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Unmögliches möglich machen
Die Suche nach Abenteuern in Patagonien
Es gibt nur eine Handvoll Piloten, die jemals in Patagonien geflogen sind. Der Wind ist zu stark, zu unberechenbar das Wetter. Aaron Durogati probierte es trotzdem. Gemeinsam mit Daniel Ladurner reiste er nach Patagonien. Sie wollten auf den Cerro Torre – einen der schwierigsten Gipfel der Welt – klettern und gemeinsam per Tandem ins Tal fliegen.
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Aaron gelingt ein Start von der Aguja Saint Exupéry, die links vom Gleitschirm zu sehen ist.
Für mich war sofort klar, dass ich nicht ohne Schirm fahre. Einen Leichtschirm mitzunehmen zahlt sich immer aus.
Seillänge für Seillänge ging es nach oben. Nach über 13 Stunden in steilem Gelände schmerzten die Füsse, die Finger waren aufgerissen, der Kopf müde. Bereits hier war der Wind deutlich spürbar, immer wieder fuhr er durchs Seil, peitschte es nach oben. Am Gipfel stürmte es vollends. An einen Gleitschirmstart war bei 130 km/h nicht zu denken. Trotzdem, Aaron Durogati strahlte. Der Blick hier oben, mitten im patagonischen Los Glaciares Nationalpark, war atemberaubend.
Den Mut haben, Neues zu wagen Gemeinsam mit Daniel Ladurner flog Aaron Anfang Januar nach Patagonien. Der Plan: An den steilen Granitzacken im patagonischen Inlandeis zu klettern und mit viel Glück oben im Tandem zu starten. Der Cerro Torre zählt zu den ungewöhnlichsten Bergformationen unserer Erde, sämtliche Routen auf den Gipfel sind Spitzenalpinisten vorbehalten. Nach Kletterei in Fels, Eis und teils senkrechtem Schnee wartet das Gipfelplateau, das Aaron bei seiner Recherche für einen Tandemstart geeignet schien.
Ungewissheit ist Abenteuer Abgesehen von diesen anspruchsvollen Startplätzen ist Patagonien zudem berüchtigt für sein unberechenbares, schlechtes Wetter. Schlechtes Wetter bedeutet blitzartig aufkommende Stürme von bis zu 200 km/h. Jeder Fehler am Berg ist äusserst kritisch. Rettungsaktionen dauern Tage. Handyempfang? Fehlanzeige.
Was treibt einen an, mit Gleitschirm an diesen abgeschiedenen Ort zu reisen? „Es ist das Abenteuer, das mich so reizt. Etwas zu machen, was noch niemand vor mir gemacht hat. Nicht genau zu wissen, ob ich fliegen kann oder nicht. Ich will das Unmögliche möglich machen.“
Auf dem Weg zum Gipfel der Aguja Saint Exupéry muss das Team unter anderem einige Schneefelder traversieren.
Geniesse jeden Moment Den ursprünglichen Plan, den Cerro Torre zu erklettern, konnten die zwei Südtiroler letztendlich nicht verwirklichen –die Verhältnisse waren ungünstig. Stattdessen kletterten die zwei auf die Aguja Poincenot. 130 km/h Wind am Gipfel machten einen Start unmöglich. Trotzdem, die Schönheit von Patagonien war atemberaubend. Oder mit Aarons Worten: „Schon allein auf dem Gipfel zu stehen ist ein Privileg.“
Einige Tage später bahnte sich das nächste Wetterfenster an. Das Ziel war die Aguja Saint Exupéry in der Fitz-Roy-Gruppe. Aaron war bewusst: Wenn er einen Start versuchen sollte, würde die Fläche minimal sein. Zu klein für jeden Tandem. Er hatte daher seinen Soloschirm im Gepäck –Daniel würde mit einer befreundeten Seilschaft abseilen.
Patagonien ist nicht zum Fliegen gemacht.
Aaron Durogati
Aarons Startplatz ist extrem klein und felsig – hinter ihm fällt die Wand ab.
Das Privileg, fliegen zu dürfen „Es war einer der schwierigsten Starts, die ich jemals gemacht habe“, reflektiert Aaron. Jeder Fehler war lebensgefährlich. „Drei Meter, mehr Platz hatte ich nicht. Einen Schritt zu viel und ich wäre die Felswand hinunter gefallen.“ Nach über 15 Stunden Kletterzeit auf die Aguja Saint Exupéry gelingt Aaron das Unmögliche: Kurz unterhalb des Gipfels kann er starten. „Der Flug war atemberaubend, nach einem turbulenten Start wurde die Luft ruhiger und ich konnte die Fitz-Roy-Gruppe von einem ganz besonderen Blickwinkel betrachten.“
Unten wartete er die halbe Nacht, bis seine Seilpartner eintreffen. Und wieder die Faszination, wie schnell man mit dem Gleitschirm ins Tal gelangt. „Ich wusste, dass die Chance eines Starts sehr gering war. Der Flug gehört mit zum Besten, was ich jemals erleben durfte.“ Wie der Wind an diesem Tag war? „Ich bin mit ca. 40 km/h im Lee gestartet, das war sehr sportlich. Wie gesagt, einer meiner schwierigsten Starts überhaupt.“
Der weisse Kreis kennzeichnet Aarons Startplatz direkt unterhalb des Gipfels: Fehler sind hier unverzeihlich.
Ich suche das Abenteuer, die Herausforderung. Und fliegen in Patagonien ist ein unglaubliches Abenteuer.
Aaron Durogati
Der Zustieg zur Aguja Saint Exupéry ist mühsam und lang: über sechs Stunden reine Gehzeit.
About
Aaron Durogati ist seit 2009 Profisportler und zählt zu den besten Gleitschirmpiloten weltweit, gewinnt 2013 und 2017 den Gesamtweltcup. Bis jetzt ist er der einzige Pilot, der zwei PWC-Superfinale für sich entscheiden konnte. Sein ausserordentliches Können hat er auch 2019 wieder bei den X-Alps unter Beweis gestellt. Neben dem Fliegen sind Klettern und Bergsteigen eine weitere grosse Leidenschaft des Südtirolers, natürlich am liebsten in Kombination mit dem Gleitschirm.
Film
youtu.be/don4emZyB2w
Equipment
Das Team biwakiert am Laguna Sucia – ohne Zelt unter freiem Himmel, um Gewicht zu sparen.
Die Kombination aus Fliegen und Klettern in Patagonien ist fantastisch und gleichzeitig extrem herausfordernd.
Aaron Durogati
PI 2 STRAPLESS