sein Leben lang eine Abneigung gegen Pasta. Von allen italienischen Gerichten konnte er nur Pizza ertragen. Außerdem hatte er einen Horror vor Knoblauch und Zwiebeln, selbst in geringsten Mengen, weshalb er nur selten in italienische Lokale zum Essen ging. Als Kind liebte er Blaubeerkuchen, gebratene Austern und gebratenen Aal, aber ganz besonders Mais- Sandwichs (Weißbrot und Kartoffelbrei mit Dosenmais obendrauf ). Der erwachsene Zappa ernährte sich hauptsächlich von Chili aus der Dose und Hotdogs, die er auf eine Gabel gespießt über der offenen Gasflamme briet. In Restaurants pflegte er Hamburger zu bestellen, einfaches Steak oder Huhn. Verdauungsprobleme waren sein ständiger Begleiter. Die Italoamerikaner hatten in Baltimore keinen leichten Stand. Die Prohibition hatte die italienischen Familien mitten ins Herz getroffen, denn Wein gehört nun mal zur italienischen Küche, sowohl zum Kochen B A LT I M O R E

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wie zum Trinken. Also griffen einige Italiener zur Selbsthilfe und importierten und verkauften Wein, natürlich illegal. Gleichzeitig begannen Gangsterbanden, Alkohol herzustellen und zu verkaufen, und der Ruf der Italoamerikaner litt unter den Aktivitäten einiger schwarzer Schafe aus ihrer Mitte, die sich besonders in Chicago nahe der kanadischen Grenze tummelten, denn von dort kam ein Großteil des Alkohols. Einen positiven Akzent setzte Baltimore mit der Wahl des Sizilianers Vincent Palmisano in den Kongress der USA . Er war der erste Italiener, der ein so hohes Amt bekleidete. Trotzdem stellten viele Amerikaner bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Loyalität ihrer italienischstämmigen Mitbürger in Frage. Als Italien Amerika den Krieg erklärte, wurden diese zu feindlichen Ausländern. Jeder, der die Faschisten und Mussolini unterstützt hatte, wurde vom FBI verhaftet. Die Folge war, dass die Italoamerikaner sich besonders dabei hervortaten, die Kriegsanstrengungen zu unterstützen. Sie fungierten als patriotische Spendensammler, und viele Söhne aus Einwandererfamilien meldeten sich freiwillig zum Kriegsdienst. Francis Zappas Loyalität war in jeder Hinsicht unanfechtbar, denn er nahm als Nächstes eine Stelle bei der Kriegsmarine in Opa- Locka, Florida, an, wo er als Ballistiker Geschossflugbahnen berechnete; Zappas Vater sollte für den Rest seines Lebens in der Rüstungsindustrie arbeiten. Rosie verließ ihre Mutter nur widerstrebend, doch es war ihre Pflicht, dem Ehemann zu folgen. Frank war ein kränkelndes Kind, und seine Eltern erhofften sich von dem wärmeren Klima eine Verbesserung seiner Gesundheit. Damit lagen sie richtig. Der Umzug nach Florida hatte enorme Auswirkungen: Franks Zustand besserte sich fast über Nacht, und er wurde in kurzer Zeit einen Kopf größer. Im Interview mit Rafael Alvarez sagte Zappa: »Während all der Jahre in Maryland hatte ich die Dinge nur in Schwarz oder Weiß wahrgenommen. Und jetzt war ich hier unten und es gab Blumen, Bäume, es war einfach großartig. Es sah so aus, als hätte es plötzlich BUMM gemacht. Alles in Technicolor!« Opa- locka ist eine von Miamis nördlichen Vorstädten, in der während des Krieges eine große Militärbasis angesiedelt war. Die Architektur hat einen arabischen Einschlag, es gibt Häuser mit Minaretten und Straßennamen wie Ahmad Street, Ali Baba Avenue, Sharazad Boulevard und sogar eine Sesame Street. Die Zappas wohnten für 75 Dollar im Monat in einer Militärunterkunft, und weil sie zur Kriegsmarine gehörten, unterlagen sie nicht den 20

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Rationierungen für Benzin und Nahrungsmittel. Opa- locka liegt zwischen Biscayne Gardens im Osten und Miami Lakes im Westen, und zu Zappas Erinnerungen an Florida gehörte die Warnung vor Alligatoren, die ab und an ein Kind fraßen. Auch die Schwärme von Moskitos gehörten dazu, und das Brot, dem grüne Härchen wuchsen, wenn man es über Nacht herumliegen ließ. Er war erst vier Jahre alt, aber auch die Luftschutzübungen blieben ihm im Gedächtnis: In regelmäßigen Abständen mussten sie sich unter den Betten verstecken und alle Lichter löschen, weil »irgendjemand glaubte, die Deutschen würden anrücken.« Dann bekam Rosie einen Abszess an einem Zahn, der aus irgendeinem Grund in Baltimore behandelt werden musste – vielleicht von einem Freund der Familie. Francis wusste nur zu gut, dass Rosie, wenn sie erst einmal bei ihrer Mutter war, nie wieder zurückkommen würde. Also packte er den gesamten Hausstand ein und siedelte in eine andere Militäreinrichtung über, diesmal nach Edgewood, gute 30 Kilometer nordöstlich von Baltimore. »Obwohl ich die ganze Zeit krank war«, schreibt Zappa in seiner Autobiografie, »war es in Edgewood irgendwie lustig. « Diese Jahre in einer kleinen Vorstadt blieben die wichtigsten Erinnerungen an seine Kindheit in Maryland. Sein Vater arbeitete als Meteorologe am Edgewood Arsenal, dem Hauptquartier des Chemischen Zentrums der Armee. Seine Aufgabe war es, Vorhersagemöglichkeiten für die ballistischen und meteorologischen Bedingungen beim Einsatz von Kampfgas auszuloten. Diese Arbeit unterlag der höchsten Geheimhaltungsstufe und brachte es mit sich, dass die Familie auf dem Gelände des Arsenals untergebracht wurde; sie zogen in das Haus 15 Dexter Street ein (die Gebäude wurden in den Jahren nach dem Krieg abgerissen). Zappa hat eine genaue Erinnerung an diesen Ort: »Wir wohnten in einem Haus aus Pappe, einem zweistöckigen Papphaus . . . nicht besonders stabil, einfach nur billig.« Die Winter an der Chesapeake Bay waren hart, und wegen der dünnen Pappwände war das Haus ständig kalt; nur in der Küche um den Kohleofen war es wärmer. Bevor dieser am Morgen angezündet wurde, wärmten sich Frank und Bobby an der Flamme der Warmwasser- Gastherme, deren Zugangsklappe sie öffneten. Einmal, um Weihnachten herum, stand Bobby zu nah an der Therme, und sein Schlafanzug fing Feuer. Sein Vater schlug die Flammen mit bloßen Händen aus, aber keiner der beiden zog sich ernsthafte Verletzungen zu. B A LT I M O R E

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Zappa: »Damals wurde in Edgewood Senfgas hergestellt, und jedes Familienmitglied hatte eine Gasmaske im Schrank hängen, falls einer der Tanks brach. Die war zu jener Zeit mein liebstes Spielzeug, mein Weltraumhelm. Ich holte mir einen Büchsenöffner und beschloss, sie zu öffnen. Meine wissenschaftliche Neugier war damit befriedigt, die Gasmaske allerdings nicht mehr zu gebrauchen. Als mein Vater das herausfand, war er wirklich ziemlich verärgert . . . er sagte: >Wenn die Tanks brechen, wer hat dann keine Maske?< Es war Frankie, der dann in der Tinte saß. Ich war fasziniert [von Giftgas] . . . die Vorstellung, dass man eine Chemikalie herstellen konnte, die man nur einatmen musste, und schon war man tot . . . In all den Jahren in der Grammar School schrieb ich, wenn es um eine wissenschaftliche Arbeit ging, alles auf, was ich über Giftgas wusste.« Gasmasken blieben auch in späteren Jahren eine Quelle der Inspiration und des Amüsements: Auf dem Album Weasels Ripped My Flesh findet sich ein Song mit dem Titel Prelude to the Afternoon of a Sexually Aroused Gas Mask. Francis brachte einiges von der Laborausstattung als Spielzeug für seinen Sohn mit nach Hause – Florentiner Kolben, Bechergläser, Phiolen und Reagenzgläser. Auch Petrischalen mit Quecksilber brachte er mit; Frank schüttete das Quecksilber auf den Fußboden und schlug mit dem Hammer drauf, so dass Tausende von Tröpfchen durch das ganze Zimmer explodierten. Schließlich war der Boden seines Schlafzimmers mit einer grauen Schmiere bedeckt, die aus Quecksilber und Staubflocken bestand. »Chemie war mein erstes richtiges Interessengebiet«, sagte Zappa 1981. »Im Alter von sechs Jahren konnte ich Schießpulver herstellen. Mit zwölf hatte ich schon mehrere Unfälle mit Explosivstoffen hinter mir. Um diese Zeit herum begann ich mich für Musik zu interessieren, und mit fünfzehn gab ich die Chemie auf. Aber auch in den Kompositionen lassen sich Elemente chemischer Theorien wiederfinden.« Tatsächlich wird es wohl eher so gewesen sein, dass Zappa – auch wenn er wusste, wie es herzustellen war – das Mischen von Schießpulver spielte und von dem Tag träumte, an dem er eine richtige Explosion herbeiführen konnte. Als Amerika in den Zweiten Weltkrieg eintrat, hatte der US Chemical Warfare Service nur eine einzige Produktionsstätte sowohl für konventionelle als auch chemische Munition: Edgewood Arsenal, Maryland. Die Arbeiter entwickelten Gasmasken und Schutzkleidung, unterwiesen 22

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Armee und Marine im Gebrauch und untersuchten, wie Giftgas am besten einzusetzen war. Die Armee hatte Edgewood seit 1917 als Testgelände genutzt, und in den Vierzigern war das Gelände durch verschiedene Giftstoffe verseucht, darunter Sarin, Senfgas und Phosgen. Frank ging häufig mit seinem Vater angeln, Welse und Krebse waren eine willkommene Ergänzung des familiären Speiseplans. Auch heute noch nehmen Delaware, der District of Columbia ( DC ) und Maryland – die Bundesstaaten an der Chesapeake Bay – Spitzenplätze der US- amerikanischen Krebsstatistik ein. Das Wasser ist verseucht, aber die Anwohner, und besonders die ärmeren, gehen weiterhin fischen und essen die giftigen Fische, Krabben und Schnappschildkröten aus der Bay. Der größere Teil von Zappas Erinnerungen an Maryland hat mit Krankheiten zu tun; er war anfällig für schwere Erkältungen, Nebenhöhlenentzündungen und Asthma. »In meinen ersten Lebensjahren war der Inhalator mein bester Freund, dessen verdammter Nasentrichter mir diesen Dampf ins Gesicht blies.« Auch hatte er häufig Ohrenschmerzen, die seine Eltern mit einem Hausmittel der Alten Welt behandelten: Sie tropften ihm heißes Olivenöl ins Ohr. »Das schmerzt zum Verrücktwerden«, sagte Zappa. Als Kind hingen ihm ständig Wattebäusche aus den Ohren, gelb vom Olivenöl. Seine Probleme mit den Nebenhöhlen wurden von einem italienischen Arzt mittels neuster medizinischer Technik behandelt: Mit einem langen Draht schob er kleine Kügelchen aus Radium in die rechte und linke Nebenhöhle. Die Langzeitwirkungen von Niedrigstrahlung waren damals unbekannt. Asthma, häufig wiederkehrende Grippe, Ohrenschmerzen und Nebenhöhlenentzündungen sind allesamt Symptome einer Stickstoff- oder Schwefel- Senfgas- Vergiftung. Die Tatsache, dass mit dem Umzug der Familie diese Erkrankungen verschwanden und bei der Rückkehr nach Maryland alsbald wieder zurückkehrten, legt nahe, dass Zappas Kindheitskrankheiten durch die verseuchte Umwelt hervorgerufen wurden, in der er lebte. Der Grad der Verseuchung stieg noch durch einen Sack DDT , den sein Vater aus dem Labor mit nach Hause gebracht hatte, um Ungeziefer zu vertilgen. DDT , behauptete er, sei so ungefährlich, dass man es essen könne – erst viele Jahre später wurde die Chemikalie als krebserregend verboten. Frank wäre bei der Geburt fast gestorben, und er war ein kränkelndes Kind; wahrscheinlich haben das warme Klima Südkaliforniens, wo er den größten Teil seines Lebens verbrachte, sowie seine AntiB A LT I M O R E

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pathie gegen Drogen und sein äußerst seltener Alkoholgenuss verhindert, dass andere Krankheiten ihn zum Krüppel machten. Francis Zappa besserte sein Einkommen auf, indem er sich als menschliches Versuchskaninchen zur Verfügung stellte: Eine unbekannte Chemikalie oder ein unbekanntes Mittel wurden auf seine Haut aufgebracht und mit einem Stück Pflaster abgedeckt. Er durfte nicht daran kratzen oder unter das Pflaster schauen, das er unter Umständen wochenlang trug. Zappa erinnerte sich, dass sein Vater jede Woche mit drei oder vier Pflastern auf dem Arm oder einem anderen Körperteil nach Hause kam. Für jedes Pflaster bekam er 10 Dollar. Nach Aussage des Department of Veteran Affairs waren während des Krieges etwa 4000 Militärangehörige und Zivilpersonen in Edgewood und anderen Testorten an diesen geheimen Versuchsreihen für Stickstoff- , Schwefel- Senfgas und Lewisite beteiligt. Spätere Studien zeigten den Zusammenhang zwischen den Tests und bestimmten Krankheiten auf, und die Veteranen hatten Anspruch auf finanzielle Entschädigung. Die Jahre in Edgewood waren für Frank nicht leicht, und er verbrachte einen Großteil seiner Zeit im Krankenbett. Rosie erzählte Rafael Alvarez: »Die ganze Zeit, die er im Bett bleiben und ruhen musste, hatte er all seine Bücher auf dem Bett liegen. Er hat ständig etwas gemacht oder erfunden; für Sport hat er sich nie interessiert. Jeden Monat bekam er irgendetwas Neues mit der Post zugeschickt.« Später setzte Frank seine Studien in der örtlichen Bücherei fort. Er zeichnete viel (meistens Indianer und Züge) und bastelte Puppen, denen er mit großer Sorgfalt Kleidung nähte – eine Fertigkeit, die ihm später bei den Tourneen zupass kam, wenn ein Kleidungsstück kaputtging. In Edgewood hatte Frank drei gute Freunde: Paul, ein Junge aus Panama, dessen Großmutter ihnen Spinatomelett buk, Paddy McGrath, ein behinderter Junge, dessen Mutter ihnen Erdnussbutter- Sandwichs machte, und Leonard Allen, der Franks Interesse an der Chemie teilte. Diese beiden schafften es dann tatsächlich, in Leonards Haus Schießpulver herzustellen. Frank, Leonard und ihre Freunde fuhren häufig mit den Fahrrädern in den Wald am Ende der Dexter Road und kletterten auf die Bäume. Die Straße endete an einem verseuchten Bach, in dem sie Flusskrebse fingen. Wenn es schneite, rodelten die Kinder auf platt gedrückten Pappkartons die Hügel in der Umgebung hinunter. Frank hatte auch noch seinen Bru24

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der Bobby zum Spielen, aber manchmal brachen sich die geschwisterlichen Rivalitäten Bahn. Francis war ein strenger Vater, und Rosie versuchte es ihm zu verheimlichen, wenn die Jungen sich gestritten hatten. Franks Eltern wollten, dass ihre Kinder sich so schnell wie möglich assimilierten, und legten Wert darauf, ihnen kein Italienisch beizubringen. Sie selbst benutzten es nur, um zu Hause ihre vertraulichen Angelegenheiten zu besprechen. Frank war erst vier Jahre alt war, als der Krieg endete, aber den Leuten war bewusst, dass Italien auf der anderen Seite gekämpft hatte, und so wurde sogar der kleine Junge Opfer einiger Schikanen. Wie er später einmal bemerkte: »Der Zweite Weltkrieg war keine gute Zeit für einen Italoamerikaner in Amerika.« Frank wurde in die Edgewood School am Cedar Drive eingeschult. Seine Lehrerin Mary H. Spencer erinnerte sich, dass er »ziemlichen Unfug trieb, aber nicht frech war. « Seine Eltern engagierten sich an der Schule, und Vater Francis regte an, Drahtgitter vor den Fenstern zu installieren, um die Fliegen aus den Klassenräumen fern zu halten. Durch seine Bemühungen bekam schließlich auch die Cafeteria Fliegengitter. Frank scheint ein beliebtes Kind gewesen zu sein. Seine Kinder- Freundin Marlene Beck, damals acht Jahre alt, erinnerte sich: »Er war ein Radaubruder . . . machte stets auf Klassenclown. Er war ein angenehmer Mensch, aber immer ein bisschen seltsam.« Dem Rock- Journalisten Kurt Loder sagte Zappa: »Ich habe zum ersten Mal gemerkt, dass ich Leute zum Lachen bringen kann, als ich in der Schule ein kleines Referat über Farne halten musste. Ich wusste nicht, warum sie lachten, aber sie lachten, also dachte ich mir: Na prima, ist ja nicht schlecht. Daraufhin versuchte ich, das Ganze auszubauen – ich würde es nicht gerade eine Farnkräuter- Routine nennen –, aber na ja . . .« Zappa war zu diesem Zeitpunkt etwa elf Jahre alt, wie sich seine damalige Klassenlehrerin Cybil Gunther im Gespräch mit Rafael Alvarez erinnerte: »Die Klasse bestand aus 40 oder sogar mehr Kindern, da konnte man einzelne schon mal aus den Augen verlieren. Bei Frank konnte einem das nicht passieren, aber das lag nicht daran, dass er durch seine Musik geglänzt hätte – Frank war ein großer Dramatiker. Wenn ich aus irgendeinem Grund mal aus dem Klassenraum musste, dann konnte ich mich auf Frank verlassen, er hielt die Klasse bei der Stange, mit was auch immer, ich weiß es nicht. Es gab nie irgendwelchen Ärger mit der Klasse, weil Frank etwas machte, das mir völlig sinnlos erschien. Es war immer B A LT I M O R E

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etwas Dramatisches, eine Cowboy- und Indianergeschichte. Ich weiß nicht, ob er die Aufmerksamkeit mochte, aber er mochte, was er tat. Ich hatte immer den Eindruck, dass er es für sich selbst tat. Dass es ihm ziemlich egal war, ob da wirklich Zuhörer waren oder nicht. Aber er war glücklich mit dem, was er machte.« Zappa behauptete, dass er der Klasse die Szene aus dem De- MilleFilm Samson und Delilah von 1949 vorgespielt habe, in der Victor Mature die Säulen der Tempels zum Einsturz bringt. Franks Säulen bestanden aus Papp- und Linoleumrollen. Trotzdem gab es einen Rabauken an der Schule, der ihn ungeachtet seiner Bemühungen, beliebt zu sein, immer wieder verprügelte. Als Frank sich darüber beschwerte, gab ihm sein Vater zu verstehen, dass er damit selbst klarkommen müsse, andernfalls würde er sich Frank mal vorknöpfen. Am nächsten Tag wartete Frank auf den Schläger, sprang ihn an und schlug mit den Fäusten auf ihn ein. Bobby sah diese Attacke und lief nach Hause, um Rosie zu alarmieren; Rosie rannte zum Schauplatz und riss Frank zurück. Dann gingen sie nach Hause, packten Eis auf die Knöchel von Franks Fingern (und Rosies Stirn) und aßen Braten aus dem Topf. Natürlich rief die Direktorin an und gab Francis zu verstehen, dass sein Sohn ein brutaler Kerl und Unruhestifter sei, aber am nächsten Tag ging Francis zur Schule und wurde so lautstark, dass sie aus dem Zimmer rannte und sich in einem anderen Raum verbarg, bis er wieder gegangen war. Zappa behauptete häufig, seine Familie sei arm gewesen, aber sparsam bis geizig trifft es wohl besser. In einem Interview sagte er, die Idee, einen Familienausflug zu machen, um mal zu sehen, wo sein Großvater früher Haare geschnitten hatte, sei als eine »ziemliche Geldverschwendung« angesehen worden, und ein anderes Mal beklagte er sich: »Ich schwöre, dass ich mich an kein einziges Weihnachtsgeschenk erinnern kann.« Aber auf Kinderfotos ist er auf einem Dreirad zu sehen und trägt einen Sombrero, und in seinen Erinnerungen an Edgewood spricht er von einem Fahrrad; also dürfte er die typischen Kinderspielzeuge gehabt haben. Die Zappas unternahmen auch die üblichen Ferienreisen: Rosie verbrachte den Sommer mit den Kindern am Meer. In seiner Autobiografie erinnert sich Zappa daran, dass sie in einer Pension in Atlantic City wohnten und der Hund des Hauses, ein Spitz, Gras fraß und anschließend etwas herauswürgte, das wie weiße Fleisch26

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bällchen aussah. Es ist aber zweifellos so, dass sie nicht, wie Zappa meinte, dort wohnten, sondern die Sommer »unten im Meer« verbrachten, wie man in Baltimore sagt. Das alles lässt darauf schließen, dass die Familie nie arm war, wie auch Franks Vater im Gespräch mit David Walley sagte: »Mein ganzes Leben lang habe ich gut verdient. Alles ist für Essen, Kleidung und Wohnen draufgegangen. Alles, was ich wollte, habe ich auch bezahlt.« Francis war ein grimmiger Hüter seiner Familie und scheute auch nicht davor zurück, seine Fäuste zu benutzen, falls irgendjemand es wagen sollte, sie oder ihre Herkunft zu kritisieren. In seiner Autobiografie beschreibt Zappa, wie Rosie seinen Vater davon abhalten musste, mit seiner silbernen 38er Pistole auf ihren Nachbarn Archie Knight loszugehen, der es am nötigen Respekt hatte fehlen lassen. In seinem Herzen blieb Francis immer ein Sizilianer. Wie bei allen katholischen Kindern haben auch Zappas frühere Erinnerungen viel mit dem Niederknien zu tun. Er besuchte mit seiner Familie sonntags die Messe und ging später auch zur Kommunion; er wurde gefirmt und beichtete bis zu seinem 18. Lebensjahr regelmäßig. Seine Mutter komme »aus einer strenggläubigen Familie«, äußerte er einmal, doch zu Peter Occhiogrosso sagte er: »Ich komme aus keiner Familie, wo alle ständig auf die Knie fallen und um Weihwasserbecken herumtänzeln.« Im Jahr 1980 erklärte er gegenüber John Swenson: »Dieser BaltimoreKatechismus ist eines der absurdesten Dinge, die ich erinnere. Sie ist noch so lebendig – die Erinnerung an diesen kleinen blauweißen Umschlag und das, was in dem Buch stand. Ich musste zum KatechismusUnterricht gehen, und die Nonnen zeigten uns all diese Bilder von der Hölle. Seite um Seite blätterten sie auf und zeigten uns das Feuer und die Monster und all das, was uns passieren würde, wenn wir nicht parierten. Und ich gleich: >Hey, Spitze, ist ja richtig aufregend. < Aber weißt du, ich habe in unserem Publikum manchmal schlimmere Monster gesehen, und die haben vielleicht mehr gelitten als diejenigen in diesem Mogelfeuer auf den Bildtafeln.« Außerdem gab es Wettbewerbe. Wenn man bestimmte Texte richtig auswendig aufsagte, bekam man als Belohnung eine Reliquie. Frank war ein Mal erfolgreich: Er gewann eine kleine Karte und ein Päckchen, in das etwas eingenäht war und das er niemals öffnen durfte. Francis und Rosie wollten, dass Frank Messdiener wurde, und schickten ihn zum Unterricht in die Kirche, aber das hielt er lediglich zwei WoB A LT I M O R E

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chen durch. Er warf nur einen Blick auf die Nonnen in ihrem schwarzen Ornat und den gestärkten weißen Hauben, die wie Lilien aussahen, und alles in ihm sträubte sich. Nachdem ihm eine Nonne mit einem Lineal auf die Hand geschlagen hatte, weigerte er sich, noch einmal dorthin zu gehen. »Ich hab’s nur ganz kurz dort ausgehalten«, sagte er. »Als der Pinguin mit dem Lineal hinter mir her war, machte ich mich aus dem Staub.« Auch sollte Zappa ein Skapular tragen: zwei kleine braune Stückchen Wollstoff, die auf die Schultern gelegt werden und durch Bänder verbunden sind. Man sollte es niemals ablegen, denn die Jungfrau Maria hatte versprochen: »Wer bei seinem Tod ein Skapular trägt, der soll nicht im ewigen Höllenfeuer leiden . . . « Zappa beklagte sich bei Peter Occhiogrosso: »Wie kann man so etwas tun? Diese Bänder verrotten vom Schweiß, weißt du? Das ganze Leben rennst du mit stinkenden braunen Filzdingern rum, auf deren einer Seite ein Bild aufgenäht ist, und mit solchen verschwitzten Bändern über deinen Schultern, und das alles unter deiner Kleidung? Das mochte ich überhaupt nicht.« Es gab noch anderes, was er nicht mochte. Zum Beispiel, wie das Niederknien zum Beten seinen Vorderschuh zerknitterte (»Du kannst einen Katholiken aus einem Kilometer Entfernung erkennen«). Auch konnte er sich nicht für die braunen Kordhosen begeistern, die die Kirche favorisierte. Nichtsdestotrotz hatte der Katholizismus eine große Bedeutung im Leben des jungen Zappa, und er war fromm. »Ich fand das einfach gut. Es schien für mich das Richtige zu sein – ich war so jemand. Manche haben diesen mystischen Hang; sie haben eine Vorstellung von der Aura der Religion, das dringt zu ihnen durch. Das war halt meine Art, damals.«

Franks Gesundheit besserte sich nicht, und Francis beschloss, die Familie dauerhaft in ein wärmeres Klima umzusiedeln. 1951 bekam er eine Stelle auf dem Dugway Proving Ground in Utah angeboten, der zum Chemical Warfare Service gehörte und enge Verbindungen zu Edgewood unterhielt. Francis brachte Bilder mit nach Hause und fragte die Familie, ob sie nicht gerne in der Wüste leben würden. »Mein Vater war ziemlich nostalgisch, was die alte Heimat in Sizilien anging«, sagte Zappa, »und die Gegend sieht aus wie in Arizona. Die Berge und die Wüste sehen ganz ähnlich aus.« Francis stellte es sich wunderbar vor, dort zu wohnen, aber 28

Frank im Alter von 11 Jahren, und schon mit Zigarette; mit Bob (8) und Carl (3) in Edgewood, Maryland.



seine Familie war anderer Meinung. Zappa: »Auf den Bildern konnte man wieder diese Papphäuser erkennen . . . Ich sagte sofort: >Da geh ich nicht hin. < Aber er stellte sich das schön vor.« Auch Rosie war dagegen, und so sagte Francis schließlich ab. Stattdessen nahm er einen Job an der Naval Post Graduate School in Monterey in Kalifornien an. Zu diesem Zeitpunkt hatte Zappa zwei weitere Geschwister: einen Bruder, Carl, der am 10. September 1948 zur Welt kam, und seine Schwester Patrice, die Candy genannt wurde, geboren am 28. März 1951. Rosie erzählte ihrer Schwester Mary, dass der Umzug nicht dauerhaft sein würde – sie hatte ihre Mutter und Schwester während der Zeit in Florida sehr vermisst, und die Aussicht, an die andere Küste zu ziehen, stimmte sie traurig. Aber Francis und Rosie führten eine altmodische Ehe, und so war es Francis, der alle wichtigen Entscheidungen bezüglich der Familie traf. Die Marine sorgte für den Transport ihrer Möbel, und die Familie bereitete alles für die Abreise vor. Francis kaufte eines jener neuen Kompaktautos, einen zweitürigen »Henry J« von Kaiser, der erst in jenem Jahr auf den Markt gekommen war. Der Wagen hatte eine unverwechselbare Kugelsilhouette, aber die drei Kinder fanden schnell heraus, dass es nichts Unkomfortableres gibt als den Rücksitz eines »Henry J«. Candy, die erst paar Monate alt war, saß auf dem Schoß ihrer Mutter. »Dieser Rücksitz war nichts anderes als ein Brett mit etwas Stoff darüber«, sagte Zappa. »Knapp fünftausend Kilometer Fahrt auf dem Rücksitz eines solchen Autos mit all deinen Habseligkeiten auf dem Schoß ist keine tolle Erfahrung.« Im Dezember 1951 brachen sie auf und nahmen die Route über den Süden der USA. Auf dem Weg durch South Carolina sahen sie eine schwarze Familie auf einem Feld arbeiten. Francis hielt an, ging zu ihnen und schenkte ihnen mit den Worten »Nehmt das mit unseren Segenswünschen« jedes einzelne Stück ihrer Winterkleidung. Die Beschenkten waren sehr dankbar, aber die Familie begann seinen Altruismus zu bereuen, als sie Monterey erreichten. In Nordkalifornien regnete es permanent, und sie standen ohne Mäntel da. Francis hatte angenommen, dass es überall in Kalifornien so aussah wie in seinen geliebten Western.

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