F R A N K R E I C H
Kind und Käse in der Franche-ComtĂŠ Los ging es mit einer einfachen Frage am sonntäglichen FrĂźhstĂźckstisch. „Woher kommt der Käse?“, will Samiran wissen. Ich parliere Ăźber Milch, Wiederkäuer und Fermentierung. Ergebnis: Unbefriedigend. „Da der Käse!“, unterbricht der Junior meinen väterlichen Redefluss. Mein Unwissen kaschiere ich elegant mit einem „Das schauen wir doch gleich mal nach!“. Wir lernen gemeinsam, dass der ComtĂŠ aus dem Juragebirge im Osten Frankreichs stammt, aus der historischen Freigrafschaft Burgund. Wer kann’s einem Sechsjährigen verdenken, dass Bilder stärker anziehen als Lexikalisches. Der Sohnemann zeigt auf das Foto mit dem autoreifengroĂ&#x;en Käselaib und verkĂźndet: „Da will ich mal hinfahren!“ Kulinarische Begeisterung darf man pädagogisch ausschlachten, denke ich mir, und begebe mich mit meinem Junior auf Entdeckungsreise in die Franche-ComtĂŠ. Der Region, dem der Käse seinen Namen verdankt. Die neue Schnellzugstrecke Rhein-Rhone gleicht auf franzĂśsischer Seite einer Furche. Nur in der Ferne finden die Augen bei 300 Stundenkilometern Haltepunkte in der weiten Landschaft. Weniger als vier Stunden nach unserer Abfahrt in Frankfurt erreichen wir den TGV-Bahnhof von Besancon, der - jede Minute zählt - als architektonisches Kunstwerk vor den Toren der Stadt behutsam aber markant in die grĂźne Wiese gegraben wurde.
und GroĂ&#x;artiges wie die prunkvollen BĂźrgerhäuser und die Ăœberreste des rĂśmischen Theaters. Oder eher unscheinbare MerkwĂźrdigkeiten im Gewirr der Gassen: Pawlatschen-InnenhĂśfe, die lebensgroĂ&#x;e Plastikkuh vor’m Regionalsupermarkt Doubs direct, Plakate, die zum Kaugummi-Tic-Tac-Toe auffordern. Nicht zu vergessen das besondere Flair, das Frankreichs grĂźnste Stadt zu einem sehr lebenswerten Flecken Welt macht.
Besancon - die grĂźne Festung
So ein Käse
Wie ein Omega umflieĂ&#x;t der Doubs die Altstadt der Metropole der Franche-ComtĂŠ. Der natĂźrliche Schutz durch den Fluss wurde vom genialen Baumeister Vauban gekrĂśnt durch den Ausbau der Festung zu einer perfekten Verteidigungsanlage. Mächtig thront die von der UNESCO ins Welterbe der Menschheit aufgenommene Zitadelle auf einem HĂźgel, der die Stadt im SĂźden begrenzt. Heute beherbergt sie verschiedene Museen, darunter auch das Museum des Widerstandes und der Deportation, und einen Zoo, dessen Spezialisierung auf bedrohten Arten liegt. Der Vormittag ist eine Reise durch Zeit und Raum: Der Kopf zwischen den Kiefern ĂźberlebensgroĂ&#x;er Insektenmodelle, sechsbeiniges Gewusel in der MĂźslipackung, Einblicke in die traditionellen Erwerbsquellen der LandbevĂślkerung, Welterbe-Puzzle, mit plattgedrĂźckter Nase am Panoramaglas des Tigergeheges und beidhändig gesicherte Kletterpartien Ăźber die Treppenstufen der Festungsmauer. Langeweile stellt sich selbst bei einem ungeduldigen VorschĂźler nicht ein. Ăœber die kĂśnnte man im Museum der Zeit mehr erfahren, wenn nicht so viel anderes zu entdecken wäre: GroĂ&#x;es
Wo Fruitiere draufsteht, ist in der FrancheComtĂŠ Käse drin. Der etwas irrefĂźhrende Name rĂźhrt keineswegs von einem Fruchthandel, vielmehr ist es ein Ort, an dem die FrĂźchte des Bodens weiterverarbeitet werden. Wir werden begrĂźĂ&#x;t vom Käsemeister der Fromagerie Coteaux de Seille im Dorf Lavigny. In Plastikkitteln gekleidet betreten wir den Produktionsraum, in dem in groĂ&#x;en Edelstahlwannen aus Milch Käse wird. Wir erfahren Ăźber Molke, Käseharfen, Bruch und Lab, während der Maitre gewaltige Käselaibe mit flinken Handgriffen aus dem Salzbad wuchtet. Ab da wird es Schritt fĂźr Schritt gemächlicher. Das Salzen gleicht einem gefĂźhlvollen
Einmassieren in die halbfeste Masse, ab da ist vor allem Ruhe angesagt. Mindestens vier Monate lagert der Käse in Kellern, bevor er auf den Markt kommt. Richtig gemĂźtlich wird es dann - befreit vom Schutzanzug - bei der Verkostung der Hausmarken: Dem ComtĂŠ und seinem weicheren kleinen Bruder Morbier, markant gezeichnet mit einem Aschestreifen in der Mitte. Der rĂźhrt angeblich daher, dass die Milchproduktion vom Morgen nicht fĂźr einen ganzen Käse reichte, sodass Kräuterasche als Deckel auf die erste Käseschicht kam, bis die Abendmilch gekäst werden konnte. Zu erzählen gäbe es sicherlich noch viel, aber nach Dutzenden WĂźrfeln versteht man leicht, wieso es heiĂ&#x;t: „Käse schlieĂ&#x;t den Magen!“ Den Meister ruft die Arbeit in die KäsekĂźche und wir verabschieden uns zu einem Verdauungsspaziergang durch das
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Š Marcus Bauer (7)
Special
kleine Dorf. Wäre an die Käserei ein Winzerbetrieb angegliedert, hätten wir wohl in der Ferienwohnung im liebevoll restaurierten Bauernhof gegenßber Quartier bezogen. So bestaunen wir nur von der kleinen Kapelle aus die traumhafte Aussicht ßber Bergwiesen und bewaldete Hßgel, bevor wir wieder ins Tal fahren.
Kanufahren und Klettern Ornans ist eines dieser DĂśrfer, in denen selbst der unbegabteste sich vorstellen kann, mit einer Staffelei auf der kleinen BrĂźcke Ăźber der Loue zu sitzen, um den Zauber auf Leinwand zu bannen. Die Häuser sind buchstäblich ans Wasser gebaut und spiegeln sich nahtlos im sommerlich klaren Wasser des FlĂźsschens. „Ich bin kein niedlicher Fluss, sondern ein am Unterlauf breiter Wildbach“, wĂźrde die
Loue wohl entgegnen und von Fliegenfischern und Kanuten gleichermaĂ&#x;en Zustimmung bekommen. Erstere begeistert vom Reichtum an Wildfischen, zweitere eingedenk der rasanten Wildwasserfahrten am Oberlauf. Die kurzen Duschen, die uns die kleinen Stromschnellen wenige Kilometer oberhalb der Kleinstadt zur Erfrischung ins Kanu schicken, wirken wie Adrenalin. Samiran schreit nach mehr und zufrieden lächelnd bewirbt unser BootsfĂźhrer den Reiz ausgedehnter Paddelferien. Als das Kanuzentrum in Sichtweite kommt, entdeckt er den tollkĂźhn Ăźber den Fluss gespannten Seilparcours des Klettergartens. Also tauschen wir den Helm und wechseln von Schwimmweste zu Sicherungsgeschirr. Bevor die selbstgeknĂźpfte BrĂźcke Ăźberquert werden darf, ist Ăœbungsstunde im Bambino-Park angesagt. Das Umhängen der doppelten Sicherungshaken muss Routine werden. Seine Kletterbetreuerin ist freundlich und verzeiht doch keine Nachlässigkeiten. Voll konzentriert und diszipliniert versucht der Junior tadellos zu gefallen. Schon nach wenigen Minuten geht wieder das helle Gequieke los: „Jippieh!“, schreit er, als er an der Seilwinde hängend auf die Schaumstoffwand zurast. „Wenn du so
weiter machst, kannst du bestimmt schon bald die Via Ferrata bezwingen“, lobt seine Trainerin. Ich stelle mir ungläubig mein Männlein in der Steilwand vor. Während ich vorsichtig FuĂ&#x; vor FuĂ&#x; setze, bewundere ich die unaufdringliche Art, mit der hier, am FuĂ&#x;e des Jura, die Begeisterung fĂźrs Abenteuer als Einladung fĂźr einen Wiederholungsbesuch ausgesprochen wird. Marcus Bauer
Information
UnterkĂźnfte, Ausflugstipps, Kunst, Kultur und Events werden auf der deutschsprachigen Webseite der Region de.franche-comte.org umfangreich präsentiert. Wer sich ausfĂźhrlich Ăźber Frankreichs grĂźnste Stadt informieren will, wird fĂźndig unter www.besancon.fr. Die Zitadelle in Besancon beherbergt, innerhalb der zum Welterbe zählenden Festung, verschiedene Museen und einen Zoo, www.citadelle.com/ de. Die Käserei „Fromagerie des coteaux“ in Lavigny bietet FĂźhrungen und Direktverkauf an, www.comte-morbier.com. Wer von Käse gar nicht genug bekommen kann, dem sei die ThemenstraĂ&#x;e zum ComtĂŠ-Käse empfohlen, www.comte.com/visiter. Der Hochseilgarten und das Kanuzentrum liegen zwischen Ornans und Montgesoye. Dort kĂśnnen auch Touren der Via Ferrata und weitere Adventure-Aktivitäten gebucht werden, www.evolution2-gorgesdelaloue.com. Tickets und Informationen Ăźber die Schnellzugstrecke Rhein-Rhone findet man unter tgv.de.voyages-sncf.com/de/frankfurtmarseille. FĂźr die UnterstĂźtzung der Reise bedanken wir uns beim Regionalen Tourismusverband und den lokalen TourismusbĂźros.
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