THEMA
ES GIBT KEINEN
Wald-Wild-Konflikt! Die zunehmende Debatte über klimafitte Wälder und die dringend notwendige Verjüngung auf Kalamitätsflächen ist offensichtlich nicht möglich, ohne den Schlachtruf „Wald vor Wild“ zu vernehmen. Dieses unsägliche Motto führt bei mir zu heftigem Kopfschütteln: Nicht bejahend nickend, sondern mit einer horizontalen Kopfbewegung. Schließlich ist der Begriff nicht nur ökologisch gesehen falsch. Der Wald ist schließlich ein Ökosystem, zu dem auch das Wild gehört. Man kann nicht das große Ganze als wichtiger erachten als einen natürlichen Teil davon. Gemeint ist mit „Wald vor Wild“ ja meistens, dass die lokal zu hohen Wildbestände zu einem vom Menschen unerwünschten Wildeinfluss führen, der die Durchmischung von Forstbeständen oder die Verjüngung bremst oder gar verhindert. Dieser Wildeinfluss wird also als Wildschaden aufgefasst. Wildeinfluss kann aber auch positiv sein, somit ist
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nicht jeder verbissene Baum ein Wildschaden. Komplexe Themen kann man einfach nicht in vereinfachende Schlagwörter pressen. Wenn der Wald nicht wichtiger sein kann als das Wild, wie kann es dann überhaupt einen Wald-Wild-Konflikt geben? Wer hat hier mit wem einen Konflikt? Der Wald mit dem Wild jedenfalls nicht. Tatsächlich meint man mit dem Begriff den Konflikt zwischen Forst und Jagd, bei dem das Wild, genauer gesagt die Dich-
te der Wildwiederkäuer, der Zankapfel ist. Gestritten wird darum, wieviel Wild der Forst verträgt, nicht der Wald! Wer das Jagdrecht in Österreich kennt, weiß, dass dieses beim Grundeigentümer liegt. Ein Forstbesitzer kann – im Rahmen der Gesetze – selbst entscheiden, wieviel Wild er auf seinem Grund und Boden duldet; theo retisch zumindest. Eigentlich müsste der Forstbesitzer also mit sich selbst streiten. Aber vielerorts hat er aus den unterschiedlichsten Motiven heraus darauf verzichtet, die Ausübung seines Jagdrechtes, das mit zahlreichen Verpflichtungen einhergeht, zu leben und dieses an Dritte weitergegeben. Diese Jagdpächter oder Abschussnehmer haben nicht selten andere Interessen als der Forstbesitzer, nämlich viel Wild auf der Fläche, und so ist es die logische Konsequenz, dass das Wild mitunter derart aufgehegt (oder einfach nur geschont) wurde, dass die Dichte an Hirsch und Reh deutlich über der Lebensraum-