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Portugals Regierung stellt neuen Sparhaushalt vor
BERLIN INTERN
Möglicher Kauf einer Steuer-CD sorgt für Wirbel BERLIN/BANGKOK. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich zurückhaltend über den möglichen Kauf einer SteuerCD durch Rheinland-Pfalz geäußert. Sein Ministerium werde den Fall selbstverständlich wie immer prüfen, sagte er gestern am Rande eines Finanzministertreffens in Bangkok. In der Debatte werde jedoch vieles „aufgeblasen“. Inzwischen müsse es mehr Informationen als Steuerpflichtige geben, sagte Schäuble. Zuvor hatte es Berichte gegeben, ein Datenhändler habe den rheinland-pfälzischen Steuerbehörden eine CD aus der Schweiz mit „ausgezeichneten“ Kontoinformationen angeboten. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) ließ gestern offen, ob das Land tatsächlich Daten über deutsche Steuersünder in der Schweiz kaufen wird. Eine Festlegung in diesem Fall würde die Arbeit der Steuerfahndung behindern, sagte er. Es sei ein Unterschied, ob man einen Kauf grundsätzlich befürworte oder einen konkreten Fall zu beurteilen habe. dri/hea
ä Merkel bereitet Boden für den Verbleib Athens im Euro.
Mit Griechen land zum Angriff
ä Steinbrück will Zustimmung der SPD für Hilfen verweigern. ä Kanzlerin ist zum Organisieren eigener Mehrheit gezwungen. Michael Inacker, Thomas Ludwig Berlin
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it der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Europapolitik am kommenden Donnerstag beginnt der Wahlkampf. Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende wird dann vor dem Parlament erstmals ihre intern inzwischen beschlossene Kehrtwende in der Griechenland-Frage vorbereiten. Zusammen mit ihrem wichtigsten Partner in der Regierung, Finanzminister Wolfgang Schäuble, bereitet sie den Boden, um Griechenland in der Euro-Zone zu halten – bislang war eine mächtige Strömung innerhalb ihrer Partei anderer Auffassung. Deshalb sollte jede neue Abstimmung zu Athen vermieden werden. Der Fraktionschef von CDU/CSU, Volker Kauder, schätzt das Herstellen einer eigenen Mehrheit für weitere Griechenland-Hilfen als schwierig ein. Dieses Dilemma sieht man in der SPD, und der designierte Kanzlerkandidat, Peer Steinbrück, will diese Situation zu einem ersten Angriff auf Merkel nutzen. „Die Zeiten, in denen die SPDFraktion der Regierung bei der Mehrheitsbildung ausgeholfen hat, sind vorbei“, heißt es im Umfeld von Steinbrück. Man habe es Merkel bei den vergangenen Abstimmungen zu Europa teilweise zu leicht gemacht. Wenn sie jetzt von ihrer ursprünglichen Skepsis bezüglich weiterer Hilfen für Grie-
Am Donnerstag treffen Merkel und Steinbrück erstmals als Kanzlerin und Kandidat im Bundestag aufeinander.
DPA; uRBAN; AFP
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ass die SPD mit ihren eigenen Bestsellerautoren nicht immer glücklich ist, hat bereits der Fall Thilo Sarrazin gezeigt. Nun rückt mit dem Berliner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky ein neuer Kandidat in den Fokus. Derzeit steht sein umstrittenes Werk „Neukölln ist überall“ an der Spitze der Sachbuch-Bestsellerlisten – und schon brandet in der Partei Protest auf: Das Buch verallgemeinere zu stark und ignoriere die Integrationsleistungen des Landes. Für gestern Abend nun war Buschkowsky ins Willy-Brandt-Haus eingeladen, um seine Thesen vorzustellen und mit der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Aydan Özoguz zu diskutieren. SPD-Chef Sigmar Gabriel musste krankheitsbedingt absagen. Doch schon bevor die Veranstaltung losging und sogar live im Internet übertragen wurde, machte der Bürgermeister des Problembezirks seine Überzeugung noch einmal deutlich: „Multikulti“ sei gescheitert, sagte er dem TV-Sender Phoenix. „Das ist aus meiner Sicht Sozialromantik.“ Zugleich forderte er neue Regeln für die Zuwanderung nach Deutschland. Manch ein Genosse dürfte da erschrecken. Schließlich hatte die SPD bei ihrem letzten Parteitag gerade erst betont, Deutschland sei eine „multikulturelle, vielfältige Gesellschaft, in der Integration millionenfach gelungen“ sei. hea
Gewerkschaften kündigen Generalstreik und Protestaktionen an.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: Die Euro-Rettung wird zunehmend zum Wahlkampfthema. chenland abrücke, müsse sie das begründen und für eine „eigene Mehrheit kämpfen“. Steinbrück wolle in seiner Antwort auf die Regierungserklärung die Widersprüche von Merkels Europapolitik und die Kosten der Griechenlandhilfen zum Thema machen.
Steinbrück steht vor Spagat Im Kanzleramt respektiert man die rhetorischen Fähigkeiten Steinbrücks, sieht aber nicht, wie der designierte SPD-Kanzlerkandidat „den Spagat“ hinbekommen will, als eigentlicher Befürworter von Griechenland-Hilfen diese nunmehr abzulehnen und somit eine ähnliche Position wie der ver-
femte Euro-Kritiker Thilo Sarrazin zu vertreten. Dazu heißt es bei Steinbrücks Beratern, man werde die Bedingungen für eine Zustimmung der SPD zu weiteren Griechenland-Hilfen so hoch schrauben, „dass Merkel einen eigenen Weg im Bundestag gehen muss“. Möglicherweise wird sich die SPD Vorschläge von IWF oder der Europäischen Zentralbank (EZB) zu eigen machen – wissend, dass diese beim Wirtschaftsflügel der CDU/ CSU und Teilen der FDP nicht auf Zustimmung stoßen können. In den internationalen Gremien der Troika aus IWF, EZB und EUKommission werden derzeit unterschiedliche Modelle zur weiteren
Aufrechterhaltung der Reformverpflichtungen denkbar. Allerdings kostet Zeit Geld, und dieses Geld müsste vom Bundestag genehmigt werden.
Finanzierung Griechenlands diskutiert: >> Zeitliche Streckung des Reformprogramms und Aufschub beim Sparen – diese Variante wäre das kleinere Übel. Nach Informationen des Handelsblatts verhandelt Athen darüber, dass bestimmte Reformmaßnahmen, die 2013 umgesetzt werden müssten, auf das Jahr 2014 verschoben werden. Zugleich solle Griechenland einen Aufschub von zwei Jahren für das Erreichen der Sparziele eingeräumt werden. In der Regierungskoalition, so sind erste Reaktionen von Fraktionschef Rainer Brüderle zu deuten, wäre ein solcher Zahlungsaufschub bei gleichzeitiger
>> Aufstockung der Notkredite an Griechenland: Dieses Verfahren wäre das öffentliche Eingeständnis, dass die bisherigen Mittel nicht ausreichen. Zugleich müssten die Regierungen vor ihre Öffentlichkeiten und Parlamente treten – was sehr unpopulär und deshalb unwahrscheinlich wäre. >> Die Umwandlung der bisherigen kurzfristigen Notanleihen in mittelfristige Papiere: Nach die-
sem Modell soll es Athen mit Unterstützung der EZB ermöglicht werden, auch noch länger seinen Finanzbedarf mit Kurzläufer-Anleihen, sogenannten T-Bills, zu decken. Demnach gibt die EZB Geld an die griechische Notenbank, die damit wiederum griechischen Geschäftsbanken dabei hilft, die Anleihen des eigenen Staats aufzukaufen. Diese Finanzierung war ursprünglich nur als Brücke bis zur Vorlage des Troika-Berichts gedacht, könnte aber nach dem Willen einiger Euro-Staaten verlängert werden, da sie eine öffentlich eher unauffällige Stützung Griechenlands bedeutet. Am Wochenende hatte EZB-Direktoriums-Mitglied Jörg Asmussen den Vorschlag unterbreitet, Griechenland solle eigene, ältere Staatsanleihen mit Geld des Rettungsfonds ESM zurückkaufen. Der Vorteil: Athen könnte die eigenen Papiere unter ihrem ursprünglichen Wert kaufen – womit quasi automatisch die staatliche Schuldenquote des Landes sinken würde.
EU-Kommission lobt Athen Die Staats- und Regierungschefs der EU werden sich bei ihrem Herbstgipfel am Donnerstag insofern mit Griechenland befassen, da beabsichtigt ist, in die Ratsschlussfolgerungen einen Passus aufzunehmen, der die Bemühungen Griechenlands zum Schuldenabbau würdigt, hieß es von EU-Diplomaten. Eine formale Entscheidung werde es aber erst nach Vorlage des Troika-Berichts geben. Der Schlagabtausch von Merkel und Steinbrück am Donnerstag kann in jedem Fall helfen, Kosten und Instrumente weiterer Griechenland-Hilfen transparenter zu machen.
GRIECHENLAND: ROHSTOFFE
Ein neues Norwegen – aber am Mittelmeer Riesige Ölvorkommen sollen Griechenland mit Einnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe sanieren. Doch es droht ein Streit mit der Türkei.
Gerd Höhler Athen
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as hochverschuldete Griechenland ist wahrscheinlich sehr viel reicher als gedacht. Das Land beginnt vor den Küsten mit der systematischen Suche nach Öl- und Gasvorkommen – mit guten Erfolgsaussichten. Auch der vernachlässigte Goldbergbau kommt auf Touren. Das Land hat große Vorräte des Edelmetalls. Fachleute erwarten, dass die Förderung bis 2016 auf 425 000 Unzen gesteigert werden kann – fast doppelt so viel wie derzeit Finnland fördert, der größte Goldproduzent Europas.
Vor allem aber Öl und Gas beflügeln nun die Fantasie der Griechen. Die Regierung hat das norwegische Unternehmen Petroleum Geo-Services (PGS) mit seismischen Untersuchungen in den Hoheitsgewässern des Landes beauftragt. PGS werde noch vor Jahresende ein Forschungsschiff entsenden, um mit der Suche nach Ölund Gasvorräten zu beginnen, sagte Energieminister Evangelos Livieratos. Sieben weitere Firmen hatten sich um den Auftrag beworben. Gestützt auf die Ergebnisse der geologischen Tests, könnte die Regierung etwa Mitte 2014 Konzessionen zur Exploration in griechischen Gewässern ausschreiben, so der Minister. Bereits Ende dieses Jahres will die Regierung Konzessionen für Öl- und Gasexplorationen beim nordgriechischen Ioannina, im Golf von Patras sowie im Seegebiet
vor der Hafenstadt Katakolon vergeben. Seismische Untersuchungen haben ergeben, dass in diesen drei Sektoren unter dem Strich etwa 300 Millionen Fass Erdöl lagern. Nach gegenwärtigen Preisen entspräche das einem Wert von rund 30 Milliarden Dollar, wovon etwa die Hälfte in die Staatskasse fließen könnte, rechnet Giannis Maniatis vor. Der frühere Staatssekretär im griechischen Energieministerium gilt als einer der besten Kenner der Materie. Schon seit Anfang der 1980erJahre wird zwar in der nördlichen Ägäis vor der Hafenstadt Kavala Erdöl gefördert, und damit werden etwa fünf Prozent des griechischen Bedarfs gedeckt. Inzwischen machen aber der gestiegene Ölpreis und Fortschritte bei der Fördertechnik auch die Ausbeutung von bislang als wirtschaftlich uninteressant geltenden Ölfeldern lohnend.
Wie viel Öl und Gas Griechenland tatsächlich besitzt, sollen die Untersuchungen zeigen. „Ich erwarte, dass wir nach der Auswertung der Daten im Herbst 2013 ein erstes Bild haben und bis Ende 2014 erste Konzessionen vergeben können“, so Giannis Maniatis gegenüber dem
Vermutete Ölvorkommen Griechenland
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Ölfelder im östlichen Mittelmeer
Anne Grüttner Madrid
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ohl kein Portugiese wird nächstes Jahr von neuen Steuererhöhungen oder Kürzungen im sozialen Bereich verschont bleiben. Das gestern im Lissabonner Parlament vorgestellte Budget 2013 sieht für die krisengeplagte Mittelklasse unter anderem eine massive Erhöhung der Einkommen- und der Tabaksteuer, Kürzungen der Arbeitslosenhilfe sowie der Hilfen für Behinderte vor. Arbeitern werden somit ähnlich hohe Einschnitte zugemutet, wie sie ursprünglich mit der Erhöhung der Arbeitnehmerbeiträge geplant waren, die die konservative Regierung von Premier Pedro Passos Coelho angesichts massiver Proteste zurückgenommen hatte. Daher rief das Budget erhebliche Kritik selbst in den eigenen politischen Reihen hervor. Bagão Félix etwa, Ex-Finanzminister der Regierungspartei PSD, bezeichnete die Steuererhöhungen als „haushaltspolitisches Napalm“, das die Wirtschaft kaputtmachen werde. Die Gewerkschaften haben für Mitte November einen Generalstreik angekündigt und für den 31. Oktober, wenn über das Budget im Parlament abgestimmt wird, zu Protestaktionen aufgerufen.
Türkei
Handelsblatt. Als besonders vielversprechend gelten die Seegebiete im Ionischen Meer und südlich der Insel Kreta. Maniatis schätzt, dass die Ausbeutung der dort vermuteten Vorkommen dem griechischen Staat in den nächsten 20 bis 30 Jahren Einnahmen von 150 Milliarden Dollar bringen könnten. Öl und Gas werden auch unter dem Meeresboden der Ägäis vermutet. Hier streitet Griechenland jedoch mit der benachbarten Türkei noch über die Aufteilung der maritimen Wirtschaftszonen. In den 1980er-Jahren vereinbarten beide Länder, auf Explorationen in dem umstrittenen Seegebiet zu verzichten. Griechenland hat vorgeschlagen, den Streit vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag schlichten zu lassen. Die Türkei will dagegen in bilateralen Verhandlungen eine Lösung finden. Auch für die Seegebiete im Süden
müsste Athen zunächst mit Ägypten und Libyen die Abgrenzung der Wirtschaftszonen aushandeln.
Die Erdölvorkommen könnten 465 Milliarden Euro wert sein Ministerpräsident Antonis Samaras sagte kürzlich im Gespräch mit dem Handelsblatt, er hoffe, sein Land könne zu einem „Norwegen des Mittelmeeres“ werden. Den Wert der Öl- und Gasvorkommen bezifferte der Premier „nach vorsichtigen Schätzungen auf mehr als 300 Milliarden Euro“. Das entspräche fast den gesamten Staatsschulden. Andere Schätzungen gehen in noch größere Dimensionen: Eine Studie der Geologen Antonis Foscolos, Elias Konofagos und Nikos Lygeros veranschlagt, dass der Staat über die nächsten 25 Jahre mit der Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen rund 465 Milliarden Euro einnehmen könnte.
Portugal steckt in einem Teufelskreis. Durch die staatliche Sparpolitik verschärft sich die Rezession, die Wirtschaft wird dieses Jahr um drei Prozent, 2013 voraussichtlich nochmals um ein Prozent schrumpfen. Die steigende Arbeitslosigkeit und der schwache Konsum wiederum lassen die Steuereinnahmen einbrechen. Schon im Spätsommer teilte die Regierung daher mit, das diesjährige Defizitziel von 4,5 Prozent sei unerreichbar, obwohl die laufenden Primärausgaben dieses Jahr sogar um 700 Millionen Euro unter dem veranschlagten Wert liegen werden. Die EU-Kommission gab dem iberi-
Portugiesische Staatsanleihe Laufzeit 10 Jahre, Rendite in Prozent
8,02 %
17.10.2011
Handelsblatt
15.10.2012
Quelle: Bloomberg
schen Land daraufhin zum Abbau des Haushaltsdefizits ein Jahr mehr Zeit bis 2014. Die Regierung muss dieses Jahr nun auf fünf Prozent Defizit, 2013 auf 4,5 Prozent kommen. Doch das diesjährige Haushaltsziel ist trotzdem noch gefährdet. Lissabon plant, Einnahmen aus einer Konzession des Flughafenbetreibers ANA einfließen zu lassen, was 0,7 Prozent des BIP einbringen würde. Eurostat hat jedoch Zweifel geäußert, ob eine Konzession von ANA, die anschließend privatisiert werden soll, zum Abbau des Defizits dienen darf. Portugal gilt bisher als Musterland, das die im Rahmen des EURettungskredits gestellten Auflagen nach Plan umsetzt. Vor kurzem emittierte das Schatzamt zudem erstmals wieder längerfristige Anleihen. Der Plan ist, dass Portugal sich ab Ende 2013 wieder problemlos am Markt finanzieren kann. Sollte das nicht möglich sein, halten Analysten nach dem Auslaufen des dreijährigen EU-Rettungskredits ein EZB-Anleihekaufprogramm für möglich. EZB-Präsident Mario Draghi sagte dazu, Bedingung für das Anleihekaufprogramm sei voller Marktzugang – wobei Portugal mit der jüngsten Anleiheemission schon einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht habe.
SCHÄUBLE IN ASIEN
Zuchtmeister mit zwei Botschaften Mit schlichten Sätzen wirbt Schäuble um Investoren. Und beharrt später darauf: Ganz so einfach ist es nicht. Donata Riedel Bangkok
Handelsblatt
Sozialromantik unter den Genossen
Kampf um Ohio Wie Obama und Romney die entscheidenden Wähler umwerben. Seite 18
Kampf um die Rente Im Koalitionsstreit machen Teile der Union ein Friedensangebot. Seite 14
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m Garten des Mandarin Oriental Hotels gönnt sich Wolfgang Schäuble einen kurzen Moment der Besinnlichkeit. „Da sitzen wir hier wunderschön in Bangkok am Fluss und reden über Griechenland“, sagt er und schaut einem bunt beleuchteten Boot hinterher. Seit fünf Tagen ist er zu diesem Zeitpunkt unterwegs in Asien. IWFTagung in Tokio, Staatsbesuch in Singapur, tags darauf Asem-Finanzministerkonferenz in Bangkok. Die Strapazen der Reise mit ihren Zeitzonen und Klima-Wechseln merkt man dem 70-Jährigen nicht an. Nichts erinnert mehr an die schwere Krankheit zu Beginn seiner Amtszeit, die Reise macht ihm sichtlich Spaß. Überall ist er, der deutsche Finanzminister, im Mittelpunkt. Überall geht es um Griechenland, und jeder seiner Kollegen will nicht von EU-Währungskommissar Olli Rehn, sondern von Schäuble wissen, ob das kleine Land den Euro behält – oder pleitegeht und den Rest der
südlichen Euro-Zone mit sich reißt. Wie der erlösende Satz klingt es da, als Schäuble in Singapur sagt: „Es wird keinen Staatsbankrott in Griechenland geben.“ Am Abend in Bangkok würde er den Klartext-Satz am liebsten wieder einsammeln: Natürlich sei der nicht falsch, aber es sei die einfache Botschaft für asiatische Investoren, die ja weit weg seien von Europa und sich nicht auskennen in der komplizierten EU. „Brauchen sie ja auch nicht“, sagt Schäuble in Singapur und scherzt: „Den meisten Entscheidern in Europa geht es doch genauso.“ Für Europäer und den IWF soll dagegen bis auf weiteres gelten, dass sich die Griechen anstrengen müssen, wenn sie die nächsten 31 Milliarden aus dem Hilfspaket haben wollen. Und wenn das Land wegen der tiefen Rezession nicht schnell genug vorankommt? „Warten Sie doch den TroikaBericht ab“, sagt Schäuble. In Bangkok ist er wieder da, der Zuchtmeister Europas, als den ihn in Tokio IWF-
Wolfgang Schäuble: Erlösender Satz in Singapur.
Mitarbeiter und Amerikaner wahrgenommen haben. „Regeln, Regeln, Nein zu allem – aber wo ist die Lösung der Krise?“ brachte einer die Unzufriedenheit auf den Punkt. „Handelt endlich“, rief IWF-Chefin Christine Lagarde Schäuble und den Europäern zu. Und so richtig klappt das mit der unterschiedlichen Ansprache für Asien und Europa ja auch nicht: Die Absage an den „Grexit“ verbreitet sich über Twitter und Online-Medien fast schneller in Europa als in Asien, wo Schäuble Investoren für den Kauf südeuropäischer Anleihen gewinnen will. In Singapur trifft Schäuble die Chefs der milliardenschweren Staatsfonds, um für Vertrauen in südeuropäische Staatsanleihen zu werben. Die Singapurer sorgen sich weiter über Ansteckungsgefahren aus Griechenland. Er habe einem Gesprächspartner angeboten, aus seinem Privatvermögen für den gleichen Prozentsatz spanische Anleihen zu kaufen wie der Fonds, erzählt Schäuble. Sein Gesprächspartner aber wollte erst in Ruhe nachdenken.