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2010 ¥ 12 ∂
Wohnhaus in Enschede Casa d’abitazione a Enschede Architekten: 2012Architecten, Rotterdam Jan Jongert, Jeroen Bergsma Mitarbeiter: John Bosma, Frank Feder Tragwerksplaner: Nico Plukkel Bouwkundig, Haarlem weitere Projektbeteiligte S. 1448
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Die Geschichte der »Villa Welpeloo« in Enschede begann mit einem lauten Knall: Am 13. Mai 2000 verwüstete die Explosion eines Lagers für Feuerwerkskörper weite Teile von Roombeek im Norden der 150 000-Einwohner-Stadt. Schon zuvor hatte das ehemalige Indus trie- und Arbeiterquartier, in dem eine Brauerei und mehrere Textilfabriken ihren Sitz hatten, als Sanierungsgebiet gegolten. Nun jedoch standen gleichsam über Nacht 40 Hektar Fläche zur Neubebauung an. So wurde Roombeek zu einem der größten Entwicklungsgebiete innerhalb des niederländischen Wohnungsbau programms VINEX. Die Villa Welpeloo steht im Südosten von Roombeek, wo vor allem Einfamilienhäuser gehobenen Standards von teils international bekannten Architekten entstanden sind. Die Geschichte ihres Standorts ist der Villa gleichsam in die DNA eincodiert: Rund 60 % des Neubaus bestehen aus wiederverwendeten Materialien, zumeist Industrieabfällen von Unternehmen aus der näheren Umgebung. Neu sind nur die Betonfundamente, die gebäudetechnischen Installationen, die Gipskartonverkleidungen von Wänden und Decken, die Dichtungsbahnen, Innenputz und Farben sowie der Kunstharz boden und die Fenster. Die Fassaden verkleidung besteht aus den Überresten
von rund 1000 großen Kabeltrommeln aus Holz. Verwendet wurden allein die Bretter aus deren Achsen, die der Fassade mit ihrem leicht gekrümmten Querschnitt ihre besondere Struktur verleihen. Vor dem Einbau wurden die Hölzer wärmebehandelt, um ihre Haltbarkeit zu er höhen. Die Tragstruktur des Hauses besteht aus Stahlträgern, die zu 90 % aus einer alten Textilmaschine stammen. Da deren exakte Stahlqualität nicht mehr zu ermitteln war, legten die Tragwerksplaner für die Bemessung aller Querschnitte die schlechteste anzunehmende Stahlqualität zugrunde. Und weil die Stahlträger nicht wie sonst üblich »auf Maß« gefertigt werden konnten, legten die Planer lediglich die erforderlichen Mindestquerschnitte a fest. Die Wärmedämmung der Außenwände stammt größtenteils aus einem abbruch reifen, nahe gelegenen Industriebau; die Fachböden der Küchenschränke bestehen aus Holzlaminat, das aus alten Baustellenschildern gewonnen wurde. Auch der Scherenlift, der den Bauarbeitern als verfahrbares Gerüst diente, ist im Gebäude verblieben. Er steckt nun in einer Bodenaussparung zwischen Wohnraum und Küche und bewegt Objekte der Bauherrin − sie ist Designerin und Kunstsammlerin − zwischen den Etagen. Ein
großer, offener Raum, der als Kunstgalerie sowie zum Wohnen und Essen genutzt wird, bildet das Zentrum des mit 312 m2 Nettogeschossfläche recht geräumigen Hauses. Die Verwendung von Secondhand-Materialien ist für 2012Architecten kein ästhetischer Selbstzweck, sondern unterliegt einer genauen ökologischen Bilanzierung. Im Fall der Villa Welpeloo verursachte die Herstellung der Fassade nur 5 % der CO2-Emissionen einer entsprechenden Konstruktion aus Neumaterialien. Für die b Stahlkonstruktion beträgt dieser Wert 12 %. Auch auf die Rückbaubarkeit des Hauses wurde geachtet. Die Stahlkonstruktion 6 ist nicht verschweißt, sondern nur verschraubt: Alle Verkleidungen können jederzeit einfach ausgetauscht werden. 3 1 a Dauerhaft ist an diesem Gebäude lediglich 5 4 2 die Bodenplatte aus Beton. Die Villa bezieht Wärme für Heizung und Warmwasser aus dem lokalen Fernwärme7 netz. Abgesehen hiervon, spielte der energieeffiziente Gebäudebetrieb eine eher untergeordnete Rolle. Der Primärb beträgt laut energiebedarf des Hauses Energieausweis 133 kWh/m2a, davon allein 77 kWh/m2a für die Heizung. Im kompletten Gebäude ist ein zweites Rohrleitungssystem vorinstalliert, sodass das Haus später jederzeit mit einer Grauwasseranlage nachgerüstet werden kann.
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