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Jahresbericht 20112 der Fakult채t f체r Architektur

SERIE



SERIE

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Impressum Imprint Serie A - Jahresbericht 2011 2 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen Redaktion Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin Trautz, Dekan (Konzeption, Texte) Dipl. Ing. Sandra Hortz (Konzeption, Gestaltung, Layout, Lektorat) Marcella Hansch B.Sc. (Gestaltung, Layout) Sahar Berressem M.A. (Übersetzung)

Fakultät für Architektur der RWTH Aachen

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, sind vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autoren ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.

ISSN 1862-0310 ISBN 978-3-936971-28-6 Erschienen in der Reihe: Jahresberichte der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen Band 2 / Gesamtband 2011 04 / 2012

Herausgegeben von der Fakultät für Architektur der RWTH Aachen © FdR (Freunde des Reiff e.V.) – Aachen 2012 Schinkelstraße 1 D – 52062 Aachen fdr-publikationen@architektur.rwth-aachen.de 2

Druck Schrift

Druckerei Mainz GmbhH Syntax Lt Std. (fb2tax)

Auflage 750 Stück, Aachen 2012 http://architektur.rwth-aachen.de


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Impressum 02 Imprint Vorwort 07 Preface

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Forschung Cultural Heritage

Abschlussarbeiten Theses

Cultural Heritage vor Ort10 - Das Reiff-Museum reloaded/   Local Cultural Heritage - The Reiff- Museum reloaded Pfalzenforschung in Aachen/  18 Palace Research in Aachen Evaluierung, Nominierung und Management von UNESCO-Welterbestätten/ 30 Evaluation, nomination and management of UNESCO- World Heritage Sites / 38 Freiburger Fragmente  Freiburg Fragments Römerschlachtareal am Harzhorn/  46 Development Process Roman Battle Areat at Harzhorn Sabbioneta- Die Maßfigur einer Idealstadt /  52 Sabbioneta- The measuring shape of an ideal city Ghazni 2013 Islamische Kulturhauptstadt /  58 Ghazni 2013 Capital of Islamic Culture

Launischer Sommer Psychatrie Psychatrie Interventionen Das Haus davor Magazin in Karlsruhe Bühne frei! Theater Amsterdam London Grand Národní Technické Museum Praha Schophoven Stadthistorisches Museum Baalbek Ein launischer Sommer Muttrah Sekundär Neusser Hafen Vale! Stadtwohnen Das Haus und die Allee Fidelio - Ein Bühnenbild Fidelio - Ein Bühnenbild Wohnen 2.0

70 74 78 82 86 90 94 98 102 106 110 114 118 122 126 130 134 138 142


Entwürfe Design Projects Documenta 13 LandLust - ObsTRaum Fabrik zur Automobilherstellung Der neue „Atzelbergturm“ Velo City Köln 45-51 Park Place - New York Planning for real Uferlos - Rheinpromenade Basel Auditorium LebenWohnenStadtHaus

Stegreife | Seminare Impromptu Designs | Seminars 148 152 156 160 164 168 174 178 180 184

Warte mal... auf die Campusbahn Einführen ins Entwerfen Atmosphären- Emotionale Räume Denkzeug - Werkzeug... Formprozess SW - Forschungslabor BiG_on the Road

190 192 196 198 200 202 204

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Vorwort

Preface

Der Umgang mit der Bau- und Kunstgeschichte, mit historischen und archäologischen Bauobjekten, sowie mit historisch relevanter Bausubstanz im Rahmen der Denkmalpflege bildet seit jeher einen Schwerpunkt in Lehre und Forschung an der Architekturfakultät der RWTH Aachen. Ein anderer Forschungsschwerpunkt, nämlich der Umgang mit historisch und kulturell bedeutsamen Orten in Stadt und Land, mit Gebäuden und Baulichkeiten von Industrie und Verkehr im Kontext der Einstufung als UNESCO-Welterbestätten, ist in den vergangenen Jahren am Institut für Städtebau und Landesplanung kontinuierlich weiterentwickelt worden und resultiert in der Einrichtung eines so genannten UNESCO-Chair an eben diesem Institut. Die Bandbreite dieses Wirkens in der Erforschung der Bauhistorie und historischer Bauobjekte sowie des Managements derselben, die im zeitgenössischen Jargon mit dem Begriff ‚Cultural Heritage‘ in Verbindung gebracht wird, ist zentraler Gegenstand dieser Serie-A Ausgabe. Darüber hinaus zeigen wir - wie gewohnt - die besten Beispiele aus der Entwurfstätigkeit unserer Studierenden und der vielfältigen Lehr- und Forschungsaktivitäten unserer Fakultät. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre

Dealing with the history of architecture and the history of art, with historical and archaeological construction objects as well as with historically relevant buildings within historic building conservation has always been in the focus of teaching and research at the Faculty of Architecture of RWTH Aachen University. Another focus of research, namely dealing with historically and culturally significant places in city and country, with buildings and edifices of industry and transport in the context of classification as UNESCO World Heritage Sites, has been continuously further developed in recent years at the Institute of Urban Design and Regional Planning and resulted in the establishment of a so-called UNESCO Chair at this Institute. The range of this work in the study of architectural history and historic buildings as well as their management, which is associated in contemporary jargon with the term ‘Cultural Heritage’, is the central topic of this Series A issue. In addition, we show –as usual - the best examples of the design work of our students and the diverse teaching and research activities of our Faculty.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin Trautz Dekan der Fakultät für Architektur

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin Trautz Dean of the Faculty of Architecture

Enjoy the reading

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Forschungsprojekte Cultural Heritage

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„Cultural Heritage vor Ort“ Das Reiff-Museum reloaded Lehrstuhl und Institut für Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. phil. Alexander Markschies

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„Cultural Heritage“ verbindet sich häufig mit Verlustgeschichten: Kulturgüter werden zerstört – absichtlich oder unwissentlich –, sie werden aus ihren Kontexten gelöst, geraten in Vergessenheit oder verfallen. Auch die Geschichte des Reiff-Museums der RWTH Aachen, welches am 4. November 1908 feierlich eröffnetet wurde, darf man zunächst als Verlustgeschichte beschreiben. Denn von der Gipsabgusssammlung, den Architekturmodellen, den Graphiken, den zeitgenössischen Skulpturen, Gemälden und der für ihre Zeit umfänglichsten Sammlung an Kopien nach Werken alter Meister existiert nur noch ein Bruchteil, der darüber hinaus lediglich partiell zugänglich und sichtbar ist. Endete die erste Etappe der Geschichte des institutionalisierten Reiff-Museums bereits mit dem Tod ihres ersten Direktors, des Kunsthistorikers Max Schmid-Burgk, im Jahre 1925, so diffundierte die Sammlung in den nachfolgenden Jahrzehnten mehr und mehr. Zahlreiche Werke wurden sogar offiziell veräußert, als Leihgaben – wie beispielsweise die Sammlung für Vor- und Frühgeschichte – abgetreten (und später vergessen), verschenkt

(einen hl. Bernhard nach Perugino verwahrt heute eine Kapelle in Aachen-Friesenrath), in der Mehrzahl jedoch geklaut oder zerstört. Erst in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts erfuhr das Reiff-Museum und dessen Geschichte eine forschende Wertschätzung, was man durchaus als Beitrag zur Erinnerungskultur verstehen darf. Ja mehr noch, wurden doch verschollen geglaubte Werke wiederentdeckt: Darunter finden sich Graphiken, Gemälde und als kleine Besonderheit eine Textilie, mithin auch Indizien für die Spartenvielfalt eines universitären Museums. Marksteine der Wiederbelebung sind eine Publikation aus dem Jahr 1994 und eine Ausstellung im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen 2008/2009: Sich mit dem Reiff-Museum wissenschaftlich auseinanderzusetzen, es in seiner Physis zumindest teilweise und temporär wieder präsent zu machen, waren hier die Ziele. Dafür mussten unter anderem etliche der Kunstwerke umfänglich und kostenintensiv restauriert werden. Die Beschäftigung mit dem Reiff-Museum darf man folglich als „Erbekonstruktion“ im Sinne von Gabi Dolff-Bonekämper verstehen, zwei Beispiele für Verlust und Rückgewinnung

aus der jüngsten Zeit seien nachfolgend vorgestellt. Eines der bedeutendsten Werke des Reiff-Museums ist ohne Zweifel die Kopie von Ludwig Sturm nach Raffaels Sixtinischer Madonna (Abb. 1). Durfte eine Sixtinische Madonna in keiner Kopiensammlung des 19. Jahrhunderts fehlen, so markiert ihren besonderen Rang für das Reiff-Museum, dass hier das Bild von einer Teilkopie des originalen Dresdener Galerierahmens umfangen wird, der wohl in Russland verschollen ist. Seit 2011 ist das Kunstwerk an der südöstlichen Stirnwand des Sitzungszimmers der Fakultät für Architektur platziert, gewiss nicht am ursprünglichen Ort, denn hier befand sich bis zum Umbau durch Rudolf Steinbach in den späten sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts das Haupttreppenhaus des Gebäudes. Wo Bild und Rahmen zuvor gezeigt wurden, kann nicht lückenlos und mit Sicherheit rekonstruiert werden. Wir wissen zumindest, dass das mit Abstand teuerste Gemälde der Kopiensammlung sich vormals in den Privaträumen von Franz Reiff befand, später in seinem Atelier im Hauptgebäude der


“Local Cultural Heritage” The Reiff-Museum reloaded Department of History of Art Univ.-Prof. Dr. phil. Alexander Markschies

Often, “Cultural Heritage“ is associated with stories of loss: Cultural goods are destroyed –deliberately or unwittingly –, they are detached from their contexts, fall into oblivion or decay. The history of the Reiff-Museum of RWTH Aachen University, which was opened with a celebration on November 4th 1908, may at first also be described as a story of loss. Because only a fraction still exists of the plaster cast collection, the architectural models, the graphics, the contemporary sculptures, paintings, and the collection of replicas of old masters which was the most comprehensive of its time. In addition, even this fraction is only partially accessible and visible today. The first stage of the history of the Reiff-Museum as an institution already ended in 1925 with the death of its first director, the art historian Max Schmid-Burgk. In the following decades, the collection diffused more and more. Numerous works were even officially sold, given

on loan (and later forgotten) – like, for example, the collection for pre- and early history – or given away (a St. Bernhard copied from Perugino is today kept at a chapel in Aachen-Friesenrath), the majority, however, was stolen or destroyed. Only in the 90ies of the 20th Century, the Reiff-Museum and its history experienced a researchbased appreciation, which one may indeed understand as a contribution to the culture of remembrance. Even more, believed to be lost works were rediscovered: among them are graphics, paintings and, as a small specific peculiarity, a fabric, evidence for the diversity of a university museum. Landmarks of the revival are a publication from the year 1994 and an exhibition at the Suermondt-Ludwig-Museum Aachen 2008/2009: The goals were to analyse the Reiff-Museum scientifically, to give its physique presence again, at least to some extent and temporarily. For this purpose, a number of the art works

had to be restored extensively and at great costs. Therefore, the preoccupation with the Reiff-Museum can be understood as a “heritage construction” as defined by Gabi Dolff-Bonekämper, two examples for loss and retrieval from the recent past are presented below. Without doubt, one of the most important works of the Reiff-Museum is Ludwig Sturm’s replica of Raphael’s Sistine Madonna (fig. 1). The Sistine Madonna was a must in any replica collection of the 19th Century, however, its special status within the Reiff-Museum is marked by the fact that here the painting is surrounded by a partial replica of the original Dresden gallery frame, which was probably lost in Russia. Since 2011, the artwork is placed on the southeast wall of the Faculty of Architecture conference room, certainly not at the original location, because here was the main

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Hochschule, und dass es vor der Überführung ins Museum 1907 restauriert werden musste. So prominent wie das Werk ist, wird es gewiss in einem der öffentlich zugänglichen Räumen des Reiff-Museums ausgestellt gewesen sein, möglicher Weise im kleinen Museumssaal im zweiten Obergeschoss, dem sog. Italienischen Saal. Bild und Rahmen mussten für die oben erwähnte Ausstellung „Mustergültig – Gemäldekopien in neuem Licht“ im Jahre 2008 sowie für die endgültige Neuaufstellung aufwendig restauriert werden (Abb. 2): Das Gemälde wies Verschmutzungen und Risse auf, dem Rahmen fehlten Teile, auch er hatte Risse und musste zudem insgesamt neu vergoldet werden. Achtloser Umgang hatte das Werk verfallen lassen, es war seiner ursprünglichen Funktion als Schau- und Lehrstück enthoben – letztlich ist es ein Glücksfall und verdankt sich persönlichem Einsatz und Interesse, dass es noch erhalten ist. Ob man die Kopie nach der Sixtinischen Madonna zukünftig noch in Lehrkontexten einsetzt, wird die Zukunft weisen, zur Zeit fungiert sie als Stellvertreter für die einstmals eindrucksvolle Kunstsammlung an der RWTH Aachen. Dass es sich um die Kopie eines religiösen Altarbildes handelt, wird wohl heute eher kein Problem darstellen, 1799 heißt es noch bei Friedrich Schlegel mit Blick auf das Original in Dresden, dass es bei den Besuchern für Verwirrung sorge und „Protestanten in Gefahr“ gerieten, „katholisch zu werden“.

12 Abb. 1/ Fig. 1


stairway of the building until the reconstruction by Rudolf Steinbach in the late sixties of the 20th Century. Where painting and frame were presented before cannot be reconstructed positively without gaps. At least we know, that the most expensive painting by far of the replica collection was formerly in the private rooms of Franz Reiff, later in his studio in the main building of the university, and that it had to be restored prior to its transfer to the Museum in 1907. As prominent as the work is, it was certainly exhibited in one of the publicly accessible rooms of the Reiff-Museum, possibly in the small museum hall on the second floor, the so-called Italian Hall. Painting and frame had to be extensively restored for the above mentioned exhibition “Exemplary – Painting Replicas in a New Light” in 2008 and for the final presentation (fig. 2): The painting had stains and cracks, the frame was missing parts, it also had cracks and in addition, had to be newly gilded. Careless handling had ruined the work, it was displaced from its original function as a show and teaching piece – its existence today is, ultimately, a stroke of luck and due to personal commitment and interest. The future will show whether the replica of the Sistine Madonna will still be used in teaching contexts, as of now it serves as a representative for the once impressive art collection at RWTH Aachen University. The fact that it is a copy of a religious altarpiece, will probably not be a problem today; in 1799, in view of the original

13 Abb. 2/ Fig. 2


Abb. 3/ Fig. 3

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Gleichfalls im Jahr 2011 wurden die Fragmente des Cellafrieses vom Athener Parthenon wieder an ihrem angestammten Platz angebracht, der Längswand des Hörsaals „R5“ (Abb. 4). Wann die Gipsabgüsse ursprünglich ins Reiff-Museum gekommen sind, ob es mehr gab, all’ dies wissen wir nicht. Im Hörsaal zu sehen sind Abgüsse von sechs Reliefs, die sich heute im Pariser Louvre, im British Museum in London und im Athener Akropolismuseum befinden. Sie sind Ausschnitte eines insgesamt 160 m langen Festumzuges, dessen genaue Rekonstruktion bis heute Gegenstand der Forschung ist; eine Forschung, die übrigens häufig genau mit solchen Gipsabgüssen durchgeführt wird, wie wir sie in Aachen besitzen. 2010/2011 waren die Abgüsse wegen

der Sanierung des Hörsaals eingelagert, dabei verschwand eine der Platten, O VII (53-55) – nach Reihung Brommer 1977, S. 121. Ob man bei der ersten Hängung im R5 gewusst hat, dass sich im Besitz des Reiffs auch noch der linke Teil der Platte (O VII, 49-52) befindet, ist ungewiss; in jedem Fall hat man sie nicht zusammen gehängt (Abb. 3). Den Verlust der Platte galt es in jedem Falle zu kompensieren; Gipsabgüsse kann man auch heute noch erwerben, etwa bei der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin. Bei dem Versuch der Substitution stellte sich heraus, dass der Verlust in mehrfacher Hinsicht unwiederbringlich ist: auch Gipsabgüssen sieht man nicht zuletzt über die gewählte Form der Herstellung und Patinierung ihr Alter

an, sie haben zudem – selbst wenn das gleiche Model als Abgussform dient – einen unterschiedlichen Zustand. Hier aber war der Verlust besonders tragisch, weil der Abguss die historische Rekonstruktion des Reliefs widerspiegelte, die es heute in dieser Form nicht mehr gibt: 1792 als Teil des Napoleonischen Kunstraubes nach Paris gelangt, wurde das originale Relief 1818/20 restauriert und dabei vor allem die Köpfe ergänzt. Vor 1901 wurden diese Ergänzungen wieder abgenommen. In Aachen konnte man mithin knapp über einhundert Jahre einen Gips studieren, der eine Rekonstruktion versucht – die Annäherung an ein vermeintlich authentisches Original. Das ist bis heute gängige Praxis in der archäologischen Forschung.


Abb. 3/ Fig. 3

in Dresden, Friedrich Schlegel still writes that it provided confusion for the visitors and that “protestants” were “in danger of becoming catholics”. Also in 2011, the fragments of the cella frieze of the Parthenon at Athens were again fixed to their habitual place, the side wall of lecture hall “R5“(fig. 4). When the plaster casts were brought to the Reiff Museum in the first place, whether there were more – we do not know. Casts from six reliefs, which today are in the Louvre at Paris, in the British Museum in London and in the Acropolis Museum at Athens, can be seen in the lecture hall. They are parts of an overall 160 m long procession, the detailed reconstruction of which has been an object of research until to-

day; research, by the way, which is frequently performed with just such plaster casts as we have them at Aachen. In 2010/2011, the casts were stored away because the lecture hall was refurbished. During this time, one of the panels, O VII (53-55) – according to the sequence by Brommer 1977, p. 121 – disappeared. It is uncertain whether it was known when the panels were put up for the first time that also the left part of the panel (O VII, 49-52) was kept at the Reiff; However, they were not hung up side by side (fig. 3). In any case, the loss of the panel was to be compensated for; plaster casts can be bought even today, for example

from the Replica Workshop of the National Museums in Berlin. When the attempt was made to substitute the lost panel, it became clear that is was a loss in more than one way: even plaster casts show their age, not least by the production form chosen and the patina. In addition, they are in different conditions – even when the same model serves as a mold. But here, the loss was especially tragic because the cast reflected the historical reconstruction of the relief, which no longer exists in this form. Having been brought to Paris in 1792 as part of the Napoleonic art theft, the original relief was restored in 1818/20. During this process, most notably, the heads were added. Before 1901, these additions were removed again. Con-

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Heute werden jedoch die alten Model nicht mehr eingesetzt. Als Alternative haben wir den Abguss von O VI (38-40) ausgewählt (das Original wird in Athen aufbewahrt, den Abguss stellte die Gipsformerei in Berlin her), es zeigt Poseidon sowie vermutlich Apollon und Artemis. Wenn man vor die Reliefs tritt, dann erkennt man die Unterschiede: Deutlich gibt sich der Nachguss – obwohl auch er versucht, das Original so gut es eben geht zu imitieren – in seiner Oberfläche und Färbung als neu zu erkennen. Damit sind zugleich Bruch wie Fortführung innerhalb der Sammlungsgeschichte markiert. Verlust und Rückgewinnung sind mithin auch noch aktuell Teil der Geschichte des Reiff-Museums. Modellhaft kann die Mikrogeschichte der Sixtinischen Madonna und der sechs Reliefs vom Parthenon zeigen, dass der Umgang mit „Cultural Heritage“ vor Ort in mehrfacher Hinsicht ein Gewinn ist, nicht zuletzt für die Forschung. Und einmal mehr erweist sich, wie abhängig dies von persönlichem Einsatz ist.

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Dr. Martina Dlugaiczyk ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunstgeschichte der RWTH Aachen. Sie arbeitet zur Zeit unter anderem an einem Forschungsprojekt, das sich mit den Sammlungen an Architekturfakultäten beschäftigt. Prof. Dr. Alexander Markschies ist Professor für Kunstgeschichte an der RWTH Aachen und Direktor des ReiffMuseums.

Literatur Frank Brommer, Der Parthenonfries, 2 Bde., Mainz 1977 Martin Turck, Das Reiff-Museum der Technischen Hochschule Aachen. Akademisches Kunstmuseum und zeitgenössische Avantgarde in der Provinz, Alfter 1994 Florence Rionnet, L’Atelier de moulage du musée du Louvre (1794-1928), Paris 1996 Gabi Dolff-Bonekämper, National – Regional – Global? Alte und neue Modelle gesellschaftlicher Erbekonstruktionen, in: Acta Historiae Artium Academiae Scientarum Hungaricae 49, 2008, S. 235-241 Martina Dlugaiczyk/Alexander Markschies, Mustergültig – Gemäldekopien in neuem Licht. Das Reiff-Museum der RWTH Aachen, Berlin / München 2008 Martin Turck, Die „Vision des hl. Bernhard“ in der Friesenrather Kapelle, in: Rheinische Heimatpflege 47, 2010, Hf. 2, S. 140-149. Abb. 4/ Fig. 4


sequently, in Aachen one could study for just over one hundred years a cast which tries a reconstruction – the approach to a supposedly authentic original. This is still common practice in archaeological research.

Abb. 1 Ludwig Sturm nach Raffael, Sixtinische Madonna. Dresden 1890. Bild 271 x 196,5 cm, Rahmen 132 x 99 x 14 cm. Aachen, Reiff-Museum der ARWTH (Foto Wolfgang von Gliszczynski) Abb. 2 Blick in die Ausstellung Mustergültig. SuermondtLudwig-Museum Aachen 20.12.2008 bis 19.4.2009 (Foto Wolfgang von Gliszczynski) Abb. 3 Dito, Zustand Dezember 2004 (Foto Wolfgang von Gliszczynski) Abb. 4 Gipsabgüsse nach Fragmenten vom Cellafries des Athener Parthenons. Aachen, Reiff-Museum der RWTH, Hörsaal R 5 (Foto Martina Dlugaiczyk)

Fig. 1 Ludwig Sturm from Raffael, Sistine Madonna. Dresden 1890. Picture 271 x 196,5 cm, frame Fig. 2 View of the exhibition Exemplary. SuermondtLudwig-Museum Aachen 20.12.2008 to 19.4.2009 (Photo by Wolfgang von Gliszczynski) 132 x 99 x 14 cm. Aachen, Reiff-Museum of the RWTH (Photo by Wolfgang von Gliszczynski) Fig. 3 Ditto, status December 2004 (Photo by Wolfgang von Gliszczynski) Fig. 4 Plaster casts from fragments of the cella frieze of the Athens Parthenon. Aachen, Reiff-Museum of the RWTH, lecture hall R 5 (Photo by Martina Dlugaiczyk)

Today, however, the old models are no longer used. As an alternative we have chosen the cast of O VI (38-40) (the original is kept in Athens, the cast was manufactured by the Replica Workshop in Berlin), it shows Poseidon as well as probably Apollo and Artemis. The differences between the reliefs are obvious: Although it also tries to imitate the original as well as possible, the recast shows itself as new in its surface and hue. As it is, it illustrates the interruption as well as the continuity within the history of the collection. Loss and recovery are therefore still part of the history of the Reiff-Museum. The micro-history of the Sistine Madonna and the six reliefs from Parthenon exemplifies, that the local dealing with “Cultural Heritage“ is an asset in many ways, not least for science. And once again it becomes clear how much it depends on personal commitment. Dr. Martina Dlugaiczyk is an academic staff member at the Institute of History of Art at RWTH Aachen University. She is currently working on a research project that deals with the collections of architecture faculties. Prof. Dr. Alexander Markschies is Professor for History of Art at the RWTH Aachen University and Director oft he Reiff-Museum.

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Pfalzenforschung in Aachen Lehrstuhl für Baugeschichte und Denkmalpflege Lehr- und Forschungsgebiet Denkmalpflege Dr.-Ing. Judith Ley, Dipl.-Ing. Marc Wietheger

Aachen war die bedeutendste Pfalz im karolingischen Reich. Ab der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts überwinterte hier immer häufiger der königliche Hof, wurden die große Festtage begangen und Gesandte aus aller Welt empfangen. Entsprechend dem Status einer “sedes”, eines Sitz des Königs und seine Hofes, wurde die Pfalz von Karl dem Großen und seinem Sohn Ludwig dem Frommen mit repräsentativen Bauten ausgestattet und avancierte als Krönungsort der deutschen Könige schließlich zu einem der wichtigsten Herrscherstätten des gesamten Mittelalters.

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Abb. 1 Rekonstruktion der Aachener Pfalz, L. Hugot 1965 Fig. 1 Reconstruction of the Aachen palace, L. Hugot 1965

Neben der Pfalzkirche, dem heutigen Aachener Dom, gibt es noch weitere weniger bekannte Überreste der in Stein errichteten Pfalzbauten (Abb. 1). So steht das Rathaus der Stadt Aachen auf den Grundmauern der

Regierungshalle Karls des Großen, an deren Ostseite sich der sogenannte Granusturm erhob (Abb. 2). Wie auch von anderen archäologisch fassbaren Gebäuden der Pfalz, ist nicht bekannt, welche Funktion dieser Turm übernommen hat. In den historischen Quellen werden dahingegen zahlreiche weitere Bauten im Pfalzbereich benannt, deren Lage bisher aber nicht näher zu bestimmen ist. Entgegen der augenscheinlichen Bedeutung und Größe der Aachener Pfalz im frühen Mittelalter gibt es demnach hinsichtlich ihres Aussehens, den funktionellen Zusammenhängen und dem architektonischen Konzept der Anlage bis heute nur Spekulationen. Desiderate sind die fehlende Dokumentation der erhaltenen originären Bausubstanz, die unzureichende Aufarbeitung der Befunde aus den Altgrabungen und der überlieferten schriftlich Quellen.


Palace Research in Aachen Department of History of Architecture and Conservation Department of Historic Building Conservation Dr.-Ing. Judith Ley, Dipl.-Ing. Marc Wietheger

Aachen was the most important palace in the Carolingian Empire. From the second half of the 8th century onwards, the royal court more frequently spent the winters there, celebrated the big festive days and received envoys from all over the world. According to its status as a “sedes�, i.e. the seat of the king and his court, the imperial palace of Charlemagne and his son Louis the Pious was endued with representative buildings. Being the coronation site of the German kings, it eventually became one of the most important centers of power of the entire Middle Ages. Apart from the Palatine Chapel, now Aachen Cathedral, there are other remains of the stone-built palace buildings (Fig. 1). The Aachen Town Hall, for example, stands on the foundations of Charlemagne’s Council Hall (Fig. 2). On its eastern side rose the so-called Granus Tower.

Assembly hall and church were connected by a two-story corridor, which was divided by a transept. In addition to the atrium in the west, there were further annex buildings to the north and the south of the church. It is not clear which functions Granus Tower, transept and annex buildings had in the structure of the palace complex. On the other hand, sources report on numerous additional buildings whose location is unknown. In spite of the apparent importance of Aachen in the early Middle Ages, today, one can only speculate as to the appearance of the palace, the functional relationships within the palatine district and the architectural concept of the complex. This topic was last researched during the 1960ies. The last major reconstruction of the Aachen palace by Leo Hugot originates from this period. It is widely unknown, however, that this reconstruction only reflects

a preliminary result of the research at that time. Today, the fact that documentation of the original basic building fabric is still lacking and that the processing of the results from earlier excavations and the traditional written sources is rather inadequate, leaves much to be desired. There is neither any systematic analysis and classification of the Carolingian designs nor are there any theories about how the importance of the palace was updated in the architecture of the following eras. An extensive research cooperation of several departments of RWTH Aachen University, the City of Aachen Office for Historical Monuments and Urban Archaeology, is supposed to close these research gaps in the course of the next few years. A detailed documentation of the existing profane palatine buildings and the review of the corresponding

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Abb. 2 Nordfassade des Aachener Rathauses, M. Merian 1647/ Fig. 2 North facade of the Aachen city hall, M. Merian 1647

Im Rahmen einer umfangreichen Forschungszusammenarbeit von mehreren Lehrstühlen der RWTH mit dem Denkmalamt der Stadt Aachen sowie der Stadtarchäologie, sollen in den nächsten Jahren nun diese Forschungslücken aufgearbeitet werden. In einer Kooperation der Lehrstühle für Denkmalpflege und Baugeschichte der Fakultät für Architektur erfolgt eine genaue Dokumentation des Baubestandes der profanen Pfalzbauten mit modernen Bestandserfassungsmethoden. Für diese Dokumentation stehen Mittel aus dem von Bund und Stadt Aachen geförderten “Investitionsprogramm nationale UNESCO-Welterbestätten” zur Verfügung (Prof. Dr.-Ing. Christian Raabe, Dipl.-Ing. Marc Wietheger, Dipl.-Ing. Robert Mehl). Zum anderen fördert die DFG das Projekt “Die Aula Regia in Aachen – Karolingische Königshalle und spätmittelalterliches Rathaus” (Dr.-Ing. Judith Ley), das die Analyse und bauhistorische Einordnung der mittelalterlichen Baubefunde zum Ziel hat. Die Forschungsarbeiten werden zudem vom Rathausverein maßgeblich unterstützt. Die Aufarbeitung der Altgrabungen und der schriftlichen Quellen übernimmt der Lehrstuhl für Mittlere Geschichte, ebenfalls mit Mitteln aus dem Investitionsprogramm (Prof. Dr. Harald Müller / PD Dr. Sebastian Ristow). Vor dem Hintergrund der neuen Forschungsergebnisse werden die schriftlichen Quellen abschließend im “Repertorium der deutschen Königspfalzen” analysiert. Abgestimmt wird dieser fachübergreifende Wissenstransfer im an der RWTH angesiedelten Arbeitskreis Pfalzenforschung.


archival records is carried out in a cooperation between the Department of Historic Building Conservation and the Department of History of Architecture. Funds from the “Investment Program National UNESCO World Heritage Sites: Palatine Research from the Perspective of Building Research” aided by the federal government and City of Aachen have been made available for this purpose (Prof. Dr.-Ing. Christian Raabe, Dipl.-Ing. Marc Wietheger). Also, the German Research Foundation (DFG) promotes the project “The Aula Regia in Aachen – Carolingian Council Hall and Late Medieval Town Hall” (Dr.-Ing. Judith Ley), which aims to analyse and classify the medieval building substance within its historic building context. Furthermore, the research works are significantly supported by the Town Hall Society . The Department of Medieval History is responsible for the reviewing of the former excavations and the written sources . Funds will also be made available by the „Investment Program National UNESCO – World Heritage Sites” for the archaeological investigations (Prof. Dr. Harald Müller / Privatdozent Dr. Sebastian Ristow). In the light of these new research results, the written sources will be analyzed in the as yet missing volume about Aachen in the “Repertory of the German Royal Palaces”.

As part of these projects, interdisciplinary seminars will be offered by the mentioned departments, which not only enable students to gain in-depth insights into modern research methods, but also to get to know the benefits of interdisciplinary and practice-oriented networking. This interdisciplinary knowledge transfer will be coordinated by the study group Palatine Research at RWTH. It joins up all institutions which work within the Aachen palatine context. In addition to the above mentioned departments, these are the Administrative Office of Conservation, the Urban Archaeology, the ICOMOS representatives from the Department of History of Urbanization, the Town Hall Society, the Rhineland Regional Authority, the Cathedral Works and members of Board of Trustees of the Charlemagne Exhibition 2014. An outcome of this collaboration will be a computer model of the palace, which for the first time classifies the conserved buildings chronologically and places the archaeological results. In addition to the modern building and excavation documentation, results from previous excavations, archival materials and estates are integrated into this model. Only then is it possible to provide an overview of the connections in the palace to enable a new reconstruction attempt of the entire site.

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Investitionsprogramm nationale UNESCO-Welterbestätten: Pfalzenforschung aus der Perspektive der Bauforschung Lehr- und Forschungsgebiet Denkmalpflege Prof. Dr.-Ing. Christian Raabe, Dipl.-Ing. Marc Wietheger, Dipl.-Ing. Robert Mehl

Begonnen hat das beschriebene Forschungsvorhaben im Jahr 2007 als studentisches Seminar zur Baudokumentation und Bauforschung des Granusturms (Abb. 3). Seitdem wurde das Bauwerk unter Leitung von Marc Wietheger und Judith Ley in mehreren jeweils einwöchigen Dokumentationskampagnen zusammen mit Studierenden der Architektur systematisch vermessen, zeichnerisch sowie fotografisch dokumentiert und wissenschaftlich beschrieben. Mittels tachymetrischer, CAD-gestützter OnlineVermessung der Architekturgeometrie, photogrammetrischer Aufnahmen steinsichtiger Oberflächen und händischem Aufmaß von Detailbereichen wurden digitale, verformungsgerechte Bestandszeichnungen erstellt. Innerhalb eines einheitlichen Messbezugssystems (3DFestpunktenetz) sind auf diese Weise sämtliche Hauptund Zwischengeschosse in detaillierten Grundrissen sowie Vertikalschnitten im Maßstab 1:1 erfasst worden (Abb. 4).

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Abb. 3 Architekturstudenten vermesses den Granusturm 2008 Fig. 3 Architecture students measure the Granus Tower 2008

Die neu erstellten Pläne zeigen, dass der Turm in seinem Inneren eine komplexe räumliche Struktur aufweist: in seinen unteren vier Geschossen aus karolingischer Zeit werden tonnengewölbte Treppenaufgänge um quadratische, von Klostergewölben überspannte Innenräume geführt. Dies erfolgt jedoch weder in einer regelmäßig fortlaufenden Spirale noch über gleich hohe Geschosse. Wie bereits erwähnt, ist die ursprüngliche Funktion

dieses ungewöhnlichen Turmes nicht bekannt. Durch die jüngste Vermessung wurde jedoch deutlich, dass für die Errichtung der Treppengänge der meiste Aufwand betrieben wurde: das angenehme Steigungsmaß und die bequeme Treppenbreite sowie schmückende Säulen und gezielte Belichtung unterstreichen die bedeutende Funktion der Treppe. Somit stehen wir vor einem der ersten repräsentativen Treppenhäuser nördlich der Alpen – auch wenn wir aufgrund des Erhaltungszustandes der Aula letztendlich nicht sagen können, wohin die Treppe tatsächlich führte. Aufbauend auf diesen grundlegenden Voruntersuchungen konnte im Jahr 2010 durch das Amt für Denkmalpflege der Stadt Aachen die Förderung des aktuellen Forschungsprojekts erfolgreich beantragt werden, sodass die fortgeschrittenen Arbeiten am Granusturm intensiviert und auf das historische Rathaus ausgeweitet werden konnten (Abb. 7). Neben dem vollständigen und exakten Architekturaufmaß, der Baubeschreibung sowie den notwendigen naturwissenschaftlichen, restauratorischen Untersuchungen, werden sämtliche Archivbestände gesichtet. Um die unmittelbare Vergleichbarkeit der neuen Dokumentationsergebnisse innerhalb der gesamten Pfalz zu gewährleisten, orientieren sich diese Aufnahmen – insbesondere bei Methode und Indexierung der Materialkartierungen und -beprobung


National Investment Program UNESCO- World Heritage sites: Palatine Research from the Perspective of the Building Research Department of Historic Building Conservation Prof. Dr.-Ing. Christian Raabe, Dipl.-Ing. Marc Wietheger, Dipl.-Ing. Robert Mehl

The described research project began in 2007 as a student seminar on building documentation and building research of the Granus Tower (Fig. 3). Since, the building has been systematically measured, documented graphically as well as photographically and described scientifically by architecture students led by Marc Wietheger and Judith Ley in several one-week campaigns. By means of tachymetric, CAD-based online measurement of the architectural geometry, photogrammetic recordings of stonefaced surfaces and manual measurements of detail areas digital true-to-deformation plans were created. By this means all the main and mezzanine floors were recorded within a consistent measurement reference system (3D-fixed point grid) in detailed floor plans as well as vertical sections on a scale of 1:1 (Fig. 4). The plans show that the outwardly unimpressive looking tower shows a complex spatial structure in its interior: The lower four floors from the Carolingian period reaching up to a height of about 20 m, feature barrelvaulted stairways enclosing square interior rooms which are spanned by cloister vaults (Fig. stair and interior Granus). However, this is neither carried out in a regular continuous spiral, nor by floors of the same height. Rather, the passage in the first and third floors was directed alongside high ceilinged rooms, on the second

floor past a low ceilinged room. On this floor, the flights of stairs diverge, so that a blind alley had to be created as a rest and relief space between them. In medieval sources, this unusual tower is referred to as “turris regia” or “saaltorn”, which emphasizes its relation to Aula Regia. The original function of the tower, however, is unknown. Because of this unusual structure and the existing interior rooms, presumptions range from defense tower to residential tower of Charlemagne to treasury. The most recent surveys show that the greatest effort was invested in the construction of the staircases. The flights of stairs were lit by way of several windows so that they could be used without any additional artificial light during the day while the interior rooms were only sparsely lit by indirect light. Building the staircases wide around these rooms created a rise which was comfortable for medieval standards. In addition, the comfortable width of the treads, the representative soffit of the tower entrance door and several decorative columns show that the staircase must have had an important function within the structure of the Palace. Thus we are faced with one of the first representative staircases north of the Alps – even though, because of the conservation status of the auditorium, we ultimately cannot say where the stairs actually led.

Abb. 4 Studentisches Aufmass des Granusturmes, OstWest-Schnitt und Grundrisse der karolingischen Geschosse, M. Wietheger, J. Ley Fig. 4 Student measuring of the Granus Tower, EastWest-Section and ground plan of the carolingian floors, M. Wietheger, J. Ley

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– an den durch den Landschaftsverband Rheinland und die Aachener Dombauhütte an den von 2000 bis 2006 durchgeführten restaurierungsbegleitenden Untersuchungen der Pfalzkirche.

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Abb. 5 3D-Scan des ersten Obergeschosses des Granusturmes, M. Wietheger Fig. 5 3D-Scan of the first floor of the Granus Tower, M. Wietheger

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben wurden 2011 die Außenfassaden des Granusturmes eingehend untersucht. Für die Durchführung dieser Forschungsmaßnahme wurde auf Veranlassung des Gebäudemanagements der Stadt Aachen am Beginn des Jahres das für die Sanierung des Turmhelms errichtete Gerüst an allen vier Turmfassaden mit zusätzlichen Ebenen ausgestatten. Gleichzeitig wurde der Nachlass von Leo Hugot, welcher in den 60iger und 70iger Jahren das Rathaus zu untersuchen begonnen hatte, von seiner Familie an die Stadt übergeben. In ihm fanden sich unveröffentlichte steingerechte Aufmaßpläne von unterschiedlichen Teilabschnitten der Turmaußenwände. Sie ermöglichten nicht nur eine erste unkomplizierte Material- und Bauphasenkartierung, sondern zeigen die Turmwände auch im Zustand vor ihrer umfassenden Sanierung nach dem 2. Weltkrieg. Um den aktuellen Zustand der Wände zu dokumentieren, wurden Gerüstlagenweise hochauflösende Messbilder der Turmfassaden als Grundlage für die abschließenden Pläne erstellt (Abb. 6). Für die Darstellung der Geometrie und Materialität der Böden, Wände und Gewölbe im Granusturm wurde zusätzlich ein 3D-Scanner eingesetzt, mit dessen Hilfe die vielschichtigen Zusammenhänge in den engen Bereichen

des Turminneren leicht verständlich abgebildet werden (Abb. 5). Die umfangreichen Ergebnisse der systematischen NeuDokumentation sowie die zahlreichen aufgearbeiteten Archivalienbestände werden im Laufe des Projektes in einem digitalen Datenmodell zusammengeführt, das auch die archäologischen Befunde des Pfalzbezirkes berücksichtigt. Dieses, auf exakten Bestandsplänen basierende, visuell mit raumbezogenen Daten verknüpfte 3D Gebäude-Infomationssystem (GebIS) wird über das Ende der Projektförderungsphase hinaus die fachübergreifende Verwaltung, Analyse und Bereitstellung sämtlicher Bauwerksinformationen ermöglichen. Die öffentlich zugänglichen Informationen sollen zudem im Rahmen eines web-Portals erschlossen werden können. Ein weiteres essentielles Ergebnis der Arbeiten am gesamten Rathaus wird ein Bauphasenplan sein, mit dessen Hilfe genau ersichtlich ist, welche baulichen Maßnahmen mit welchen Auswirkungen zu welcher Zeit in der Gesamtanlage des Rathauses vorgenommen worden sind. Somit wird die Genese des heutigen Bauwerks erstmals in einer Gesamtschau nachvollziehbar sein. Am Ende wird eine Genealogie und bauhistorische Einordnung des Rathauses in drei, den Hauptepochen dieser Veränderungen entsprechenden, Bänden entstehen: Mittelalter (Judith Ley), Barock (Georg Helg) sowie 19. und 20. Jahrhundert (Marc Wietheger).


Building on these basic preliminary investigations, the funding of the current research project was successfully applied to at the Conservation Office of the City of Aachen in 2010, so that the advanced work at the Granus Tower could be intensified and extended to the historic Town Hall (Fig. 7). In addition to the complete and accurate architecture measuring, the building description, as well as the necessary scientific restorative investigations, all archives are closely inspected. In order to ensure the direct comparability of the new documentation results for the entire Palace, these surveys are guided by the research performed on the Palatine Church by the regional authority Rhineland and the Aachen Cathedral Works in accompaniment to the restoration work carried out between 2000 and 2006 – especially in method and indexing of material mappings and samplings. In 2011, the exterior facades of the Granus Tower were thoroughly investigated in due consideration of these requirements. In order to enable this research task, the building management of the City of Aachen at the beginning of the year authorized that the scaffold erected on all four tower facades for the rehabilitation of the pyramidal tower roof was equipped with additional levels. At the same time, the estate of Leo Hugot, who had begun to explore the Town Hall in the 60s and 70s, was handed over to the city by his family. It contained unpublished stone-by-stone measurement plans of different sections of the tower’s exterior walls. These not only allowed a first uncomplicated material and building phase mapping but also showed the tower walls in the state before their extensive renovation after World War II. To

document the current condition of the walls, high resolution measuring images of the tower facades were taken as the basis for the final plans (Fig. 6). For the description of the geometry and materiality of the floors, walls and vaults in the Granus Tower, a 3D scanner was used, which helped to clearly illustrate the complex relations within the narrow parts of the tower’s interior (Fig. 5). The results of the systematic re-documentation as well as the numerous refurbished archive documents will be brought together in a digital data model in the course of the project, which will also include the archaeological findings of the palatine district. This 3D building-information system (GebIS) which is based on exact plans and visually associated with space related data, will facilitate the crossdisciplinary management, analysis and supply of all construction information even beyond the project grant programme. In addition, part of the information should be made publicly accessible through a web portal. Another essential result of the works on the entire Town Hall will be a timetable of construction phases, specifying which construction methods with which effects have been conducted at what time in the entire complex of the Town Hall. Thus, the genesis of the building as it is today will be understandable as a whole for the first time. Finally, we will arrive at a genealogy and building historical classification of the Town Hall in three volumes, which correspond to the three main eras of these changes: Middle Ages (Judith Ley), baroque (Georg Helg) and 19th and 20th century (Marc Wietheger).

Abb. 6 Granusturm, Ostseite: Steinkartierung auf Grundlage der Dokumentation aus 60er Jahren (H. Sauer, L. Hugot/J. Ley) und aktuelle erstellte Messbilder (R.Mehl, M. Wietheger, J. Ley) Fig. 6 Granus Tower, East side: Mapping of the stones on basis of the documentation from the 60’s. (H.Sauer, J. L. Ley) and measuring pictures currently made (R. Mehl, M. Wietheger, J. Ley)

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DFG-Projekt: Die Aula Regia in Aachen: Karolingische Königshalle und spätmittelalterliches Rathaus – Bauforschung und Architekturgeschichte Lehrstuhl für Baugeschichte und Denkmalpflege Dr.-Ing. Judith Ley

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Mit der Königshalle Karls des Großen birgt das Rathaus der Stadt Aachen in seiner Bausubstanz einen der bedeutendsten mittelalterlichen Herrschaftsbauten des deutschsprachigen Raums. In der Tradition dieser Königshalle wurde der Bau für die Aachener Krönungsfeierlichkeiten der deutschen Könige im Mittelalter mehrfach tiefgreifend restauriert und entsprechend den Repräsentationsansprüchen der jeweiligen Zeit umgebaut. Der stets hohe machtpolitische Rang Aachens lässt erwarten, dass die Entwicklung des Aachener Rathauses aus der karolingischen Königshalle besonders deutlich widerspiegelt, wie der Bautyp des herrschaftlichen Saalbaus von der Antike bis zum Ausgang des Mittelalters modifiziert wurde. Trotz dieser Bedeutung gibt es bis heute neben der fehlenden systematischen Untersuchung und Analyse seiner Baussubstanz keine kritische Interpretation seiner immer wieder veränderten Formensprache. Ziel des seit Januar 2011 von der DFG geförderten Forschungsprojektes ist daher eine zusammenhängende bauhistorische Erforschung des mittelalterlichen Gebäudes und seiner Veränderungen. Basierend auf der oben beschriebenen modernen Baudokumentation sollen zunächst fundierte Rekonstruktionsvorschläge für die unterschiedlichen mittelalterlichen Bauzustände erarbeitet werden. Welche Stellung die Aachener Aula in der Entwicklung

herrschaftlicher Architektur in Europa einnahm, soll schließlich durch eine Gegenüberstellung mit anderen antiken wie mittelalterlichen Saal- und Palastbauten herausgearbeitet werden. Hierbei geht es gleichermaßen um die Konzeption zeremonieller Raumprogramme, die ikonografische und ikonologische Deutung der Formensprache wie auch die Herleitung der angewandten, oft komplexen baukonstruktiven Lösungen. Der aus dem Ende des 8. Jahrhunderts stammende karolingische Ursprungsbau bestimmte nicht nur die Tradition des Ortes sondern auch die Ausmaße des Gebäudes (Abb. 1). Mit ihrer Konzeption steht die Aachener Aula in der Tradition antiker Regierungshallen weltlicher und kirchlicher Würdenträger, die im 8. Jahrhundert in Rom und Byzanz aber auch an zahlreichen anderen Orten noch in Funktion waren bzw. neu errichtet wurden. Für die Rekonstruktion der aufgehenden Architektur der Aula gibt es nur wenige Anhaltspunkte, da die Baussubstanz der Halle weitgehend abgetragen wurde, so dass der Granusturm ihr am höchsten erhaltener Teil ist. Daher ist nicht abschließend geklärt, ob die Halle in mehrere Ebenen gegliedert war. Diese Frage ist insofern von Bedeutung, da die Karolinger das bis heute in der europäischen Architektursprache allgemeinverständliche Prinzip verstärkt eingeführt haben, einem höher liegenden Geschoss eine übergeordnete Bedeutungen zu verlei-

hen. Es wäre daher zu fragen, ob auch die Königshalle eine zweite Ebene besessen hat – möglicherweise in Entsprechung zur Empore der Pfalzkirche. Einen Hinweis auf eine solche Höhenstaffelung gibt der repräsentative Treppenaufgang im Granusturm. Wie die Pfalzkirche zeigt auch der Granusturm, dass beim Bau der Pfalz in Aachen die Idee des römischen Monumentalbaus mit der kleinräumigen Zellenbauweise der germanischen Architekturtradition verbunden wurde. Das bedeutet, dass nun nicht mehr wie in der Antike alle Gebäudeabschnitte zu einem großen Einheitsraum verschmolzen, sondern die einzelnen Raumabschnitte sowohl in der horizontalen, als auch in der vertikalen Aufteilung des Baus klar voneinander abgegrenzt wurden und oftmals auch unterschiedliche Funktionen zugewiesen bekamen. Der Granusturm ist somit nicht wie ein italienischer Campanile mit einer gleichmäßig um einen durchgehenden Schacht aufsteigenden, ins “Unendliche” laufenden Treppe errichtet worden, sondern mittels der unterschiedlich hohen, von Klostergewölben überspannten, verschließbaren Innenräume sowie den Wechseln in der Drehrichtung der Treppen in einzelne Turmabschnitte unterteilt (Abb. 4). Es handelt sich gewissermaßen um mehrere Treppenhäuser, die aufeinandergesetzt wurden, um die unterschiedlichen Geschosse der angrenzenden Gebäudeteile miteinander zu verbinden bzw. wie eine Schleuse voneinander abzuriegeln.


DFG-Project: The Aula Regia at Aachen: Carolingian Assembly Hall and Late Medieval Town Hall – Historical Building Research and History of Architecture Department of History of Architecture and Conservation Dr.-Ing. Judith Ley With Charlemagne’s Assembly Hall, Aachen Town Hall holds within its basic fabric one of the most important medieval stately buildings of the German-speaking countries. In the tradition of this King’s Hall, the building was profoundly restored several times for the Aachen coronation ceremonies of the German kings in the Middle Ages and modified according to the representational requirements of the particular time. The power-political rank of Aachen was always high, which raises the expectation that the development of the Aachen Town Hall from the Carolingian King’s Hall reflects very clearly how the construction type of the stately hall was modified from the ancient world until the end of Middle Ages. As of today and despite its importance, there has not been any systematic investigation and analysis of its building fabric nor has there been a critical interpretation of its repeatedly changed stylistic vocabulary. The aim of the research projects funded by DFG since January 2011 is a coherent building historical exploration of the medieval building and its changes. Based on the modern construction documentation described above, the first task is to offer well-founded reconstruction suggestions for the different medieval building conditions. The question of which position the Assembly Hall at Aachen takes in the development of stately architecture in Europe, will finally be addressed by a juxtapposition

Abb. 7 Grundriss des Krönungssaals, M. Wietheger/ Fig. 7 Ground plan of the coronation hall, M. Wietheger with other ancient and medieval halls and palaces. The conception of ceremonial spaces and the iconographic and iconological interpretation of the stylistic vocabulary are as much to be examined as the derivation of the applied and often complex building constructive solutions. The Carolingian original building from the end of the 8th century, not only determined the tradition of the place but also the dimensions of the building (Fig. 1). With this design, the Aachen Assembly Hall stands in the tradition of ancient government halls of profane and ecclesiastical dignitaries, which during the 8th century were still in use or even newly built in Rome and Byzantium but also in many other places. For the reconstruction of the rising architecture of the assembly hall, there are only a few clues, because the basic building fabric of the hall has been largely removed so that the Granus Tower is its highest preserved part. Thus,

the question whether the hall was divided into several levels could not be answered conclusively. It is an important question insofar as the Carolingians consolidated the principle of attaching superior significance to higher floor levels, which even today is generally understandable throughout European architectural language. Therefore, the question is, whether the King’s Hall had a second level - possibly in correspondence to the gallery of the Palace Chapel. A hint to such a scaling of heights is given by the representative staircase in the Granus Tower. Like the Palace Chapel, the Granus Tower shows that when the palace in Aachen was built, the idea of the Roman monumental building was combined with the smallscale cell-type building technique of the Germanic architectural tradition. This means that now, unlike during ancient times, the parts of the building no longer melted into one large room, but single room sections were clearly distinguished from each other in both the horizontal and the vertical division of the building. Also, they often

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Abb. 8 Der Krönungssaal mit den geplanten Kaiserfiguren, C. Scheuren 1877/ Fig. 8 Coronation hall with the planned emperor figures, C. Scheuren 1877

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Die Königshalle erfuhr – wie auch die Pfalzkirche – vermutlich bereits in der Romanik, als Aachen zum Krönungsort der deutschen Könige avancierte, ihre erste Umgestaltung. Bisher können wir jedoch nicht sagen, wie tiefgreifend dieser Umbau tatsächlich war und welche Rolle er innerhalb der stets zweigeschossig angelegten romanischen Palastbauten, wie wir sie beispielsweise in Goslar oder Braunschweig finden, gespielt hat. Selbst als die Stadt im 14. Jahrhundert das inzwischen baufällige Gebäude übernahm und zum Rathaus umbaute, wurde die ältere Palastfunktion durch die Integration eines eindrucksvollen Festsaals für die Krönungsfeierlichkeiten im Obergeschoss und die Errichtung

einer prunkvollen figurengeschmückten Fassade weiter tradiert (Abb. 2,7,8). Die Kombination dieser beiden Funktionen begründet die herausragende Stellung des gotischen Baus, dessen Formengebung sich gleichermaßen an deutschen und französischen Schlossbauten, unter anderem dem Königspalast auf der Île de la Cité in Paris orientiert. (Abb. 9) Aus der Schlossbautradition übernommen und daher ungewöhnlich für ein Rathaus ist vor allem der riesige von Steingewölben überspannte Krönungssaal, der außerdem noch mit Figuren ausgeschmückt werden sollte (Abb. 8). Eine besondere technische Herausforderung war es, diese weit spannenden Gewölbe zu

errichten ohne die feingliedrige Fassade durch Stützpfeiler zu stören. Um dies zu ermöglichen, musste unter anderem der Übergang zum Granusturm zugemauert werden. Damit verlor dieser seine ursprüngliche Funktion und nahm schließlich die Wohnung für den Stadtwächter, das Urkundenarchiv der Stadt und ein Gefängnis auf. Auch nachdem sich die Deutschen Könige ab 1562 nicht mehr in Aachen sondern nur noch in Frankfurt am Main krönen ließen, war man sich der ursprünglichen Bedeutung des Gebäudes noch bewusst. So übertitelte noch Merian seine Darstellung des Aachener Rathauses 1647 mit „Das Palatium und Rahthause zu Achen“ (Abb. 2).


had very different functions. Thus, the Granus Tower is not built like an Italian Campanile with an evenly, “infinitely” ascending staircase around a central shaft, but divided into individual tower sections by means of lockable interior rooms, which were of different heights and spanned by cloister vaults, as well as by changes in the rotational direction of the staircases (Fig. 4). In a manner of speaking, it consists of several staircases, which were piled onto each other to connect the different floors of the adjacent building elements respectively to close them off from each other like a sluice. Like the Palatine Church, the King’s Hall probably experienced its first redesign already during the Romanic period, when Aachen proceeded to become the coronation site of the German kings. So far we cannot tell, however, how profound this reconstruction really was and which role it played within the Romanesque palace buildings, as found for example in Goslar or Braunschweig, which were always constructed with two stories. Even when the city took over the meanwhile dilapidated building in the 14th Century and rebuilt it into the Town Hall, the older palace function was inherited by the integration of an impressive festival hall for the coronation ceremonies on the first floor and the construction of a magnificent façade embellished with sculpture (Fig. 2, 7, 8). The combination of these two functions is the reason for the prominent role of the Gothic building, whose design is equally geared to German and French palatine buildings, inter alia the King’s Palace on the Île

Abb. 9 Vergleich der gotischen Anlage in Aachen mit dem Palais de Cité in Paris, Rekonstruktion A. Huyskens um 1925/ E. Viollet-le-Duc 1864/ Fig. 9 Comparison of the Gothic plant with the Palais de Cité in Paris, Reconstruction A. Huyskens at 1925/ E: Viollet-le-Duc 1864 de la Cité in Paris. (Fig. 9) The huge Coronation Hall, which was spanned by stone vaults and should also have been embellished with sculpture, was adopted from the palace construction tradition and is therefore especially unusual for a town hall (Abb. 8). A particular technical challenge was to construct this wide spanning vault without disturbing the delicate façade by supporting pillars. Among other things, the transition to the Granus Tower

had to be bricked up in order to achieve this. Thus, it lost its original function and finally comprised the appartment for the city guard, the city’s archive of documents and a prison. Still, even when - from 1562 onwards - the German kings were no longer coronated at Aachen but only in Frankfurt, people were aware of the building’s original function. In 1647, Merian still superscribed his description of the Aachen Town Hall as “The Palatine and Town Hall at Aachen” (Fig. 2).

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Evaluierung, Nominierung und Management von UNESCO-Welterbestätten Lehrstuhl und Institut für Städtebau und Landesplanung Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Kunibert Wachten Dipl.-Ing. Michael Kloos

Der Streit um den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden mit der späteren Aberkennung des Welterbetitels des „Dresdner Elbtals“ füllte eine zeitlang die AbendNachrichten und machte einen besonderen Konflikt publik. Dies war und ist aber kein Einzelfall. Immer wieder treten Konflikte zwischen dem Schutzanspruch der Welterbestätten und der Entwicklungsdynamik in Städten

und Regionen auf. In den oftmals sehr emotionalisierten Streitfällen fachlich und unabhängig zu gutachten und bei der Nominierung und beim Management von Welterbestätten zu beraten, ist in den letzten sechs Jahren zu einem Spezialfeld in der Forschung des Instituts für Städtebau und Landesplanung geworden. Im Jahr 1972 wurde die UNESCO-Welterbekonvention

Visualisierung Waldschlösschenbrücke in Dresden (CAAD / v-cube / Institut für Städtebau und Landesplanung).

verabschiedet. Sie verfolgt das Ziel, kulturelles und natürliches Erbe der Menschheit, das von herausragender universeller Bedeutung ist, für kommende Generationen zu sichern. Grundsätzliche Idee der Konvention ist, dass einzelne Nationen “ihr” kulturelles Erbe in die Welterbeliste einbringen, das dann quasi in den gemeinsamen Besitz der gesamten Menschheit übergeht.


Evaluation, nomination and management of UNESCO-World Heritage Sites Department and Institute of Urban Design and Regional Planning Univ.- Prof. Dipl.-Ing. Kunibert Wachten Dipl.-Ing. Michael Kloos

The dispute over the construction of the Waldschlösschen Bridge in Dresden with the subsequent derecognition of the World Heritage title, the “ Dresden Elbe Valley”, filled the evening news for a while and made public a special conflict. However, this was and is not a single case. Again and again, conflicts arise between the claim of World Heritage sites and the dynamics of develop-

ment in cities and regions. Is has become a special field of research of the Institute of Urban Design and Regional Planning during the last six years to pass an independent expert opinion in the often emotionally charged disputes and to give advice on the nomination and management of World Heritage sites. In 1972, the UNESCO World Heritage convention was

adopted. It pursues the goal to secure the cultural and natural heritage of mankind which is of outstanding universal value for future generations. The basic idea of the convention is that individual nations enter “their” cultural heritage into the World Heritage list, which then merges as it were into the common possession of the entire humanity.

Visualisation Waldschlösschenbrücke in Dresden (CAAD / v-cube / Institute of Urban Design and Regional Planning).

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Die Welterbekonvention gilt als das erfolgreichste Programm der UNESCO. Es hat deshalb in allen Regionen der Erde in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Aufgrund dieser stetigen Bedeutungszunahme haben UNESCO-Welterbestätten mittlerweile nicht nur eine große symbolische, sondern auch eine wachsende ökonomische Bedeutung. Sie spielen beispielsweise eine wichtige Rolle im Rahmen des internationalen Tourismus als wichtigem Motor der Wirtschaftentwicklung in vielen Städten und Regionen.

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Da nicht nur einzelne Monumente, sondern zunehmend auch zusammenhängende historische Stadtund Kulturlandschaften in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen werden, steigt das Konfliktpotenzial mit dem Alltag sich ständig wandelnder Städte und Regionen und mit ihren zumeist sehr komplexen Entwicklungsaufgaben. So füllten Berichte über Streitfälle in den letzten Jahren fast zwangsläufig die Gazetten – die Hochhäuser im rechtsrheinischen Köln, die Waldschlösschenbrücke in Dresden, die Rheinbrücke im Oberen Mittelrheintal, die Hochhäuser am neuen Zentralbahnhof in Wien, die Metro-Brücke über das Goldene Horn in Istanbul, die Brücke über die Bucht von Kotor. Bei all diesen Konflikten stehen fast immer zwei

Fragen zur Debatte: Inwieweit wird durch Neubauprojekte die Qualität historischer Stadt- und Landschaftsbilder eingeschränkt, also die visuelle Unversehrtheit infrage gestellt? Und wie kann dieser Eingriff vermieden, gemildert oder verträglich gestaltet werden? Das Management von UNESCO-Stadt- und Kulturlandschaften stellt daher eine besondere Herausforderung dar. Da überdies die Aufnahme in die Welterbeliste nicht immer im Bewusstsein geschieht, dass dieser Schritt mit einem Stück Souveränitätsverzicht einhergeht, werden solche Fragen oftmals von Missverständnissen zwischen lokalen und internationalen Entscheidungsebenen überlagert, was eben auch im Dresdner Fall das Feuer der Emotionen geschürt hat. Die Tätigkeitsfelder des Instituts für Städtebau und Landesplanung liegen neben der Forschung in der Beratung bei Welterbe-Nominierungsprozessen sowie beim Management komplexer Welterbe-Stätten. Von herausgehobener Bedeutung ist zudem die unabhängige Evaluierung von Veränderungen von Stadt- und Landschaftbildern in UNESCO-Welterbestätten. Für diese Untersuchungen hat sich im Verlauf der Jahre eine intensive Kooperation mit dem Lehrstuhl für CAAD im Verbund mit v-cube etabliert. Kern der Evaluierungen, der so genannten „Heritage

Impact Assessments“ ist, exakt zu visualisieren, wie sich geplante Veränderungen in der Realität zeigen und dies zu beurteilen. Dafür sind mehrere Untersuchungsschritte notwendig. Zunächst erfolgt eine Analyse der natur- und kulturgeschichtlichen Bedingungen der zu untersuchenden Welterbestätten. Danach werden die wesentlichen Wahrnehmungsmuster − sowohl tradierte als auch aktuelle − ermittelt. Anschließend werden unterschiedliche relevante Sichtpunkte und Sichtkorridore in den UNESCO-Welterbestätten untersucht und mit digitalen Kamera- oder Videoaufnahmen dokumentiert. Durch die Überlagerung dieser Daten mit einem digitalen Computermodell, das mittels Laserscan-Aufnahmen, so genannter Punktwolken, generiert wurde, können geplante Baumaßnahmen millimetergenau und realistisch visualisiert werden. Durch die In-Bezug-Setzung dieser Visualisierungen mit den vorangegangen Untersuchungsschritten ist es möglich, exakt zu begründen, inwieweit Stadt- und Landschaftsbilder durch die geplanten Baumaßnahmen verändert werden. Die Analyseergebnisse werden mit den Nominierungskriterien der jeweiligen Welterbestätte, aus denen sich ihr einzigartiger universeller Wert begründet, abgeglichen und auf dieser Grundlage Empfehlungen zum weiteren Vorgehen formuliert.


The World Heritage convention is considered as the most successful program of UNESCO. Therefore, it has continuously gained in importance in all regions of the world during the past few years. Because of this steady increase in importance, the UNESCO World Heritage sites by now not only have an important symbolic, but also a growing economic importance. For example, they play an important role in international tourism as an important mainspring of economic development in many cities and regions. Because not only individual monuments, but increasingly also coherent historic urban and cultural landscapes are accepted in the UNESCO World Heritage list, the potential for conflicts increases with the ever-changing cities and regions and with their often very complex development tasks. Thus, reports almost inevitably filled the newspapers during recent years – the high-rise buildings on the east bank of the Rhine at Cologne, the WaldschlÜsschen Bridge in Dresden, the Rhine Bridge in the Rhine Gorge, the high-rise buildings at the new central train station in Vienna, the Metro Bridge over the Golden Horn in Istanbul, the Bridge over the Bay of Kotor. With all these conflicts, almost always center around two questions:To what extent is the quality of historic urban and landscape scenery constricted by new con-

Welterbestätte Historische Innenstadt Wien. Kern- und Pufferzone (Magistrat Wien) World Heritage Sites Historical inner city Vienna. Core- und buffer zone (magistrate Vienna)

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Neben diesen Evaluierungen berät das Institut für Städtebau und Landesplanung seit einigen Jahren in unterschiedlichen Regionen Europas Nominierungsanträge für den Welterbestatus. Gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Tragkonstruktionen wurde so ein Dossier für die in Solingen bzw. Remscheid gelegene “Müngstener Brücke”, einem wegweisenden Stahlbau aus der Zeit Ende des 19. Jahrhunderts, erarbeitet. Ein weiteres WelterbeNominierungsverfahren wird derzeit für die “Viking Age Monuments and Sites” in Skandinavien betreut. Hier sollen neun unterschiedliche Stätten der Wikingerkultur, die in Dänemark, Schweden, Norwegen, Island, Litauen und Deutschland liegen, zu einer “transnationalen” Welter-

bestätte zusammengeführt werden. Auch das Management komplexer Stadt- und Kulturlandschaften ist ein Forschungs- und Beratungsgegenstand. Innerhalb des Nominierungsverfahrens der “Speicherstadt und des Kontorhausviertels” in Hamburg für die Welterbeliste wird derzeit ein Managementplan verfasst, der garantieren soll, dass dieses durch den benachbarten Bau der HafenCity im Wandel begriffene Quartier im Einklang mit den Anforderungen an die Aufnahme in die Welterbeliste weiterentwickelt werden kann. Um diese umfangreichen Aktivitäten in eine institutionelle Einrichtung einzubinden, wird das Institut für Städtebau

Welterbestätte Historic Areas of Istanbul. Visualisierung Golden Horn Metro Crossing Bridge. (CAAD / v-cube / Institut für Städtebau und Landesplanung)

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und Landesplanung zukünftig einen “UNESCO-Chair” einrichten. Diese von der UNESCO unterstützte Initiative dient dazu, die Forschungstätigkeiten zu intensivieren und mit anderen Lehrstühlen innerhalb der Fakultät und über die Fakultätsgrenzen hinaus zu einem Kompetenzbereich zu vernetzen. Auch dazu gibt es bereits in der Kooperation mit dem Lehrstuhl für Stadtbauwesen und Stadtverkehr der Fakultät für Bauingenieurwesen erste Ansätze. Thematischer Schwerpunkt des “UNESCOChairs” wird die Auseinandersetzung mit der Erhaltung und nachhaltigen Weiterentwicklung komplexer Welterbestätten, insbesondere der zusammenhängenden Kultur- und Stadtlandschaften sein.


struction projects, thus, the visual integrity questioned? And how can this intervention be avoided, moderated or made acceptable? The management of UNESCO Urban and Cultural Landscapes is therefore a special challenge. Since , moreover, the acceptance on the World Heritage list not always happens in the knowledge that this step involves a little loss of souvereignty, such questions are often overlaid with misunderstandings between local and international levels of decision making which also has fueled the fire of emotions in the Dresden case. Next to research, the fields of activity of the Institute of Urban Design and Regional Planning consists in consulting for World Heritage nomination processes and management of complex World Heritage sites. In addition, the independent evaluation of changes in urban and landscape scenery in the UNESCO World Heritage sites is of prominent importance. For these analyses, an intensive cooperation with the Department of CAAD

in conjunction with v-cube has been established over the years. Core of the evaluations, the so-called “Heritage Impact Assessments“, is to exactly visualize and to assess how planned changes appear in the real world. For this, several investigation steps are necessary. First, the natural and cultural historical conditions of the relevant World Heritage sites are analysed. Then, the essential patterns of perception – both traditional and current – are determined. Subsequently, different relevant points of view and viewing corridors of the UNESCO World Heritage sites are examined and documented with digital camera or video recordings. By overlaying of this data with a digital computer model, which was generated with laser scan recordings, so-called scatter-plott, planned constructions can be visualized realistically and with millimeter precision. Through referencing these visualizations to earlier examination steps, it is possible to substantiate precisely, to which extend urban and landscape scenery

is altered by the planned building activity. The analysis results are compared with the nomination criteria which determine the unique universal value of the respective World Heritage site and recommendations for the next steps are formulated on this basis. In addition to these evaluations, the Institute of Urban Design and Regional Planning has given advice on nomination requests for the World Heritage status in various regions of Europe for several years. Together with the Department of Structures and Structural Design, for example, a dossier was developed for the “Müngstener Bridge”, located in Solingen and Remscheid and a groundbreaking steel structure from the end of the 19th Century. Another World Heritage nomination process is currently supported for the “Viking Age Monuments and Sites” in Scandinavia. Here, nine different sites of the Viking culture, which are located in Denmark, Sweden, Norway, Iceland, Lithuania and Germany, are supposed to be brought together to a “transnational” World Herit-

World Heritage Sites Historic Areas of Istanbul. Visualisation Golden Horn Metro Crossing Bridge. (CAAD / v-cube / Institute of Urban Design and Regional Planning)

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Welterbest채tte Bay of Kotor, Montenegro. Generierung 3D-Computermodell, Visualisierung Verige Bridge. (CAAD / v-cube / Institut f체r St채dtebau und Landesplanung) World Heritage Sites Bay of Kotor, Montenegro. Generation 3D-Computermodel, Visualisation Verige Bridge. (CAAD / v-cube / Institute of Urban Design and Regional Planning)

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age site. The management of complex urban and cultural scenery is a research and consulting object as well. Within the nomination procedure of the historic warehouse and office building area” in Hamburg for the World Heritage list, currently a management plan is being developed, which is supposed to guarantee that the quarter, which is about to change because of the building of the neighbouring HafenCity, can be developed further in accordance with the requirements for admission for the World Heritage list. In order to integrate these extensive activities in an institutional facility, the Institute of

Urban Design and Regional Planning will establish a “UNESCO-Chair”. This initiative, supported by UNESCO, serves to intensify the research activities and to build a common area of competence by establishing a network with other departments within the Faculty and beyond the faculty boundaries. The cooperation with the Department of Urban Engineering and Urban Traffic of the Faculty of Civil Engineering also shows first steps into this direction. The thematic focus of the „UNESCO-Chair“ will be the dispute with the conservation and sustainable development of complex World Heritage sites, in particular of connected cultural and urban landscapes.

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Freiburger Fragmente Lehr- und Forschungsgebiet Denkmalpflege Ausstellung „Freiburger Fragmente“ in der Archäologischen Sammlung der Universität Freiburg

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Die „Freiburger Fragmente“ Vor über 100 Jahren, zu Beginn des Jahres 1906, gelangten 14 Holzkisten aus dem Vorderen Orient nach Freiburg. Darin befanden sich 41 Architekturteile der römischen Tempelruinen aus Baalbek im heutigen Libanon. Dort hatte Otto Puchstein, Freiburger Professor für Klassische Archäologie, von 1900 bis 1904 die Ausgrabungen geleitet. Im Rahmen der damals üblichen Fundteilung erhielt die Universität Freiburg diese Architekturfragmente als Anschauungsmaterial zur antiken Bautechnik und der reichen Bauornamentik der römischen Kaiserzeit. Die Kalksteinfragmente vermitteln einen Eindruck von der imposanten Größe der Bauten Baalbeks. Zudem geben sie eine unmittelbare Anschauung von römischer Steinmetzkunst und beeindrucken durch ihre präzise gearbeitete Ornamentik. Spätestens nach dem 2. Weltkrieg gerieten die Baalbekfragmente wieder in Vergessenheit. Erst 1965 wurden die größeren Bauteile im Innenhof der Alten Universität zu einer Archi-

tekturrekonstruktion mit Zement verbunden, wo sie immer noch stehen. Weitere Stücke des Altarhofgebälks waren von 1988 bis 2008 in der Archäologischen Sammlung der Universitätsbibliothek ausgestellt. Die meisten Stücke lagerten jedoch bis 2005 in einem konservatorisch unzulänglichen Zustand in einem Tiefkeller. Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurden die Freiburger Baalbekfragmente 2005 gesichert und dokumentiert. Diese Fragmente wurden kürzlich nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Umzug der archäologischen Sammlung neu präsentiert. Ein eigens dafür vorgesehener Raum wurde in Zusammenarbeit von unterschiedlichen Planern, Fachleuten und Handwerkern und mit den Teilnehmern eines Seminars an der RWTH Aachen, Fakultät für Architektur gestaltet, realisiert und im Mai 2011 feierlich eröffnet.

The „Freiburg Fragments“ Over 100 years ago, at the beginning of 1906, 14 wooden crates from the Middle East reached Freiburg. The shipment contained 41 architectural fragments of the Roman Temple Ruins from Baalbek in present-day Lebanon. Otto Puchstein, Professor of Classical Archaeology from Freiburg, had directed the excavations in Baalbek from 1900 to 1904. According to the usual sharing of finds at the time, the University of Freiburg received these fragments as demonstration material for ancient building techniques and the rich architectural ornamentation of the Roman Empire. The limestone fragments convey an impression of the magnificent size of Baalbeks buildings. In addition, they are a direct illustration of the Roman stone masons’ art and impress by their precisely carved ornamentation.


Freiburg Fragments Department of Historic Building Conservation Exhibition „Freiburg Fragments“ at the Archaeological Collection of the University of Freiburg

Holzkisten mit Teilen der römischen Tempelruinen/ wooden crateswith architectural fragments of the Roman Temple Ruins

By the time of the Second World War, the Baalbek fragments sank into oblivion. Only in 1965, the bigger parts were joined with cement to form an architectural reconstruction in the courtyard of the Old University, where they remain until today. Further pieces of the entablature of the Altar Courtyard were exhibited in the archaeological collection of the University Library from 1988 to 2008. Until 2005, however, most of the pieces were stored in a inadequate condition regarding their conservation. In the following, the Freiburg Baalbek Fragments were secured and documented as part of a research project. Recently, new scientific results and the relocation of the archaeological collection brought about a new presentation of these fragments. A room especially intended for this purpose was designed, realized and inaugurated in May 2011, in a cooperation of different planners, professionals and craftsmen as well as the participants of a seminar at RWTH Aachen University, Faculty of Architecture.

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Exkursion Baalbek Mai 2010/ Excursion Baalbek May 2010

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Das Seminar In Vorbereitung einer Exkursion im Mai 2010 des Lehrgebiets Denkmalpflege in den nahen Osten und nach Baalbek, den Ursprungsort der Steine, wurde dieses Entwurfsseminar in Freiburg im März 2010 durchgeführt. Das Seminar am LFG Denkmalpflege beschäftigte sich mit der Frage, wie Architekten mit bauhistorisch-denkmalpflegerischem Hintergrund eine Ausstellung solch wertvoller Exponate anspruchsvoll gestalten können. Es wurden Konzepte entwickelt, die die Herkunft und den kulturellen Zusammenhang der Objekte, aber auch Ihre Ästhetik und skulpturale Kunstfertigkeit in ein angemessenes Licht setzen. In einem fünftägigen Workshop in Freiburg wurden in

direkter Auseinandersetzung mit dem Ort und den Fragmenten Konzepte erarbeitet. Themen rund um die Fragestellungen des Seminars wurden an die Teilnehmer vergeben. Darin ging es beispielsweise um die Präsentation von antiken römischen Bauteilen, die Gestaltung von Ausstellungskonzepten für Archäologische Funde (Tafeln, Texte..),umAusstellungsarchitektur(Vitrinen,Halterungen für die Fragmente, Beleuchtung..), 3D-Modellierung und virtuelle Rekonstruktion von Ruinen, Visualisierung, aber auch um Dokumentation und Verständnis der Fragmente und ihrer Geschichte und ihrem gegenwärtigen Zustand. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Dissertation des Seminarleiters Daniel Lohmann („Die Architektur

des Jupiterheiligtums in Baalbek“) im Rahmen eines großen Forschungsprojektes des Deutschen Archäologischen Instituts und der BTU Cottbus flossen ebenso ein wie die unvoreingenommene Kreativität der studentischen Teilnehmer. Die Ergebnisse des Workshops aus dem Seminar „Freiburger Fragmente“ waren Grundlage für die weitere Planung der Ausstellung. In enger und intensiver Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber, dem Archäologen und Kurator Lars Petersen, dem Ausstellungsdesigner Gerd Schossow sowie Spezialisten und Handwerkern in der Ausführung wurde in elfmonatiger Planungs- und Bauzeit die Dauerausstellung realisiert und im Mai 2011 feierlich eröffnet.


The Seminar The seminar was held in Freiburg in March 2010, as a preparation for an excursion of the Department of Historic Building Conservation in May 2010 to the Near East and to Baalbek, the place of origin of the stones. The seminar “Freiburg Fragments” dealt with the question of how architects with a background in architectural history and conservation could arrange a sophisticated exhibition of such valuable pieces. The participants developed concepts, which could adequately highlight the origin and the cultural context of the objects but also their special aesthetic and the sculptural skill of their makers. During a five-day workshop in Freiburg, in direct contemplation of the place and the fragments, the participants worked on further issues from the seminar. Exemplary topics of the seminar referred to the presentation of ancient Roman building parts, the design of exhibition concepts for archaeological finds (tablets, texts), to exhibition architecture (display cases, brackets for the fragments, lighting..), to 3D modeling and virtual reconstruction of ruins and visualization, and last but not least to documentation and understanding of the fragments and their history as well as their present condition. Both, the latest scientific results from the dissertation of the seminar instructor Daniel Lohmann (“The architecture of the Jupiter Sanctuary in Baalbek”) as part of a major research project of the German Archaeological Institute and the BTU Cottbus as well as the unbiased creativity of the student participants were introduced in the work. The workshop’s results formed the basis for further planning of the exhibition. In close and intensive cooperation with the client, the archaeologist and curator Lars Petersen, the exhibition designer Gerd Schossow as well as specialists and craftsmen, the permanent exhibition was realized within eleven months of planning and construction, and was inaugurated in May 2011.

Workshop März 2010 Workshop March 2010

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Dauerausstellung im Foyer der Sammlung Die Ausstellung umfasst drei Teile. Mittelpunkt ist die „Baalbekwand“ von 4m*5,40m , an der im Maßstab 1:1 eine historische Bauaufnahme als Grundlage und visuelle Orientierung für die Anbringung von Fragmenten des Gebälks der Altarhofhallen dient. Weiterhin ist an ihr eine Hängevitrine für besonders kunstvolle Kleinfragmente angebracht. Links dieser Wand erklärt ein Text- und Bildpaneel den Ort Baalbek in Geschichte und Gegenwart, die Eigenarten des antiken Heliopolis und bietet auf einem digitalen TFT-Bildschirm Eindrücke aus den aktuellen Forschungen in Baalbek. Gegenüber, rechts der Baalbekwand ist ein „Regal“ aufgestellt, das weitere Fragmente in abstrahierten Fundkisten zeigt. Für die Realisierung stand ein beschränktes Budget zur Verfügung. In Zusammenarbeit mit der Institutsleitung wurde ein Konzept entwickelt, das die sukzessive modulare Erweiterung der Ausstellung mit minimalem Aufwand ermöglicht. Das Vitrinenregal an der rechten Seitenwand nimmt bisher drei große Fragmente auf. In Zukunft ist es möglich, das Regal auf die ursprünglich gewünschten neun Kisten zu erweitern.

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„Regal“ mit Fundstücken in abstrahierten Fundkisten „rack“ with fragments in abstractly wooden crates


Permanent Exhibition in the Foyer of the Collection The exhibition consists of three parts. The center point is the „Baalbek Wall“ of 4m*5,40m. On its surface, a natural scale historic building survey serves as a basis and visual orientation for the attachment of the entablature fragments of the Altar Courtyard Peristyle. Furthermore, a hanging display case for especially elaborate small fragments is mounted on eye level. To the left of this wall, a text and picture panel gives explanations about the city of Baalbek in the past and present, such as the peculiarities of ancient Heliopolis. A digital TFT display shows impressions from the current research work in Baalbek. On the opposite side, to the right of the Baalbek Wall, a “rack” is set up, which shows further fragments in boxes, abstractly resembling the wooden crates used to ship them a century ago. The budget for realization was limited. In cooperation with the Institutional Administration a concept was developed, which allows the successive modular expansion of the exhibition at minimal expense. Presently the “rack” displays three big fragments. The addition of six further boxes could complete the “rack” to the originally intended nine fragments in the future.

„Baalbekwand“ im Maßstab 1:1 „Baalbek Wall“ in scale 1:1

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Schadenskartierung/ Mapping of the damages


Auftraggeber:/ Client: Institut für Archäologische Wissenschaften, Abteilung Klassische Archäologie/ Institute for Archaeological Science, Department of Classical Archaeology Prof. Dr. phil. Ralf von den Hoff, Lars Petersen M.A., Kurator der Archäologischen Sammlung/ Curator of the Archaeological Collection Kooperationspartner/ Co-operation partners: Lehr- und Forschungsgebiet Denkmalpflege der RWTH Aachen/ Department of Historic Building Conservation of RWTH Aachen University, Dipl.-Ing. Daniel Lohmann, Prof. Dr.-Ing. Christian Raabe Lars Petersen M.A., nur | design.text, Dipl.-Des. Gerd Schossow Restaurierungswerkstätten Pfanner GmbH, Prof. Dr. phil Dipl.-Ing Michael Pfanner fedderundkonsorten, Tischlermeister Martin Fedder, Universitätsbauamt Freiburg Abbildungen/ Illustrations: Fotos/ Photos: Gerd Schossow, Daniel Lohmann, Christian Raabe Handzeichnung der Fragmente/ Hand drawing of the fragments: Maksim König Schadenskartierung/ Damage assessment: Nadine Lubeley und Britta Lengfeld Text/ Text: Daniel Lohmann, Lars Petersen

Workshop März 2010 Workshop March 2010

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Römerschlachtareal am Harzhorn Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur Prof. Dr.-Ing. Frank Lohrberg

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Seit August 2011 erarbeitet der Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur ein Entwicklungskonzept für ein neu entdecktes Römerschlachtareal am sogenannten „Harzhorn“, einer bewaldeten Erhebung im Landkreis Northeim in Südniedersachsen. Das Entwicklungskonzept, welches vor allem der touristischen Erschließung des Ortes dient, umfasst nach einer ausführlichen Grundlagenanalyse auch einen flexiblen Masterplan. Dieser beinhaltet u.a. die Basis für eine „Informationsarchitektur“ für das Jahr 2013, sowie weitere „Entwurfsbausteine“ für eine umfangreichere Besuchernutzung des Ortes, einschließlich eines Erlebniszentrums für das Jahr 2015. Auftraggeber ist der Landkreis Northeim. In das Forschungsprojekt werden ab dem Sommersemester 2012, in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Gebäudelehre und Grundlagen des Entwerfens, auch studentische Projekte eingewoben. Parallel dazu bietet das Beispiel Harzhorn Diskussionsgrundlagen für weitere fachgebietsübergreifende Kooperationen im vielfältigen Themenbereich des kulturellen Erbes an. Dazu werden über den Fundort hinaus vor allem Aspekte von Landschaft und umgebender Region in den Mittelpunkt gestellt. Das Planen und Entwerfen im Zusammenhang mit kul-

Speerspitze/ Spearhead

turellem Erbe kann diverse neue Handlungsfelder und Herausforderungen erschließen: Als kulturelles Erbe werden sämtliche Ressourcen aus der Vergangenheit bezeichnet, welche von einer Gesellschaft ererbt werden und unabhängig von der Eigentumsordnung als Träger von Identität, Werten, Überzeugungen, Wissen oder Traditionen geschätzt werden. Innerhalb rechtlicher Grenzen umfasst das kulturelle Erbe eine Auswahl von Elementen, welche in den internationalen und europäischen Vorgaben einschließlich der Richtlinien der EWG/EU als kulturelles Erbe berücksichtigt sind. Prinzipiell kann jedes Zeugnis aus der historischen Interaktion von Mensch und Orten als kulturelles Erbe interpretiert werden: nicht nur eingetragene Denkmäler und Naturgüter, sondern auch landschaftliche Elemente wie Pilgerwege, Alleen, Richtstätten, Tanzplätze und Schlachtfelder. Übergreifend kann auch eine gesamte Kulturlandschaft als ein Fundament der Gesellschaft und damit als kulturelles Erbe angesehen werden. Am Fundort Harzhorn wurden nach der Jahrtausendwende Reste einer Schlacht zwischen Römern und Germanen gefunden – auf einer Länge von ca. 4km. Die Funde aus dem 3. Jahrhundert nach Christus verblüffen

die Fachwelt: Bisher war man davon ausgegangen, dass römische Verbände in dieser Epoche nicht mehr in das „freie Germanien“ vorgedrungen waren, was eine Sensation für die mitteleuropäische Geschichtsschreibung darstellt. Der Fundort – eine bewaldete Erhebung in ländlicher Umgebung mit Dörfern und kleineren Städten – liegt in Sichtweite zur stark frequentierten Autobahn A7, und gilt im Vergleich zu anderen antiken Schlachtfeldern als bestens erhalten. Neben einer weiteren archäologischen Untersuchung der Fundstätten sowie einer geplanten Landesausstellung gilt es, nun über das Entwicklungskonzept zu klären, wie das Römerschlachtareal aufbereitet werden kann, um vor Ort zu dokumentieren und zu informieren. Ziel ist es dabei, das touristische Potential des Harzhorns zu erschließen, um längerfristig wirtschaftliche Impulse für die Region zu generieren.
 Der Begriff des kulturellen Erbes rückt nicht nur eingetragene Denkmäler und Naturgüter, sondern auch Schlachtfelder sowie Kulturlandschaft und Region in den Mittelpunkt. Das Entwicklungskonzept überprüft in dieser Hinsicht die Möglichkeiten einer Besucherinfrastruktur welche ein authentisches Nachvollziehen


Development Process Roman Battle Area at Harzhorn Institute of Landscape Architecture Prof. Dr.-Ing. Frank Lohrberg Since August 2011, the Institute of Landscape Architecture has been working on a development concept for a newly discovered Roman Battle Area at the so-called Harzhorn (administrative district Northeim, Southern Lower Saxony). From 2012 onwards, student projects will be interwoven in the research project. In addition, the example Harzhorn also provides a basis for discussions for interdisciplinary cooperations in the subject area of cultural heritage. The focus is mainly put on aspects of landscape and region. Planning and designing in connection with cultural her-

itage may open up several new areas of activity and challenges. All resources from the past are referred to as cultural heritage, which are inherited by a society and, independent from any system of property ownership, are valued as bearers of identity, values, beliefs, knowledge or traditions. Legally, the cultural heritage includes a selection of elements, which are considered as cultural heritage in the international and European regulations inclusive of the guidelines of the EEC/EU. In principle, any testimony from the historical interaction between people and places can be interpreted as a cultural heritage: not

only registered monuments and natural assets, but also landscape elements such as pilgrim paths, alleys, dance places, battlefields –comprehensively also the cultural landscape itself as a foundation of the society and thus as a cultural heritage. This type of aspects become apparent at Harzhorn. After the turn of the millenium, remains of a battle between Romans and Teutons were found at Harzhorn. The findings from the third Century after Christ amazed the experts: So far, it had been assumed that Roman units had no longer advanced into the “Germania Lib-

47 Blick auf das Harzhorn/ View of the Harzhorn


der Schlachthandlungen in den Mittelpunkt stellt, ohne dabei den Ort und seine Funktionen selbst zu gefährden. Dabei werden auf einem baukastenartigen Prinzip basierende Elemente wie ein Erlebnisweg, Stationen und Aussichtsplattformen verwendet. Anwendungen des gleichen Prinzips auf andere historische Orte in der Region wären dadurch denkbar. Die bisherigen Schlachtfunde auf einer Länge von ca. 4km befinden sich nicht mehr in tiefen Germanischen Wäldern, sondern innerhalb einer heterogenen Kulturlandschaft, welche aus Buchenmischwäldern, Fichten-

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Funde am Harzhorn/ Findings at Harzhorn

monokulturen, Wiesen, intensiv bewirtschafteten Feldern und diverser Verkehrsinfrastruktur besteht. Innerhalb des Entwicklungskonzepts wird die Präsenz solch zeitgenössischer Nutzung nicht retuschiert, sondern konzeptionell miteinbezogen: Vielfältige Möglichkeiten der simultanen Reflektion der heutigen Umgebung und des damaligen Schlachtverlaufs werden dabei ermöglicht, z.B. über eine Aussichtsplattform von welcher aus die historischen Feldzugrichtungen und das heutige Landschaftsbild gleichzeitig nachvollzogen werden können. Sekundär werden

auch vorhandene Elemente aus anderen historischen Epochen wie z.B. mittelalterliche Hohlwege und eine napoleonische Chaussée in das Konzept integriert. Für 2015 ist ein Gebäudekomplex mit jährlich ca. 75.000 bis 90.000 Besuchern und anfangs ca. 2.000m2 Bruttogeschossfläche vorgesehen. Im Außenraum können zusätzlich zur Informationsarchitektur verschiedene erlebnisorientierte Aktivitäten angeboten werden, z.B. Ausgrabungsfelder für Besucher, Bogen- und/oder Katapultabschussplätze, Nachbauten historischer Gebäude etc.


era” during that era – a sensation for the Central European historiography. The find spot – a wooded elevation in a rural area with villages and small towns – is located within view of the busy highway A7 and in comparison to other ancient battlefields it is very well preserved. In addition to a further archaeological investigation of the find spot it is

Vogelperspektive auf das Harzhorn/ Bird’s eye view of the Harzhorn

now necessary to clarify how the Roman battle area can be prepared to document and inform on-site. One goal of the development concept is to realize the tourism potential of Harzhorn, in order to generate economic impulses for the region. Beside an analysis, the concept contains first drafts as well as a master plan for the area. The latter

serves as a spatial overall concept as well as a framework for continuous processes– such as changing exhibitions or continuing excavations. In the course of the realization of the master plan, students get the possibility to contribute to the research project by means of temporary onsite programs and designs for an interactive center.

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Auch landschaftsökologische Konzepte, die auf nationaler Ebene entstanden sind, werden im gegenwärtigen Arbeitsschritt mit in das Entwicklungskonzept zur touristischen Nutzung integriert: Ein von BUND und BfN initiierter Wildtierkorridor einschließlich Grünbrücke über die Autobahn A7 wird parallel zur historischen Schlachtrichtung verlaufen, was zwar funktionale Herausforderungen, aber auch Erweiterungen des Erlebnis- und Bildungsangebots für Besucher am Ort ermöglichen kann, z.B. durch audiovisuelle Dokumentation der realen Wildtierbewegungen. Im Zuge der Grundlagenermittlung wurden weitere Aspekte in den Mittelpunkt gerückt, die über den Maßstab der Region hinausgehend das kulturelle Erbe am

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Harzhorn/ Harzhorn

Harzhorn definieren: Da eine ausreichende Anzahl jährlicher Besucher eine Vorraussetzung für einen langfristigen finanziellen Erfolg touristischer Nutzungen am Ort ist, erhält die A7 eine besonders hohe Bedeutung. Diese entspricht zum einen der ungefähren Feldzugrichtung der Römer im 3. Jahrhundert, zum anderen verkehren heute ca. 20.000 Kfz auf der Strecke – potenzielle Besucher für den Ort. Im Einzugsbereich von 50 bis 100 km befinden sich Städte wie Hannover, Braunschweig, Göttingen, aber auch angrenzende Touristenmagnete wie das Wesertal, der Naturpark Solling-Vogler und der Harz. Vor allem aber liegt etwa 65 km weiter südlich das sogenannte Römerlager Hedemünden im Landkreis Göttingen, ebenfalls an der Autobahn A7. Dort gibt

es ähnlich dem Harzhorn zahlreiche Funde, und eine touristische Erschließung wurde auch hier in Planungen angedacht. Das Entwicklungskonzept für das Harzhorn bewirkte daraufhin die Entscheidung – anstatt in Konkurrenz – zukünftig zusammen mit Hedemünden im Sinne einer „Römerautobahn“ zu kooperieren. Das Harzhorn Entwicklungskonzept verdeutlicht, wie der Begriff des kulturellen Erbes übergreifende Betrachtungen von Maßstab, Zeit und Funktion in den Mittelpunkt rücken kann. Die weiteren Möglichkeiten, die solche Betrachtungen für das architektonische Entwerfen mit kulturellem Erbe anbieten, werden die zukünftigen Studierendenentwürfe für das Erlebniszentrum und den archäologischen Park aufzeigen.

Ausgrabungen markiert bei Nacht/ Excavations marked in the night


As described above, the concept of cultural heritage not only spotlights registered monuments and natural assets but also battlefields as well as cultural landscape and the region. In this respect, the development concept examines the possibilities of a visitor infrastructure, which centers on an authentic understanding of battle operations without compromising the location and its functions itself in the process. For this purpose, elements such as adventure paths, rest areas and viewing platforms are used which can be flexibly planned. Thus, extensions of the site can be made possible on a phase by phase basis. In addition, applications of the principle are also possible at other historical sites in the region. So far, the battle find spots extend over a length of ap-

Beispiel einer Wegstation/ Example of a track station

proximately 4km within a heterogeneous cultural landscape, which consists of beechen mixed forests, spruce monocultures, meadows, fields and traffic infrastructure. Within the development concept, the presence of such contemporary use is not retouched, but conceptually included: for example, the simultaneous reflection of the settings of today and the process of the battle then are made possible by various means. An observation platform, for instance, can offer the retracing of both the campaign directions and today’s natural scenery at the same time. On a secondary level, existing elements from other historical periods such as medieval ravines and a Napoleonic Chaussee are also incorporated. In addition, landscape ecological requirements, which,

in the spatial planning are usually classified sectorally, are integrated in the current working step: A wildlife corridor initiated by the federal government with green bridge will run parallel to the historic battle direction. This poses functional challenges but also makes extensions of the experience and education program for visitors possible. The Harzhorn illustrates how the concept of cultural heritage puts a focus on comprehensive considerations of scale, time and function. The new opportunities, which these considerations can offer specifically for architectural design against the background of cultural heritage, will be shown by future student designs for the interactive center.

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Sabbioneta

Die Maßfigur einer Idealstadt Lehrstuhl für Baugeschichte und Denkmalpflege Univ.-Prof. dr.-Ing. Jan Pieper

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Sabbioneta The measuring shape of an ideal city Department of History of Architecture and Conservation Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jan Pieper

Founded in 1556, Sabbioneta, the residence of Vespasiano Gonzagas (1532-1591), is considered to be the first completely newly-founded city in the Renaissance. In addition, the city is regarded to be the very prototype of the ideal city of the era, since its founder willed it to manifestly express the contemporary conceptions of state and society by the spatial structure of streets and squares, in its outline, ground plan and urban design. Despite the fact that its form and purpose were pre-conceived down to the last detail, the city does not present the structured image of a planned city at all. Instead, the outline of the rampart forms an irregular hexagon and the inside is a broken pattern of streets intersecting at right angles and at first sight bearing no

directional relationship to the ouline. There have been repeated attempts to identify a construction shape for the irregular outline, which is subject to the clear laws of geometry and thus necessarily structured. However, all reconstruction attempts operate with circular geometry and the derived compass inscriptions. For ground plan configurations of single buildings, circle geometries play a very minor role in the history of architecture and they are practically irrelevant in urban architecture. This is mainly because geometric operations with the compass on the drawing board are indeed very easy to do, but they present almost insurmountable difficulties when practiced on the building site, where ropes tied to a peg in the center of the

circle must take the place of the compass. The bigger the object to be staked out, the greater the no longer acceptable inaccuracies become. Because of that, instead of measuring shapes based on circular geometry, there has been a tradition of orthogonal or square stake-outs since antiquity. These are worked inwards from the outside and originate from an orthogonal „Campus Initialis“, an enveloping shape which surrounds the entire construction site. From this outer square or rectangle, streets, insulae and single constructions are measured on the inside. In addition, the method has the advantage that the accuracy of the measurements increases when progressing from the outside to inside - or from large to small, while it declines with all processes working from a center point.

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Sabbioneta, die Residenz Vespasiano Gonzagas (15321591) gilt mit ihrem überlieferten Gründungsjahr 1556 als die erste vollständige Neugründung einer Stadt in der Renaissance. Die Stadt gilt zudem als die prototypische Idealstadt der Epoche schlechthin, da sie nach dem Willen ihres Gründers die zeitspezifischen Vorstellungen von Staat und Gesellschaft im räumlichen Gefüge der Straßen und Plätze, in Umriß, Grundriß und Stadtgestalt, sinnfällig zum Ausdruck bringen sollte. Trotz der bis in die kleinste Einzelheit vorausbedachten Form und Zweckbestimmung bietet die Stadt überhaupt nicht das regelhafte Bild einer Planstadt. Stattdessen bildet der Umriß der Befestigungen ein unregelmäßiges Sechseck und im Inneren sieht man ein gebrochenes und in vielfachen Versprüngen gestörtes Muster aus rechtwinklig einander schneidenden Straßen, deren Hauptrichtungen auf den ersten Blick keinerlei Bezug zu der äußeren Umrißfigur erkennen lassen. Es ist deshalb immer wieder versucht worden, für den unregelmäßigen Umriß Sabbionetas eine den klaren Gesetzen der Geometrie unterworfene und damit notwendig regelhafte Konstruktionsfigur zu identifizieren. Jedoch operieren alle Rekonstruktionsversuche mit der Kreisgeometrie und daraus abgeleiteten Zirkelschlägen. Kreisgeometrien spielen in der Baugeschichte bei der Grundrißkonfiguration von Einzelbauten eine sehr geringe, in der Stadtbaukunst praktisch gar keine Rolle. Das liegt im Wesentlichen daran, daß geometrische

Operationen mit dem Zirkel am Reißbrett zwar sehr einfach durchzuführen sind, bei der praktischen Arbeit auf der Baustelle aber – wo Seile am Pflock im Kreismittelpunkt an die Stelle des Zirkels treten müssen – auf schier unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen. Die nicht mehr akzeptablen Ungenauigkeiten werden umso größer, je ausgedehnter das abzusteckende Objekt ist. Anstelle von Maßfiguren, die auf der Kreisgeometrie basieren, sind deshalb seit der Antike rechtwinklige oder quadratische Absteckungen überliefert, die von außen nach innen vorgenommen werden. Sie gehen von einem orthogonalen „Campus Initialis“ aus, der als Hüllfigur das gesamte Baugelände umschreibt. Von diesem äußeren Quadrat oder Rechteck aus werden die Straßen, Insulae und Einzelbauwerke im Inneren eingemessen. Die Methode hat zudem den Vorteil, daß die Meßgenauigkeit beim Fortschreiten der Messungen von außen nach innen – oder vom Großen zum Kleinen – zunimmt, und nicht geringer wird, wie bei allen Verfahren, die von einem Mittelpunkt ausgehen. Es lag deshalb nahe, auch den Grundriß der Idealstadt Sabbioneta unter Zuhilfenahme dieser römischen Technik zu analysieren. Tatsächlich führte dieser Weg zum Erfolg: Der Umriß von Sabbioneta ist einem Quadrat einbeschrieben, das mit seinen Ecken exakt nach den vier Himmelsrichtungen orientiert ist, die Diagonalen verlaufen also genau von Nord nach Süd und

von West nach Ost. Die Spitzen der Bastionen liegen präzis auf dieser quadratischen Hüllfigur, deren Seiten so in Abschnitte von 16:18 und 8:20:6 geteilt werden. Das Maß dieser Einheiten beträgt 40x40 Braccia di Sabbioneta, der von Vespasiano Gonzaga auf der Basis des römischen Fußes eingeführten Elle von 0,493m – einem humanistischen Kunstmaß, das im Verhältnis der Quinte 5:3 zum antik-römischen Fuß (0,296m) steht. Insgesamt teilt sich die äußere Maßfigur des orientierten Quadrates in ein Raster von 34x34 Feldern zu 40x40 Braccia und die weitere Teilung gehorcht dann mit 16:8 und 8:20:6 der Ordnung der harmonischen Proportionen des Großen Ganztons (8:9) sowie der Sexte (5:3), der Quarte (4:3) und der Großen Terz (5:4). Dieses Raster bestimmt auch die Lage aller wichtigen Gebäude, der Stadttore, des Palazzo Ducale, der Kirchen, des Theaters und der Galerie. Vor allem aber definiert es die Richtungen der Hauptachsen aller Straßen und Plätze, die vor Beginn der Baumaßnahmen im Inneren durch Aufstellen massiver Steinquader an den Ecken der Insulae und einzelner Monumentalbauten festgelegt wurden. Auch diese Ecksteine – „cippi“ genannt – haben ihr Vorbild in der Praxis der römischen Stadtplanung, bei der die Ecken der Baublöcke vor der Aufteilung der einzelnen Baulose festgelegt wurden. Da auf ihnen die Rechtstitel der Immobilien ruhten wurden sie nie verändert.


Therefore, it seemed obvious to analyse also the ground plan of the ideal city Sabbioneta with the help of this Roman technique. In fact, this path led to success: Sabbioneta’s ground plan is inscribed into a square, whose corners point exactly towards the four compass points, so that the diagonals run exactly from north to south and from west to east. The tips of the bastions are set precisely on this square enveloping shape, whose sides are thus divided into sections of 16:18 und 8:20:6. The length of these sections is 40x40 braccia di Sabbioneta, the cubit of 0.493m which Vespasiano Gonzaga introduced on the basis of the Roman foot. This humanistic artificial measuring unit was at a 5:3 ratio with the old Roman foot (0.296m). Overall, the exterior measuring shape of the directed square divides into a grid of 34x34 squares of 40x40 braccia and with 16:8 and 8:20:6, the further division follows the rule of the

harmonic proportions of the major whole tone (8:9) as well as the sixth (5:3), the fourth (4:3) and the major third (5:4). This grid also determines the location of all major buildings, the city gates, the Palazzo Ducale, the churches, the theater and the gallery. However, most importantly, it defines the directions of the main axes of all streets and squares, which were determined before the start of the constructions on the inside by setting up massive ashlars at the corners of the insulae and individual monumental structures. These corner stones –called „cippi“– are also modeled on the practice of Roman urban planning, in which the corners of the building blocks were arranged before dividing the individual contract sections. They were never changed since the legal titles of the real estate were based on them.

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Die Hauptachsen der Binnengliederung des Stadtgrundrisses von Sabbioneta sind gegenüber der Maßfigur von 34 x 34 Feldern verdreht, sie sind gegenüber dem Raster des genordeten Campus Initialis im Verhältnis von 1:9 geneigt. Da das Außenquadrat nach den vier Himmelsrichtungen orientiert ist läßt sich die Achsenneigung gegen die astronomische Nord-Süd-Richtung exakt bestimmen, sie beträgt 308,46° (Altgrad). Dies ist das Südazimut des Sonnenaufgangs am 6.12. julianischen Stils unter Berücksichtigung der Kalenderverschiebung vor der gregorianischen Reform und der Überhöhung des Horizonts durch die Erdanschüttung der Befestigungswälle bzw. der Randbebauung in der Achse des Palazzo Ducale.

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Der 6.12. ist der Geburtstag des Stadtgründers Vespasiano Gonzaga, der an diesem Tag des Jahres 1531 in Fondi (Latium) „kurz nach Sonnenaufgang“ geboren wurde. Neben der äußeren Hüllfigur ist auch das zweite geometrische Ordnungssystem astronomisch orientiert, diesmal allerdings nach dem Sonnenazimut am Geburtstag des Fürsten. Die Binnengliederung der Straßen, Plätze und Insulae ist also mit ihren Hauptachsen, mit der heutigen Via Vespasiano Gonzaga, die die gesamte Stadt durchquert und mit der Längsachse des Palazzo Ducale - vom Erscheinungsbalkon über den Vorplatz hinweg - auf den Dies Natalis des Stadtgründers ausgerichtet. Auch die Geburtstagsorientierung der städtischen Hauptachse ist eine an-

tike-römische Praxis bei der Planung und Gründung von Städten. Eine erhebliche Anzahl der kaiserzeitlichen Stadtgründungen und ein noch größerer Teil der systematisch angelegten Standlager des römischen Militärs wurde mit der längeren der beiden Hauptachsen, dem Decumanus, auf den Sonnenaufgangspunkt am Geburtstag des Kaisers ausgerichtet, der die Gründung veranlaßt hatte. Sowohl die Geometrie der Umrißfigur als auch die genau so präzis konstruierte Binnengliederung des Stadtgrundrisses von Sabbioneta sind also das Ergebnis einer renaissancehaften Anverwandlung antik-römischer Stadtplanungspraktiken, wie sie die lateinischen Agrimensoren in der gromatischen Literatur überliefert haben und wie sie auch aus dem Denkmalbestand einschlägig bekannt sind. Hinter der augenscheinlichen Unregelmäßigkeit der Idealstadt Sabbioneta verbirgt sich somit eine äußerst komplexe Geometrie, die zwar nicht unmittelbar offensichtlich ist, die aber der gesamten Konstruktion von Umriß und Grundriß der Stadt zugrunde liegt. Sie beruht auf einer sehr genauen Kenntnis der Theorie und Praxis des antik-römischen Städtebaus, sie macht sich souverän die Herrschaftsgestik der kaiserzeitlichen Gründungen zu eigen und sie setzt zudem einen hochentwickelten astronomischen, trigonometrischen und vermessungstechnischen Sachverstand auf der geistes- und naturwissenschaftlichen Höhe der Zeit voraus.


The main axes of the internal structure of the city ground plan of Sabbioneta are not aligned with the measuring shape of 34x34 squares but inclined to the grid of the Campus Initialis at a ratio of 1:9. Since the outer square is oriented after the four compass points, the inclination of the axis away from the astronomical north-south direction can be exactly determined, it is 308,46° (degrees). This is the south azimuth of the sunrise on the 6th of December. Julian Style, considering the shifts before the Gregorian calendar reform and the elevation of the horizon by the earth fill of the ramparts and/or the constructions on the axis of the Palazzo Ducale. The 6th of December is the birthday of the city’s founder, Vespasiano Gonzaga, who was born on this day in 1531 at Fondi (Latium) “shortly after sunrise”. Apart from the outer enveloping shape, the second geometrical classification system is also oriented astronomically, but this time according to the sun azimuth on the ruler’s birthday. Thus, the internal structure of the streets, squares and insulae with its main axes of today’s Via Vespasiano Gonzaga, which crosses the entire city, and the central axis of the Palazzo Ducale - from the balcony across the fore court - was directed towards the Dies Natalis of the city’s founder. The birthday orientation of

the urban main axis is also an ancient Roman practice in the planning and founding of cities. A significant number of the city foundations in imperial times and an even bigger part of the systematically structured Roman camps was aligned with the longer of the two main axes, the Decumanus, directed towards the location of sunrise on the birthday of the founding emperor. Both the geometry of the enveloping shape and the just as precisely engineered internal structure of the urban plan of Sabbioneta are thus the result of a renaissance-like assimilation of ancient Roman urban planning practices, as the Latin Agrimensores have passed them on in Gromat literature and also as they are well known from remaining monuments. Therefore, an extremely complex geometry is concealed behind the apparent irregularity of the ideal city of Sabbioneta, which is not immediately obvious but still forms the basis for the entire construction of the outline and the ground plan of the city. It is based on a very precise knowledge of the theory and practice of ancient Roman urban planning, it sovereignly adopts the stately gestures of imperial foundations, and it also requires a highly developed astronomical, trigonometrical and surveying expertise at the highest level of the humanities and natural sciences of the time.

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In bisher vier Vermessungskampagnen wurde der gesamte Stadtumriß mit den Bastionen sowie das Straßennetz mit den Ecksteinen der Insulae tachymetrisch aufgenommen, außerdem wurde die astronomisch exakte Nordrichtung durch den Meridiandurchgang der Sonne bestimmt und schließlich wurde in Tausenden von Einzelmaßen zwischen den Zippi und an den Bauwerken selbst die Maßeinheit des Braccio di Sabbioneta millimetergenau definiert. Der geometrische Code der präzis konstruierten Matrix von Umriß- und Grundrißfigur der Idealstadt Sabbioneta ist damit entschlüsselt, die Signifikanz der darin begründeten Gesten imperialer Herrschaft und räumlicher Ordnung von Stadt und Umland erschließt sich ohne weiteres aus den antik-römischen Traditionslinien, die damit aufgegriffen und fortgeschrieben werden. Nun gilt es die Überlieferungswege dieses Denkens festzustellen und zu untersuchen, wie sich die einzelnen As-

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pekte dieser Vorstellungswelt auf die konkrete architektonische Gestalt der einzelnen Bauten von Sabbioneta ausgewirkt haben. Dazu müssen zunächst die Voraussetzungen in präzisen Bauaufnahmen der gesamten höfischen Architektur Sabbionetas geschaffen werden. Diese Aufgabe wird die nächsten Jahre in Anspruch nehmen. Konkret geplant sind sieben weitere Bauforschungskampagnen in jeweils zweiwöchiger Arbeit vor Ort, für die auch die Finanzierung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Gerda Henkel Stiftung gesichert ist. Die bau- und kunstgeschichtliche Bedeutung der Entdeckung dieser städtebaulichen Matrix von Sabbioneta liegt vor allem darin, daß durch den Nachweis einer hochartifiziellen, geometrisch exakt konstruierten Figur als Erzeugende der scheinbaren Zufälligkeit des Stadtgrundrisses die manieristischen Qualitäten dieser prototypischen Idealstadt der Renaissance nunmehr präzis

benannt werden können. Eine der zentralen ästhetischen Kategorien des Manierismus – „Sprezzatura“, die scheinbare Zufälligkeit des künstlich und künstlerisch Konstruierten, wie sie Castiglione im Ersten Buch des „Cortegiano“ eingeführt hat, – läßt sich nunmehr nicht nur, wie schon vielfach belegt, in Architektur, Malerei, Skulptur oder Kleinkunst nachweisen, sondern jetzt auch in dem umfassenden, nur in Zusammenwirken von Kunst und Wissenschaft entstehenden Gesamtkunstwerk der Idealstadt. Hinter der wie organisch gewachsenen, scheinbar historisch gewordenen „schönen Unregelmäßigkeit“ von Sabbioneta steht eine genau berechnete und mit großem technischem Aufwand angelegte Konstruktion. Gleichwohl verbirgt sie absichtsvoll dieses Wissen, um damit dem manieristischen Grundsatz des „dissimulando il sapere“ zu genügen und zu demonstrieren, „daß eben dasjenige als die höchste Kunst angesehen werden muß, das gar keine Kunst zu sein scheint“.


During so far four measurement campaigns, the entire city outline with the bastions as well as the road system with the corner stones of the insulae was measured tachymetrically. In addition, the astronomically exact north direction was determined by the meridian opening of the sun and, finally, in thousands of individual measurements between the Zippi and on the buildings themselves, the measuring unit of braccio di Sabbioneta was defined exact to the millimeter. The geometric code of the precisely engineered matrix of outline and ground plan shape of the ideal city Sabbioneta is decoded, the significance of the gestures of imperial leadership and of the spatial order of city and its surroundings can be deduced easily from the ancient Roman traditions, which are adopted and updated. Now, it is essential to identify and examine the ways

in which this thinking was conveyed, how the single aspects of this realm of perception affected the actual architectural design of individual buildings of Sabbioneta. Precise building surveys of the entire courtly architecture of Sabbionata must first lay the foundations for this purpose. This task will dominate the next few years. Specifically, seven more building research campaigns are planned each with two weeks work onsite. The funding of these campaigns is also secured by the German Research Foundation and the Gerda Henkel Foundation. The building and art historical significance of the discovery of this urban development matrix of Sabbioneta is mainly based on the fact that, because a highly artificial, geometrically precisely constructed shape has been established as the source of the seemingly randomness of the city ground plan, the man-

nerist qualitites of this prototypical ideal Renaissance city can now be precisely denominated. One of the central aesthetic categories of Mannerism – „Sprezzatura“, the apparent randomness of the artificial and artistically constructed, as introduced by Castiglione in the first book of „Cortegiano“ – can now not only be proved, as it has been many times, in architecture, painting, sculpture or cabaret, but also in the comprehensive gesamtkunstwerk of the ideal city, which only is created by the interaction of art and science. Behind the as it were organically grown “beautiful irregularity” of Sabbioneta, which has obviously become historic is a precisely calculated construction made with great technical efforts. Nevertheless, it intentionally conceals this knowledge, in order to comply with the mannerist principle of „dissimulando il sapere“ and to demonstrate that “that must be considered as the highest of art what does not seem to be art at all.”

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Ghazni 2013 Islamische Kulturhauptstadt Lehr- und Forschungsgebiet f端r Stadtbaugeschichte Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Michael R. N. Jansen Dr.-Ing. Karsten Ley

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Abb. 1 Historische Ansicht von Ghazni mit Zitadelle und den beiden Minaretten/ Fig. 1 Historical view of Ghazni with citadel and both minarets


Ghazni 2013 Capital of Islamic Culture Departement of History of Urbanization Univ.-Prof. dr.-Ing. habil. Michael R. N. Jansen Dr.-Ing. Karsten Ley

“Ghazni 2013 – Capital of Islamic Culture” and the restoration of its historic city wall as a means of politically stabilizing an Afghan region by Karsten Ley In 2013 the historic Afghan city of Ghazni will be one of three “Capitals of Islamic Culture”. This programme, which had been launched by the Islamic Educational, Scientific and Cultural Organisation (ISESCO) in 2005, is comparable to its European predecessor and example. Yet it is spreading from Africa to Asia including a large variety not only of different cultures, but also of different economies and political systems. Obviously, the challenge for Ghazni and Afghanistan to host such an event is enormous. Yet at the same time Ghazni represents an intriguing example for the cultural wealth of Islam as well as its confrontation with and integration into older cultural realms. Today Ghazni (also Ghazna, Ghaznin or Ghuznee) is the capital of a province in central-east Afghanistan, accommodating approximately 140,000 inhabitants. Situated some 140 km south of Kabul at a height of 2,200 m, it is a prominent station on the Ring Road that connects all

major Afghan cities. At the same time Ghazni used to be an important and prosperous junction on the commercial route between Iran and India. Because of its strategic significant location between Kabul and Kandahar, however, the city also experienced several severe attacks during regional and interregional warfare. Numerous buildings and monuments including the impressive city wall have been damaged or destroyed, rebuild and renovated, and then destroyed again. In addition natural weathering caused by the extreme climate aggravated the decay of the building substance. The cities fame results from its time as the capital of the Ghaznawid Empire that lasted from the 960s until the last half of the 12th century. Mahmood of Ghazni (9711030), the most prominent ruler of the dynasty, spread his rule from the current Azerbaijan over Iran, Afghanistan, Pakistan and parts of north India including major parts of today’s Kyrgyzstan, Tajikistan, Turkmenistan, and Uzbekistan. His strength resulted from a combination of Muslim belief, Persian tradition, and Turkish military skills that won him an extensive and stable realm. Ghazni became the unrivalled metropolis of his empire,

in which the Sultan’s court attracted artists, writers, and scientists. Among them were the poet Ferdowsi (c.9401020), whose works played an important role in re-establishing the Persian language in the Age of Islam, as well as the scholar and polymath al-Biruni (973-1048), who is considered the medieval “father of geodesy”. Art and architecture flourished at the Ghaznavid court, also because the many raids of the rulers to North India filled their coffers and allowed for a generous support of the artists and architects. When the richness of the empire was based on its conquests, however, all military campaigns were described as religious war against the Hindus and Buddhists. Today only two richly decorated minarets built of burnt bricks stem from this period. With their delicate ornamentation they are exemplary for the Ghaznavidian architecture and art, though they only partially outlasted the large destructions through warfare and decay. The palace of Masood III for instance lasted only in ruins, while the Italian archaeologists found a marble covered inner courtyard of 50 by 31 metres that was surrounded by splendid Iwans, large halls that faced the open area. The outside walls of the palace were covered with Persian inscriptions.

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„Ghazni 2013 – Islamische Kulturhauptstadt“ und die Restaurierung ihrer historischen Stadtmauer als politische Stabilisierungsmaßnahme für eine Afghanischen Region von Karsten Ley Im Jahr 2013 wird die Afghanische Stadt Ghazni eine von drei „Islamischen Kulturhauptstädten“ sein. Dieses Programm, das durch die Islamische Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (ISESCO) im Jahre 2005 ins Leben gerufen wurde, ist vergleichbar mit seinem europäischen Vorbild. Allerdings erstreckt es sich, anders als in Europa, von Afrika bis weit nach Asien und schließt somit nicht nur verschiedene Kulturen, sondern auch unterschiedliche politische und wirtschaftliche Systeme mit ein. Offensichtlich stellt die Durchführung einer solchen 62

Veranstaltung für Ghazni und Afghanistan eine enorme Herausforderung dar. Gleichzeitig ist Ghazni aber auch ein faszinierendes Beispiel für den kulturellen Reichtum des Islam, einschließlich dessen Konfrontation und Integration mit anderen Kulturräumen. Ghazni (auch Ghazna, Ghaznin or Ghuznee) ist heute eine Provinzhauptstadt in Zentral-Ostafghanistan mit annähernd 140.000 Einwohnern. Sie liegt ungefähr 140 Kilometer südlich von Kabul auf einer Höhe von 2.200 Metern und gilt als prominente Etappe auf der sogenannten Ring Road, die alle wichtigen afghanischen Zentren miteinander verbindet. Zugleich war Ghazni einst ein wichtiger und prosperierender Halt auf der Handelsroute zwischen Iran und Indien. Wegen seiner strategisch bedeutenden Lage zwischen Kabul und Kandahar

Abb. 2 Zerstörungen an einem der Haupttürme, Frühjahr 2011/ Fig. 2 Destruction at one of the main towers, spring 2011


Nevertheless, archaeological remains prove that Ghazni’s historic traces go way beyond the Islamic Age. In the 6th century BC Cyrus the Great conquered the area and thus incorporated the market-town Ghazni into the Persian Empire. Then it became part of the Hellenistic impact to Central Asia that started with Alexander the Great (356323 BC) and continued under the Seleucid, GraecoBactrian, and Indo-Greek rule until the beginning of the Common Era. Around that time Western tradition and Buddhist belief, which had been brought into the region by the Maurya emperor Ashoka (274–232 BC), merged into the specific Gandhara art that we know from the giant Buddha statues in the Bamiyan valley. Especially in the Kushan Empire of the 1st and 2nd century CE Buddhism flourished and archaeological as well as written evidence proves that Ghazni was a thriving Buddhist centre even during the time that Sassanids and Hephtalits fought for the supremacy in the region (c.425-560). This comprehensive history of the city made the Afghan government consider the nomination “Ghazni 2013 – Capital of Islamic Culture” as a token for presenting the importance of all its cultural layers and the importance Abb. 3 Stadtmauer und Zitadelle von Nordosten, Frühjahr 2011 Fig. 3 City wall and citadel from the northeast, spring 2011

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erlebte die Stadt allerdings auch immer wieder schwere Angriffe in regionalen und interregionalen Kriegen. Zahlreiche Gebäude und Monumente einschließlich der beeindruckenden Stadtmauer wurden beschädigt oder zerstört, wieder aufgebaut und erneuert, und dann wieder zerstört. Darüber hinaus verschlimmerte die natürliche Verwitterung durch das extreme Klima zusätzlich den Verfall der Bausubstanz. Der eigentliche Ruhm der Stadt rührt von ihrer Zeit als Hauptstadt des Ghaznawiden Reiches her, das von den 960er Jahren bis in die letzte Hälfte des 12. Jahrhunderts Bestand hatte. Mahmud von Ghazni (971-1030), der bekannteste Herrscher der Dynastie, weitete seinen Machtbereich vom jetzigen Aserbaidschan über Iran, Afghanistan und Pakistan bis in den Norden Indiens aus und eroberte große Teile des heutigen Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Seine Stärke resultierte aus einer geschickten Kombination des muslimischen Glaubens mit persischer Tradition und türkischer Militärkunst, was ihm eine weitläufige und stabile

Herrschaft verschaffte. Ghazni wurde zur unbestrittenen Metropole seines Reiches, in dem der Hof des Sultans zahlreiche Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler anzog. Unter diesen waren der Poet Firdausi (ca. 9401020), dessen Werke eine entscheidende Rolle bei der Wiederbelebung der persischen Sprache im Zeitalter des Islam spielten, wie auch der Universalgelehrte A-Biruni (973-1048), der als mittelalterlicher „Vater der Geodäsie“ gilt. Kunst und Kultur blühten am Hof der Ghaznawiden, auch deshalb weil die zahlreichen Raubzüge der Herrscher nach Nordindien die Kassen füllten und eine generöse Unterstützung der Künstler und Architekten erlaubten. Gründete sich der Reichtum des Reiches auf diesen Eroberungen, wurden sie doch unter dem Deckmantel eines „heiligen“ Religionskriegs gegen Hindus und Buddhisten geführt. Heute zeugen nur noch zwei reich dekorierte Minarette aus gebrannten Ziegeln von dieser Zeit. Mit ihren feinen Ornamenten sind sie exemplarisch für die Architektur und Kunst der Ghaznawiden, obwohl

sie nur in Teilen die umfangreichen Zerstörungen durch Krieg und Verfall überdauerten. Der Palast von Masud III. zum Beispiel ist nur in Ruinen erhalten. Hier fanden italienische Archäologen einen marmornen Innenhof, der 50 auf 31 Meter maß und von großartigen Iwanen (Torhallen) umgeben war, die sich zum Hof hin öffneten. Die Außenseiten der Palastmauern waren mit persischen Inschriften geschmückt. Gleichwohl zeugen archäologische Überreste davon, dass Ghaznis historische Wurzeln weit vor der islamischen Zeit zu finden sind. Im 6. Jahrhundert vor Christus eroberte Kyros der Große das Gebiet und verleibte so den kleinen Marktflecken Ghazni in sein großes persisches Reich ein. Dann geriet der zentralasiatische Ort unter hellenistischen Einfluss; zunächst mit der Eroberung Alexander des Großen (356-323 v. Chr.) und dann im Graeco-Baktrischen Reich bis schließlich im Indo-Griechischen Reich, das bis zur Zeitenwende existierte. In dieser Zeit verschmolzen auch westliche Traditionen mit dem buddhistischen Glauben, der bereits vom


of tradition, understanding, and exchange within Islam and to other cultural realms. Given the political situation in Afghanistan and the ongoing decay as well as the destruction of large parts of the city, at last some 10 years ago during the fight against the Taliban, this is evidently an ambitious aim. Largely unknown especially to the West is, however, the multi-ethnic composition of the Afghan population. Thus as period of celebration, as it is offered with the ISESCO programme and as it has been suggested to the Afghan government by Prof. Dr. Michael Jansen from the RWTH Aachen Department History of Urbanization in 2009, is a great chance for the inner stabilization of the region by having the local population get in contact with fellow countrymen from other provinces to celebrate. Within this framework also the restoration of the famous but heavily destroyed old city wall of Ghazni, a symbol for urban freedom and local pride, is a major component. With a total length of some 2.5 km, encompassing the city and the elevated fortress, until today the walls give impressive evidence to the historic significance of the city also from a far distance. However, to succeed in the restoration of the Ghazni city walls what is currently lacking is both, the scientific expertise to plan the restoration activity as well as the local personnel to realize the required works. Abb. 4 W채hrend der ersten Dokmentationskampagne im Sommer 2010 Fig. 4 During the first documentation campaign, summer 2010

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Maurya-Kaiser Ashoka (274-232 v. Chr.) in die Region gebracht worden war; diese neuartige Ghandara-Kunst ist der Welt vor allem durch die großen Buddha-Statuen im Bamiyantal bekannt. Insbesondere im Kushana Reich des ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhunderts erlebte der Buddhismus eine große Blüte und archäologische wie auch schriftliche Quellen bestätigen, dass Ghazni ein wichtiges buddhistisches Zentrum war. Dieser Ruf hielt sich auch während der Zeit, in der Sassaniden und Hephtaliten um die Vorherrschaft in der Region kämpften (ca. 425 – 560). Diese umfassende Geschichte der Stadt veranlasste die afghanische Regierung dazu, die Nominierung „Ghazni 2013 – Islamische Kulturhauptstadt“ neu zu überdenken: So will sie die Bedeutung aller kultureller Schichten der Stadt herausstellen, die Traditionen, Haltungen und Interaktion innerhalb des Islam wie auch diejenigen anderer Kulturkreise. Vor dem Hintergrund der derzeitigen politischen Situation in Afghanistan, dem fortschreitenden Verfall der historischen Bausubstanz wie auch der wiederholten Zerstörungen großer Teile der Stadt, zuletzt vor 10 Jahren während des Krieges gegen die Taliban, ist dies offensichtlich ein ambitioniertes Ziel. Im Westen weit-

gehend unbekannt ist zudem der Umstand, dass die afghanische Bevölkerung selbst aus vielen unterschiedlichen ethnischen Gruppen besteht. Daher ist eine Periode von Feierlichkeiten, wie sie das ISESCO Programm ermöglicht und wie sie von Prof. Dr. Michael Jansen vom Lehr- und Forschungsgebiet Stadtbaugeschichte der RWTH der afghanischen Regierung vorgeschlagen wurde, eine große Chance für die innere Stabilisierung der Region: Die lokale Bevölkerung erhält die Möglichkeit ihre Landsleute kennenzulernen und gemeinsam zu feiern. Innerhalb dieses Rahmens ist die Restaurierung der berühmten aber stark zerstörten Stadtmauer von Ghazni, einem Symbol für städtische Freiheit und Lokalpatriotismus, eine wichtige Komponente. Mit ihrer kompletten Länge von ungefähr 2,5 Kilometern umschließt sie neben der Stadt auch die erhöhte Zitadelle und bezeugt bereits aus großer Entfernung die historische Bedeutung der Stadt. Um eine solche Restaurierungsmaßnahme in Ghazni durchzuführen fehlen vor Ort allerdings die wissenschaftliche Expertise wie auch entsprechendes Fachpersonal. Gerade die Beteiligung lokaler Arbeitskräfte kann es allerdings ermöglichen, wieder eine Befähigung für die Jahrtausende alte Konstruktion mit Lehm aufzubauen (auch für private

Bauvorhaben) und andererseits die Bevölkerung an ihr eigenes Kulturerbe heranzuführen – beides im Rahmen einer Initiative „Culture for Peace“. Daher führt das Lehr- und Forschungsgebiet Stadtbaugeschichte seit 2010 eine umfassende Restaurierungsmaßnahme und ein Kapazitätsaufbauprogramm in Ghazni durch – mit substantieller finanzieller Förderung des deutschen Auswärtigen Amtes und in enger Zusammenarbeit mit den afghanischen Ministerien für Information und Kultur sowie für Stadtentwicklung. Auf der einen Seite wird somit Expertise von Deutschland, Großbritannien und Oman nach Afghanistan reimportiert (auch durch im Ausland lebende Afghanen) auf der anderen Seite beschäftigt das Projekt mehr als vierhundert lokale Arbeiter bis Ende 2013, die damit einen erheblichen und nachhaltigen Beitrag zum Wiederaufbau der Stadt „aus eigener manueller und handwerklicher Kraft“ leisten. Gerade letzteres stellt zudem ein nicht unerhebliches Gegenangebot zu den finanziellen Angeboten der Taliban dar. Als eine Aktivität „von Afghanen für Afghanen“ soll das RestaurierungsProjekt daher einen handfesten Beitrag zu einer friedvollen Perspektive für die Provinz und die ganze Region geben. (Fotos: RWTHsbg)


Still, exactly the assignment of local workers to such a project allows for a new capacity building in mud brick construction and an even deeper reintroduction of the people of Ghazni to their proper cultural heritage also as an initiative “Culture for Peace”. Thus since 2010 the Department History of Urbanization is executing a comprehensive restoration and capacity building programme in Ghazni, with substantial financial support from the German Ministry of Foreign Affairs and in close collaboration with the Afghan Ministries for Information and Culture as well as Urban Development. When the management and external expertise is imported to Afghanistan from Germany, the UK, and Oman (also by Afghan expatriates), the project is employing some four hundred local workers until the end of 2013 and thus represents a substantial and sustainable contribution to the reconstruction of the city „out of own manual and artisan energy“, that also withdraws these people from potential financial offers by the Taliban. As an activity “from Afghans for Afghans” the restoration-project is meant to give a physical contribution to a peaceful perspective for the province and the whole region. Abb. 5 Während der zweiten Dokumentationskampagne im Frühjahr 2011 Fig. 5 During the second documentation campaign, spring 2011

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Abschlussarbeiten Theses

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Launischer Sommer Nach einer Novelle von Vladislav Vancura In der neueren europäischen Geschichte ist die Stadt Königgrätz (Hradec Králové) vor allem als österreichische Festung hervorgetreten. Die zwischen Preußen und Österreich 1866 dort geschlagene Schlacht endete für die Österreicher nicht nur mit einer fatalen Schlappe, sondern auch mit einer blutigen Lektion über die moderne Kriegsführung. Die fast explosionsartige Entwicklung, die Königgrätz am Anfang des 20. Jahrhunderts erlebte, verdankte sie nicht nur dem Abbruch der Festungsmauern, sondern vor allem dem wirken von zwei Wegbereitern 70

der tschechischen Moderne, den Architekten Jan Kotera (1871 – 1923) und Jan Gocár (1880 – 1945). In der Stadt, dessen Gesicht bis dahin von mittelalterlichen Bauten, dem Barock der Antireformation und der österreichischen Militärarchitektur geprägt wurde, avancierte zwischen den beiden Weltkriegen zu einem kleinem aber edlen Zentrum der modernen Architektur. Seine Bezeichnung Salon der Republik ist heute noch zutreffend und deutlich sichtbar. Es ist aber nicht nur die Stadt allein, sondern auch seine

von den Auen der beiden Flüsse Elbe und Orlice geprägte ländliche Umgebung, die seinen Reiz ausmacht. Die Bedeutung von Königgrätz liegt nicht nur in den Relikten einer tausendjährigen kulturellen Entwicklung, sondern auch in der Art der Durchmischung von Bedeutendem und Alltäglichem, von Stadt und Land, und in der immer wieder gebotenen Möglichkeit, das in der Dunkelheit des Vergessens Verschwundene wieder neu zu entdecken. Hier, in der idyllischen Bucht des Flusses Orlice, sollen ein Flussbad und ein Kanuklub errichtet werden.


Launischer Sommer Lehr- und Forschungsgebiet Konstruktives Entwerfen Univ.-Prof. Dipl.-Ing. (TH Prag) Mirko Baum Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Raabe Diplom SS 2011 EAP 2011 1. Preis Frieder Scheuermann

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Perspektive Bootslager

Perspektive Dachgeschoss

Schnitt Bootshaus

Abseits der durchgestalteten Parkanlagen der Städte benötigt der Mensch Räume der Erholung und des Rückzuges. Ein solcher Raum ist das alte Flussbad in Königgrätz. Ein Ort fernab dem Treiben der Stadt und doch in der Nähe. Auf dem Weg hierher passiert man weiche Grenzen, die mehr sind als plumpe Abschottungen, sondern eine willkommen-heißende Zurückgezo-

genheit anbieten. Eine große Wiese mit einem Trampelpfad, eine Kleingartensiedlung, ein löchriger Zaun, ein Wall und dahinter fließt der Fluss.

sich als Planer und Gestalter zurückzunehmen und für die Kanuten eine angemessene Ergänzung zu finden. Deren Haus wird in Mitten der Adler gebaut und hier finden die Ruderer die einfachen, wesentlichen Dinge, auf die es ihnen wirklich ankommt: eine Schlafmöglichkeit, einen Essplatz, Waschgelegenheiten und eine kleine Werkstatt. Künstliches Licht, Strom, warmes

Der Entwurf soll die gewachsenen Strukturen des Flussbades weitestgehend belassen, sie lediglich geringfügig anpassen und gliedern. Die Herausforderung ist es hier,


Grundriss Bootslager

Grundriss Werkstatt

Grundriss Dachgeschoss

Wasser, ein Federbett, ein Frühstücksei – das sind die Überflüsse der Gemütlichkeit, denen die Kanufahrer entsagen wollen. Wer sich in ein Einmannboot setzt, sucht nach der Verbundenheit mit der Natur. Gemeinsam mit Gleichgesinnten findet er sie im Wasser, im Wetter und im durch die Sonne festgelegten Tagesablauf.

Dieser Reduktion auf das Notwendige folgt auch die Gestaltung des Hauses. In ihm finden die Kanuten einen festen, verlässlichen Ort und die Sicherheit, dort unter Ihresgleichen zu weilen. Und wie sie nimmt es die Launen der Natur hin, trotzt Wind und Sonne, Wasser und Schnee – und wird von diesen gezeichnet. Die Holzfassade erhält über die Zeit ihre Patina und

stellt jedes Jahr die Frage nach Erneuerung und Erhalten neu. Bis das Haus einmal endgültig den Witterungseinflüssen zum Opfer fällt, hat es seine Geschichte zu erzählen. Und bis dahin bietet das Haus einen Ort frei von sozialen Verpflichtungen, Leistungsdruck, Terminen und unliebsamen Nachbarn – einenw Ort für einen launischen Sommer. 73


Psychiatrie Lehrstuhl für Gebäudelehre Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhardt Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Axel Sowa Diplom SS 2011 EAP 2011 3. Preis Andrea Kuhn

Die Psychiatrie hinter dem Horizont Das Meer - die unendliche, beruhigende Weite, die es bietet, ist das, was heilend wirkt, wenn wir uns in der Krise befinden. Dort suchen wir unseren Ursprung, dort finden wir unsere Mitte. Es bietet die Möglichkeit, der Belastung durch unsere Zivilisation zu entkommen. Es ist naheliegend dass man sich diese Wirkung zu Nutze machen möchte. Aus diesem Grund ist die Entscheidung gefallen, die Klinik auf das Meer hinaus, hinter den Horizont zu platzieren, 13 Kilometer vom Laboerer Strand entfernt. Denn erst diese Entfernung garantiert den Schutz vor den 74

Blicken und Einflüssen der Welt, die vollkommene Ruhe und die Möglichkeit, sich wieder in den Rhythmus den Natur einzupendeln. Der Ort ist zeitlos, denn das Meer verändert sich nicht. Es hat seine eigenen Gesetze die seit Jahrtausenden keine Wandlung mit sich gebracht haben. Es sind also auch die Parameter des Meeres die den Entwurf prägen. So gibt es beispielsweise die Strömung die sich im stetigen Wandel befindet. Sie definiert die Anlegestege, so dass die Kieler Fährboote immer die Möglichkeit haben gegen die Strö-

mung anzulegen. D.h. das Meer bestimmt, an welcher Stelle man an - und abreist. Der Ring erlaubt die Gleichwertigkeit der Standpunkte innerhalb des Gebäudes: egal an welchem Punkt man sich befindet, die Ausblicke sind überall gleich. Die Antwort auf die unglaubliche Komplexität und Überfrachtung unserer Welt. Der wichtigste entwurfliche Aspekt war die Transparenz des Ringes. Jeder Raum steht im direktem Kontakt zum Wasser. Das Meer fließt in das Gebäude, umspielt es. Durch die Transparenz verschwimmt der Ring mit dem Meer. Er wird zu einem Teil des Horizontes.


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Psychiatrie Lehrstuhl f체r Geb채udelehre Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhardt Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Axel Sowa Diplom SS 2011 EAP 2011 Anerkennung Juliane Greb

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Die Psychiatrie der Gegenwart An die Stelle der vom Goffman und Foucault eindrucksvoll beschriebenen Asyle sind, ausgehend von der PsychiatrieEnquete, gemeindenahe Versorgungsstrukturen getreten. Ziel ist, die psychisch Kranken möglichst schnell wieder in das gesellschaftliche Leben zu integrieren. Die gegenwärtige psychiatrische Versorgung passt perfekt zu unserer individualisierten Gesellschaft. Sie ist desinstitutionalisiert und individualisiert: je nach Krankheitsbild, Therapietyp, Altersgruppe und dem Isolationsgrad, der für notwendig gehalten wird, werden die Patienten in Stationen und Gruppen aufgeteilt. Der Therapieprozess beinhaltet oft eine stufenweise Abnabelung von der Psychiatrie. Die Geschwindigkeit dieses Prozesses ist von Patient zu Patient höchst unterschiedlich. Chronisch Kranke bewegen sich außerdem in regelmäßigen Abständen in die Klinik hinein oder hinaus. Die Überwachung manifestiert sich nur noch mancherorts auf den geschlossenen Stationen räumlich und erfolgt teilweise sogar durch das Putzpersonal getarnt. Das Verhältnis zwischen Personal und Patienten ist weniger paternalistisch als früher – oft wird versucht, durch zivile Kleidung der Mitarbeiter die Distanz zu den Patienten zu verringern. Besondere Wichtigkeit haben Räume, die sich zum Dialog in der Gruppe eignen – in kleiner Gruppe, von Arzt zu Patient, Patient zu Patient oder Besucher zu Patient. Die Breite der beim Behandlungsprozess angewendeten Mittel und Methoden, wie zum Beispiel die Behandlung mit Psychopharmaka, Gesprächs- und Gruppentherapien und Gemeinschaftsaktivitäten erzeugen je nach Schwerpunkt bei der Raumgestaltung eine seltsame Collage von Krankenhaus, Wellnesshotel, Büro und gemütlichem Heim.

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Interventionen Der Standort des Berliner Schlosses als Herausforderung f端r performative Architektur Lehrstuhl f端r Architekturtheorie Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Axel Sowa Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhardt Diplom WS 2010/11 EAP 2011 Anerkennung Matthias Hoffmann

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Few places in Europe have been object to such passionate controversy and discussion in the last twenty years as Berlin’s „Schlossplatz“. Now, after the decision to reconstruct the baroque “Stadtschloss” and the final remains of the “Palace of the Republic” of the GDR have been demolished, we are in a strange interim moment of a spatial and conceptional vacuum. This vacuum offers the chance to take a new look at the “Schlossplatz”, to see it as what it actually is: a huge empty site in the center of Berlin. “Locus Ludens” focuses on this enormous spatial potential. Instead of leading a discussion about

facades, this project tries to initiate a discussion about space. In a city which is, probably more than any other metropolis, characterised by dicontinuities, improvisation and experimentation, “Locus Ludens” offers a space to explore what the “Schlossplatz” square was, is or could become. Certain singular rooms of the “Stadtschloss” and the “Palace of the Republic” are rebuild in the sense of a temporary reconstruction and create, as they remain at their original position, a new structure of rooms that are connected to each other by a system of ways. This complex structure of rooms and ways, that can be switched together individually

according to its specific purpose, constitutes a sort of stage, a temporary context, for Berlin’s performative culture. he different qualities of the recreated rooms produce a sort of spatial determination, but this does not imply a determination of usage: it is open to debate and discussion how and by whom the rooms are used. So, the curry-sausage-stand in a baroque parade room can be found there as well as the chamber concert in the former plenary hall of the “Palace of the Republic”. In the sense of Johan Huizinga’s “Homo ludens”, Berlin’s “Schlossplatz” is declared a place for play.

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| Fragmente „Stadtschloss“

|| Fragmente „Palast der Republik“

||| Superimposition

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|||| Raumstruktur, Wegeverbindungen

Grundriss


Schnitt

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Das Haus davor

Lehrstuhl f체r Geb채udelehre Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhardt Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Axel Sowa Diplom WS 2010/11 EAP Nominierung Florian Summa

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Das Haus davor ist ein Haus der Stadt. Diese Stadt ist nicht das Centre Pompidou, nicht der Bahnhof - genauso wenig wie die Kathedrale die Stadt Metz ist. Stadt trägt den Charakter einer Versammlung. Das Haus davor bekennt sich zur gesamten Stadt. Es schreibt sich ein in das neu entstehende Gefüge des Masterplans, versteht sich aber vor allem als Fortführung einer tiefer liegenden Idee: der Idee des Weiterbauens aus der gewachsenen Stadt heraus.

mittelt auf die Zeile, der Garten des Stadthauses findet seinen Abschluss an einem Bürosolitär. Urbane Großund Idealformen wie der Block lösen sich immer wieder in autonome Körper auf. Das Haus davor knüpft an die Komplexität und Widersprüchlichkeit dieses Ortes an, schätzt die vorhandenen Qualitäten. In einem Haus trägt es die unterschiedlichen Ideen der Stadt weiter - spricht mit den Wohntürmen, den Verwaltungshochhäusern, der Blockrandbebauung.

Westlich der Gleise erklingt das Ergebnis eines solchen Weiterbauens als südlicher Akkord, östlich davon äußert sich die Stadt polyphon. Keine einheitliche Bebauungsform, keine totale Ordnung. Der Blockrand trifft unver-

Die Beziehung zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen ist das große Thema dieses Hauses. Sei es die Vervielfachung der Hotelzimmer, der Gäste, der Stühle im Frühstücksraum oder der Geschäfte im Erdgeschoss – das

Einzelne erhält an diesem Ort seine Bedeutung erst dadurch, dass es als ein Teil von vielen in eine größere Idee eingeschrieben ist. Es ist die Idee eines „inkludierenden“ Hauses, dessen Charakter vom Nebeneinander der Dinge geprägt ist: Das Haus davor als Ort einer „Sinnlichkeitsverdichtung“. Mit seiner Volumetrie reagiert das Gebäude auf die städtebauliche Komplexität des Ortes, präsentiert sich als „zwitterhaftes“ Objekt. Die Sockelzone nimmt Bezüge auf zu den umliegenden Blockrandfragmenten, ohne jedoch selbst die Parzelle zu einem Block aufzufüllen. Die Bezugnahme äußert sich eher durch Andeutungen, etwa wenn das Gebäude im Südwesten

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Erdgeschoss durch eine Erweiterung der Volumetrie räumlichen Kontakt zur gegenüberliegenden Blockrandbebauung aufnimmt. Neue Räume spannen sich auch im Nordwesten auf, wo sich ein dreigeschossiger „Wurmfortsatz“ aus dem Gebäude herausentwickelt und mit dem entstehenden Maßstabssprung an die kleinteiligen Häuseranbauten der Umgebung anknüpft. Nach oben hin setzt sich das Gebäude als Scheibe fort und gewinnt dadurch zunehmend an Autonomie. Gleichwohl bleibt es „ein“ Objekt, das sich immer wieder in Einzelereignisse ausdifferenziert und dabei doch von einem inneren Schwerpunkt zusammengehalten wird. In seinem Ausdruck strebt das Gebäude nach einer „komplexen Gewöhnlichkeit“.

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Wie ein Magnet zieht es Vorhandenes aus dem gewachsenen Kontext an sich und verarbeitet das Vorgefundene zu einem neuen Ganzen. Es scheut sich nicht, Vorderund Rückseiten auszubilden, Werbung aufzunehmen

1. Obergeschoss

Turmgeschoss


oder additive Elemente wie Vordächer zum Bestandteil des Ausdrucks werden zu lassen. Seine Kraft bezieht das Gebäude nicht aus dem Streben nach dem vermeintlich Idealen, sondern aus seiner Haltung der Akzeptanz: „Metz is almost allright“. In den städtebaulichen Raum hinein präsentiert sich das Gebäude mit einer Fassade aus glasierten Keramikfliesen. Als Hotel am Bahnhofsvorplatz knüpft das Gebäude damit an der pragmatischen Robustheit eines Bahngebäudes an – und eröffnet gleichzeitig einen neuen Blick auf die Ästhetik der schimmernden Keramik. Im Inneren setzt sich die Idee des „Normalen“ fort. Die Hotelzimmer wollen kein „Gesamtkunstwerk“ aus einem Guss sein, sondern sind Räume mit Einzelereignissen. Das Bett steht als Möbelstück im Raum und wächst nicht aus Wand oder Boden heraus, ebenso wie die Nachttischlampe ein Objekt bleibt und sich nicht mit der Architektur verschmilzt.

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Magazin in Karlsruhe Lehrstuhl Baukonstruktion Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Hartwig N. Schneider Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Axel Sowa Diplom WS 2010/11 EAP Nominierung Juditha Rudolf

Das Buch Ein Leben lang herumgetragen, ausgeliehen, eingesteckt, geliebt, gehasst, verstaut und wieder hervorgeholt. Hier ein Eselsohr, dort ein Bleistiftstrich. Doch irgendwann verebbt das Interesse, steht es bloß noch herum. Aussortiert und abgelegt bringt aman es an seinen vorerst letzten Platz. a wird man es in ein paar Jahren noch einmasal lesen, vielleicht aber auch nicht. Den Rest seinaes Daseins wird es hier stehen, zwischen den vielen anderen. Und endlich muss es keine Kompromisse mehr eingehen. Es will nur noch Stille, Dunkelheit und kühle, reine Luft. Der Mensch Ich mag meinen Arbeitsplatz hier. Ich bin meistens allein. Nur einmal im Quartal bekomme ich Hilfe von einem

Kollegen. Dann werden die aussortierten Bücher im LKW geliefert und wir sind mindestens zwei Wochen damit beschäftigt sie einzuordnen. Es ist ein wenig mühsam. Jedes Buch bekommt einen neuen Code, Größe und Gewicht werden gescannt und sein Zustand dokumentiert. Die Daten fließen alle in den Computer und damit in das Verwaltungssystem der Bibliothek. So wird z.B. die Fernleihe möglich, aber zusätzlich kann das EDV-System auch die Kapazitäten des Magazins verwalten. Der Rechner sagt uns am Ende, wo jedes Buch den optimalen Platz im Regal findet. Sind alle Bücher eingeräumt, verbringe ich meine Arbeitstage wieder damit die Fernleiheaufträge zu bearbeiten. Das ist leicht. Der Computer druckt mir die Liste der bestellten Bücher und ihre Standorte aus.

Schnitt 91


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Neubau, Lagerkapazität bis 2025, Erweiterungsschritte sind Achsweise möglich

Max. Erweiterung Richtung Norden bei Verdoppelung des Lagervolumens

Max. Erweiterung Richtung Norden und Süden bei Verdreifachung des Lagervolumens

Ich suche sie zusammen, buche sie ab und verpacke sie in Lieferboxen. Die Sendung wird dann einmal pro Tag von einem Kollegen aus der Hauptstelle abgeholt, der gleichzeitig die Retour mitbringt.

Peripherie muss das Magazin keine besonderen, repräsentativen Eigenschaften aufweisen. Dennoch soll es als Teil unserer gebauten Umwelt einen klaren, gestalterischen Willen zeigen, der sich eindeutig auf die inneren Abläufe bezieht und so die Funktionalität des Baus inszeniert.

Fassadensystem Auf Grund der sich addierenden Lasten, erhöhen die Stützen des Tragwerks ihren Querschnitt in den unteren Geschossen. Jeweils drei Geschosse weisen die gleichen Stützenquerschnitte auf. Die Fassade bildet diese statische Eigenheit ab, indem die Ausfachungen der Fassadenfelder immer an der Innenseite der Stützen angeschlagen werden.

Das Magazin Buch und Mensch; Beide sind sinnlos ohne einander, aber miteinander fügt der eine dem anderen auf Dauer Schaden zu. Sie müssen also aufgrund ihrer Bedürfnisse klar getrennt werden und jeder Kontakt sollte so sanft wie möglich sein. Das Magazin in seiner Monofunktionalität hat, im Vergleich zur Lesesaalbibliothek, die Chance diese Trennung technisch und/oder baulich dauerhaft zu gewährleisten und soll diese nutzen, um beiden Seiten gerecht zu werden. Ausgelagert in die

Tragsystem In Anlehnung an den klassischen, industriellen Geschossbau, besteht das Tragwerk aus einem Stahlbetonskelett in Fertigteilbauweise. Die Stützen werden geschossweise gestoßen und mit den eingehängten Unterzügen biegesteif verbunden. Die Fertigteildecken spannen von Unterzug zu Unterzug über 3m und bilden über einen Ortbetonverguss einen Verbund.

Aussteifung/Erweiterung Das Gebäude verfügt über zwei Treppentürme an den Schmalseiten, welche schon im ersten Bauabschnitt die Infrastruktur für mögliche Erweiterungen bieten und die Rettungswege gewährleisten. Gleichzeitig wird die Tragstruktur über diese Kerne ausgesteift. Folglich schließen die möglichen Erweiterungen direkt an den Bau an.


Grundriss UG Verwaltung

Grundriss Regelgeschoss Magazin

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Bühne frei! Theater Amsterdam Lehrstuhl für Raumgestaltung Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Uwe Schröder Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Hartwig N. Schneider Diplom SS 2011 EAP Nominierung Nancy Lohmann

Topos Das Theater ergänzt die stadträumliche Struktur, indem es die Raumfolge aus Platz und Großstruktur fortsetzt. Der Baukörper ist ein weiterer Solitär der Amstelbebauung. Mit seinem zur Börse gewandten Vorplatz wird, analog zum Bau Berlages und dem Beursplein, eine klare Eingangssituation geschaffen. Die heutige Rückseite der Börse, die Nebeneingänge aufweist, wird durch die Errichtung des Theaters aufgewertet, indem ihr ein öffentliches Gebäude zugewandt wird. Der Eingangsplatz ordnet die momentan ungefasste Situation und schafft einen Abschluss des Straßenraums. Das heute gastronomisch genutzte Schleusenhaus wird in seiner Ausrichtung zum Damrak gestärkt und in das Platzensemble integriert. Der neue Baukörper nimmt die Breite der Börse auf, so dass die an das Wasser grenzenden Wohngebäude mit ihren im Untergeschoss befindlichen Bootsanlegern keine einschränkende Veränderung erfahren. Dieser grachtenähnliche Wasserstreifen bildet auch den Abschluss des Theaterbaus. Das Theater hat zwei Land- und zwei Wasserseiten und kann nicht allseitig umlaufen werden. Es bildet als Solitär den Abschluss der Amstelbebauung. Die Stadtansicht bleibt ausgehend vom Bahnhofsplatz unverändert in die zwei Uferseiten geteilt. Die historische Trennung in eine linke “neue“ und rechte “alte“ Seite, heute Oudezijds und Nieuwesijds Voorburgwaal wird gewahrt.

„... die Kultur ist Geschwätz, die Politik ist Geschwätz, die Theorie, die Konzepte, die Kunst – alles Geschwätz. Nur eins zählt: Wenn eine Gruppe von Menschen gemeinsam ein Klima herstellt, das erlaubt, die Probleme im Leben zu erkennen und zu ertragen, ihnen zu trotzen“ Peter Brook

Typus Gutes Theater entsteht folglich durch die Interaktion zwischen Schauspielern und Publikum und nicht durch den Theaterbau. Es scheint, als bedarf es keiner „besonderen“ Architektur, sondern vielmehr eines flexibel bespielbaren Raums ohne einschränkenden Rahmen, der von Akteuren nach ihrem Ermessen bespielt wird. Der Betrachter soll im Theater keiner Täuschung unterliegen, sondern Teil der Aufführung werden, er soll Mitdenker sein und verstehen. Der Theaterraum als zusammengesetzter Funktionsapparat (Zuschauerraum, Haupt-, Seiten-, Hinter- Unterbühne und Schnürboden) zeichnet sich als Raumkreuz ab und wird erlebbar. Dienende Funktionen legen sich als Ringstruktur um den Spielraum. Der entstehende Zwischenraum wird zum Foyer, welcher, geformt vom Theaterkörper, in niedrige und hohe Bereiche unterteilt ist. Wie die äußere Fassade des Rings, so öffnet sich auch die innere Fassade des Ringbaus. Sichtbeziehungen werden geschaffen. Der Besucher kann auf das Pausenfoyer herabschauen, wie auch die notwendigen Funktionsbereiche anhand der Öffnungen zuordnen. Der Theaterbau wird als komplexes System thematisiert und präsentiert. Alle vier Seitenräume bilden einen Zuschauerraum, das Spiel findet in alle Richtungen statt. Die Konvexbühne bewirkt eine Ausrichtung des Schauspiels, da drei Seitenräume

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Schnitt

Innenperspektive

vom Publikum eingenommen werden und somit eine Hinterbühne entsteht. Ein zweiseitiger, sich gegenüber liegender Publikumsbereich ermöglicht die Erweiterung des Bühnenraums um zwei Seitenbühnen. Wird nur ein Seitenraum zum Zuschauerbereich, so entspricht der Theaterraum der „Guckkastenbühne“. Die Hauptbühne ist sowohl mit der Seitenbühne, als auch mit einer Hinterbühne verbunden. Die beschriebenen Bühnenformen können durch den Schnürboden und die Unterbühne angedient werden.

zum Teil zweigeschossig sind. Im vierten Obergeschoss befinden sich die Verwaltung des Hauses, die öffentliche Gastronomie sowie die Kantine. Lagerräume und Werkstätten befinden sich im ersten Untergeschoss, so dass aufgrund des Höhensprungs zur Wasserfläche eine natürliche Belichtung gewährleistet werden kann. Außerdem kann die Unterbühne allseitig angedient werden. Weitere Lager und Technikräume befinden sich im zweiten Untergeschoss.

Innere Organisation Vom Foyer im Erdgeschoss führen vier vertikale Erschließungszonen in das zweite Obergeschoss. Dieses dient in Form eines Umgangs als Verteilerzone für die vier möglichen Zuschauerbereiche. Der Theaterbesucher betritt den Zuschauerraum immer von oben, er steigt hinab in Richtung Bühne. Beim Verlassen den Zuschauerraums ermöglicht der Umgang den Blick auf die Stadt als Theaterraum sowie das Foyer als Spielfläche in den Pausen. Das erste und dritte Obergeschoss ist ausschließlich den Mitarbeitern und den Vorbereitungen gewidmet. Hier befinden sich die Kostüm- und Proberäume, welche

Fassade Die Fassade aus Betonfertigteilen bildet sich sowohl nach außen, als auch nach innen zum Foyer ab. Sie prägt den Eindruck einer dicken Wand. Sie gliedert sich in stehende Stabelemte und liegende Formate, die die Geschossigkeit ablesbar machen. Das enge Raster der Stäbe wechselt zwischen, voll und rückspringend. Dieser Rücksprung erfolgt entweder durch ein geschlossenes Sichtbetonelement oder durch eine Fensteröffnung. Der Grad der Öffnung wird durch die dahinter liegende Nutzung bestimmt. Dieses Spiel aus Stab, Öffnung und Rücksprung erzeugt aufgrund des engen Rasters ein Flirren der Fassade , ähnlich dem des Schattenspieles eines in Falten gelegten Vorhanges.

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London Grand Lincoln‘s Inn Fields Apartements

Lehrstuhl für Wohnbau Univ.-Prof. Ir. Wim van den Bergh Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Thomas Schmitz Diplom SS 2011 EAP Nominierung Katrin Tacke

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Massiv

Masse - Raum

Loops

Repräsentativ- Rückzug

Typologie

LONDON GRAND – Lincoln’s Inn Field Apartments Ziel der Aufgabe ist die Umsetzung eines Wohnhauses mit mehreren großzügigen Wohnungen an den Lincoln´s Inn Fields im urbanen Zentrum Londons. Im Mittelpunkt der Untersuchungen dieses Entwurfs steht das Wohnen auf hohem Niveau und die große Stadtwohnung im historischen Kontext. Der monolithische Mauerwerksbau gibt kaum Einblicke in sein komplexes Innenleben und strahlt durch seine Massivität einen wehrhaften Charakter aus. Somit gibt er seinen gutbetuchten Bewohnern den Luxus eines Rückzugsort in der dichten Metropole, den sonst nur die Abgeschiedenheit einer Villa auf dem Land bietet. Das Gebäude, das die Funktion eines Eckturms nachahmt, setzt den entscheidenden Akzent am westlichen Ende der Terrace, dessen Mitte durch das hervortretende John Soane Museum betont und im Osten durch mehrere hohe Gebäude abgeschlossen wird. Es bringt das historische Gefüge somit wieder ins Gleichgewicht und fungiert städtebaulich trotz seiner Höhe als Vermittler.

Die Volumen der Innenräume sind schrittweise aus der Masse des Gebäudes heraus gearbeitet. Die verbleibende Masse bietet Raum für Serviceräume, Schränke, Sitznischen und Geheimgänge. Diese stereotonische Bauweise steht im Gegensatz zum tektonischen Entwerfen von Räumen durch Wandscheiben. Der Entwurf greift historische Typologien und Räume auf. Einerseits lehnt er sich an Typologien wie z.B. mittelalterliche Wohntürme an. Andererseits greift er Räume aus Wohntypologien des letzten Jahrhunderts wieder auf, wie z. B. das Boudoir oder das Raucherzimmer. Der Entwurf erhält durch den Grad an Detaillierung einen narrativen Charakter. Er spielt mit den Eigenschaften der Räume, der Haptik der Materialien und den ausgearbeiteten Details, wie Beschlägen, Beleuchtung und Wandbekleidungen. Es werden atmosphärische Situationen erzeugt und eine angemessene Alternative für luxuriöses Wohnen geboten, die über die Bilder, die man sonst von Investoren oder aus den Medien kennt, hinausgeht.

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Bibliothek

12 &

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Salon

Schnitt


Grundriss Erdgeschoss

Grundriss 2. Obergeschoss

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Národní Technické Museum Praha Konstruktives Entwerfen Univ.-Prof. Dipl.-Ing. (TH Prag) Mirko Baum Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Raabe Diplom WS 2010/11 EAP Nominierung Jannis Dickel

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Grundriss

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Der Erweiterungsbau des nationalen, technischen Museums Prags, ist ein Ort der synthetischen Ausstellung, in dem Wissenschaft und Technik präsentiert werden. Er übernimmt eine nicht unbedeutende Schaufensterfunktion um den Inhalt der Ausstellung zu kommunizieren. Neben dem Museum für Landwirtschaft und dem Museum für Technik reiht sich der Erweiterungsbau als dritter Baukörper neben die Zwillingsbauten. Er fordert keine neue Eingangssituation sondern wird über den Altbau erschlossen. Entscheidend ist die Neuorganisation der Museen. Neben einer Sanierung werden die Altbauten über einen Sockelbereich miteinander verbunden, sodass ein neues Museumsareal entsteht, auf dem sich der Passant ticketlos bewegen kann. Verschiedene Einblicke in die Ausstellungsbereiche laden zum Eintreten ein. Die Besucher, die vorwiegend aus nördlicher Richtung

kommen, gelangen über eine Freitreppe auf das neue Museumsareal und werden darüber in Tickethallen der Altbauten geführt. Dort befinden sich ebenfalls Gastronomie und Museumsshops, sowie der Zugang zu Veranstaltungsräumen und der Beginn der Ausstellung. Der Neubau besteht aus einer massiven Scheibe und dem charakteristischen dreieckigen Schaufenster. Die Scheibe beinhaltet eine ticketlose Passage im Erdgeschoss, Galerien für die Ausstellungen, sowie die Museumsverwaltung und Wohneinheiten in den obersten Geschossen mit Blick auf die Prager Burg. Eine Himmelstreppe verbindet alle Ebenen miteinander und erschließt gleichzeitig den flexiblen synthetischen Ausstellungsbereich, in dem im Raster von 8.10 x 8.10m Objekte ausgestellt werden können. Die Tragkonstruktion wird Teil derAusstellung und ermöglicht das Aufhängen von Exponaten.

Schnitt- Isometrie


Detail

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Schophoven Zukunft von Stadt und Landschaft an der Kante Lehrstuhl f端r Landschaftsarchitektur Univ.-Prof. Dr.-Ing. Frank Lohrberg Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Kunibert Wachten Diplom WS 2010/11 EAP Nominierung Martina Winandi


2055: Der endgültige Füllstand des Restsees ist erreicht. Errichtung der Seeportale in den drei Seeorten

Planungsanlage Der Planungsort Schophoven liegt an der Kante des Tagebaus Inden, im Randbereich des rheinischen Braunkohlereviers. In dieser ländlich geprägten Region vollzieht sich mit der Braunkohlegewinnung

schon jahrzehntelang ein extremer Landschaftswandel. Durch den oberirdischen Braunkohleabbau und der fortschreitenden Wanderung des Abbaugebiets durch die Landschaft, müssen schon seit 1982 ganze Ortschaften und ihre Bewohner umgesiedelt werden.

Dir über 1000 HA grosse Restgrube wird nach Beendigung des TRagebaus zum größten See in NRW umgewandelt. Nach der Stilllegung des Betriebes 2030 wird es noch ca. 30 Jahre dauern bis das Tagebauloch mit Wasser angefüllt ist.

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Gut Müllenark

Detailausschnitt Wohngebiet

Schnitt Zwischenlandschaft mit Füllständen

2030

2040

2055

Ausgangssituation des Ortes Schophoven Schophoven ist somit über mehrere Jahrzehnte einem ständigen Wandel unterlegen. Die Schutzwälle und ein 50 m breiter Sicherheitsstreifen aus Birken werden 2030 zunächst zugunsten eines Aussichtsrohres unterbrochen, das den Blick über die Kante

ermöglicht, ohne den Tagebau zu betreten. Mit dem ersten nutzbaren Füllstand des Sees wird 2040 eine Erschliessung über Treppen und Rampen in den Tagebau gelegt. Im Jahr 2055, bei endgültigem Wasserstand, erhält der Ort schliesslich eine neue Fassade zum See.

Handlungsansatz Um den Wohnstandort während der Übergangszeit für seine Bewohner und potentielle Neubürger attraktiv zu gestalten, wird die Zwischenlandschaft gestaltet und mit zahlreichen Freizeitangeboten ausgestattet.


Perspektive Zwischenlandschaft

Perspektive Gr端nachse

Perspektive Seeportal

Perspektive Kunsthandwerk 109


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Stadthistorische Entwicklung Baalbek liegt im Libanon in der nördlichen Beqaa-Ebene zwischen den Gebirgsketten des Libanons, dem Libanon und Antilibanon. Die mittelgroße Stadt liegt in einer fruchtbaren Agrarebene und ist wirtschaftliches und administratives Zentrum dieser Region. Seit der Antike wurde die Entwicklung der Stadt durch zwei ergiebige Wasserquellen im Osten und Nordosten begünstigt; besiedelt wurde diese Region der Beqaa-Ebene allerdings schon im 8. Jt v. Chr. Das Zentrum der Stadt bildetet damals ein sogenannter Siedlungshügel (Tell), wie sie in der Region häufig zu finden sind. Nach dem Ende der hellenistischen Zeit stand Baalbek kurz unter Herrschaft arabischer Hurären, bis im 15. v. Chr. die römische Colonia Julia Augusta Felix Berytus gegründet wurde. Der ehemalige Tell

wurde zum Zentrum des nun entstehenden Heiligtums von Baalbek. Der JupiterHeliopolitanus Tempel und kurze Zeit später gebaute Bacchus Tempel wurden zum Wahrzeichen der Stadt und erreichten über ihre Grenzen hinaus einen hohen Bekanntheitsgrad im römischen Reich. Auch als das Christentum Einzug hielt konnte der Kult nur langsam verdrängt werden. Im 7. Jhd. wird Baalbek wieder dem islamischen Reich einverleibt. Das Heiligtum wurde zur Burgfestung umgebaut und -funktioniert in den Kreuzfahrerjahren. Im 16. Jhd. wurde Baalbek von den Osmanen erobert und verlor aber an Bedeutung. Erst mit Beginn der ersten archäologischen Forschungsreisen in den vorderen Orient in der 2. Hälfte des 19. Jhd. erwachte erneut das Interesse an der durch mehrere Erdbeben teilweise zerstörten antiken Ruine.


Stadthistorisches Museum Baalbek Lehrgebiet Denkmalpflege Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Raabe Dipl.-Ing. Joachim Ruoff Diplom SS 2010 Friedrich Bruncken

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extrovertierte - introvertierte Geschosse

1. Obergeschoss M 1 I 200

BB

Mehrzweckraum

Cafe

Shop

AA

AA

Empfang

Verwaltung

WC H

WC D

BB

Lager

Erdgeschoss M 1 I 200

Grundriss

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Die entwurfliche Aufgabe besteht darin für die Stadt Baalbek einen neuen Museumsbau zu schaffen, der neben den antiken Ruinen die Stadtbaugeschichte zu Geltung ringt. Ein solitärer Baukörper auf der Kante zwischen Stadt und Ausgrabungsebene erhält eine vermittelnde Rolle. Ziel ist es, die offene städtebauliche Kante zur Stadt zu schließen und dem Besucher bei der Ankunft einen neuen visuellen Anlaufpunkt zu bieten. Die ankommenden Besucher werden über ein

Plateau in das Gebäude hinein geführt und gelangen von dort aus auf das Ausgrabunggelände. Im Museum findet ein Wechselspiel zwischen extrovertierten und introvertierten Geschossen statt, das immer wieder Aus- und Durchblicke durch das Gebäude auf die Stadt, bzw. Gebäude von besonderer historischer Bedeutung ermöglicht und vermittelt somit dem Besucher die Vielschichtigkeit der Stadthistorie. Küche

Lager

WC

WC

Lager


Nord / Ost Ansicht M 1 I 200

+ 13.00

Nord / Ost Ansicht M 1 I 200

Schnitt A-A M 1 I 200

+ 13.00

Schnitt A-A M 1 I 200

Innenperspektive

S端d-West Ansicht M 1 I 200

Innenperspektive

+ 14.00

Schnitt

Ansicht

113 S端d-West Ansicht M 1 I 200

Schnitt B-B M 1 I 200


Ein launischer Sommer Flussbad mit Kanuclub an der Orlice in Königsgraz/ Tschechien Lehr- und Forschungsgebiet Konstruktives Entwerfen Univ.-Prof. Dipl.-Ing. (TH Prag) Mirko Baum Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Raabe Diplom SS 2011 Nikolas Ulrich Torscheit

Aufgabe und Topos Der launische Sommer ...ein kleiner tschechischer Badeort an der Orlice, ein Ort der guten Laune, des kameradschaftlichen Zusammenseins. Das sommerliche Flussufer in der Stadt königgrätz, ist gekennzeichnet durch seine ländliche Umgebung, bedeutendes und alltägliches, als auch Stadt und Land finden hier eine Harmonie. In dieser zauberhaften Idylle soll ein Flußbad mit Kanuklub entstehen. Doch eigentlich möchte man alles so lassen wie es ist, um die einmalige Atmosphäre des Ortes zu erhalten.

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Konzept Um den Ort so wenig wie möglich zu beeinträchtigen wurde das Flussufer von der Bebauung weitestgehend nicht berührt, lediglich die Umkleidekabinen mit Sonnendeck und sanitären Anlagen finden hier ihren Platz. Das Flussbad an sich, der Kanuklub, dessen Wohnturm und das kleine Domilzil des Bademeisters, welches aus Aus-

sichtsplattform, Wohnung und Kiosk besteht, wird zum Erhalt des idyllischen Flussufers auf das Wasser ausgelagert. So hat zudem der Bademeister einen guten Überblick über das Geschehen auf dem Wasser. Zum Bademeister und dessen Kiosk gelangt man über einen Steg. Den Kanuklub und das Wohngebäude kann man nur durch eine Schwebefähre erreichen, einer HandhebelDraisine, welche per Eigenkraft oder Gemeinschaftsgeist betrieben werden kann, um das Ziel des Kanuklubs zu erreichen. Wichtig war zudem das Flussbad und den Kanuklub zwischen der aus den letzten Jahren des Krieges zurückgelassenen Bailey Bridge und zu dem alten Wasserkraftwerk zu integrieren und die Sicht auf das schöne alte Turbinenhaus freizuhalten. Durch die Vermischung neuer und alter Gebäude wird man allen unterschiedlichen Nutzungsansprüchen gerecht und gleichzeitig wird eine einheitliche Komposition erreicht, welche die Natur und das Landschaftsbild nicht zerstört sonden ergänzt.


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Bademeister Ansicht West

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Visualisierung Bademeister

Besonders wichtig war, dass die Nutzer des Flussbades durch eine spielerische Entdeckungsreise Stück für Stück neue Details des launischen Sommers entdecken und erfahren, ohne jedoch durch zuviel Fülle überreizt zu werden. Deshalb wurden alle Gebäude in Leichtbauweise und so minimal und einfach wie möglich gehalten. Zusätzlich wird durch eine ge-

wisse Strenge, wie die der geometrischen Reihung und der Wiederholung homogener Elemente eine einheitliche Erscheinung erreicht. Die hölzernen Fassaden und die filligran, phälerne Leichtbaukonstruktion (warm und kalt/ weich und hart) ergänzen sich in naiver Art und Weise und tauchen so in die natürliche Idylle ein.


Querschnitt Kanuklub

Visualisierung Kanuklub

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Muttrah

Urban Harbour Development, Oman Lehrstuhl für Städtebau und Landesplanung Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Kunibert Wachten Univ. Prof. M. Arch. Peter J. Russell Diplom Andreas Klozoris

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Die Diplomarbeit von Andreas Klozoris befasst sich mit einer Umstrukturierung der Hafenstadt Muttrah, die Teil der omanischen Hauptstadtregion Muscat ist. Der rasante infrastrukturelle und soziale Wandel des Sultanats Oman der vergangenen 40 Jahre hat zu einem enormen Flächenwachstum der Hauptstadtregion und zu völlig neuen Bautypen und Nachbarschaften geführt, während die überlieferten baulich-räumlichen Traditionen weitgehend verloren gingen. Heute ist Muttrah der einzige Ort mit einer nennenswerten, traditionellen

baulich-räumlichen Struktur in Greater Muscat und damit äußerst schützenswert, wenngleich viele Bewohner ihren Wohnort nur bedingt attraktiv finden. Aufgrund seiner strategischen Lage als Hafenstandort, an dem Kreuzfahrtschiffe (zumeist für einige Stunden) anlegen, und aufgrund seines traditionellen Suqs ist Muttrah ferner eine der Hauptattraktionen für Touristen im Oman. Der Verfasser hat sich daher zum Ziel gemacht, Muttrah für die Zukunft zu rüsten, indem zum Einen das Erlebnis für Touristen erweitert und zum Anderen das


Wohnumfeld der Bewohner durch neue Treffpunkte verbessert werden soll. Hierzu plant er gezielte Impulse und Attraktionen (Dienstleistung, Kultur, Freizeit) entlang eines neuen Netzwerks, das den dichten Stadtteil durchziehen soll. Somit können Touristenströme gezielt geleitet werden, während einzelne Nachbarschaftsbereiche vor Fremden geschützt sind. Um jedoch einzelne Interventions-Orte zu definieren, waren umfassende Analysen zu Funktionen, öffentlichen Flächen, Verkehr/Verkehrsströmen, Bauhöhen

und Bewohnergruppen sowie diverse Interviews mit Bewohnern und Touristen vor Ort nötig, die in ihrer Tiefe in einem Buch festgehalten sind. Im Ergebnis hat Andreas Klozoris diverse „void areas“, Freiflächen (teils als Parkplatz genutzt) bzw. Ruinen, herausgearbeitet, in denen die neuen Impulse entlang dreier, parallel verlaufender Achsen stattfinden sollen: entlang der Corniche Achse am Wasser (Impulse für Touristen), entlang einer kommerziellen Achse (Impulse v.a. für Bewohner) und entlang einer kulturellen Achse (Impulse für Touristen

und Bewohner). Einem modularen System bzw. einer „Toolbox“ folgend, plant er u.a. die Errichtung von Museen, Versammlungsorten (Sablahs), Coffeeshops, Tagesschulen (Erwachsenenbildung) und urbaner, vertikaler Gärten sowie die bessere Erschließung vorhandener Attraktionen entlang des neuen Netzwerks. Dabei könnten die Funktionen auf mehreren Ebenen angeordnet sein und so von den höheren Etagen einen bislang nicht existenten Ausblick aus dem Quartier auf den Hafen bieten.

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uses religious uses

sabblah

religious sabblah ‘mu’asaraat’ coffee shop shisha bar kitchen school

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250

m/f

‘mu’asaraat’m / f

f

meet,prayer talk, chai, pray, discuss (mosque, matam, room) d

coffee shop m

m/m+f+t

meet, talk, chai, dates

meet, talk, eat, ch

m+f+t

meet, talk, chai, dates

meet, talk, chai, s

shisha bar kitchen

users

pray, discuss (mos activities

f m/m+f+t m+f+t

play ground

m+f+t m+f+t

m / f ,corner m+f+t library /reading

library /reading corner

ain axes

activities

m

play ground school

rk Mutrah

100 h

users

m+f+t

m+f+t m+f+t

meet, talk, chai, d

meet, talk, eat, chai, coffee, dates, shawarma meet, talk, chai, smoke meet, cook, eat

meet, cook, eat

play, learn, family

m / f , m + f + tplay, learn, family

learn, teach

m+f+t

read, exchange, le

learn, teach read, exchange, learn


As salam wa alaikum!

ruin = box

A

ruin - roof = urban garden

urban garden = attracting effect on the surroundings

going vertical = communication and overview over maze and hotspots

or

urban concepts

Wa ‘alaikumu s-salÄ m!

or

B

D

or

or

Ooh!

Oh!

go vertical!

green islands

not didactic!

not intervention is the subject

barasti influence

give spaces

give modularity / flexibility

intervention basics

move through negative spaces and dwell in positive spaces

modular system

or

C

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Sekundär Neusser Hafen Altbierbrauerei Lehrstuhl für Gebäudelehre Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhardt Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Mirko Baum B4 Bachelorarbeit WS 2010/11 Studienpreis „BDA Masters 2011“ Isabelle Vins

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Schnitt


Sekundär, Neusser Hafen Denkt man an Deutschland im Jahre 2011, so denkt man nicht an die Arbeiterklasse. Wir sind im Postmateriellen Zeitalter, es ist nicht so klar, wer hier wie arbeitet. Deutschland besteht aus hochausgebildeten Menschen in Anzügen, die mit dem ICE von Großstadt zu Großstadt fahren, währenddessen Folien an Laptop verschieben, ständig telefonieren und irgendetwas mit Informationen machen. Das Schmutzige, Stinkende und Laute ist scheinbar aus dem Leben entschwunden, 3/4 aller Deutschen arbeiten im Tertiärsektor – dem Dienstleistungssektor. Aber es wird auch noch echt gearbeitet, zum einen werden Häuser gebaut, zum anderen erzeugen, fertigen und lagern Menschen im Blaumann irgendwo Dinge. Der Sekundärsektor existiert nicht nur in China, sondern auch noch in der Bundesrepublik Deutschland. Der Neusser Hafen ist so ein Ort, es ist laut und es stinkt, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche wird dort produziert, umgeschlagen und gelagert. Im Neusser Hafen sind noch Grundstücke frei. Aufgabe der Bachelorarbeit ist der Entwurf eines Industriegebäudes am Neusser Hafen. In einem dreitägigen Workshop sollen die Eigenschaften und Potenziale des Ortes mit den Mitteln der Kartographie erforscht werden. Im Rahmen des Entwurfes wird eine seminaristische Vertiefung mit Typologien des Industriebaus stattfinden. Der jeweilige Ort und das genaue Thema der einzelnen Arbeiten werden hierbei nach eingehender Recherche im Workshop vor Ort individuell entwickelt und festgelegt.

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Grundriss mit Hopfenfeld

Mit einer Altbierbrauerei, die Produktion und Kultur in sich vereint, soll dem Konflikt der geeigneten Flächenbelegung entgegen getreten werden. Das Produktionsvolumen von 25 000 hl pro Jahr ist für den regionalen Markt ausgelegt. Außerdem soll es die Verbundenheit des Neussers mit dem Hafen stärken und ihn mit Besuchern füllen. Um dem Bier mehr Heimat zu geben, werden aus124

schließlich Zutaten aus der Region verwendet. Dazu wird das Malz von C. Thywissen bezogen, die Hefe entsteht im eigenen Labor und das Neusser Grundwasser dient als Grundlage für den Sud. Da in Neuss und der Umgebung kein Hopfenanbau zur Verfügung steht, muss der Hopfen im Eigenanbau erzeugt werden. Das passende Grundstück dazu ist an einer prominenten, sichtbaren Stelle im Hafen.

Um auf dem Grundstück Platz für den Hopfen zu schaffen, wird die Produktion von der Horizontalen in die Vertikale verlegt. Durch seine Größe bietet der Hopfen Spielraum für weitere Nutzung. So finden Parken, Anlieferung und die Erschließung im Hopfenfeld statt. Für den Besucher gibt es einen Rundweg, der im obersten Geschoss beginnt und parallel zur Produktion abwärts verläuft.


2.OG Abf체llung

3.OG Ausschank, Biergarten

4.OG Verwaltung und Labor

5.OG Freigeschoss Lagertanks

6.OG Freigeschoss Lagertanks

7.OG Freigeschoss G채rtanks

8.OG Sudhaus

9.OG Malz und Hopfensilo

1.OG Lager und Verkauf

Altbierbrauerei

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Vale! Stadtwohnen

Räume des Abschieds, Köln -Volksgarten Lehr- und Forschungsgebiet Raumgestaltung Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Uwe Schröder Univ. Prof. Dipl.-Ing. (TH Prag) Mirko Baum B4 Bachelorarbeit SS 2011 Julia Hemmerling

„Das Leben der Großstadt wirkt so, als ob niemand mehr stürbe.“ (Philippe Ariès, Geschichte des Todes, München 1980)

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Die Öffentlichkeit des Todes. Das Leben in der Großstadt braucht sein natürliches Äquivalent, den Tod. Eine öffentliche Thematisierung des Todes kann jedoch nicht unweigerlich erfolgen, vielmehr muss die Architektur Anlass und Anfangspunkt bieten. Sie muss den Betrachter auf eine subtile Art hinweisen, darf sich ihm nicht aufdrängen, ihm aber auch nicht verschlossen bleiben. Die Lage inmitten des Sees und der Typus der Insel ist deshalb gewählt, weil es sich als eigenständige Welt, als eine Art Stadt in der Stadt, bewusst sein eigenes Territorium schafft und doch als Teil der Stadt wahrgenommen wird, in dem er sich städtischer Elemente wie Straße, Platz und Haus bedient und so zum eigenen Raum für Trauernde wird.


„Trauer greift einen Menschen an einer Stelle auf und setzt ihn an einer anderen wieder ab.“ (D‘Arcy in: Julia Schäfer, Tod und Trauerrituale in der modernen Gesellschaft, Stuttgart 2002) Trauer als Weg. Trauer wird hier als Prozess verstanden, nicht als Zustand. Dabei gibt es Wege, die gemeinsam begangen werden, Wege, die dem nahen Familienkreis vorbehalten sind oder solche, die alleine gemeistert werden müssen. Die Anordnung stellt jedoch keinen Kreislauf, sondern eine lineare Entwicklung dar, bei der Ausgangs- und Endpunkt nicht einander entsprechen, bei der die Räume an anderer Stelle verlassen werden, als sie betreten worden sind. Räume der Trauer. Der Entwurf nimmt das Bild der Trauerphasen und schrittweisen Verarbeitung des Verlustes auf, indem er eine Raumfolge bietet. So gibt es einen

Raum für die Gemeinschaft, ein Raum, der vorbereitet. Dieser dient der Realisierung und dem gegenseitigen Halt. Daneben gibt es den Raum des Toten, der die direkte Auseinandersetzung ermöglicht. Und einen Raum für die Gedanken, einerseits zum Gedenken, aber auch zum Nachdenken, ein Raum, der auf das Weiterleben vorbereitet und Hoffnung gibt. Architektonisch äußert er sich als kleinster Raum, der als einziger einen Blick nach draußen ermöglicht, einen Blick zurück ins Leben. Individualität der Trauer. Eine Differenzierung der Räume findet durch Weite und Enge statt. Zudem variiert jeder Raum sowohl in der Höhe seiner Lage als auch in seiner Raumhöhe. So muss bei Betreten eines Raumes eine Schwelle genommen werden, manchmal aber auch mehr, je nachdem, wie stark der Übergang von einer Trauerphase in die andere ist. Die Reihung der Räume gibt eine Reihenfolge vor, ohne diese zu erzwingen, vor allem

aber bietet sie die Möglichkeit der Wiederholbarkeit. Gemeinschaft und Trauer. Neben der Möglichkeit der individuellen Trauer in den einzelnen Trauerräumen braucht es einen Raum für die gemeinsame Abschiednahme. Während die individuelle Trauer sich beliebig oft wiederholen kann, ist der gemeinsame Abschied endgültig. Zum letzten Mal können sich die Trauernden mit dem Toten auseinandersetzen und während zuvor die Architektur geführt hat, führt jetzt das gemeinsame Ritual. Dieses differiert je nach Trauergemeinschaft, kann konfessionell und traditionell oder weltlich und frei sein, kann Raum für gemeinsames Weinen, aber auch gemeinsames Lachen bieten. Der gemeinsame Abschied ist wie ein Fest in einem leeren Raum, der sich erst durch die Gemeinschaft füllt, erst mit ihr zu seiner Gestalt gelangt und sich nie wieder genau gleich darstellen wird.

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Das Haus und die Allee Stadthaus Maastricht

Lehrgebiet für Bauplanung und Baurealisierung Univ. Prof. Dipl.-Ing. Sabine Brück Fred Humblé Gast: Simone Hujbrechts Breitkopf, West 8 B4- Bachelorarbeit SS 2011

Jan Niklas Koch, Nadine Kapfhammer, Judith Neyses, Marie Michaelis, Laura Kaufels Yusra Salman, Wanja Szelinsky, Eva Schreitter von Schwarzenfeld, Anke Blumenstein,Valentina Stehle

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Ansichten 0 1

In Maastricht entsteht auf dem ehemaligen Abschnitt der Autobahn A2 eine städtische Allee, die sich als grünes Band durch die Stadt zieht. Ein ausgesuchtes Baufeld an der Allee wurde mit städtischen Ein- bzw. Mehrfamilienhäusern beplant. Ort und Anlass Maastricht ist die Hauptstadt der niederländischen Provinz Limburg und eine der ältesten Städte der Niederlande. Sie liegt im äußersten Südosten des Landes zwischen Belgien und Deutschland an beiden Seiten der Maas. Die östlich der Maas verlaufende Autobahn verbindet Maastricht mit Amsterdam und Lüttich. Die A2 verläuft mitten durch Maastricht und separiert die Stadt in zwei Teile. Um diesen Missstand zu lösen wurde ein stadtplanerischer Wettbewerb ausgeschrieben, den West 8 in Zusammenarbeit mit

Humblé Architecten 2009 gewonnen haben und auf dessen Grundlage die B4 Abschlussarbeit basiert. Die Kernkonzeption des Wettbewerbsentwurfs beinhaltet die Verlegung der Autobahn in einen zweigeschossigen Tunnel und die Aufwertung des alten Abschnittsin eine städtische, urbane Allee. Ein exemplarisches Baufeld an dieser grünen Allee sollte exemplarisch mit städtischen Wohnhäusern nach Vorbild der „Lütticher Reihe“ beplant werden. In der B4 Abschlussarbeit soll der Übergang des Wohnens, zwischen Öffentlichkeit und Intimität, zwischen Innen und Außen in aller Vielfalt und Spannung entworfen werden. Das städtisch gereihte Wohnhaus Das städtische Reihenhaus steht als Antithese zum Typus des freistehenden Einzelhauses. Es entspricht einer traditionellen Stadtthematik, welche in diesem Entwurf zum

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tragenden Prinzip der Erneuerung und Verdichtung des ausgewählten Strassenabschnitts werden soll; als Stadtbaustein, aber auch als Symbol für die Utopie vom städtischem Wohnen. Es weist dabei ein hohes Maß an Verbindlichkeit im Ensemble auf, wobei es zugleich aber auch ein gewisses Potenzial an Individualität aufzeigen kann. Sieht man sich historische Beispiele an, so zeigen diese alle Möglichkeiten von monochromen Strukturen bis zur bunten Mischung auf. Das städtischen Reihenhauses in seiner morphologischen Erscheinung ist nicht nach architektonischen Zufallsprinzipien gestaltet, sondern als ein in jeweils charakterischer Form gestaltetes Neben- und Miteinander einzelner Häuser in einer Reihe zu sehen. Die Kompositionsregeln einer Reihe sind allerdings ebenso vielfältig wie deren Maßstäbe - Stil spielt in diesem Fall keine Rolle.

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Haus und Allee Planmethodisch betrachtet kommt die Strasse vor der Häuserzeile. Sie weist den Häusern ihren Ort zu. Der Rhythmus der Häuser, deren plastische Ausformulierung, deren Blick Ausrichtungen, Höhen, Rücksprünge und Lage zur Strasse bedingen die strassenräumliche Qualität. Das Haus und die Strasse treten miteinander in Kommunikation. Der Querschnitt der Allee erfordert


Grundrisse

hier eine besondere Betrachtung der Reihe aufgrund ihrer Fernwirkung. Das Haus Das Haus konnte vom Einfamilienhaus bis zum Mehrfamilienhaus, bzw. „Zwillingshaus“ gedacht werden. Die Programmierung war Teil der Entwurfsaufgabe. Raum-

programm und Flächenbedarf wurden von dem Bearbeiter vorgeschlagen. Sonderprogrammierungen des Wohnens waren möglich. Bei der Bearbeitung der Kopfhäuser sollte eine Sondernutzung in Form eines Ladens oder einer Gaststätte im Erdgeschoss, nach Maastrichter Vorbild, eingeplant werden. Auf für Maastricht typische Weise haben die meisten Wohnungs- und Sondernut-

zungseinheit sollte einen eigenen Hauseingang an der Allee erhalten. Die Gebäudehöhen orientierten sich an der ortstypischen Dreigeschossigkeit, könnten aber gemäß Lütticher Vorbild von dieser, unter Respektierung der Linienführung, abweichen. Am Ende des Entwurfs entstand so eine Reihe an städtischen Reihenhäusern. Bilder: © Humblé Architecten

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Fidelio Ein Bühnenbild Lehrstuhl für Plastik Univ.-Prof. Michael Schulze B4 Bachelorarbeit SS 2011 Eva Theißen

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Das Stück „Fidelio“ und seine Bedeutung „Fidelio“ ist vordergründig ein Stück über Befreiung und den Kampf um Freiheit und Liebe. In dem Stück werden zusätzlich noch viele andere wichtige Motive aufgegriffen, die heute noch die Relevanz besitzen wie vor 200 Jahren. So kann „Fidelio“ überall dort spielen, wo Unterdrückungsmechanismen und Überwachung, also auch in einer demokratie. Daraus folgt, dass die in der Oper behandelte Sehnsucht nach einem anderen, freien, selbstbestimmten Leben selbst in unserem geregelten Alltag keineswegs überholt ist. Des weiteren können die großen Ideale der Französischen Revolution wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in die heutige Zeit übersetzt werden und äußern sich in Wertvorstellungen wie Chancengleichheit, soziale Netzwerke, Meinungsfreiheit und Selbstbestimmung. Die in dem Stück klar erkennbare „Utopie“ und die idealisierte Darstellung der Handlung entspringt aus der Hoffnung der Menschen, eine bessere Welt zu erschaffen. Erfahrungsgemäß sind Hoffnungen und Sehnsüchte schon immer an utopische Vorstellungen geknüpft. Weiterhin wird durch die im Stück ablaufende Befreiung ohne

Opfer, eine gewisse verstörung ausgelöst, was darauf zurückzuführen ist, dass wir durch unseren geschichtlichen Hintergrund geprägt sind und eine opferlose, friedliche Befreiung aus einem Regime noch nie erfolgt ist und schlichtweg eine unrealistische utopische Vorstellung darstellt. Möchte man das Stück „Fidelio“ nun auf die heutige Zeit übertragen, ist zu erkennen, dass sich das Gefängnis in dem die Menschen eingesperrt sind und der Zustand der Ohnmacht sich aus diesem zu befreien, heutzutage eher in ein Gefängnis der Resignation und des Zynismus gewandelt hat. Der Mensch wird oft nich physisch festgehalten, sondern psychisch unterdrückt. Er ist nicht in der Lage, über die vorgeschriebenen Verhaltens- und Denkweisen hinauszuwachsen. Motive und Themen des Stückes: Liebe - Leben - Zukunft - Abweisung - unerwiderte Liebe - Gehorsam - Hoffnung - Schrecken - Sehnsucht - Recht - Vertrauen - Angst - Macht - Überwachung - Ungerechtigkeit - Tod - Bedrohung - Eingeschlossenheit - Gefangenschaft - Rettung despotische Macht - Utopie - Idealismus - Zufall - Schicksal - Gleichheit.


Schnitt

Grundriss

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Erläuterung

Das „gläserne“ Gefängnis

Die Befreiung

Das Konzept entsteht aus der thematischen Auseinandersetzung mit der Oper „Fidelio“ und deren Bezug auf die heutige Zeit. Die konzeptuellen Überlegungen basieren grundlegend auf dem in der Welt herrschenden Zustand der all gegenwärtigen Unfreiheit und Eingeschlossenheit, die sich durch alle gesellschaftlichen Schichten ziehen. Der Mensch findet sich in der rasant voranschreitenden und hektischen modernen Welt oft in einer psychischen Unfreiheit und Eingeschlossenheit wieder. Dieses Gefängnis entsteht durch die eigene Ohnmacht, sich gegen gesellschaftliche und politische Mechanismen zur Wehr zu setzen und aus ihnen auszubrechen.

Um den Gedanken und die Idee umzusetzen, ein imaginäres, im Kopf bestehendes, nicht als physischen raum wahrnehmbares Gefängnis zu erschaffen, wurde das Bild eines „Gläsernen Gefängnisses“ gewählt. Dieses weist keine klar erkennbaren statischen Mauern auf, ist jedoch trotzdem eine Barriere, die nicht zu überwinden ist. So bilden die durchscheinenden Wände statisch nicht richtig fassbare Mauern, die für Angst, Ohnmacht und Unterdrückung stehen. Diese Mauern kann der Mensch jedoch nicht richtig sehen und fassen, womit sie fast unmöglich zu überwinden sind.

Wenn es der Mensch doch schafft, dfie Mauern zu erkennen und sich aus dem Gefängnis zu befreien, zerspringt die Mauer aus Gedanken und zerfällt. Die Befreiung endet somit in einem Scherbenhaufen. Die zurückbleibenden Scherben und Trümmer zeugen von der Grausamkeit und der immer noch in der Welt herrchenden Unterdrückung. Weiterhin sollen die Scherben an die Menschen erinnern, die den Regimes und Diktaturen zum Opfer gefallen sind. Diese Gegenüberstellung der Befreiung und des trotzdem bestehenden Leids, soll der utopisch wirkenden opferlos ablaufenden Handlung „Fidelios“ einen Ausgleich liefern.


Vierter Auftritt: Ankunft Leonores (Jaquino, Marzelline, Leonore)

Erster Aufzug, Neunter Auftritt: Chor der Gefangenen

Erster Aufzug, Vierter Auftakt: Arie (Rocco)

Zweiter Aufzug, Achter Auftritt: Befreiung und Jubel

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AKT I - AUFTRITT DON PIZARROS

DIE BLACK BOX Zentral im Bühnenraum befindet sich eine Black Box, welche als Einzelzelle für Florestan funktioniert. Die Anforderungen der Isolationshaft sind durch den geschlossenen Raum erfüllt. Florestan ist der sensorischen Deprivation ausgesetzt. Die Zelle ist im ersten Aufzug komplett geschlossen, sodass der Zuschauer nur erahnen kann, dass der Kubus ein Gefängnis bildet. Der Auftritt Don Pizarros findet auf der Black Box statt, wodurch das Machtverhältnis zwischen dem Gefangenen und dem Gouverneur noch stärker zum Ausdruck kommt. Im zweiten Aufzug öffnet sich die Black Box und gibt den Blick in die Zelle Florestans frei. Bis auf ein Gitterbett, welches im geschlossenen Zustand nicht genutzt werden kann, ist der Raum komplett leer. Florestan kann die Zelle inklusive dem schwarzen Boden nicht verlassen.

DAS WOHNZIMMER Inmitten der kalten Atmosphäre ... Der Wohnbereich wirkt wie ein Fremdkörper in dem Bühnenraum. Die Möbel sind provisorisch reingesetzt und geben das Nötigste für ein Wohngefühl Die Zelle ist im ersten Aufzug komplett geschlossen, sodass der Zuschauer nur erahnen kann, dass der Kubus ein Gefängnis bildet. Der Auftritt Don Pizarros findet auf der Black Box statt, wodurch das Machtverhältnis zwischen dem Gefangenen und dem Gouverneur noch stärker zum Ausdruck kommt.

AKT I - AUFTRITT JAQUINOS

AKT I - AUFTRITT DON PIZARROS

Ansicht

ANSICHT M 1:50

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Grundriss GRUNDRISS M 1:50

ANSICHT M 1:50


Fidelio

Ein Bühnenbild Und spür‘ ich nicht linde, sanft säuselnde Luft, und ist nicht mein Grab mir erhellet? Ich seh‘, wie ein Engel im rosigen Duft, sich tröstend zur Seite mir stellet, ein Engel, Leonoren, der Gattin, so gleich, der führt mich zur Freiheit ins himmlische Reich!

Lehrstuhl für Plastik Univ.-Prof. Michael Schulze B4 Bachelorarbeit SS 2011 Sonja Kellermann

Leere als Gefühl Bei dem Versuch, die Situation im Gefängnis zu einem zeitlosen Bild zusammenzufassen, ist zu bemerken, dass es kein allgemeingültiges Objekt gibt, was eine direkte Assoziation mit einem Gefängnis hervorruft. Das Einzige, was einem Gefühl von Gefangensein vermittelt ist ein geschlossener Raum. Doch wie muss dieser Raum aussehen? Welche Konditionen muss der Raum erfüllen? Wie wird ein ständiges Gefühl von Gefangenheit vermittelt? Der Bewohner des Raumer muss sich voll und ganz mit seiner Situation beschäftigen. Er hat keine Möglichkeit, sich anzulenken. Die Leere des Raumer soll sich in deine Gedanken weiterverbreiten. Der Gefangene trägt diese Leere solange mit sich herum, wie er auch gefangen ist. Monotonie Gefängnisse sind Beherbergungsstätten für eine hohe Anzahl von Personen die möglichst wirtschaftlich untergebracht werden müssen. Dies hat zur Folge, dass in

der Architektur oft eine Regelmäßigkeit in Raumabfolge, -größe, und -ausstattung notwendig ist. Meist wird durch diese gleichwertige Behandlung eine Monotonie erzeugt. Auch beim Tagesablauf der Gefangenen herrscht oft eine große Monotonie. Alle Zeiten sind streng geregelt und lassen keine Abwechslung zu.

men. Meiste treten Kontaktstörungen bis hin zu Depressionen auf.

Isolationshaft Die Isolationshaft ist eine Haftform, in der dem Gefangenen jeglicher Kontakt zu anderen Insassen und mögliche Beschäftigungsarten entzogen wird. Der Gefangene ist somit von sozialen und notwendigen Sinneneindrücken abgeschnitten. Häufig wird sie als Bestrafung für Regelverstöße oder zur Unterbindung des Informationsflusses angewandt. Als Folgen der Isolatinshaft sind insbesondere die Psychischen zu nennen. Bei längerem Aufenthalt kann es zu erheblichen Beeinträchtigungen der Wahrnehmung, der Leistungsfähigkeit und des Nervensystems kom-

Camera Silens Die camera silens ist ein vollständig dunkler und schallisolierter raum, welcher im Mittelalter als Folterinstrument verwendet wurde. Ein längerer Aufenthalt in einer Camera Silens kann zu Beeinträchtigungen der Wahrnehmundsfähigkeit, Zerstörung der vegetativen Funktionen und zu Halluzinationen führen.

Die Isolatinshaft in Deutschland sowie in den meisten Ländern ist nicht klar geregelt, sodass sie weltweit immer noch eingesetzt wird. Von Kritikern wird sie oft als Vernichtungshaft bezeichnet.

Die Dunkelkammer gilt als moderne Version der Camera Silens. Genaue Informationen über die heutige Verwendung von Dunkelräumen als Folterinstrument ist nicht bekannt, kann aber angeenommen werden.

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Akt | - Auftritt Jaquinos

Akt | - Auftritt Don Pizarros

Konzept „Der Mensch braucht die Sinneseindrücke, damit er sein Gefühl für Zeit und Raum und damit seine Identität aufrecht erhalten kann. Wer die Welt nicht sinnlich erfährt, verliert mit dem Kontakt zur Realität auch den Halt im Leben. Die Umwelt und was davon über die Sinnesorgane in den Körper gelangt, ist so etwas wie der atmophärische Druck, der auf den Körper einwirkt und damit für stabile Verhältnisse sorgt.“ Die Befreiungsoper von Beethoven ist eine Utopie, die durch ihre Darstellung des Endes auch oft zur puren Romantik und zum Kitsch führt. Neben der Befreiung durch die Ehefrau, die sich komplett für ihren Mann aufopfert, kommt dann auch noch zufällig zum richtigen Zeitpunkt der Minister, der in dem Gefangenen seinen totgeglaubten Freund wieder sieht. Und was passiert dann? Ist die Institution des Gefängnis durch den Befreiungsschlag aller gescheitert oder lebt sie nach dem Weggang Florestans und Don Fernandos weiter? Diese Fragen können wohl kaum beantwortet werden. Vielleicht hat das alles doch nicht stattgefunden. Es wäre ja bekanntlich zu schön, um wahr zu sein.

Die gesamte Befreiung findet nur in Florestans Gedanken statt. Das Gefängnis wird in all seiner Kälte gezeigt. Man hat keine Möglichkeiten, sich von der Gefangenschaft abzulenken, denn es gibt nur die Leere. Man ist tagtäglich mit seiner Situation konfrontiert und es gibt keinen Lichtblick, keine Abwechslung. Wer fängt da nicht an zu träumen und sagt mal, was wäre wenn? Die Elemente des Entwufes Die Zellen Die einzelnen Zellen der Gefangenen sind sichtbar übereinander und nebeneinander gestapelt und wirken in ihrem Zusammenspiel wie Legebatterien oder andere Massentierhaltungsformen. Die Menschen sind je nach Szene nur als Schatten sichtbar, sodass man die Lebensbedingungen in solchen Zellen erahnen kann. Jedoch sind die Zellen auch von innen belichtet, sodass amn zeitweise einen kompletten Einblick in die Kästen hat und das Leid im Inneren des Systems erfährt.


Akt || - Auftritt Florestans

Akt || - Auftritt Lobesgesang auf die Ehefrau

Die Black Box Die Black BVox ist die Einzelzelle von Florestan. Der komplett geschlossene, schwarze Kubus löst schon durch eine Betrachtung eine gewisse Beklemmung aus, die nicht zu verbergen ist. Wenn dann auch noch ein Mensch in diesem leerem Raum gefangen ist, wird es kaum vorstellbar, wie der Gefangene sich darin fühlt. Die Black Box erfüllt alle Voraussetzungen sensorischer Deprivation und bietet somit nicht nur ein physisches, sondern auch ein psychisches Gefängnis, sowohl für den Betrachter, als auch für den Gefangenen selbst. Die Halluzination von einer möglichen Befreiung ist nur eine von vielen möglichen Auswirkungen der Isolationshaft.

dem Bühnenbild, welches sonst auf den Betrachter stark abweisend und fremd wirkt. Durch den Rückgriff auf Wohnelemente der zurückliegenden Zeit werden in dem Zuschauer Erinnerungen wach, welche die Atmosphäre dieses Bereiches betonen.

Das Wohnzimmer Inmitten der kalten Atmosphäre setzt sich der Wohnbereich wie ein Fremdkörper in einem System ein. Die Möbel sind provisorisch reingesetzt und geben das Nötigste für ein Wohnbehagen her. Es ist die einzige Quelle der Wärme und Behaglichkeit in

Das Tor Die einzige sichtbare Verbindung zur Außenwelt ist das zentralliegende Tor. Zwischendurch wird es immer wieder einen Spalt breit geöffnet, um kurz durchzuschlüpfen und wird dann wieder dann wieder geräuschvoll geschlossen. Insbesondere Don Pizarro als Machtinhaber des Gefängnisses macht von dem Tor Gebrauch. Die Möglichkeit des Entkommes ist sichtbar vorhanden und scheint dennoch nicht möglich. Erst im zweiten Akt, wenn der Minister ankommt, hat dieser die Möglichkeit, beide Torflügel für alle sichtbar zu öffnen und somit einen Blick in die freiheit zu gewährleisten.

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Wohnen 2.0

Weiterbauen in Hamburg-Nord Lehrstuhl f端r Planungstheorie und Stadtentwicklung Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus Selle B4 Bachelorarbeit SS 2011 Sevda Ciklasahin

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Entwurf Freiraum

Hamburg als wachsende Stadt ist von einer starken Wohnungsnachfrage geprägt. Auf der Suche nach Standorten für neue Wohnungsbauprojekte werden zunehmend auch bestehende Wohnquartiere in den citynahen Stadtteilen im Hamburger Norden mit Blick auf Nachverdichtungs- und Umbaupotenziale unter die Lupe genommen. Im Stadtteil Groß Borstel sind durch die Aufgabe einer bislang freigehaltenen Verkehrstrasse (Flughafenrandtrasse) neue Flächenpotenziale inmitten von bestehenden Wohnsiedlungen - teilweise Schlichtbau aus den 1950er

Jahren - entstanden. Diese bieten Anlass, über zeitgemäßen Neubau und die Weiterentwicklung der umgebenden Wohnungsbestände nachzudenken. Eine der Herausforderungen dieser Aufgabe „Wohnen 2.0“ war es, die Potenziale der Bestände zu entdecken, die Qualitäten aufzugreifen, an aktuelle Anforderungen anzupassen und mit innovativem Neubau zu ergänzen. Dabei stellten sich folgende zentrale Fragen: _Welche neuen (städtischen?) Wohntypologien sind in dieser Cityrandlage denkbar? Für welche derzeitigen Nut-

zer und künftigen Nachfrager sollte dieser Standort entwickelt werden? _Welchen ökonomischen, (bau)kulturellen und funktionalen (Wohn-)Wert hat der Bestand? Wie kann die baulich-räumliche Struktur aufgewertet und das Quartier zukunftsfähig gestaltet werden? _Wie kann die Neuordnung des Gebiets, das über eine funktionierende Sozialstruktur verfügt, sozialverträglich gestaltet und wie können Verdrängungseffekte der angestammten Bewohner vermieden werden? 143


Nutzeranforderungen Entwurfskonzept Zur Schaffung einer Quartiersidentität wird die ehemalige Flughafenrandtrasse zu einem zentralen Grünzug umgestaltet, der mit verschiedenen sozialen und Freizeiteinrichtungen durchsetzt ist, Kommunikationsbereiche bietet und so die Verknüpfung zwischen den verschiedenen Siedlungsbereichen sowie zum 2. städ-

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tischen Grünring herstellt. Für die bestehenden Siedlungen beinhaltet das Konzept verschiedene Umbau- und Erneuerungs- sowie Nachverdichtungsmaßnahmen. Ergänzende Neubauten und der Ersatz der überholten Bausubstanz durch verschiedene Wohntypologien bieten durch die phasenweise

Realisierung die Möglichkeit einer sozial verträglichen Weiterentwicklung des Quartiers, die mit dem anstehenden Generationswechsel Hand in Hand geht. Durch die Vielfalt an Wohnungsangeboten für unterschiedlichste Nutzergruppen kann eine lebendige soziale Mischung im Quartier entstehen.


Rahmenplan Konzept der Bauabschnitte

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Entw端rfe Design Projects

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Documenta 13

center of information and communication

Lehrstuhl Baukonstruktion Univ.-Prof. Dipl.-Ing. H.N. Schneider Entwurf SS 2011 Pentti Marttunen Mark Surges

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Während der documenta13 entsteht in der Kasseler Innenstadt ein temporäres „Centre of Information and Communication“ - ein Raumhybrid, der über die 100-tägige Veranstaltungszeit verschiedene Funktionen beherbergt und sich nach seiner Nutzung ohne größeren Aufwand wieder entfernen lässt. Im Vordergrund steht dabei eine den Nutzungen flexible, mobile, kostengünstige und funktionsgerechte Architektur, die dem Besucher der documenta13 einen angenehmen und unvergesslichen Aufenthalt bietet ohne dabei der eigentlichen Veranstaltung in Konkurrenz zu stehen. Grundriss

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Der Entwurf fasst den umgebenden, baumbeständigen Freiraum um den Friedrichsplatz als großes räumliches Potential auf, der sich in einer „L-Form“ um das eigentliche Gelände der documenta positioniert und diesen einrahmt. Durch die leicht erhöhte Lage des natürlichen Terrains in diesem Randbereich erhält der Besucher einen guten Überblick über das Geschehen der documenta, während die natürliche Verschattung der Bäume und die ruhige Atmosphäre sommerlicher Kühle genau diesen Ort zu einem geeigneten Reflexionsort machen. Die einrahmende Positionierung bewirkt dabei, dass der Besucher den Raum bei der Ankunft auf dem Gelände automatisch durchschreitet und den Wechsel der Atmosphäre als Katalysator zwischen alltäglichem Leben und der Kunst erlebt. Genau diese Atmosphäre wird durch den gegebenen

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Isometrien Montageprozess Detail

Innenperspektive


Entwurf aufgegriffen und verstärkt. Die Funktionstrennung der Nutzungen in einzelne Pavillons ermöglicht das Flanieren durch den baumbeständigen Freiraum, die unterschiedliche Positionierung ermöglicht immer wieder neue Ein- und Rückblicke auf das Gelände der documenta und schafft damit Reflexionsorte und immer neue Blickbeziehungen zwischen der Architektur und dem Friedrichsplatz. Das publikumsintensive und kulturell brisante Geschehen um die Kunst auf dem Friedrichsplatz steht im Mittelpunkt. Die Architektur der Pavillons kann als „Zuspieler“ der documenta13 betrachtet werden. Die Positionierung der einzelnen Nutzungseinheiten der Pavillons unterliegt gewissen gemeinsamen Kriterien, so dass der Besucher der documenta13 immer wieder zwischen Reflexionsort und Veranstaltungsort wechseln

kann. Die natürliche Atmosphäre des Ortes wird in den Pavillons selbst mit- und wiedererlebt, in dem die Baumstütze als markantes Objekt in jedem Pavillon vorhanden ist und die transluzente, textile Fassadenmembran das diffuse, durch die Baumkronen scheinende Sonnenlicht auf der Oberfläche abbildet und im Innenraum erlebbar macht. Die Struktur der Pavillons ergibt sich aus der vorliegenden Situation. Das Baumraster gründet auf 6m x 9m, die durchschnittliche Baumkrone beginnt bei 3,8m. Aus der Analyse der Größe der Funktionseinheiten und des maximal möglichen Raumpotentials bei vorliegendem Baumraster ergab eine Struktur, bei der der Baum in der Mitte des jeweiligen Pavillons liegt und spannende Grundrisse mit durchschnittlicher Größe von 80m² entstehen lässt. Die Grundform des Dreiblatts ergibt sich

Außenperspektive

aus dem Gedanken des Flanierens zwischen den Pavillons, dem Reflektieren, aus der Nutzung der Grundrisse und der Interaktion der Pavillons untereinander. Durch die Seiten der Dreiblätter werden Räume und Adressen untereinander aufgespannt und beziehen sich aufeinander. Die maximal zur Verfügung stehende Höhe von 3,8m verlangte nach einer Tragstruktur minimaler Höhe und ließ ein in Stabelementen aufgelöstes, eingespanntes Flächentragwerk mit übergezogener textiler Fassadenmembran entstehen. Die Leichtigkeit und Transparenz der Architektur bildet die natürliche Atmosphäre des Ortes ab und kann durch modulare, flexible und letztlich kostensparende Elemente umgesetzt werden. Denkbar sind im Rahmen dieses Konzeptes auch weitere Trabanten in der Stadt Kassel.

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LandLust Lehrstuhl für Städtebau und Landesplanung Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Kunibert Wachten Prof.(U.KA) Dipl.-Ing. Bauass. Rolf Westerheide. Dipl.-Ing. Bauass. Stefan Krapp M2 LandLust - ObsTRaum Stefanie Hermanns

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Die über Jahrhunderte gewachsene unverwechselbare Gestalt der Eifeldörfer wird zunehmend durch untypische und unmaßstäbliche Dorferweiterungen, bauliche Einzelmaßnahmen, Umgestaltung und verkehrliche Anpassung der öffentlichen Räume und nicht landschaftsgerechte Begrünung überprägt. Diese Störungen und Fehlentwicklungen, bis hin zum Verlust der dörflichen Identität, beruhen häufig auf Unkenntnis und verloren gegangenem Bewusstsein für die prägenden dörflichen Entwicklungsprinzipien sowie die regionaltypischen Bauformen, Materialien, Handwerkstechniken und


ObsTRaum

Piktogramm Baustruktur

Piktogramm Landschaft | Dorf

Pflanzen. Soll der ländliche Siedlungsraum mit seinen Dörfern nicht weiterhin überformt werden, sind neue angepasste Gestaltungsleitbilder gefragt. Es müssen Antworten auf heutige Bedürfnisse gefunden werden. Zukunftsentwicklung bedeutet für die Dörfer, Bautraditionen mit heutigen funktionellen Anforderungen des Wohnens und mit moderner Formensprache umzusetzen. Das erfordert bei Bauherren, Architekten und in den Bauämtern ein breites fachliches Wissen, das für den Raum Eifel bisher noch nicht aufgearbeitet wurde. Das Bauen im ländlichen Raum vollzog sich

Piktogramm Orientierung

über Jahrhunderte innerhalb enger Grenzen. Die Baukonstruktionen und die Materialwahl waren zweckdienlich, einfach zu bauen und griffen auf vorhandene Ressourcen der Region zurück. Stein, Fachwerk, Lehm mit Ziegelausfachung, später auch reine Ziegelbauten entsprachen dem traditionellen Klima und Bewirtschaftung orientierten Bauen. Es entstanden homogene Dörfer, die sich harmonisch in die Landschaft einordneten und einen eigenständigen Charakter mit gewachsenem Reichtum an Architektur und Landschaftselementen präsentierten.

Piktogramm Obstweg

Jede spezielle Region der Eifel hatte ihre eigene unverwechselbare Dorf-Landschaft-Kontinuität. Wie der Blick in die Dorfgenese zeigte, verstanden es die Bauern und oftmals Bürgermeister mit sicherem Instinkt, ihr Dorf, ihre Bauernhöfe dem klimagerechten Schutz der Landschaft anzuvertrauen und so zu platzieren, dass Baukörper und Landschaft eine harmonische Beziehung eingingen, die im beklagenswerten Gegensatz steht zur Translozierbarkeit, sowie dem Flächenanspruch und Erschließungsaufwand der heutigen Neubaugebiete.

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Grundriss

L채ngsschnitt 154


Querschnitt

Ansicht

Ansicht 155


Fabrik zur Automobilherstellung Lehrstuhl f端r Tragkonstruktionen Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin Trautz M2 WS 2010/11 und SS 2011 Inga Hausmann In Kooperation mit: Lehrstuhl f端r Produktionsmanagement des Werkzeugmaschinenlabors (WZL)

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Schnitt Die gemeinsame Forschungstätigkeit des Lehrstuhls für Produktionsmanagement und des Lehrstuhls für Tragkonstruktionen in den Bereichen Fabrikplanung und Industriebau wird seit dem WS 2010/11 in gemeinsam betreute Lehrveranstaltungen eingebracht. Ziel hierbei ist das Verständnis der Studenten für Vorgänge innerhalb der Fabrik und die Komplexität einer interdisziplinären Planungssituation zu fördern. Die Aufgabenstellung des Entwurfs wurde von beiden Lehrstühlen erarbeitet und thematisiert die Herstellung des Elektrofahrzeugs „Street Scooter“, einem Projekt des Lehrstuhls für Produktionsmanagement. Da die noch junge Technologie der E-Mobilität einem kontinuierlichen Wandel ausgesetzt ist, stellt die Entwicklung von wandlungsfähigen Gebäudekonzepten einen Schwerpunkt der Aufgabenstellung dar. Ziel des Entwurfs sind innovative Konzepte, die sowohl Ansprüche an Wandlungsfähigkeit und Flexibilität als auch raumprogrammatische, baukonstruktive und gebäudetechnische Aspekte optimal erfüllen. Der Entwurf von Inga Hausmann B.Sc. thematisiert eine kompakte Fabrikstruktur, die in einem vertikal organisierten Modul realisiert wird. Durch die Addition

des Moduls entsteht ein Riegel, der die erforderliche Flexibilität der Fabrik durch modulare Erweiterbarkeit ermöglicht. Der Entwurf positioniert sich am westlichen Rand des Industrieparks Avantis an der deutsch-niederländischen Grenze in direkter Beziehung zur Autobahn A76. Von der Autobahn ist durch Showboxen in der Fassade, in denen die fertigen „Street Scooter“ gelagert und ausgestellt werden, das hergestellte Produkt bereits erkennbar. Der Fabrik-Riegel ist gegliedert in drei Zonen. Auf der Autobahn abgewandten Seite befinden sich der Eingangsbereich und die Besucherzone, in der Besucher über Treppen und Aufzüge die verschiedenen Fertigungsschritte in der Fabrik besichtigen ohne die Produktion zu stören. An den Besucherbereich schließt der auf mehreren Ebenen angeordnete stützenfreie Produktionsbereich an. Der Ablauf der einzelnen Produktionsschritte erfolgt in dem Gebäude von unten nach oben. So bleiben die schweren Maschinen, wie Pressen und Anlagen für die Lackierung, auf der unteren Ebene der Fabrik. In jeder Ebene können flexibel und in direktem Bezug zu der

Büro- und Technikebenen eingehängt sowie Versorgungskerne positioniert werden. Auf der Seite der Autobahn befindet sich ein Regal für Anlieferung, Lagerung und Transport der benötigten Materialien zwischen den Ebenen sowie zur Führung der Technik und der Erschließungskerne. Der Produktionsbereich und das Regal sind in Stahlbetonfertigteilbauweise geplant und übernehmen Teile der Gebäudeaussteifung. Durch die Fassadengestaltung wird das Bild des Riegels unterstützt. Die Fassade im Bereich des Lagers und der Produktion ist vollständig geschlossen. Die geschlossenen Elemente werden durch horizontal angeordnete Stahlkassettenprofile gebildet, die mit Faserzementplatten verkleidet sind. Im Bereich der Besucherzone ist die Fassade geöffnet und ermöglicht über eine Glasfassade die natürliche Belichtung und Belüftung der Produktion. Insgesamt ist so ein stark strukturiertes Gebäude entstanden, welches durch seine vertikale Orientierung ein hohes Maß an Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Bereichen ermöglicht und einen innovativen Ansatz für die Konzipierung von Industriegebäuden darstellt.

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Grundriss

158 Schnitt


Ansicht

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Der neue „Atzelbergturm“ Lehrstuhl für Tragkonstruktionen Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin Trautz M1 WS 2010/11 Yanjia Sun

Entwurf

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Die Bearbeiterin zitiert die Form des alten Atzelbergturms als Prisma mit dreieckigem Grundriß, erzeugt jedoch durch keilförmige Ausschnitte zur Turmmitte hin eine prägnante Form, deren Dynamik durch die dreieckigen Gittermaschen des Tragwerks noch unterstützt wird. Die Struktur erscheint je nach Betrachtungswinkel filigran und transparent oder flächig und geschlossen und schafft durch dieses Wechselspiel zusätzliche Spannung. Die Tragkonstruktion besteht aus hölzernen Gitterscheiben, die durch die Aussichtsplattform und drei Zwischenebenen verbunden und ausgesteift werden. Die als horizontale Stahlrahmen ausgeführten Zwischenebenen bilden gleichzeitig die Montagestöße für die in vier Abschnitten vorgefertigte Konstruktion und dienen als horizontale Halterung der in den Turm eingestellten schlanken Stahltreppe.

Konzept


Explosionsansicht

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Grundriss +/- 0.00 m

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Eingang

Grundriss +/- 18.24 m

Grundriss +/- 33.44 m

Treppen


Schnitt

Ansicht

Perspektive

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Velo City Köln City Camping Köln

Lehrstuhl für Wohnbau und Grundlagen des Entwerfens Univ.-Prof. ir. Wim van den Bergh Projekt M1 WS 2010/11 Ulrike Pelzer

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Schnitt


EG

Modul 4

Modul 3

Modul 2

Modul 1

Dach

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45-51 Park Place - New York

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Alles begann harmlos: Vor einem Jahr kaufte ein Immobilienunternehmen mit dem unverfänglichen Namen „Soho Properties“ ein heruntergekommenes fünfstöckiges Gebäude in Lower Manhattan für 4,85 Millionen Dollar in bar. Die Adresse, 45-51 Park Place, liegt nur 2 Straßenzüge vom einstigen World Trade Center entfernt. Am 11. September 2001 wurde das als Textilfabrik genutzte Gebäude von herumfliegenden Flugzeugtrümmern schwer beschädigt. Seither stand es leer und wurde von den New Yorkern nicht weiter beachtet. Das hat sich radikal geändert, seitdem bekannt wurde, dass die so genannte Cordoba Initiative, ein Verein zur Förderung der Verständigung zwischen dem Westen und der muslimischen Welt, hinter

dem Immobiliendeal steht. Sie will dort ein 13-stockiges Gebäude errichten. Geplant ist, in dem neuen Haus eine Theaterbühne und ein Fitness- Center einzurichten, ein Schwimmbad – und eine Moschee. Reymer Klüver, in: Minarette für Manhattan, Süddeutsche Zeitung, 20.7.2010 Die Diskussion um dieses Haus füllt momentan viele Zeitungsartikel und Foren. Gegner des Projektes wünschen sich einen anderen Standort, fernab vom Ground Zero. Die Initiatoren halten dagegen. Wir gehen davon aus, dass die Lösung des Problems des umstrittenen Bauprojektes nicht in der Verschiebung des Ortes liegt.

Der Entwurf steht unter der Präambel, dass wir eine Moschee für Manhattan bauen wollen. Es sind verschiedene Fragen zu lösen: Was kann Architektur? Welche Programme dienen wozu? Welches Programm beinhaltet das Gebäude? Wie stark prägt das Programm ein Gebäude? Wie lassen sich unterschiedlichste Programme stapeln? Die Typologie der Moschee und verschiedene Typologien Manhattans bieten Hinweise auf mögliche Antworten. Das begleitende Seminar leistet schon zu Beginn des Entwurfs Hilfe. Wir unterteilen das Seminar in 3 Teile: Workshop Kontext, Workshop Programm, Workshop Typologie.


45-51 Park Place Lehrstuhl f체r Geb채udelehre Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhardt Projekt M1 WS 2010/2011 Andrea Kuhn

A mosque is more than just a prayer room. In the historic Islamic-Arabian city, the spiritual center was formed by a mosque in combination with other scientific institutions. The surrounding bazaar, which is oriented towards the spiritual center, is the economic hub and location for casual communication and news

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3. Geschoss Bazar

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exchange. The mosque provides room to pray and if it gets too crowded on busy Fridays, groups of Muslims spill out of the mosque to form a new landscape that extends beyond the walls and into the narrow alleys of the bazaar. For the design, this urban condition is translated to a given lot in New York City. In this new context, the urban elements are stacked and the cross section of an Arabic city is now positioned vertically with the mosque at its end point on top of the building. A common typology in Arabian architecture, the courtyard, defines the edges of the prayer rooms in this design. Overlapping, they recall the mazelike structure of a bazaar and provide room for people that cannot fit into the mosque’s prayer space on crowded Fridays. While the prayer rooms are oriented towards Mecca, the secular functions of the program align with Manhattan’s grid.


7. Geschoss Bibliothek

12. Geschoss Hammam

13. Geschoss Moschee

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45-51 Park Place - New York Lehrstuhl für Gebäudelehre Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhardt Entwurf WS 2010/11 Frédéric Schnee

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Islamic culture initially stems from nomadism. The arrival of Islam in urban culture led to a strong assimilation of architectural elements found there in the urban tissue. The house of Mohammed, which did not adopt any regional and historical influences, can be considered as the ideal and the original state of the mosque. Throughout history this typology is shaped by regional and historical elements. That means it can be interlaced in any urban structure and will assimilate to specific features found there. The mosque should not be understood as a sacred space, but as an architecturally austere room in the social and spiritual sense. The ritual-specific physical movements and gestures characterize the space. The mere direction to Mecca transforms any location for the period of prayer into a timeless space. It picks up physical distances and gives the place a sacred character. Therefore it seems to me crucial to work with the actual existing building and propose subtle interventions. The new core of the inner structure follows a system of the new functions while the surrounding existing rooms stick to the original grid. This overlapping of the original and the added system creates friction and interaction. The outer frame is shaped by New York’s urban tissue and therefore the added facade should restrain highly neutral.


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Planning for real Zwischen Fluss und Stadt Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus Selle Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Kunibert Wachten M1 SS 2011 Ulrike Sommer (1. Preis) Carolin Wiechert (1. Preis) Susanne Willmes (Anerkennung)

Im Sommer 2011 erarbeiteten Studierende aus fünf deutschen Hochschulen (RWTH Aachen, Detmold, TU Dortmund, TU Dresden, Höxter) Ideen für die stadtund landschaftsplanerische Entwicklung zwischen Schwerter Innenstadt, Rohrmeisterei und Ruhr. Eine zentrale Rolle im Projekt spielte die so genannte Sommerakademie bei der die Studierenden aller teilnehmenden Hochschulen während eines Vor-Ort-Workshops vom 18 bis 21. Mai 2011 in interdisziplinär zusammengesetzten Gruppen in der Rohrmeisterei Schwerpunkte der Aufgabenstellung in Stegreif-Form erarbeiten.

Mit den vorliegenden Konzepten erhält die Stadt Schwerte vielfältige Anregungen für die weitere Diskussion über die Zukunft dieses vielgestaltigen Raumes zwischen (Innen) Stadt und Fluss. Seitens der Auslober wurden Preisgelder in einer Gesamthöhe von 2.000 Euro vergeben. Die Aachenerinnen Carolin Wiechert und Ulrike Sommer erzielten die zwei gleichrangigen ersten Plätze, ein Sonderpreis ging an Susanne Willems. Die Rohrmeisterei Schwerte ist ein aus bürgerschaftlicher Initiative entstandenes gemeinnütziges, selbständig und subventionsfrei wirtschaftendes Veranstaltungs-

zentrum für Kultur und Gastronomie in interessanter landschaftlicher und städtebaulicher Lage in Trägerschaft einer Bürgerstiftung. Im Rahmen eines studentischen Ideenwettbewerbes wurden Anregungen und Visionen für die Entwicklung einer Fläche zwischen dem Kulturzentrum Rohrmeisterei (Industriekulturdenkmal mit Landschaftspark), dem Marktplatz (Wuckenhof) und der historischen Altstadt Schwertes gesucht. Diese stellt bislang ein ungenutztes Verbindungselement zwischen Fluss und Auenlandschaft auf der einen und Innenstadt auf der anderen Seite dar.

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Das Gelände soll ab 2012 unter drei Aspekten entwickelt werden, die gleichzeitig die Aufgabe des studentischen Projektes definierten: 1. Stärkung der Verbindung zwischen Innenstadt und Fluss durch eine anspruchsvolle Freiraumgestaltung mit Erhalt des Grünzugs, Anlegen von Wegeverbindungen und Ergänzung von Landschaftspark und Industriedenkmal durch einen folgerichtigen dritten Baustein; 2. Errichtung eines Neubaus, in dem die Brauanlage und der Ausschank der ersten und einzigen Schwerter BioBrauerei sowie ein Gästehaus für Künstler, Radfahrer, Rohrmeisterei-Gäste eingerichtet werden sollen. Das Brau- und Gästehaus Schwerte soll einen weiteren Baustein eines „Kreativquartiers“ rund um die Rohrmeisterei bilden. Zudem sollen Realisierungsmöglichkeiten für Wohnungsbau geprüft werden. 3. Verbesserung der prekären Parkplatzsituation durch ökologisch verträgliche Schaffung zusätzlicher Parkplätze für Innenstadt und Rohrmeisterei in Verbindung mit einem elektronisch vernetzten Parkleitsystem.

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Uferlos Gestaltung der Rheinpromenade Basel Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur Univ.-Prof. Dr-Ing. Frank Lohrberg Projekt M1 WS 2010/2011 Barbara Dirks Frederike Kluth

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„Die Baseler Rheinpromenade ist einer der zentralen und meistgenutzten Freiräume der Stadt. Durch ihre Exposition, den direkten Wasserzugang und die Innenstadtkulisse ist sie der beliebteste Treffpunkt und Aufenthaltsort Basels. Die Verschlechterung des baulichen Zustands der Promenade und die bevorstehende Nutzungsänderung benachbarter Areale bieten Anlass für eine Auseinandersetzung mit der künftigen Entwicklung.“ (Auslobungstext Ideen- und Projektwettbewerb „Rheinpromenade Kleinbasel“) Der Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur hat den vom Kanton Basel ausgelobten Wettbewerb zum Anlass genommen mit Studierenden der Architektur ein Arbeitsfeld von besonderer Aktualität zu bearbeiten: die Wasserlagenentwicklung. Eine Exkursion nach Basel und Zürich führte in die Aufgabe, Vorbildprojekte der Ufergestaltung und die Besonderheiten der Schweizer Landschaftsarchitektur ein. Der Entwurf von Barbara Dirks und Frederike Kluth nähert sich mit großer Sensibilität der Situation der städtischen Promenade im Übergang zur Landschaft und versteht mit behutsamen Eingriffen den Charakter des Ortes aufzuwerten. Die Zonierung in Bereiche mit unterschiedlichen Nutzungs- und Aufenthaltsqualitäten überzeugt durch die konsequente Umsetzung in der landschaftsarchitektonischen Gestaltung durch Raumbildung, Vegetation, Relief und Zugänge.

Perspetkive Uferpromenade


Schnitt

Prinzipien

Konzept

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Auditorium Lehrstuhl Baukonstruktion Univ.-Prof. Dipl.-Ing. H.N. Schneider B2 - Integrierte Projektarbeit (IP) SS2011 Sven Aretz Patrick Pack Fabian Stolz Benedikt Surmann David Wischniewski

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Stetig steigende Studierendenzahlen und der erwartete doppelte Abiturjahrgang führen an der RWTH, insbesondere bei der Hörsaalkapazität zu einem größeren Raumbedarf für die Lehre. Als Aufgabe für das IP sollte daher im geplanten Hochschulerweiterungsgebiet Campus-Melaten ein kleines Hörsaalzentrum entstehen. Kernstück des Baus bildete ein Hörsaal mit 400 Plätzen. Darüber hinaus waren drei weitere kleine Hörsäle/Seminarräume für jeweils 100 Hörer vorgesehen. Neben den Unterrichtsräumen waren die entsprechenden Nebenräume für Haustechnische Anlagen (Raumlufttechnik), Sanitär sowie eine Foyerzone vorzusehen. Nahe dem Melaten-Boulevard gelegen, versucht der Entwurf den Spagat zwischen ästhetischer Gestaltung und Flexibilität, da die Nutzung als Hörsaalzentrum nur als vorübergehende Aufgabe des Bauwerks gedacht war. Mit seiner länglichen Struktur schirmt der Baukörper nicht nur die benachbarten Grünstrukturen vom Boulevard ab, sondern versucht auch spielerisch den Bewegungsfluss des nahe liegenden Straßenraumes aufzunehmen, indem er seine Besucher mittels klar definierter Eingangssituationen über einen geradlinigen Flur durch den gesamten Bau schleust.

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Die Abfolge von überdachtem Freiraum, verglastem Foyer und letztlich geschlossenen Räumen lässt einen differenzierten Übergang vom Außen- in den Innenraum entstehen. Auf Grund einer strukturierten Reihung der einzelnen Raumprogramme setzt sich die klare Geometrie des Baus auch in der Anordnung der Räumlichkeiten fort. Dem Prinzip der Einfachheit folgend, war auch die

technische Ausbildung Ergebnis ständiger Hinterfragung. Der als Holzrahmenbau konzipierte Trakt entwickelt sich über die Addition nahezu eigenständiger, konstruktiver Abschnitte zu einer stützenfreien Halle, die einen frei bespielbaren, und durch einfache Wandsysteme einteilbaren, Raum entstehen lässt. Während die im Inneren entstehenden Räume geschlos-

sen und schachtelartig eingesetzt wirken, umschließt eine Glasfassade das gesamte Bauwerk. Akzentuiert wird das Prinzip der modularen Reihung und schlauchartigen Ausbildung durch einen hüllenartigen Vorsatz aus Holzlamellen, die nicht nur die horizontale Wirkung auflockern, sondern dem Bau einen homogenen und letztlich eleganten Charakter vermitteln.


Grundriss

Schnitt

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LebenWohnenStadtHaus Lehrstuhl und Institut für Wohnbau und Grundlagen des Entwerfens Univ.-Prof. ir. Wim van den Bergh B1 SS 2011 Laura Kerger

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LebenWohnenStadtHaus Der Traum vieler junger Familien von der eigenen Immobilie und der freien Umsetzung individueller Wohnbedürfnisse ist immer noch eng verbunden mit dem Klischee des freistehenden Hauses auf der grünen Wiese. Durch einen erweiterten Begriff des Wohnens der auch Aspekte des städtbaulichen Kontextes und die Qualität der privaten Aussenräume berücksichtigt soll dieses Klischee hinterfragt werden, denn oft endet der Traum vom eigenen Haus in der Monotonie der Vorstadt. Großen Anteil an der Misere der städtischen Peripherie haben der Mangel an urbaner Dichte sowie die fehlende Qualität der öffentlichen und privaten Aussenräume. Dementsprechend sollen bei der Bearbeitung der Aufgabe diese Aspekte im Mittelpunkt stehen. Eine

verdichtete, dem Kontext angemessene Bauweise, großzügige, private Aussenräume wie Patio, Terrasse, Hof, Loggia, Dachgarten sowie deren intelligente Verknüpfung mit den Wohnräumen sollen ein PLUS an Wohn- und Lebensqualität erzeugen und damit eine echte Alternative zur Anonymität peripherer Siedlungsstrukturen sein. Als Ergebnis soll auf einem Gundstück im Aachener Stadtteil Seffent ein unverwechselbarer Wohnort mit 7 Wohneinheiten entstehen. In einführenden Übungen und Vorlesungen wird ein umfangreicher Fundus an Wohnbautypologien als Werkzeug zur Entwurfsbearbeitung vorgestellt und in 3 Maßstabsebenen analysiert. Eine Tages-Exkursion nach Amsterdam führt anhand beispielhafter Projekte in die Vielfalt und Tradition

holländischer Wohnbautypologien ein. Die Exkursion wird mit den aktuellen Tendenzen des niederländischen Wohnbaus bekannt machen, aber auch einen tiefen Einblick in die reiche Geschichte der niederländischen Wohnbaukultur bieten. Das Grundstück befindet sich im Zentrum des idyllischen Aachener Stadtteils Seffent, unmittelbar gegenüber der Burg Seffent. Das Ortsbild von Seffent wird von einer weitgehend erhaltenden, historschen Weilerstruktur geprägt. Der Ortname leitet sich vom lateinischen Septem Fontes, den „Sieben Quellen“ ab, die Seffent zu einem beliebten Ausflugsziel der Aachener macht. Das sensible Einfügen der neuen Wohnbaustruktur in en historisch gewachsene Weiler ist eine besondere Herausforderung beui der bearbeitung der Aufgabe.


Der Entwurf einer Südost ausgerichteten , jeweils in 3 Abschnitte unterteilten tiefen röhrenförmigen Baustruktur versucht durch eine seitliche Verschiebung der Röhren Außenraum und Durchlässe in den entstehenden Lücken zu erzeugen. Der Außenraum ist jeweils den Einheiten zugeordnet. Die Belichtung der geteilten Röhren wird über die jeweiligen Enden realisiert. Die Zonierung und Raumgliederung der Grundrisse erfolgt über Niveau- Versprenge der Einzelröhren und eingestellte Regale. Die Grundstruktur fordert den Nutzer zur aktiven Verhandlung und Aneignung des Raumes auf. 185


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Grundriss 1. OG


Schnitt

Schnitt

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Stegreife | Seminare Impromptu Designs | Seminars

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Warte mal...

...auf die Campusbahn Aachen

Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur Prof. Dr-Ing. Frank Lohrberg Stegreif WS 2010/11 Alexander Koch

Aachen plant eine Campusbahn. Diese soll als erste Linie eines zukünftigen Stadtbahnsystems die wichtigsten Standorte der RWTH Aachen University am Rande und in der Mitte der Stadt verbinden. Wie kann die Bahn aber zusätzlich zu einem Identitätsträger und einem positiven Impuls für die Stadtentwicklung werden? Aachens Partnerstadt Reims und andere französische Städte machen es vor: moderne Leitungstechnik, individuelles Fahrzeugdesign und vor allem Investitionen in den öffentlichen Raum entlang der Strecke machen aus dem reinen Verkehrsmittel dort eine Stadtbahn im eigentlichen Sinne des Wortes. Eine wichtige Rolle übernehmen in einer solchen Zielsetzung die Haltestellen. Studierende des Lehrstuhls für Landschaftsarchitektur an der RWTH Aachen University haben sich daher im dreiwöchigen Stegreifentwurf „Warte mal…“ mit der möglichen zukünftigen Haltestelle der Campusbahn im Zentralbereich der Universität am Templergraben auseinandergesetzt. Alexander Koch entwickelt in seiner Arbeit eine skulpturale Haltestelle, der es gelingt, sich mit großem Respekt in das vorhandene Umfeld einzufügen. Über den bewusst reduziert ausgestalteten shared space des Straßenraumes hinweg verbindet ein Band die beiden wichtigsten Bauten des Standortes, das RWTH Hauptgebäude und Kármán-Auditorium. Das Hauptgebäude kann dabei auch weiterhin sein ihm gebührendes Kraftfeld entfalten. 190

Grundriss


Schnittansicht

Perspektive 1

Perspektive 2

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Einführen ins Entwerfen Lehrstuhl und Institut für Wohnbau und Grundlagen des Entwerfens Univ.-Prof. ir. Wim van den Bergh EE WS 2010/11 und SS 2011 Jara Baarlink

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„Einführen in das Entwerfen“ soll dem Studenten die Gelegenheit geben, spielerisch - und noch unbelastet von realitätsnahen Bauaufgaben – erste Erfahrungen mit dem Entwerfen zu sammeln. Um Entwerfen zu können, muss man sehen lernen. Gemeint ist, sich von selbstverständlich gewordenen Betrachtungsweisen zu trennen und Vertrautes mit neuen Augen zu betrachten, Materialien zu fühlen, Oberflächen zu riechen, Licht zu spüren...

Sehen lernen heißt aber auch vorhandene Zusammenhänge zu ersinnen und neue Perspektiven aus Altbekanntem zu entwickeln. Es gilt, sich selber Fragen zu stellen, eigene Antworten mit Unterstützung anderer zu suchen, einzukreisen und letztendlich vielleicht zu finden. Dieses Suchen ist das Spezifische des Entwurfsprozesses. Ziel ist, sich einen Standpunkt zu erarbeiten und Position zu beziehen und auf der Grundlage von Gefühl und Verstand eine Antwort zu finden.

Um „Sehen zu lernen“ beschäftigen sich die Studenten mit Begriffen wie Wahrnehmung, Ort, Funktion, Mensch oder Maß. Die Aufgaben nehmen hierbei an Komplexität zu. Aspekte, die zunächst im Einzelnen betrachtet werden, fügen sich nach und nach zu einem komplexen Ganzen.


Übung1: „MiniZuhause“ Mit der ersten Entwurfsübung zum Thema Mensch und Maß soll in einem vorgebenen maximalen Raumvolumen von 3.60m x 3.60m x 3.60m ein vollständiger Wohnraum für ein bis zwei Personen entwickelt werden. Die beschränkte Größe erfordert eine geschickte, räumliche Ausnutzung des Volumens in welchem die Handlungen des Wohnens mit Ihren jeweils spezifischen maßlichen Bedürfnissen auf intelligente Weise komprimiert und miteinander verknüpft werden. Der Vorschlag von Jara Baarlink entwickelt innerhalb eines fein untergliederten Raumgerüstes eine vielschichtige Folge von wohlproportionierten Wohnräumen. Mittels textiler Bespannungen und Ausfachungen werden nun die ineinander fließenden Raumsequenzen entsprechend Ihrer Nutzung und Wohnatmosphäre ausdifferenziert. Es entsteht so ein eigenständiger Entwurf eines komplex verflochtenen, 3-dimensionalen „Mini Zuhauses“.

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Übung2: „Unterirdische Raumskulptur“

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Mit der zweiten Entwurfsübung zum Thema Mensch und Raum werden die Wohnräume einer Gemeinschaft mit mindestens 10 Personen entwickelt. Alle Wohnräume werden dabei jeweils Ihren spezifischen Raumanforderungen entsprechend aus der Masse der Erde herausgearbeitet wobei der natürlichen Belichtung sowie der sequenziellen Anordnung der Räume untereinander oder der Ausformulierung von Raumübergängen besondere Wichtigkeit zukommt. Mit dem Vorschlag von Jara Baarlink entsteht eine unterirdische Welt für eine Gemeinschaft der Kletterer welche sich aus vier verschiedenen, nach spezifischen Anforderungen der Kletterer entwickelten Haupträumen, aufbaut. Die Wohnräume der Gemeinschaft werden jeweils auf unterschiedlichen Niveaus angeordnet, über die Haupträume erschlossen und erhalten natürliche Belichtung durch Lichtschächte. Mit den jeweils geschickt aufgebauten Raumübergängen zwischen den plastisch durchgebildeten Haupträumen und den geschickt angelagerten Wohnräumen entsteht eine kontinuierliche bekletterbare, spannungsreiche Innenwelt innerhalb der „Unterirdischen Raumskulptur“.


Übung3: „Citypool“ In der dritten Entwurfsübung zum Thema Mensch und Ort werden die entwurflichen Möglichkeiten für ein öffentliches Bad an einem spezifischen Ort im städtischen Kontext, auf einem besteheden Hochbunker untersucht. Besonderes Augenmerk gilt hier der entwurflichen Auseinandersetzung mit dem Kontext, des öffentlichen Stadtraumes und dessen Geschichte, sowie mit der unmittelbaren Umgebung des Hochbunker selbst. Der Entwurf von Jara Baarlink greift geschickt den Perimeter des Hochbunkers, sowie dessen charakteristischen Dachabschluß mittels Satteldach auf, und überhöht diesen mit einer offenen, dachstuhlartigen Konstruktion aus Wandscheiben. Zwischen den labyrintisch angeordneten Scheiben entwickelt sich nun ein öffentliches Feibad welches die unterschiedlichsten räumlichen Qualitäten, zwischen Intimität und Öffentlichkeit gekonnt aufzubauen weiß. Mit diesem Entwurf gelingt eine Vorstellung für eine unverwechselbare, kontextuelle Architektur als „Citypool“.

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Atmosph채renEmotionale R채ume Lehrstuhl f체r Bildnerische Gestaltung Univ. Prof. Thomas Schmitz WahlmodulWS 2010/11 Betreuer: Tobias Becker

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Abb.: links: Timon Frank, links: Anne Schulze, Rita Fabry, Andrea van de Sand

Unsere subjektive Verfassung hat - mitunter erheblichen - Einfluss auf die Wahrnehmung des Raumes, der uns umgibt. Wir reagieren nicht nur auf die Atmosphären gegebener Räume, mit unserer subjektiven Wahrnehmung generieren wir ebenso Räume. Gefühle wie Nervosität, Neugierde, Langeweile, Freude oder Neid, um nur einige zu nennen, sie alle bilden Räume, in denen wir uns bewegen. Diese Räume folgen einer eigenen Logik und lassen den gegebenen, äußeren Raum schrumpfen, durchsichtig werden oder hell erleuchten, lassen ihn zart oder statisch wirken. Mit unseren Gefühlen modellieren wir den Raum um uns herum nach eigenen Gesetzen. Diese Räume sind unsere Realität. Welche Möglichkeiten bieten sich, diese subjektiv generierten und erlebten Räume bildnerisch darzustellen?

Mit einfachen Übungen haben wir versucht, uns diesen oft flüchtigen Empfindungen und Zuständen anzunähern. Über die Auseinandersetzung mit den elementaren Dimensionen des Erlebens - Körper, Raum, Handlung und Material - haben wir verschiedene künstlerische Strategien erprobt und für unsere Absichten nutzbar gemacht. So erprobten wir beispielsweise anhand alltäglicher Handlungen, inwieweit diese in ihrer Repetition als formgebendes - und somit skulpturales - Prinzip wirksam werden und darüber Stimmungen und Verfassungen kommunizieren können. Die Verhandlung emotionaler Räume, in denen wir in so vieler Hinsicht leben, galt es hierbei nicht in eine äußere - architektonische oder bildnerische - Form zu übersetzen, sondern am Alltäglichen durch das Alltägliche zu visualisieren.

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WerkzeugDenkzeug... Lehrstuhl f端r Bildnerische Gestaltung Univ. Prof. Thomas Schmitz Workshop WS 2010/11 190


Werkzeug – Denkzeug. Zur Transmedialität kreativer Prozesse Workshop 11./12. 02. 2012 Die Bedeutung des Körperlichen in kreativen Prozessen, so die Überzeugung des Initiators Univ.-Prof. Dr. Ing. Thomas H. Schmitz vom Lehrstuhl für Bildnerische Gestaltung der Fakultät für Architektur, muss neu diskutiert werden. Neurologischen Erkenntnissen zufolge steht das Intelligenzvermögen des Geistes in Abhängigkeit zu seinem Körper. Denken wir also mit unserem Körper? Wie verändern die weniger haptischen ‚neuen Werkzeuge/ Medien’ die Ergebnisse unseres Schaffens? Der Workshop „Werkzeug – Denkzeug. Zur Transmedialiät kreativer Prozesse“ der am 11./12.2.2011 gemeinsam von Univ.-Prof. Dr. Jan Borchers (Medieninformatik), Prof. Dr. phil. Karin Herrmann (Brain/Concept/Writing, HumTec), Univ.-Prof. Dr. Klaus Willmes von Hinckeldey (Neuropsychologie) und Prof. Irene Mittelberg, Ph.D. (Natural Media & Engineering, HumTec) veranstaltet wurde, initiierte einen interdisziplinären Dialog über die Interaktion von Mensch, Produkt und Werkzeug. Begleitet wurde die Veranstaltung von den Ausstellungen „Transmediale Werkprozesse“ (Tobias Becker) und

„Energy Tools“, hybride Designobjekte aus Sitzmöbeln und Fitnessgeräten (von Produktdesignstudenten aus Karlsruhve, ZKM).Die ersten Beiträge der Veranstaltung zur Erläuterung der Begriffe wie „Werk-/Denkzeug” und „Transmedialität” zeigten die Komplexität der Fragestellung. Die These von Meisenheimer, dass der Leib das wichtigste Werkzeug der Erkenntnis sei, eröffnete die Auseinandersetzung, die durch die Beiträge über Gestik und Semiotik unterstützt wurde. Es ging weniger um die Vor- und Nachteile analoger wie digitaler Methoden, sondern vielmehr um die Herstellung eines Erfahrungs- und Körperwissens. Anhand von Fallbeispielen u.a. der gestalterischen Disziplinen wurden kreative Strategien vorgestellt, z.B. ein kalligraphisch die Bibel schreibender Industrieroboter der Künstlergruppe Robotlab. Die Improvisation von Jacques Coursil (Trompete) und Heribert Leuchter (Saxophon) schloss den ersten Tag mit einem multimodalen Erlebnis ab. Die Untersuchungen zur „Wechselwirkung von Hirn, Hand und Werkzeug” von Binkofski und zur „Menschlichen Informationsverarbeitung beim Werkzeuggebrauch“ von Müsseler vertieften am zweiten Tag die theoretisch-gestalterischen Aspekte durch neurologi-

sche und psychologische Erkenntnisse. Grunwald verstand es, seinem Publikum die Relevanz des menschlichen Tastsinnessystems zu verdeutlichen – sein vollständiger Verlust wäre mit den biologischen Grundprinzipien des Lebens nicht vereinbar. Abschließend verließ man das Gebäude der Fakultät für Architektur und ging auf FabLabTour zur Medieninformatik. Dort wurde in die Zukunft der Personal Fabrication (eine digital, individuell benutzbare HardwareProduktionstechnik) eingeführt. Die Frage nach der Gestalt und Gestaltung von Dingen fordert eine interdisziplinäre Auseinandersetzung, wie sie dieser Impulsworkshop geleistet hat. Dabei angestoßene Gespräche und Aktivitäten deuten darauf hin, dass durch diese Veranstaltung zukünftige Forschungskonstellationen und -themen im Umfeld von Körper, Kognition und kreativen Prozessen entstehen werden. Der Workshop konnte Dank der finanziellen Unterstützung der Interdisziplinären Foren der RWTH Aachen und der Freunde des Reiff der Fakultät für Architektur durchgeführt werden. Autoren: Thomas H. Schmitz, Hannah Groninger

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Formprozess Lehrstuhl f端r Bildnerische Gestaltung Univ. Prof. Thomas Schmitz Wahlmodul WS 2010/11 Matthias Loth

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Abb.: links: You Youn-Jeon, rechts: Sarah Peters, Jan Tölle, You Youn-Jeon

Vom Material zur Fläche in den Raum Unser Ziel war es, an einem flächigen Halbzeug Form generierende Prozesse unterschiedlichster Art unter dem Gesichtspunkt der architektonischen Gestaltfindung zu untersuchen und systematisch zu dokumentieren. Die Annäherung an das Thema geschah zum einen im intuitiven physischen Zugang durch gestaltgebende, physische Stresstests, oder durch experimentelle Eingriffe wie freie oder systematische Faltungen, Krümmungen und Schnitte per Hand. Andererseits wurden mathematische und geometrische Grundlagen wie

Kombinatorik und Tessellation modularer Flächen und Körper untersucht, als Basis für systematische, oft auch digital generierte kleine Projekte, in denen Probleme wie z.B. Fügungen untersucht wurden. Im Verlauf des Kurses bestand eine Kooperation mit dem FabLab der Media Computing Group der RWTH. Die Möglichkeiten, mit Hilfe von Rapid-Prototyping-Verfahren immer präzisere und immer komplexer werdende Strukturen zu schaffen machen die händischen Modelle aber nicht etwa ersetzbar. Diese haben ihren Sinn in der Entwicklung eines fundierten Verstehens der oft komplexen räumlichen Probleme. Oft entstanden gerade an den

Schnittstellen analoger und digitaler Techniken neue Ideen, beispielsweise in den Meetings, in denen die einzelnen Arbeiten in der Regel am Modell diskutiert und weiterentwickelt wurden. Die hier gezeigten Resultate stehen als Objekte für sich. Sie stellen jedoch nicht ohne Grund Erkenntnisse und Analogien zu Topografie, Stadt-, Organisations- oder Konstruktionsstrukturen auf, die durch eine fotografische Dokumentation sichtbar und vergleichbar werden. Wahlpflichtseminar WS 2010/11 Betreuer: Univ-Prof. Thomas Schmitz, Matthias Loth

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SW-Forschungslabor Lehrstuhl f端r Bildnerische Gestaltung Univ. Prof. Thomas Schmitz Stegreif WS 2010/11 Betreuer: Tobias Becker

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Für diesen Stegreif (WS 2010 und SS 2011) haben wir unser S/W-Fotolabor umfunktioniert in ein „ästhetisches Forschungslabor“. Anhand selbst mitgebrachter transparenter Materialien (Bonbonpapiere, Folien, Gemüse, zähe Flüssigkeiten etc.) jenseits des klassischen SW-Negativmaterials sollten die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Labortechnik ausgetestet werden. Durch experimentelle Eingriffe, Fehler und Störungen, unkonventionelles Negativmaterial, kurz: durch den „Missbrauch“ der Apparatur im Prozess der Belichtung und Entwicklung des Fotopapiers entstanden unvorhersehbare Bildästhetiken, die in der Dunkelkammer zu erforschen waren. Hierbei entstandene, interessante Beobachtungen galt es in seriell angelegten Arbeitssreihen gestalterisch zu verdichten. Dieser Stegreif jenseits aller digitalen Techniken wird auch in Zukunft mit Abwandlungen jedes Semester angeboten werden. Betreuer: Tobias Becker

Abb.: links: Diana Köhler, rechts: Denise Hesselmann, Diana Köhler, Stefanie Herrmanns, Milica Vrbaski, Emeline Gayerie

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BiG on the Road: Balkan Lehrstuhl f端r Bildnerische Gestaltung Zeichenexkursion Wahlpflichtseminar SS 2011 Univ.-Prof. Thomas Schmitz

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Das Veranstaltungsformat ‚BiG_OnTheRoad‘ hat sich die Thematisierung der Orte und des Reisens zum Ziel gemacht. Exkursionen führen uns von dem Gewohnten weg zu neuen Erfahrungen und ‚Zu neuen Ufern‘. Die Eindeutigkeit der Situation ‚Zeichen-Exkursion‘ schafft für die Beteiligten an einer solchen Unternehmung eine kreative Atmosphäre, die jede/n Einzelne/n ‚beflügeln‘ kann. Alle beschäftigen sich in dieser Zeit (fast!) ausschließlich mit einer Sache: Dem Zeichnen, Malen und Fotografieren. Dies hat auch noch einen ganz langsam sich entwickelnden Nebeneffekt, der uns aber wichtig ist: Eine von Tag zu Tag sich verfeinernde Sensibilität für die sinnliche Erscheinung und die physische Präsenz der Dinge: des Ortes-der Landschaft-der Materialien-der Tageszeiten-des Himmels Eine ganz von selbst entstehende Regelmäßigkeit der Arbeit verändert darüber hinaus die Wahrnehmung einer fremden Stadt in einem ganz anderen, wesentlichen Punkt: Alle nehmen schon nach wenigen Tagen an dem städtischen Treiben mit einer gewissen Selbstverständlichkeit teil; und zwar nicht mehr als Außenstehende, sondern mit dem Gefühl, dazuzugehören. Betreuer: Univ.-Prof. Thomas Schmitz, Stephanie Binding, Jan Jermer

, Jan Jermer

Abb.: links: Heinrich Altenmüller, rechts: Jan Grüneberg

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Abb.: links: Lisa Winkelhofer, rechts: Lisa Winkelhofer, Leonard Wertgen, Heinrich Altenm端ller

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Die Bandbreite der Tätigkeiten in der Erforschung der Bauhistorie und historischer Bauobjekte sowie des Managements derselben, die im zeitgenössischen Jargon mit dem Begriff ‚Cultural Heritage‘ in Verbindung gebracht wird, ist zentraler Gegenstand dieser Serie-A-Ausgabe. Darüber hinaus zeigen wir - wie gewohnt - die besten Beispiele aus der Entwurfstätigkeit unserer Studierenden und der vielfältigen Lehr- und Forschungsaktivitäten unserer Fakultät aus dem Jahr 2011. ISBN 978-3-936971-28-6


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