Marcus van Langen
Dieses außergewöhnliche Liederbuch erweckt die Musik des Mittelalters zu neuem Leben und zeigt, wie modern altes Liedgut sein kann. Das breite Spektrum der mittelalterlichen Musik ist hier vereint und reicht von Minneliedern, mittelalterlichen Gassenhauern, Spielmannsliedern und derben Trinkliedern bis hin zu neuzeitlichen Schöpfungen nach mittelalterlichem Vorbild. Es beseitigt häufige Missverständnisse und alte Fehler und richtet sich sowohl an den professionellen Musiker wie auch an den ambitionierten Laien.
• 52 Lieder mit Noten, Tabulaturen, Akkordsymbolen und Schlagmustern • Alle mittelalterlichen Liedtexte mit Übersetzung • Interessante Hintergrundinformationen und Geschichten zu den Liedern
„Erfrischende Mixtur aus Mittelalterklassikern, Nachempfundenem aus späterer Zeit und Eigenkompostionen in alter Manier. Für Lagerfeuer, Markt und Kämmerlein!“ (Dr. Lothar Jahn, promovierter Musikwissenschaftler und Kulturmanager) „Wenn Herr Walther, Herr Neidhart und Herr Oswald ein Liederbuch gehabt hätten, hätte es so ausgesehen wie dieses. Marcus van Langen schenkt uns die Welt der mittelalterlichen Spielleute, indem er es uns ermöglicht, sie mit unserer Laute selbst zum Leben zu erwecken.“ (Richard Dübell, Bestseller-Autor historischer Romane)
Marcus van Langen
Marcus van Langen · Das mittelalterliche Liederbuch
Wie kaum ein Zweiter verkörpert Marcus van Langen den mit allen Wassern gewaschenen Spielmann. Er verbindet mittelalterliche Themen und Lebensansichten mit aktuellem Zeitgeschehen. So schlägt Marcus van Langen gekonnt die Brücke zwischen Mittelalter und Neuzeit, zieht das Publikum unweigerlich in seinen Bann und entführt den Zuhörer auf eine Reise vom „dunklen“ Mittelalter in die heutige Zeit. Marcus van Langen hat an vielen bekannten Musikproduktionen mitgewirkt und zahlreiche eigene Alben veröffentlicht. Außerdem publizierte er ein erstes mittelalterliches Liederbuch „Liebe, Wollust, Spielmannslieder“. Als Spielmann absolvierte er zahllose Auftritte im In- und Ausland und erhielt diverse Auszeichnungen – unter anderem als beliebtester Minnesänger des Jahres 2005. Marcus van Langen ist ebenso Initiator des Palästinalied-Projektes, das die Größen der mittelalterlichen Musikszene vereinte und das berühmte Palästinalied von Walther von der Vogelweide gemeinsam interpretierte.
„Marcus van Langen gräbt etliche Kleinode mittelalterlichen Liedgutes aus, entstaubt zahlreiche historische Klassiker und klärt über moderne Neuschöpfungen auf – unterhaltsam und fundiert!“ (Peter Sailer, Chefredakteur Zillo Medieval - Magazin für Mittelalter und Musik)
Best.-Nr. FP 8149 ISBN 978-3-938679-94-4 ISMN 979-0-700307-50-9 www.acoustic-music.de FingerPrint / Acoustic Music GmbH & Co. KG · Arndtstraße 20 · 49080 Osnabrück · Tel.: 0541-71 00 20 · Fax 0541-70 86 67 E-Mail: order@acoustic-music.de · www.acoustic-music.de · www.fingerprint-verlag.de
FP 8149
Inhaltsverzeichnis: Kapitel und Lieder Vorwort
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Zur praktischen Handhabung
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Über Authentizität
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Minnesänger Strophenanfänge Walther von der Vogelweide (um 1172-um 1230) 01. Der erste Atzeton Mir hat her Gerhart Atze ein pfert 02. Ouwe war sint verswunden Ouwe war sint verswunden alliu miniu jar 03. Under der linden Under der linden an der heide 04. Her Volcnant Her Volcnant habt irs ehre
8 8 12 16 20
Neidhart von Reuental (um 1180-vor 1247) 05. Winder nu ist aber dein kraft Winder wie ist nun dein kraft 06. Ez verlos ein ritter sine scheide Ez verlos ein ritter sine scheide / Einst verlor ein Ritter seine Scheide 07. Owe dirre sumerzit Owe dirre sumerzit 08. Meie hat wünneclichen entsprozzen Meie hat wünneclichen entsprozzen
24 25 30 36 41
Oswald von Wolkenstein (um 1377-1445) 46 09. Nu huss „Nu huss!“ sprach der Michel von Wolkenstain 46 10. Es nahet gen der vasennacht Es nahet gen der vasennacht 49 11. Geluk vnd hail Geluk vnd hail ain michel schar 52 12. Her wiert uns dürstet Her wiert uns dürstet also sere 54
Carmina Burana 13. Celum non animum 14. Chume, chume, geselle min 15. Hiemali tempore 16. Axe phebus aureo
Celum non animum mutat stabilitas Chume, chume, geselle min Hiemali tempore Axe phebus aureo
Merseburger Zaubersprüche 17. Der Zweite Merseburger Zauberspruch Phol ende Uuodan 18. Der Erste Merseburger Zauberspruch – Vers.I Eiris sazun idisi 18a. Der Erste Merseburger Zauberspruch – Vers. II Eiris sazun idisi
58 58 64 66 69 74 75 80 82
Totentänze 19. Totentanzlied 20. Todtentanz 21. Ad mortem festinamus 22. Der grimmig’ Tod
84 Der bitter Tod bin ich genannt 85 Instrumental 87 Ad mortem festinamus peccare desistamus 90 Der grimmig’ Tod mit seinem Pfeil 94
Cantigas de Santa Maria 23. A Virgen mui groriosa 24. Quen a omagen da Virgen 25. A Virgen que de Deus Madre este 26. Miragres fremosos
A Virgen mui groriosa Quen a omagen da Virgen A Virgen que de Deus Madre este Miragres fremosos
96 97 100 104 108
Spielmannslieder und Gassenhauer 27. Ich stand auf hohem Berge 28. Im Maien 29. Traubentritt 30. Ich fahr’ dahin 31. La jument de Michao 32. Tri martolod 33. Stella splendens in monte 34. Das Kchuhorn 35. Por que llorax 36. Avrix mi galanica 37. Schiarazula Marazula 38. Rabenballade 39. Herr Mannelig
Ich stand auf hohem Berge Im Maien, im Maien Instrumental Ich fahr’ dahin, wann es muß sein C'est dans dix ans je m'en irai / Den ersten Tag, die erste Nacht Tri martolod yaouank Stella splendens in monte ut solis radium Untarnslaf tut den sumer wol Porque llorax blanca nina Avrix mi galanica Instrumental Auf einem Baum drei Raben stolz Bittida en morgon
111 114 116 118 120 124 127 131 135 138 140 142 144
Neuschöpfungen und Nachahmungen 40. Ergo bibamus 41. Gaudeamus igitur 42. Ales umb der holden frouwen minne 43. „!“ (Der Spielmann von P.) 44. Sonne 45. Schwarze Kunst 46. Der Karmeliter 47. Piratenlied 48. Mellom bakkar og berg
Hier sind wir versammelt zu löblichem Tun 147 Gaudeamus igitur, juvenes dum sumus 150 Instrumental 152 Irgendwo im Bayernland 155 Wilde Gesellen vom Sturmwind durchweht 158 Ich liebte heimlich ein Mädel 160 War einst ein Karmeliter, der Pater Gabriel 162 Wir fahren übers weite Meer 164 Mellom bakkar og berg ut med havet 166
Englische Lieder 49. Whiskey in the jar 50. If my comlaints could passons moue 51. The well below the valley 52. Miri it is while sumer ilast
As I was going over If my complaints could passions moue A Gentleman was passing by Miri it is while
168 171 173 176
Anmerkungen Tabulatur Schlagmuster Kleine Organologie
178 180 181
Zum Abschied
186
Quellen und Literaturhinweise
187
Diskographie
191
Abbildungen Handschriften
192
Impressum
200
Ein guter Anfang ist ein guter Teil der Tat, soweit man auch ermißt, was man noch vor sich hat. Wenn nicht nur am Anfang man in blindem Eifer heiß, wenn man auch später dann das Werk zu wirken weiß. Was man vollenden kann, gewinnt den Siegerpreis. Wird der Anfang doch vertan, fehlt später dann der Fleiß. Carmina Burana (celum non animum – CB 15)
Vorwort: Geneigte Leser, Sänger, Spielleute und Mittelalterinteressierte, als ich im Winter 2003/2004 das mittelalterliche Liederbuch „Liebe, Wollust, Spielmannslieder“ schrieb, das im Jahr 2009 veröffentlicht wurde, ahnte ich nicht, dass es derart große Zustimmung und Akzeptanz auch außerhalb der „Mittelalterszene“ finden würde. Das Buch, das sowohl den professionellen Musiker wie auch den ambitionierten Laien und nicht musizierenden, geschichtlich interessierten Leser anspricht, hat als Erstes seiner Art schnell Nachahmer gefunden. Eure Freude an meinem Buch hat den Ruf nach einer weiteren, umfangreicheren Sammlung mittelalterlicher Lieder laut werden lassen. Dieses Buch wurde sehr sorgfältig und gewissenhaft recherchiert und erhebt dennoch keinen wissenschaftlichen Anspruch, denn die Geistesverwandtschaft von Spielleuten überdauert die Jahrhunderte; ein Spielmann denkt und fühlt, wie nur ein Spielmann denken und fühlen kann und so bleibt der reinen Wissenschaft vieles verborgen, das nur ein Spielmann wieder ans Licht bringen kann. Ich widme dieses Liederbuch allen Spielleuten, die diese Lieder weiterverbreiten und damit unsterblich machen. Marcus van Langen Bad Tölz, im Januar 2014
Under der Linden „Die Linde ist ein Baum, unter dem es sich gut Liebe machen lässt!“ So könnte Walther von der Vogelweide gedacht haben, als er dieses erotische Lied aus der Gattung der Mädchenlieder schrieb und dafür jede Menge Ärger kassierte; denn im Mittelalter war es undenkbar, ein Lied über den Liebesakt zwischen zwei Personen verschiedener Stände zu schreiben. Walther war ein Visionär und stürmischer Revolutionär und sich dessen voll bewusst. Uns präsentiert sich Herr Walther hier wieder weit der eigenen Zeit voraus, indem er um das Jahr 1205 zeigt, dass die Liebe zweier Menschen weit über dem gesellschaftlichen Stand steht. Die Linde ist ein ausgesprochen doppeldeutiger Baum und so auch ganz in Walthers Sinne. Zum einen ist der Lindenbaum mit seinen herzförmigen Blättern ein Symbol der romantischen, heimlichen Liebe und ein bevorzugter Treffpunkt für Verliebte. Er steht für Liebe, Frieden und Heimat und gilt als Symbolbaum für positive Energie und Heilkraft. Luther sagt: „... die Linde ist unser Friedeund Freudebaum.“ Im Kontrast zu dieser Symbolik steht die Bedeutung der Linde als Gerichtsbaum, als Ort der Auseinandersetzung und Machtdemonstration. Bereits bei den Germanen fand das Volksgericht (Thing) unter der Linde statt. Um diese Doppeldeutigkeit der Linde auch im Lied aufzuzeigen, habe ich Walthers Liebeslied im Refrain eine Textzeile aus dem Lied „ich was ein chint“ aus der Carmina Burana hinzugefügt, in der die Linde verflucht wird.
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Under der linden
Unter der Linde
II. Ich kam gegangen zuo der ouwe, da was min fiedel komen e. Da wart ich enpfangen, here frouwe, daz ich bin saelic iemer me. Kust er mich? wol tusentstunt, (maledicantur tilie (Carmina Burana)) tandaradei, seht wie rot mir ist der munt!
II. Ich kam gegangen, hin zur Aue, und mein Geliebter war schon dort. Da wurde ich empfangen, Heilige Jungfrau! Oh welche Freude, ihn zu sehen. Küsste er mich? Wohl tausend Stunden lang! (verflucht sollen die Linden sein (Carmina Burana)) Tandaradei, seht, wie rot mein Mund ist.
I. Under der linden an der heide, da unser zweier bette was, da mugt ir vinden schone beide gebrochen bluomen unde gras. Vor dem walde in einem tal, (maledicantur tilie (Carmina Burana)) tandaradei, schone sanc die nahtegal
III. Do hat er gemachet also riche von bluomen eine bettestat. Des wirt noch gelachet innecliche, kumt iemen an daz selbe pfat. Bi den rosen er wol mac, (maledicantur tilie (Carmina Burana)) tandaradei, merken wa mirs houbet lac. IV. Daz er bi mir laege, wessez iemen (nu enwelle got!), so schamt ich mich. Wes er mit mir pflaege niemer niemen bevinde daz wan er unde ich, und ein kleinez vogellin, (maledicantur tilie (Carmina Burana)) tandaradei, daz mac wol getriuwe sin.
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I. Unter der Linde auf der Heide, wo unser beider Bett bereitet war, da könnt ihr noch beides sehen, zerdrückte Blumen und zerdrücktes Gras. Vor dem Wald in einem Tal, (verflucht sollen die Linden sein (Carmina Burana)) Tandaradei, sang so süß die Nachtigall.
III. Da hat er auf ein edles Bett aus Blumen hingedeutet, das er gemacht hat. Es wird noch innerlich gelacht werden, wenn jemand denselben Pfad entlang kommt. Bei den Rosen mag er wohl, (verflucht sollen die Linden sein (Carmina Burana)) Tandaradei, sehen wo mein Kopf gelegen hat. IV. Wüsste jemand, dass er bei mir lag, (Gott behüte!) so würde ich mich schämen. Möge doch niemand jemals erfahren, was wir hier trieben, nur er und ich und ein kleines Vögelchen, (verflucht sollen die Linden sein (Carmina Burana)) Tandaradei, und das wird wohl verschwiegen sein.
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33 Under Underder derLinden Linden
Schlagmuster:
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ghiterna, lutina, vihuela de péñola, guitarra saracenica, quintara, guisterne etc. Es gab sie in ebenso vielen Größen und Formen wie mit unterschiedlicher Saitenanzahl und Stimmung. Unsere E-A-d-g-h-e Stimmung ist erst seit dem 18. Jahrhundert bekannt. Es gibt auch bei der heutigen Gitarre zahllose Bauformen, womit wir uns der im modernen „Neo-Mittelalter“ so beliebten Gitarrenlaute zuwenden. Diese Mischform mit lautenähnlichem Korpus, Gitarrenmensur und Stimmung entstand im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts etwa zeitgleich mit der modernen Bauform der Cister – der Waldzither im Rahmen der Wandervogelbewegung. Man nennt sie deshalb auch „Wandervogellaute“ oder abwertend „HJ-Laute“. Die Idee ihrer Konstruktion geht zurück auf das verklärte Bild des mittelalterlichen Minnesängers und der Burgenromantik mit der Sehnsucht nach der vergangenen Zeit der ritterlichen Ideale aus der kulturgeschichtlichen Epoche der Romantik (etwa Ende des 18. bis Anfang des 20. Jahrhunderts). Eine Gitarre gab es damals in fast jedem Haushalt. Durch die optische, an das Mittelalter angelehnte Form mit historisierter Verzierung der Schallloch-Rosette, konnte man mit geringem finanziellen Aufwand in ein erdachtes und ersehntes Mittelalter eintauchen, ohne ein historisches Instrument erlernen zu müssen. Auch hier gibt es verschiedene Konstruktionsarten. Das Griffbrett kann flach oder „scalloped“ und der Boden des Korpus mehr oder weniger gewölbt sein und aus vielen oder wenigen Spänen bestehen. Der Wirbelkasten kann „Fenster“ haben oder geschlossen sein. Oft wurden sehr gute einheimische Hölzer wie Elsbeere für den Hals, Haselfichte für die Decke und Nussbaum oder Kirsche für die Zargen und den Boden zum Bau verwendet. Interessant sind die oft schwarzen Griffbretter, die an den häufig gespielten Bünden helle Stellen aufweisen. Es handelt sich dabei nicht um Ebenholz, sondern um schwarz gebeizten Birnbaum. Der Halsansatz befindet sich meist beim neunten oder zehnten Bund und weitere Bünde sind in die Decke eingelassen. Allen gemeinsam sind sechs Saiten, eine Befestigung der Saiten am Steg mittels Holzstiften (Pins), und auch Gesamtlänge und Größe des Körpers sind bei allen Instrumenten ziemlich ähnlich. Bekannte Hersteller von Serienproduktionen sind z. B. „Tielke“ und „Sonora“. 184
Die Gitarrenlauten bildeten die Grundlage für eine wissenschaftliche und praktische Auseinandersetzung mit der Musikkultur des Mittelalters und der historischen Laute, die nach der französischen Revolution von 1789 verschwunden war und von Goethe als ein Relikt der „Guten Alten Zeit“ betrachtet wurde. So haben diese von Hardlinern verpönten Instrumente durchaus ihre Berechtigung – zumindest als Übergangslösung. Es sind uns keine spielbaren Instrumente aus dem Mittelalter erhalten, und nur anhand von Fragmenten und Abbildungen kann der Versuch einer Rekonstruktion gewagt werden, wobei es in der Organologie – wie in jeder Wissenschaft – verschiedene, sich zum Teil widersprechende Standpunkte und Ansätze gibt. Doch wie auch immer die Instrumente konstruiert waren und welches Holz und welcher Leim auch immer verwendet wurde, zum Leben erweckt wurden die Instrumente erst durch die Saiten. Heute haben wir ein nahezu unüberschaubares Angebot an Instrumentensaiten. Von Nylonsaiten in diversen Preis- und Qualitätsklassen – wobei ich der Auffassung bin, dass Nylon einfach nur Nylon ist – bis hin zu vergoldeten oder gegen Korrosion imprägnierten Stahlsaiten in allen Längen und Stärken reicht das Angebot, und ganz neu auf dem Markt sind Saiten mit Neonbeschichtung, die im Dunkeln leuchten. Der Musiker im Mittelalter hatte nur ein Hauptmaterial für die Saiten zur Verfügung – Darm! Eine gerissene Saite war damals wesentlich unerfreulicher als es heute ist. Für den, durch Wagner unsterblich gemachten Minnesänger Tannhauser (ca. 1200-ca. 1270) ist ein „Saitensprung“ so ärgerlich, dass er darüber sagt: „Des videlaeres seite der ist enzwei!“ Wenn es heute als mühsam gilt, die richtigen Saiten für sein Instrument zu finden, so war die Herstellung damals fast eine Wissenschaft. Aus dem 16. Jahrhundert ist uns die Erzeugung der „romanischen“ oder auch „neapolitanischen“ Darmsaiten in Italien bekannt. Es waren dabei viele, sich wiederholende Arbeitsschritte notwendig. Die Därme frisch geschlachteter, sieben bis neun Monate alter Lämmer wurden sofort der Länge nach aufgeschlitzt, gereinigt und sortiert. Diese „Saitlinge“ wurden wieder gesäubert und über eine Woche lang in einer Lösung aus alter Weinhefe und Wasser gebeizt. Die Beize wurde dabei viermal täglich ge© 2014 Acoustic Music GmbH & Co. KG
Zum Abschied: „Ein Vers ohne Melodie ist eine Mühle ohne Wasser!“ (Folquet de Marseile, Troubadour, gest. 1231) Wie auch immer man die kulturhistorischen Epochen des so genannten Mittelalters zeitlich definieren will; ob von der Zeit der Völkerwanderungen bis zur Erfindung des Buchdrucks oder von der Krönung Karls des Großen bis zur Wiederentdeckung Amerikas durch Christoph Columbus, oder ob man deren Ende im „Hundertjährigen Krieg“ ansetzt, es ist eine längst vergangene Zeit und ihre Musik ist verklungen. Alle Versuche einer Rekonstruktion oder Revitalisierung der ursprünglichen Musik des Mittelalters bleiben zarte Versuche ohne Wissen, wie sie wirklich geklungen hat, denn Musik klingt immer wie das Zeitalter, in dem sie aufgeführt wird.
Danksagung Ich danke meiner Familie für ihre Unterstützung bei diesem langwierigen Buchprojekt und für ihre Geduld, wenn die tägliche Arbeit daran doch mal wieder länger gedauert hat, und sie dabei zu kurz gekommen ist. Ich danke Kirsten Wulff dafür, dass ich Kompositionen von Frank Wulff-Raven (1952-2010) in diesem Buch verwenden durfte. Ich danke Katrina Pagany-Honduras für die Übersetzung der spanischen wissenschaftlichen Texte. Jan-Marcus Lapp danke ich dafür, dass er mich an seinem großen Wissen über skandinavische Musik teilhaben ließ. Hans Hegner und seiner „Bodenkammer“ danke ich für seine Übersetzung und den mittelhochdeutschen Text von „Meie hât wünneclîchen entsprozzen,“ sowie für die anregenden Gespräche über Neidhart von Reuental. Zu großem Dank bin ich dem Musikwissenschaftler Dr. Lothar Jahn verpflichtet, der mir schwer zugängliche Information und zudem wertvolle Anregungen verschaffte. Ich danke Klaus Sonnemann, Musiker und Maler, Leiter der Gruppe „Collage – Forum für Frühe Musik Berlin“, dass ich seinen Text: „Über Au-tän-ti-zi-teet verwenden durfte. Mein besonderer Dank gilt Komalé Akakpo für das Notensatz-Lektorat und die druckfähige Übertragung der Noten. Ich danke meinen Bands „Des Teufels Lockvögel“ und „van Langen“ für das Erproben der Lieder in der Praxis. Allen voran jedoch gilt mein Dank den vielen bekannten und unbekannten Musikern, die diese Lieder aufführen und durch ihre Weiterverbreitung unsterblich machen.
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© 2014 Acoustic Music GmbH & Co. KG
Abbildungsnachweis: Titel: Ausschnitt aus dem Sachsenspiegel Oldenburger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, Landesbibliothek Oldenburg, Cim 410 I, fol 10r, Leihgabe der Niedersächsischen Sparkassenstiftung Seite 192: Aus der Carmina Burana Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 4660, fol. 48r Seite 193: Aus dem Codex Manesse Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. Germ. 848, fol. 277v Seite 194: Totenkopfquartett Inv. Nr. MUS-55-15-18 Münchner Stadtmuseum Seite 195: Lauten-Tabulatur aus: Chansons und ein freier Instrumentalsatz (Jahr: 1520) Basel, Universitätsbiliothek, Musiksammlung, Ms.F.IX.56, fol. 1r
Seite 198 oben links: „Stella splendens in monte“ aus Llibre Vermell ©Biblioteca de Monteserrat Seite 198 oben rechts: „Ad mortem festinamus“ aus Llibre Vermell ©Biblioteca de Monteserrat Seite 198 unten links: Ausschnitt aus dem Sachsenspiegel Oldenburger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, Landesbibliothek Oldenburg, Cim 410 I, fol 10r, Leihgabe der Niedersächsischen Sparkassenstiftung Seite 198 unten rechts: Lauten-Tabulatur aus „Luys Milan Libro de Musica“ © Biblioteca Nacional de España Seite 199 Abbildungen von Instrumenten aus der Sammlung von Marcus van Langen
Seite 196/197: Merseburger Zaubersprüche Vereinigte Domstifter, Bildarchiv Merseburg, Signatur: Domstiftsbibliothek Merseburg, Cod. I, 136, fol. 84r.
Impressum: Fotos und Layout: Manfred Pollert Foto Seite 134: Helmut H. Kroiß - www.kroiss-foto.de Notensatz: Komalé Akakpo, Marcus van Langen Lektorat: Monika Kotte Produktion: Peter Finger © 2014 by Acoustic Music GmbH & Co. KG, Osnabrück Das Notenbild ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht ohne Genehmigung des Verlages vervielfältigt werden. Music engraving copyright protected. Best.-Nr. FP 8149 ISBN 978-3-938679-94-4 ISMN 979-0-700307-50-9 FingerPrint / Acoustic Music GmbH & Co. KG Arndtstraße 20 · 49080 Osnabrück Tel.: +49(0)541-71 00 20 · Fax +49(0)541-70 86 67 E-Mail: order@acoustic-music.de www.acoustic-music.de www.fingerprint-verlag.de
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Dieses außergewöhnliche Liederbuch erweckt die Musik des Mittelalters zu neuem Leben und zeigt, wie modern altes Liedgut sein kann. Das breite Spektrum der mittelalterlichen Musik ist hier vereint und reicht von Minneliedern, mittelalterlichen Gassenhauern, Spielmannsliedern und derben Trinkliedern bis hin zu neuzeitlichen Schöpfungen nach mittelalterlichem Vorbild. Es beseitigt häufige Missverständnisse und alte Fehler und richtet sich sowohl an den professionellen Musiker wie auch an den ambitionierten Laien.
• 52 Lieder mit Noten, Tabulaturen, Akkordsymbolen und Schlagmustern • Alle mittelalterlichen Liedtexte mit Übersetzung • Interessante Hintergrundinformationen und Geschichten zu den Liedern
„Erfrischende Mixtur aus Mittelalterklassikern, Nachempfundenem aus späterer Zeit und Eigenkompostionen in alter Manier. Für Lagerfeuer, Markt und Kämmerlein!“ (Dr. Lothar Jahn, promovierter Musikwissenschaftler und Kulturmanager) „Wenn Herr Walther, Herr Neidhart und Herr Oswald ein Liederbuch gehabt hätten, hätte es so ausgesehen wie dieses. Marcus van Langen schenkt uns die Welt der mittelalterlichen Spielleute, indem er es uns ermöglicht, sie mit unserer Laute selbst zum Leben zu erwecken.“ (Richard Dübell, Bestseller-Autor historischer Romane)
Marcus van Langen
Marcus van Langen · Das mittelalterliche Liederbuch
Wie kaum ein Zweiter verkörpert Marcus van Langen den mit allen Wassern gewaschenen Spielmann. Er verbindet mittelalterliche Themen und Lebensansichten mit aktuellem Zeitgeschehen. So schlägt Marcus van Langen gekonnt die Brücke zwischen Mittelalter und Neuzeit, zieht das Publikum unweigerlich in seinen Bann und entführt den Zuhörer auf eine Reise vom „dunklen“ Mittelalter in die heutige Zeit. Marcus van Langen hat an vielen bekannten Musikproduktionen mitgewirkt und zahlreiche eigene Alben veröffentlicht. Außerdem publizierte er ein erstes mittelalterliches Liederbuch „Liebe, Wollust, Spielmannslieder“. Als Spielmann absolvierte er zahllose Auftritte im In- und Ausland und erhielt diverse Auszeichnungen – unter anderem als beliebtester Minnesänger des Jahres 2005. Marcus van Langen ist ebenso Initiator des Palästinalied-Projektes, das die Größen der mittelalterlichen Musikszene vereinte und das berühmte Palästinalied von Walther von der Vogelweide gemeinsam interpretierte.
„Marcus van Langen gräbt etliche Kleinode mittelalterlichen Liedgutes aus, entstaubt zahlreiche historische Klassiker und klärt über moderne Neuschöpfungen auf – unterhaltsam und fundiert!“ (Peter Sailer, Chefredakteur Zillo Medieval - Magazin für Mittelalter und Musik)
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