TOMORROWTODAY 04_2013

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04 TOMORROWTODAY QUARTERLY 2013

Developing the technologies, methods and tools of tomorrow

Gesundheit!

NEUE INFEKTIONSDIAGNOSTIK

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PERSONAL HEALTH SYSTEMS FORESIGHT ENERGY

KONFERENZ IECON VIENNA MOBILITY

LOGISTIK FÜR DIE WASSERSTRASSE

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SAFETY & SECURITY

INTELLIGENTE STRASSENBAHNEN SICHER AUF SCHIENE SOLAR-DECATHLON

LISI- DAS PREISGEKRÖNTE SOLARHAUS


SAVE THE DATE:

ALPBACHER

TECHNOLOGIEGESPRÄCHE 2014 At the Crossroads

21.-23.08.2014 Congress Centrum Alpbach/Tirol

Informationen: www.alpbach-technologyforum.com, Auskünfte: claudia.klement@ait.ac.at

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➜ INHALT/EDITORIAL

EDITORIAL

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SHOOTINGSTAR

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Der AIT-Dissertant Klemens Wassermann gewann bei der internationalen Wissenschaftskonferenz in Berlin den Jury-und Audience Preis des Young Innovator of the Year 2013. Ein Interview.

PREISGEKRÖNT

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Ein Team aus österreichischen Studierenden gewann auf Anhieb den wichtigsten universitären Wettbewerb für solares Bauen in den USA, den „Solar Decathlon“. Das AIT gab Technologiesupport. Ein Einblick.

ELEKTROTECHNIK IM DIENST DER NACHHALTIGKEIT

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Die IECON 2013 fand diesmal in Wien statt. Die international wichtigste Konferenz für Industrielle Elektronik verzeichnete einen Besucherrekord. Schwerpunktthema: (Leistungs-) Elektronik für nachhaltige Energiesysteme.

INTELLIGENTE STRASSENBAHNEN – SICHER AUF SCHIENE

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Das AIT entwickelt ein innovatives Fahrerassistenzsystem mit intelligenten 3D-Kameras für Straßenbahnen. Das wird den Stadtverkehr sicherer machen.

HIGHTECH-TOOLBOX FÜR SCHNELLE INFEKTIONSDIAGNOSTIK

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Mit Hilfe neuer Testverfahren, die am AIT entwickelt werden, kann man Infektionen künftig schneller und sicherer ermitteln.

DER WEG IN EIN PERSONALISIERTES GESUNDHEITSSYSTEM

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„Personal Health Systems Foresight“ zeigt Wege für Europas Gesundheitssysteme auf. Das AIT untersucht dabei speziell die Rolle der öffentlichen Hand.

FLÜSSIGER VERKEHR AUF DEM WASSER

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Das AIT entwickelt Logistiksysteme, damit Wasserwege für den Gütertransport effizienter genutzt werden können.

Foto: www.peterrigaud.com

RÄTSEL SILICON VALLEY Wo liegt das Geheimnis des Erfolges des „Innovationsinkubators“ Silicon Valley? Ein Erfahrungsbericht.

In dieser Ausgabe von Tomorrow Today berichten wir über das Thema Gesundheit gleich in zweifacher Weise. Zum einen gilt es, die neuen Möglichkeiten darzustellen, die wir auf dem Gebiet der Infektionsdiagnostik entwickelt haben. Besonders freuen wir uns über unseren Dissertanten Klemens Wassermann: Er gewann mit seinem revolutionären Diagnoseansatz bei der internationalen Wissenschaftskonferenz „Falling Walls“ den Jury- und Audience Preis des Young Innovator of the Year 2013. Zum anderen berichten wir über das Forschungsprojekt „Personal Health Systems Foresight“. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche Rahmenbedingungen es braucht, damit Europas Gesundheitssystem die zahlreichen Herausforderungen mit Hilfe von technischen Systemen bewältigen kann. Das AIT untersucht dabei speziell die wichtige Rolle der öffentlichen Hand. Dass wir das Thema Gesundheit aus zwei sehr unterschiedlichen Perspektiven thematisieren können, ist einer der wesentlichen Pluspunkte des AIT. Durch unsere Interdisziplinarität können wir in unseren ausgewählten Forschungsschwerpunkten die Infrastrukturthemen der Zukunft gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern für unsere Kunden und Partner besonders effektiv bearbeiten und erforschen. Dass Interdisziplinarität zum Erfolg führt, bewies auch der heurige Wettbewerb „Solar Decathlon“. Unter der Leitung der TU Wien und mit Technologiesupport vom AIT hat ein österreichisches Team aus 45 Studierenden auf Anhieb den wichtigsten universitären Wettbewerb für solares Bauen in den USA gewonnen. Lesen Sie den Bericht dazu ab Seite zehn. Damit wir weiterhin am Puls der Zeit bleiben, dafür sorgen auch die von uns gemeinsam mit ORF/Ö1 organisierten Alpbacher Technologiegespräche. Vom 21. bis 23. August 2014 werden wir wieder die Gelegenheit nutzen, die brennenden Fragen der Zeit zu diskutieren. Save the date. Sie sind herzlich eingeladen! Michael H. Hlava Head of Corporate and Marketing Communications

INNOVATIONSKALENDER

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SCIENTIFIC PAPER

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PS.: Beachten Sie auch die Rückfragehinweise pro Geschichte: Unser Kommunikationsteam ist für Sie da.

IMPRESSUM. Tomorrow Today ist ein Magazin, das in Form einer Medienkooperation mit dem AIT Austrian Institute of Technology umgesetzt wird. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei Austria Innovativ. Medieninhaber und Verleger_Bohmann Druck und Verlag GesmbH & Co. KG., A-1110 Wien, Leberstr. 122, Tel.: +43 1 740 95-0. DVR: 0408689. Geschäftsführung_Gabriele Ambros, Gerhard Milletich. Herausgeber_AIT Austrian Institute of Technology, Tech Gate Vienna, Donau-City-Straße 1, 1220 Wien, Tel.: +43 (0) 50550-0. Verlagsleitung_Patrick Lehnhart. Chefredaktion_Michael Hlava, E-Mail: michael.hlava@ait.ac.at, Norbert Regitnig-Tillian, E-Mail: nrt@bohmann.at. Redaktion_Margit Noll, Daniel Pepl. AutorInnen dieser Ausgabe_Alfred Bankhamer, Doris Griesser, Eva Pfisterer, Angelika Prohammer. Projektmanagement:_Daniel Pepl. Grafisches Konzept:_Anita Frühwirth. Layout_Markus Frühwirth (REPROMEDIA). Druck_Druckerei Odysseus, Haideäckerstr. 1, A-2325 Himberg. Titelfoto_123rf. Erscheinungsweise_4-mal jährlich. Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. ISSN 1994-5159 (Print), ISSN 1994-5167 (Online). Gratis Abo via E-Mail_cmc@ait.ac.at.

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➜ Silicon Valley

Rätsel Silicon Valley /// „Silicon Valley“ steht für Innovation, Technologie und Entrepreneurship. Doch wo liegt das Geheimnis dieses riesigen „Innovationsinkubators“ an der Westküste der USA? Im Rahmen der Science Talks ging eine hochrangige Delegation aus Österreich der Sache auf den Grund. /// Eine Garage also. Wer in Palo Alto, der Stadt inmitten der kalifornischen Technologieregion südlich von San Francisco nach dem „Geburtsort von Silicon Valley“ fragt, der wird zu einem schlichten und unscheinbaren Gebäude inmitten eines ruhigen Wohngebietes verwiesen. Dort steht jene Garage, in der die zwei Stanford-Studenten William Hewlett und David Packard, ihr erstes Produkt entwickelten. – Einen Oszillator, der von Toningenieuren als Testinstrument verwendet wurde und für das sich bald der Unterhaltungskonzern Walt Disney als Kunde fand. Das war 1938. Heute ist HewlettPackard, trotz einiger Turbulenzen noch immer einer der größten Hersteller von Personalcomputern - und „die Garage“ das Symbol für Generationen von Unternehmern in Silicon Valley. Wer genug unternehmerischen Geist mitbringe und sich auch durch Misserfolge nicht entmutigen lasse, schafft aus bescheidenen Anfängen atemberaubende Erfolgsgeschichten. Was sich hinter dem immer wieder verklärten Geheimnis des Erfolges der amerikanischen

●● Geben und Nehmen Stanford ist eine der reichsten Hochschulen der Welt. Ein großer Teil des Budgets kommt durch Spenden von Absolventen. Die Stanford University verfügt über ein Stiftungskapital von 19 Milliarden Dollar und hält bei einem Jahresbudget von knapp 3,5 Milliarden Euro. Zum Vergleich: In Österreich stehen allen Universitäten jährlich 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Zudem beschäftigt Stanford 300 Personen allein für Fundraising. Eine weitere Milliarde Dollar kommt daher durch Spenden, zumeist von Standford-Absolventen, jährlich noch hinzu. Das Geben und Nehmen ist aber ein wechselseitiger Prozess: Unter Stanford-Alumni gehört es zwar zur moralischen Pflicht, einen Teil ihres Einkommens an die Universität zu spenden. Stanford gewährt Forschern aber auch großzügige Übertragungen von Nutzungsrechten an Erfindungen. Diese sollen Unternehmungsgründungen und – finanzierungen erleichtern. Im Erfolgsfall fließen dann oft viele Millionen wieder in Form von Spenden an die Universität zurück.

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Technologiehochburg verbirgt, davon konnte sich eine österreichische Delegation überzeugen, die im Rahmen der Science Talks die Bay Area südlich von San Francisco besuchte. Das Ziel war, zu erkunden, wie im Wissenschafts- und Wirtschaftszentrum Silicon Valley „Spitzenleistungen zustande kommen und organisiert werden“, sagt der Aufsichtsratspräsident des Austrian Institute of Technology, Hannes Androsch. Verrückte Unternehmen, verrückte Geldgeber

Dass man von dieser Region lernen kann, ist klar: Silicon Valley ist auch heute noch, trotz der Konkurrenz aus China, Südkorea und Indien, eines der bedeutendsten IT- und Hightech-Zentren der Welt. 40 Prozent des US-Risikokapitals werden in Unternehmen mit Sitz in der Bay Area rund um San Francisco investiert. Und nicht wenige der großen klingenden (IT-)Unternehmensnamen sind in diesem riesigen Innovationsinkubator entstanden: Intel, Google, Hewlett-Packard, Oracle, Dell, Apple oder Facebook. „Silicon Valley ist eine Kreuzung von verrückten Unternehmen und verrückten Geldgebern“, sagt Steven Blank, Dozent an der Stanford University, der sich seit Jahren mit der Geschichte der Region beschäftigt. Dass Silicon Valley Entrepreneure aus aller Welt anzieht, hat freilich mehrere Ursachen. Die Bay Area hat sich in den letzten 50 Jahren als Region etabliert, die sowohl Exzellenz in der Grundlagenforschung erbringt, aber auch eine der lebendigsten Gründerszenen weltweit besitzt. Gerade für Österreich ist die Bay Area dabei spannend. Denn hier zeigt sich, wie sich Forschung, Innovation und Entrepreneurship zu einem pulsierenden Ganzen verzahnen können.

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Silicon Valley

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Silicon Valley: Größter „Innovationsinkubator“ in den USA

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Silicon Valley

Start-Up-Gründer, darunter auch so manche Österreicher, machen aber häufig auch die Erfahrung, dass das Wettrennen um Finanzierung nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. Denn über die Schreibtische von Risikokapitalgesellschaften oder „Business Angels“ wandern jährlich tausende Businesspläne. Wer keine gute Leistungsbilanz vorzuweisen hat und von guter Quelle empfohlen wird, geht leicht leer aus. Zwar versuchen Vermittlungsagenturen wie etwa die weltweit tätige „Plug and Play“ junge Gründer fit für die ersten Finanzierungsrunden zu machen. Sie vermieten günstige Büroplätze, vermitteln Termine bei Business Angels oder lehren, Projektpräsentationen kurz und mitreißend zu gestalten. Doch vor Misserfolg ist dadurch niemand gefeit. Insgesamt liegt die Erfolgsquote von Start-Ups im Silicon Valley nicht höher als bei zehn Prozent.

●● Der Vater des Silicon Valley Die Gründung von Silicon Valley ist eng mit dem Stanford-Professor Frederick Terman verbunden. Gegründet vom ehemaligen Gouverneur Kaliforniens, Leland Stanford, und seiner Frau Jane im Jahre 1891, spielte die Stanford University nach dem Zweiten Weltkrieg eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Technologiehochburg. Als „Vater des Silicon Valley“ wird dabei der Dekan der Fakultät für Ingenieurswissenschaften, Frederick Terman, bezeichnet. Während des Zweiten Weltkrieges nach Harvard berufen, um dort geheime Forschungen über das deutsche Radarsystem anzustellen, kehrte Terman nach Kriegsende nach Stanford zurück und baute staatlich finanzierte Forschungslaboratorien auf, die sich auf militärische Elektronik spezialisierten. Terman, der seine Studenten dazu anspornte nicht zu etablierten Firmen zu wechseln, sondern im Umkreis der Universität auf Selbständigkeit zu setzen, forcierte so die erste Gründerwelle. Weil es noch kaum privates Risikokapital gab, sprang die US-Regierung mit Anschubfinanzierungen ein, viele Unternehmen konnten mit Regierungsaufträgen rechnen. „Terman besaß die Fähigkeit, auch Geld vom Staat anzulocken“, sagt Steve Blank. „Ohne ihn würde es Silicon Valley, so wie wir es heute kennen, nicht geben.“ In Folge wurde Silicon Valley so auch zu einem der wichtigsten Standorte für militärische Forschung. Mitte der 1950er Jahre übersiedelte etwa die Forschungsabteilung von Lockheed Martin in Stanford-Nähe. Der kalte Krieg motivierte zu hohen Forschungsausgaben. Als die Sowjetunion 1957 mit „Sputnik“ den ersten Satelliten in den Orbit schoss, saß der Schock tief, und der US-Kongress investierte nochmals großzügig in militärische Forschung und Gründung neuer Technologieunternehmen. Die Erfindung der Halbleitertechnik brachte den nächsten Boom. Zugleich wurden auch die Raumfahrtbehörde NASA und Arpa (heute Darpa), eine zum Pentagon gehörende Forschungsinstitution, gegründet. Proteste gegen den Vietnamkrieg zwangen die Militärforschung dann aus den Universitäten. Heute steht Silicon Valley als Synonym für High Tech, Innovation und Wagniskapital. Aber auch wenn die Regierung als finanzieller Motor für die Region heute in den Hintergrund getreten ist: insgesamt investieren die USA jährlich 150 Milliarden Dollar in die Forschung und bleiben auch in vielfacher Form in der Forschung engagiert.

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Scheitern gehört dazu

Für das pulsierende Innovationsgeschäft ist Misslingen aber kein Makel. Im Gegenteil: Eine der vielbeschworenen Grundeinstellungen des „Entrepreneurial Spirit“: Scheitern gehört dazu. „Ein verpatzter Start stellt nur eine neue wertvolle Erfahrung für den nächsten Anlauf dar“, sagt AIT-Geschäftsführer Wolfgang Knoll. Und nicht wenige Start-Up Gründer können auf einen reichen Erfahrungsschatz an gescheiterten Anläufen zurückblicken. Einer der Hauptgründe, warum das Scheitern nicht zu einem sozialen Stigma wird: Auch Wagniskapitalgeber wissen, dass die Sache schief gehen kann. Gescheiterte Start-Up Gründer müssen das „verspielte“ Kapital denn auch nicht zurückzahlen. Genau diese Verfügbarkeit von Risikokapital ist in Mitteleuropa noch kaum gegeben. In Silicon Valley dagegen heißt es: Wer es nicht noch einmal versucht, habe die Spielregeln noch nicht verstanden. Einen nicht zu unterschätzenden Anteil an dieser dynamischen Atmosphäre hat die Stanford University. Rund 60 Kilometer südöstlich von San Francisco gelegen und in Gehdistanz von Palo Alto, ist sie eine der wichtigsten Quellen für neue Ideen und Start-Up Gründungen. Die Forschungsuniversität setzt dabei klar auf Exzellenz. Jährlich werden von fast 40.000 BewerberInnen nur rund 1700 aufgenommen. „Wer die strengen Auswahlverfahren meistert, hat aber Aussicht auf beste Betreuung“, sagt Knoll. „2000 Full- und Assistant ProfessorInnen stehen insgesamt rund 16000 Studierenden gegenüber.“ Vor allem die anregende Atmosphäre des gemeinsamen Forschens bewegt viele, nach Stanford zu gehen. Forschergruppen in Stanford machen dabei keine Lehre im herkömmlichen Sinn. Der österreichische Physiker Fritz Prinz, der in Stanford

Geburtsort Silicon Valley: Die Garage der HP-Gründer William Hewlett und David Packard in Palo Alto ist heute ein Museum

Fotos: gettyimages/David Paul Morris, AIT, SiliconValleyMap.com

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Silicon Valley

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Science Talks: AIT-Aufsichtsratspräsident Hannes Androsch im Gespräch mit Nobelpreisträger Walter Kohn (links) und dem österreichischen Ozeanforscher Walter Munk (rechts).

Einer der Gründe dafür ist auch, dass sich die Universitäten Stanford und Berkeley in der Bay Area jedes Jahr ein Wettrennen um die ersten Plätze in internationalen Rankings liefern. So ist die Sichtbarkeit ihrer Exzellenz weltweit gegeben. Österreich hat in diesem Punkt noch Nachholbedarf. /// am Department for Engineering eine 30-köpfige Arbeitsgruppe leitet, hält eine Vorlesung, die sich mit drei Stunden wöchentlich niederschlägt. Ansonsten wird nach dem Humboldtschen Ideal von der Einheit von Lehre und Forschung gemeinsam geforscht. Das Ergebnis: mehr als 20 Fakultätsangehörige haben bisher den Nobelpreis bekommen. Auch in diesem Jahr gab es wieder zwei Auszeichnungen, in Medizin und in Chemie.

Fotos: gettyimages/David Paul Morris, AIT, SiliconValleyMap.com

Start-Up Gründung als Lehrinhalt

Stanford ist aber kein Elfenbeinturm. Angewandte Forschung für Unternehmen und Konzerne steht hoch im Kurs - und auch der „Entrepreneurial Spirit“ wird von der Universität gefördert. So findet sich im Curriculum ein Programm für Studierende, in dem die Gründung eines Start-Ups gleich praktisch gelehrt wird. Gerade dieser kurze Weg zwischen wissenschaftlicher Exzellenz hin zum Markt ist ein wesentlicher Punkt für den Erfolg von Silicon Valley. Studierende bekommen bereits an der Universität das „Mind-Set“ vermittelt, um mit ihrer Forschung „die Welt zu verändern“. Das pulsierende Umfeld tut dann sein Übriges. Problematisch dabei: Nicht wenige Studierende brechen ihr Studium für eine Start-Up Gründung ab. Scheitert die Unternehmensgründung, können Studienabbrecher aber nicht mehr an die Universität zurückkehren. Trotz dieser strengen Regeln ist die Verlockung, sich selbstständig zu machen, groß: Denn anders als in Österreich gehen Investoren aktiv auf Studierende und Forschende zu, um sich die besten Ergebnisse zu sichern. In Palo Alto, an der Sand Hill Road, gibt es unzählige Venture Capital Unternehmen, die von Studierenden bereits aufgesucht werden, um Gründungsoptionen durchzuspielen. Um Nachwuchs braucht sich Silicon Valley auch insgesamt nicht zu sorgen. Die magnetische Wirkung des riesigen Innovationsinkubators sorgt für immer neuen Nachschub an Human Resources.

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●● Neue Chancen für Forscher mit Auslandserfahrung Zum zehnten Mal fand am 12. Oktober der „Austrian Science Talk“ in Nordamerika statt, diesmal in Los Angeles. Mehr als 100 in den USA und Kanada tätige österreichische WissenschafterInnen informierten sich bei dem Treffen über die Situation in Österreich und potenzielle Karrierechancen. Gekommen war auch eine hochkarätige Delegation aus Österreich. „Wir sind stolz darauf, dass Sie hier in den USA erfolgreich sind, und würden uns auch freuen, wenn Sie zurückkehren könnten“, sagte Hannes Androsch, Vorsitzender des Rates für Forschung und Technologieentwicklung. „Aber wir müssen die Möglichkeiten dafür schaffen.“ Viele VertreterInnen der österreichischen „Science Diaspora“, wie der österreichische Wissenschaftsattaché in den USA, Philip Marxgut, die rot-weiß-rote Forschergemeinde in den USA bezeichnete, würden den Weg zurück suchen. Die Präsidentin des Wissenschaftsfonds FWF, Pascale Ehrenfreund hob hervor, man müsse überlegen, wie man die Rückkehr unterstützen kann. Die Fakten, die die österreichische Delegation mitbrachte, ergaben dafür ein gemischtes Bild. Androsch erwähnte das mangelhafte Bildungssystem und die „heillos unterfinanzierten“ Universitäten. Ehrenfreund wies darauf hin, dass Österreich das wissenschaftliche Potenzial nicht ausschöpfe und der FWF auch sehr gute Projekte ablehnen müsse. Edeltraud Stiftinger, Geschäftsführerin der Austria Wirtschaftsservice (AWS), sprach den Nachholbedarf Österreichs beim Unternehmergeist („Entrepreneurial Spirit“) und die fehlende Kultur des Scheiterns an. Positive Nachrichten gab es von Barbara Weitgruber, Sektionschefin im Wissenschaftsministerium. Sie betonte, dass in den nächsten Jahren 400 bis 500 Professuren an Österreichs Unis ausgeschrieben würden – eine große Chance für ForscherInnen mit Auslandserfahrung. Auch das AIT ist auf Wachstumskurs, unterstrich AIT-Chef Wolfgang Knoll. „In den nächsten Jahren werden 150 Experten und Expertinnen gesucht.“ Im Rahmen des „Science Talks“ kam es auch zu einem Treffen von zwei legendären, aus Österreich stammenden Spitzenforschern: der als Kind aus Österreich vertriebene Chemie-Nobelpreisträger Walter Kohn (90) traf mit dem aus Österreich stammenden renommierten Ozeanforscher Walter Munk (96) zusammen, der lange an der Scripps Institution of Oceanography in La Jolla (USBundesstaat Kalifornien) beschäftigt war und als einer der Väter der Ozeanografie gilt. Kohn hielt beim „Science Talk“ auch einen Vortrag über die Zukunftschancen von Wind- und Solarenergie.

Weitere Infos: Michael H. Hlava, Head of Corporate and Marketing Communications, Tel.: +43 505 504014, E-Mail: michael. hlava@ait.ac.at, Web: www.ait.ac.at

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➜ event preview

2014 At the Crossroads /// Das kommende Europäische Forum Alpbach steht im Zeichen des Gedenkjahres 2014. Die Alpbacher Technologiegespräche finden vom 21. bis 23. August 2014 statt. ///

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soll jedenfalls ein Bild der vor uns liegenden Entscheidungen und Möglichkeiten zeichnen, die damit einhergehenden Chancen und Risiken analysieren und Wege der Umsetzung diskutieren. Alpbacher Technologiegespräche 2014

Die vom AIT und dem ORF/Ö1 organisierten Alpbacher Technologiegespräche, die im Rahmen des Forums vom 21. bis 23. August 2014 stattfinden, werden in vielfältiger Form und noch stärker als bisher auf das Generalthema Bezug nehmen. Das Ziel wird auch diesmal wieder sein, in den Dialog zu treten, über Bestehendes zu reflektieren und nachhaltige Lösungen für brennende Fragen der Zeit zu diskutieren. Eine Neuerung wird es nächstes Jahr wegen der großen Nachfrage geben: Arbeitskreise werden bevorzugt in englischer Sprache angeboten werden. Ingesamt wird es voraussichtlich 13 Arbeitskreise geben, in denen Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter anderem Themen wie „Urban Science“, „Complexity in Supply Chain Management“ oder „Die Kultur des Scheiterns“ bearbeiten werden. /// Nähere Informationen finden Sie auf: www.alpbach-technologyforum.com

Weitere Infos: Michael H. Hlava, Head of Corporate and Marketing Communications, Tel.: +43 505 504014, E-Mail: michael. hlava@ait.ac.at, Web: www.ait.ac.at

Foto: 123rf

Das letzte Europäische Forum Alpbach ist Ende August 2013 erfolgreich zu Ende gegangen. 4500 Teilnehmer aus 75 Nationen haben teilgenommen und das Forum wieder zu einer erfolgreichen Veranstaltung gemacht. Im kommenden Jahr wird das Forum Alpbach vom 13. bis 29. August 2014 stattfinden und das Generalthema „At the Crossroads“ behandeln. Hintergrund für die Themenauswahl ist, dass das Jahr 2014 in mehrfacher Hinsicht ein Gedenkjahr ist: 200 Jahre Wiener Kongress, 100 Jahre Erster Weltkrieg, 25 Jahre Fall der Berliner Mauer. Diese Ereignisse werden in Alpbach zum Anlass genommen, sich vor dem Hintergrund der historischen Lehren neuerlich einem zukunftsgerichteten Diskurs zu widmen. Denn damals wie heute steht Europa an einer Weggabelung, an der es eine Reihe von Grundsatzentscheidungen zu treffen gilt. Fragen, die beim kommenden Forum Alpbach behandelt werden: In welche Richtung wollen wir uns als Gesellschaft entwickeln? Was sind unsere Vorstellungen für eine ökonomisch, politisch und sozial stabile Zukunft, und wie viel sind wir bereit, dafür zu geben? Welche konkreten Schritte braucht es, um eine optimale Entwicklung über alle politischen und weltanschaulichen Grenzen hinweg zu fördern? Bei der Beantwortung dieser Fragen, so heißt es seitens des Forums Alpbach, soll die Bandbreite von realpolitischen Möglichkeiten bis hin zu Visionen und scheinbar unmöglichen Träumen herangezogen werden. – Alles in dem Bewusstsein, dass eine definitive Bewertung erst im Prozess der Auseinandersetzung entstehen kann. Das Europäische Forum Alpbach 2014

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➜ Interview

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Shooting-Star /// Klemens Wassermann, Dissertant am AIT, hat bei der internationalen Wissenschaftskonferenz Falling Walls in Berlin den Jury- und Audience Preis des Young Innovator of the Year 2013 für eine revolutionäre Methode in der Infektionsdiagnostik gewonnen. /// Herr Wassermann, herzliche Gratulation zu Ihrem Preis. Wenn Sie Ihre Forschung erklären wollten: Wie können Sie das in einem Satz tun? Wassermann: Ich arbeite daran, dass man eine bakterielle Infektion innerhalb von Minuten und nicht wie bisher in Tagen vollautomatisch detektieren kann, mit dem Ergebnis, dass der Arzt weiß, welche Antibiotika zu geben sind.

Foto: AIT

Haben Sie das auch in Berlin so erklärt? Wassermann: Da habe ich einen Vergleich für das grundsätzliche Problem gebracht: Die Blutzellen, die guten Jungs, sind rote M&M´s (Anm. d. R.: die berühmten, mit Zucker übergossenen Schokolinsen). Und die Bakterien, die bösen Jungs, sind blaue M&M´s. Jetzt hat man aber in einem Milliliter Blut sechs Milliarden Blutzellen. Somit sechs Milliarden rote M&M´s. Die füllen einen ganzen olympischen Swimming-Pool. Und jetzt muss man aber in diesem mit roten M&M´s gefüllten Pool ein paar wenige blaue M&M´s finden. Und das ist bisher unmöglich. Das ist auch der Grund, warum die Standardmethode, die heute noch immer verwendet wird, drei bis fünf Tage dauert. Wir aber schaffen es jetzt, den Stöpsel dieses Pools zu ziehen und nur die roten M&M´s fließen raus und die blauen bleiben am Poolboden liegen, was den Nachweis stark vereinfacht. Lernt man in der Ausbildung eigentlich, die eigene Forschung so anschaulich zu präsentieren? Wassermann: Nein. Ich muss sagen, das war meine erste Konferenz vor mehreren hundert Wissenschaftlern. Aber ich habe bei Labmeetings mehrere Probevorträge gehalten und auch Leute eingeladen, die mit meiner Forschung nichts zu

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tun haben. Durch das Feedback habe ich dann gesehen, wo ich nachschrauben muss. Und das war eindeutig in der Vorstellung des grundsätzlichen Problems. Geholfen hat mir natürlich auch, dass ich schon ein „proof of principle“ vorweisen konnte, also, dass meine Methode funktioniert.

Wann hatten Sie eigentlich Ihr Heureka-Erlebnis? Wassermann: Vor zirka einem Jahr. Genauer identifizieren kann ich es nicht mehr. Die besten Ideen sind mir aber immer in der Freizeit oder in der UBahn gekommen. Wussten Sie schon am Beginn Ihres Studiums, in welche Richtung Sie gehen wollen? Wassermann: Anfangs wollte ich in die Meeresforschung. Das war schon als Kind mein Traum. Biochemie und Genetik waren in der Schule dann sehr trocken. Das ist aber während des BiologieStudiums immer interessanter geworden.

Klemens Wassermann, 29, studierte zuerst an der Universität Wien Biologie und spezialisierte sich dann auf Mikrobiologie und Genetik. Seine Diplomarbeit schrieb er am Dana-Farber Cancer Institute der Harvard Medical School in Boston. Nach mehren Zwischenstationen bei unterschiedlichen Forschungsinstitutionen arbeitet er seit dem Sommer 2012 am AIT an seiner Dissertation „Lab-on-a-chip for pathogen detection from blood.“

Jetzt arbeiten Sie als Dissertant am AIT. Welche Rolle spielt dieses Forschungsumfeld für Sie? Wassermann: Eine sehr große. Der Vorteil des AIT ist einfach diese Interdisziplinarität. Das ist schon ein riesiges Asset. Zudem ist die Unterstützung für Studierende exzellent. Das hilft, den Elan aufrechtzuerhalten. Wie wird es jetzt mit Ihrer Forschung weitergehen? Wassermann: Ich werde meine Dissertation an der TU-Wien vorlegen und die Elektrotechnik mit der Molekularbiologie verbinden. Das ist meine Nische, die ich mir gesucht habe. Ich denke, das ist ein Feld, das in den nächsten Jahren wachsen wird.

(Näheres über die „Lab-on-a-Chip“ Forschung finden Sie auf Seite 22)

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➜ Wettbewerb

Preisgekrönt /// Studierende aus der ganzen Welt kämpfen darum, wer das beste, mit Sonnenenergie betriebene Haus entwirft und baut. Heuer bewarb sich zum ersten Mal ein österreichisches Studententeam unter Leitung der TU Wien und mit Technologiesupport des AIT beim Solar-Decathlon – das ist der wichtigste, vom US-Energieministerium ausgeschriebene universitäre Wettbewerb für solares Bauen – und trug prompt den Sieg davon. ///

Das LISI Siegerteam beim Solar-Decathlon.

* LISI steht für Living inspired by sustainable innovation.

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Was die Vernetzung vieler Köpfe an Ideen bewirkt, lässt sich am Erfolg der 45 Studierenden und Dissertanten ablesen, die unter der Leitung der Architektin Karin Stieldorf und den Projektmanagern Gregor Pils und Claus Schnetzer von der TU Wien in knapp 2 Jahren das schönste und energieeffzienteste Plusenergiehaus entwarfen und bauten. Sie konnten sich unter 60 Hochschulteams, darunter so renommierte Universitäten wie Stanford

oder CalTech, als die Besten qualifizieren. Nicht nur die Jury, auch die US-amerikanische Presse zeigte sich begeistert: „Dieses Haus gehört in die Hollywood Hills,“ jubelte die Los Angeles Times über das österreichische Plus-Energie-Haus, das mehr Energie produziert, als es verbraucht. Neben der TU Wien, den Fachhochschulen St. Pölten und Salzburg sowie mehreren heimischen Firmen beteiligten sich auch drei StudentInnen, die derzeit eine Masterarbeit bzw. eine Dissertation

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LISI ist mit einer 8,6 kWp großen Photovoltaikanlage ausgerüstet. Kluge Haustechnik macht es möglich, dass mehr Energie produziert als verbraucht wird.

am Energy Department des AIT schreiben. Sie wurden mit der technischen Gestaltung des Hauses betraut, besonders mit einer 8,6 kWp großen Photovoltaikanlage am Dach sowie dem Design des Haustechniksystems. „Dabei wurden wir von den KollegInnen am AIT mit ihrem Know How und der AIT-Infrastruktur unterstützt“, erzählt Sabrina Novalin, die von Anfang an an der Entwicklung des Technik-Konzeptes beteiligt war. Sie hat an der TU studiert und schreibt derzeit ihre Dis-

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sertation am AIT. Was ist neu am LISI* Haus? Für die Doktorandin Novalin ist es sicher das Lüftungssystem im Boden, das nicht nur heizen, sondern auch kühlen kann und gleichzeitig die Frischluft in den Raum transportiert: „Dabei zirkuliert Wasser unter dem doppelten Boden wie in einer Fußbodenheizung. Die Luft, die unter diesen Rohrschlangen vorbeiströmt, entweicht durch Schlitze im Boden und unterstützt so den Wärmetransport.“

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Wettbewerb

Vor den großen Schiebetüren ausgeblasen, erzeugt die Luft einen zarten Luftvorhang vor dem Glas, was ein besonders angenehmes Raumklima schafft. Im Sommer wird das Haus zusätzlich mit Hilfe der Abluft der Warmwasser-Wärmepumpe gekühlt. Sie erzeugt neben dem warmen Wasser auch kalte, trockene Luft, die bei Bedarf ins Haus eingeleitet werden kann. Sabrina Novalin ist hocherfreut über eine andere Innovation: Eine unter dem Eschenboden versteckte Duschtasse, die bis zu 32 Prozent an thermischer Energie rückgewinnt: Das warme Wasser, das beim Duschen normalerweise abfließt, wird mit einem Wärmetauscher in der Duschtasse durch nachkommendes Frischwasser abgekühlt. Dadurch wird das zuströmende kalte Wasser bereits vorgewärmt, bevor es dem Warmwassertank zugeführt wird, und muss dementsprechend weniger erhitzt werden.

Mit dem im Boden versteckten Lüftungssystem kann sowohl geheizt als auch gekühlt werden.

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Wenn es kalt ist, gibt die warme Luft im Haus Energie an die von außen einströmende Frischluft ab und wird dadurch vorgewärmt – was weniger Heizaufwand bedeutet. „Zusätzlich“, erklärt Novalin, „reguliert das Wärmerückgewinnungssystem auch die Luftfeuchtigkeit.“ Und zwar durch einen Rotor mit Sorptionsbeschichtung. Speziell dafür getestete Materialien nehmen die Feuchtigkeit auf und geben sie wieder ab. Damit wird ein optimales Raumklima erzeugt. Das Haus LISI wurde in Wien entworfen und in Kärnten gebaut. Ende Juli wurde es wieder zerlegt, in sechs Container verladen und über den Panamakanal nach Kalifornien verschifft. „Ganze neun Tage hatten wir für den Wiederaufbau Zeit – vom Öffnen der Containertür bis zur Blumenvase am Tisch“, erzählt Novalin. Haus LISI ist als Hofhaus angelegt. Außen- und Innenräume werden verbunden, wobei der Hauptraum gegen Norden und Süden durch ganzflächige Verglasung jeweils von einem Hof getrennt wird. Das ‚Grundhaus’ mit bloß 60m2 erweitert sich durch das Öffnen der Glasschiebetüren über Terrassen und Höfe auf 200m2 Im Wohnzimmer steht zentral ein großer Esstisch mit eingebautem Herd. Ein Bio-Kühlschrank für die Obst- und Gemüselagerung wird ausschließlich mit Wasserdampf gekühlt und kommt ohne Strom aus, die Wände sind aus geölter Baum-

Fotos: Solar Decathlon Team Austria, Stefano Paltera/U.S. Department of Energy Solar Decathlon

Neben dem Abwasser gibt es auch für die Abluft ein Wärmerückgewinnungssystem.

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Fotos: Solar Decathlon Team Austria, Stefano Paltera/U.S. Department of Energy Solar Decathlon

And the Winner is...Der Moment des Triumphes.

rinde. Überhaupt besteht fast das ganze Haus aus nachwachsender Energie, aus Holz. Und zwar aus 9 verschiedenen Arten: Die Dämmung aus Zellstofffasern, die Decke aus Weißtanne, die Böden aus Eiche –selbst die Sitzschalen der Sessel bestehen aus gepresster Rinde. Bei dem Forscherwettstreit wurden 10 Kategorien bewertet. Das österreichische Team überzeugte vor allem in den Bereichen architektonische Qualität, optimale Energieproduktion, Engineering, Markttauglichkeit und Kommunikation. „Der Sieg ist die größte Belohnung , die man sich nach zwei Jahren harter Arbeit wünschen kann,“ sagt Novalin und fügt nicht ohne Stolz hinzu: „Schließlich waren Unis wie Stanford oder Caltech dabei.“ Karin Stieldorf, Projektleiterin des Gesamtteams, ist überzeugt: „Dieses leistbare Haus mit erneuerbarer, sauberer Energie ist sicher ein Vorbild für das künftige Bauen und Wohnen.“ Nachfrage nach dem Haus gibt es schon genug. Das Sonnenhaus, das vom Infrastrukturministerium mit einer knappen Million Euro über das Forschungsprogramm ‚Haus der Zukunft’ gefördert wird, soll schon Mitte 2014 über einen privaten Kärntner Anbieter auf den Markt kommen. ///

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Duschinnovation: Unter dem Eschenboden wird mit einem Wärmetauscher bis zu 32 Prozent an Energie rückgewonnen.

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Elektrotechnik im Dienst der Nachhaltigkeit /// Auf der IEEE IECON 2013 wurden die elektrotechnischen Grundlagen unserer künftigen Energiesysteme im großen Maßstab diskutiert. /// Als traditionsreiche Kongressstadt ist Wien im Hinblick auf wissenschaftliche Großveranstaltungen nicht leicht zu beeindrucken. Doch die IECON 2013, die international wichtigste Konferenz für Industrielle Elektronik, war selbst für routinierte Gastgeber ein Ereignis der Superlative. Über 1.600 ForscherInnen und VertreterInnen wichtiger Industrie- und Wirtschaftsbetriebe aus allen Teilen der Welt trafen sich vom 11. bis 14. November im Austria Center, um sich auf der größten IECON seit ihrem fast 40-jährigen Bestehen über die Energiesysteme der Zukunft auszutauschen. „Wir hatten heuer fast doppelt so viele TeilnehmerInnen wie die IECON letztes Jahr in Montreal“, freut sich Peter Palensky. Mehrere Jahre hat der Principal Scientist und Leiter der Forschungsgruppe „Complex Energy Systems“ am AIT Energy Department darum gekämpft, das heurige Meeting des weltgrößten Technikerverbands IEEE mit seinen 500.000 Mitgliedern aus 160 Ländern nach Wien zu bringen. Dass sich Österreich als Veranstaltungsort durchsetzen konnte, brachte für die heimische Forschung und Wirtschaft in diesem Bereich nicht nur wichtige fachliche Impulse und Kontakte, sondern bot auch eine international viel beachtete Bühne für die eigenen Leistungen.

Komplexe Elektronik für smarte Netze und Städte

Insbesondere die beiden Veranstalter AIT und TU Wien konnten sich in diesem hochkarätigen Rahmen als treibende Kräfte und Innovatoren auf dem Weg zu nachhaltigen Energiesystemen international positionieren. Mit ihren Entwicklungen in den Bereichen intelligente Stromnetze, Smart Homes, thermische Energiesysteme, Security, Automatisierungstechnik oder Leistungselektronik liefern sie die wissenschaftliche Basis für einen neuen, verantwortungsbewussten Umgang mit Energie. In all diesen Forschungsfeldern spielt die Elektronik zur Energieumwandlung eine wichtige Rolle. So werden etwa Smart Grids erst durch eine elaborierte Leistungselektronik so intelligent, dass sie mit den schwankenden Energielieferungen von Wind oder Sonne effizient umgehen können. Der Weg zu einer stärkeren Nutzung nachhaltiger Energieträger führt demnach über die Elektronik. „Je mehr Photovoltaik, Wind- oder Wasseranlagen ein Land hat, desto komplexer wird die Verteilung und desto größer wird der Bedarf an intelligenten Netzen sein“, betont Brigitte Bach, Leiterin des Energy Departments von AIT. GroSSe fachliche Bandbreite

●● auf den punkt gebracht Vom 11. bis 14 November fand heuer bereits zum 39. Mal die internationale Konferenz für Industrielle Elektronik - die IEEE IECON 2013 - statt. Dass dieses bislang größte Treffen der internationalen Elektrotechnikszene erstmals in Österreich über die Bühne gehen konnte, ist dem Engagement der beiden Veranstalter AIT und TU Wien zu verdanken. Thematischer Schwerpunkt der 1.400 Präsentationen und Vorlesungen war der Einsatz der Elektrotechnik beim Aufbau effizienter und nachhaltiger Energiesysteme, denn diese sind ohne entsprechende (Leistungs-)Elektronik nicht zu verwirklichen. Über 1.600 ForscherInnen aus unterschiedlichen Fachbereichen und allen Teilen der Welt sowie VertreterInnen aus Industrie und Wirtschaft haben diese einmalige Gelegenheit zum Know-how-Austausch und zur Vernetzung genutzt.

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Die „Intelligenz“ unserer künftigen Stromnetze, Häuser und Städte kann aufgrund ihrer Komplexität nicht mehr durch verbesserte technische Einzellösungen gesteigert werden, sondern nur durch ganzheitliche Ansätze, die eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern. Aus diesem Grund war die IECON 2013 von einer großen fachlichen und thematischen Bandbreite geprägt. So trafen sich im Austria Center nicht nur LeistungselektronikerInnen, sondern auch Regelungs- und KommunikationstechnikerInnen und

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SpezialistInnen für Künstliche Intelligenz. In 1.400 Vorträgen berichteten die aus allen Teilen der Welt angereisten WissenschaftlerInnen über ihre neuesten Erkenntnisse, Ideen und Projekte, und renommierte ProfessorInnen gaben ihr Wissen in „Tutorials“ an Interessierte weiter. „Auf dieser Veranstaltung hatte man alle ExpertInnen unter einem Dach, die für die Entwicklung etwa eines intelligenten Stromnetzes erforderlich sind – eine großartige Gelegenheit für Networking, welche die KonferenzteilnehmerInnen auch intensiv nutzten“, freut sich Organisator Peter Palensky. Die in Wien geknüpften und erneuerten Peter Palensky /// Principal Scientist, Leiter Forschungsgruppe „Complex Energy Systems“, Tagungsleiter IECON 2013, AIT Energy Department „Wir hatten heuer fast doppelt so viele TeilnehmerInnen wie die IECON letztes Jahr in Montreal.“

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Kontakte und Forschungsnetze spannen sich über den gesamten Erdball. Die am stärksten vertretene Nation unter den 80 anwesenden war mit rund 250 TeilnehmerInnen übrigens Japan, das sich im Elektronikbereich bekanntermaßen im internationalen Spitzenfeld bewegt. Die zweitgrößte Gruppe im Ländervergleich waren die spanischen ForscherInnen, gefolgt von ExpertInnen aus China, den USA und praktisch allen anderen Industrienationen. Selbst so exotische Länder wie Kamerun, Paraguay, Malaysia oder die Arabischen Emirate entsandten Fachleute nach Wien. Erfolgreiche Kooperation von Forschung & Industrie

Um aus dem beachtlichen Potenzial der Industrieelektronik auch praktischen und wirtschaftlichen Nutzen ziehen zu können, bedarf es einer engen Kooperation zwischen Spitzenforschung und Industrieunternehmen. Aus diesem Grund gab es im Rahmen der Konferenz ein eigenes „Industry Forum“, wo sich ForscherInnen, Studierende und VertreterInnen von Unternehmen tref-

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Empfang im Rathaus mit rund 1.000 TeilnehmerInnen am Sonntag Abend vor der Konferenz.

Pressekonferenz mit (v.l.) Martin Eder, Vice President Innovation, Kapsch, Sabine Seidler, Rektorin TU Wien, Brigitte Bach, Head of Energy Department AIT, Sabine Herlitschka, Infineon Technologies Austria und Peter Palensky, Leiter Forschungsgruppe Complex Energy Systems, AIT.

fen und über die aktuellen Herausforderungen und Möglichkeiten diskutieren konnten. Zur Sprache kamen dabei etwa neue Entwicklungen in den Bereichen Smart Grids, LED-Beleuchtung, Elektromobilität oder Cyber Security, aber auch die nächste Generation von eingebetteten („cyberphysical“) Systemen für die industrielle Automation. Die gute Zusammenarbeit von Forschung und Industrie in Österreich wurde den KongressteilnehmerInnen am Beispiel verschiedener Modellregionen demonstriert, wo Forschungsprojekte im kleinen Maßstab bereits in die Praxis umgesetzt werden. Neueste Forschungserkenntnisse aus der ganzen Welt

Jeder der 1.400 Fachvorträge, die in über 300 Sessions gehalten wurden, setzte sich auf unterschiedliche Weise mit den Energiesystemen der Zukunft auseinander. Wichtige Themen waren beispielsweise die Integration von Demand Res-

●● Facts • IECON 2013, die 39. internationale Konferenz für Industrielle Elektronik • Veranstaltungsort: erstmals in Österreich (Austria Center Wien) • Trägerorganisation: der weltgrößte Technikerverband IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) mit 500.000 Mitgliedern • Veranstalter: AIT und TU Wien • Thema: Innovative Elektronik für nachhaltige und effiziente Energiesysteme der Zukunft (Smart Cities, Smart Grids, Building to Grid, Security, Energy in Industry etc.) • 1.600 TeilnehmerInnen aus 80 Ländern • ExpertInnen aus unterschiedlichen Fachbereichen • 1.400 Präsentationen im Rahmen von 300 Sessions • 12 „Tutorials“ von renommierten ProfessorInnen internationaler Forschungseinrichtungen • „Industry Forum“ zur Vernetzung von ForscherInnen, IndustrievertreterInnen und Studierenden • Präsentation von Praxiserfahrungen in Modellregionen (z.B. Smart Grid-Region Salzburg)

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Vortragende bei der IECON 2013 in Wien.

ponse in Smart Grids, die Schaffung einheitlicher Industriestandards bei Elektrofahrzeugen, Leistungselektronik für Windkraft oder intelligente Gebäude. Eines der zahlreichen gemeinsamen Brigitte Bach /// Leiterin des AIT Energy Departments „Je mehr Photovoltaik, Wind oder Wasseranlagen ein Land hat, desto komplexer wird die Verteilung und desto größer wird der Bedarf an intelligenten Netzen sein.“

Forschungsthemen von AIT und TU Wien in diesem Zusammenhang nennt sich „Building to Grid“ und beschäftigt sich mit der Entwicklung von intelligenten Häusern, die ihren elektrischen und thermischen Bedarf künftig „in Absprache“ mit den ebenfalls „smarten“ Energienetzen regeln sollen. Wie das funktionieren kann, lässt sich in der „Smart Grids Modellregion Salzburg“ beobachten, einer Entwicklungs- und Praxiswerkstatt für das Stromnetz der Zukunft. Die auf der IECON 2013 präsentierten Erfahrungen mit diesem von mehreren österreichischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen getragenen Labor des Alltags stießen bei den internationalen Gästen auf großes Interesse. Wie Häuser mit dem Stromnetz kommunizieren

In diesem experimentellen Praxisraum werden beispielsweise die Begriffe „Building to Grid“ oder „Consumer to Grid“ zu gelebter Realität. „Gebäude werden in den Energiesystemen der Zukunft zu wichtigen Komponenten bei der Opti-

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(v.l.) Peter Palensky, Dr. Bimal K. Bose, Professor im Bereich der Leistungselektronik, University of Tennessee und Dr. Gerald Deboy, Infineon Technologies Austria.

mierung des Gesamtsystems“, erläutert Peter Palensky. „Um Verbrauchsspitzen abzuflachen, untersuchen wir in einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der TU Wien etwa verschiedene Möglichkeiten, wie die in Gebäuden installierten großen Stromverbraucher intelligenter gesteuert werden können“. Dabei sollen etwa Wärmepumpen, Boiler, Heizungen oder Kühlaggregate hinsichtlich ihres Stromverbrauchs besser koordiniert werden und so die Spitzenlasten im Netz senken. „In jedem Haushalt gibt es Geräte, die nicht ständig in Betrieb sein müssen und zu Zeiten, wenn das Gesamtsystem besonders viel Energie braucht, ausgeschaltet werden können“, so Palensky. Damit werde mittels Regelungselektronik nicht nur das Netz entlastet, sondern es helfe den BewohnerInnen auch, Energiekosten zu sparen, da die Stromtarife zu den Spitzenzeiten besonders teuer sind. E-Mobility als künftige Herausforderung für Energienetze

Intelligentes Energiemanagement spielt auch bei der Elektromobilität, die den Straßenverkehr der Zukunft dominieren wird, eine zentrale Rolle. Denn man muss davon ausgehen, dass künftig sehr viele Elektroautos gleichzeitig am Netz geladen werden. Um die Netzstabilität nicht zu gefährden, könnte zu Spitzenzeiten aber auch Strom aus Akkus gerade nicht benötigter E-Autos ins

Fotos: 123rf, AIT

Weitere Infos: Energy Department, Michaela Jungbauer, Tel.: +43 505 50-6688, E-Mail:michaela.jungbauer@ait.ac.at, Web: http://www.ait.ac.at/ energy

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Netz rückgespeist werden. AIT und TU Wien entwickeln nun Systeme für die dafür erforderliche Interaktion zwischen Netz und Fahrzeug. Bis solche neuen Technologien auch außerhalb von Modellregionen eingesetzt werden können, wird man sich aber noch gedulden müssen. Denn vorher müssen noch die entsprechenden Produkte in Zusammenarbeit mit Industriepartnern zur Serienreife gebracht und europäische Standards festgelegt werden. Durch die IECON 2013 werden sich diese Prozesse zweifellos beschleunigen. ///

Sabine Seidler, Rektorin der Technischen Universität Wien, zu Chancen industrieller Elektronik und der Rolle Österreichs als Wissenschaftsstandort. Was hat die TU Wien veranlasst, sich gemeinsam mit AIT um die Austragung der IECON 2013 in Wien zu bewerben? Das Erdenken zukünftiger Energiesysteme muss interdisziplinär und durch zwei schlagkräftige Kooperationspartner passieren, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Eine internationale Konferenz wie diese hebt das vorhandene Potenzial und ist von sich aus eine smarte Sache. Welchen Beitrag kann die industrielle Elektronik zur nachhaltigen Entwicklung hierzulande und weltweit leisten? Österreichische Expertise in diesem Fach muss gefragt sein – national, europaweit und international. Wenn es uns gelingt, die Themenführerschaft bei den großen Zukunftsfragen der Energieversorgung in den Bereichen Smart Grids und Smart Cities weiter auszubauen, werden tragfähige Konzepte entstehen. Welche Rolle spielt Österreich als Wissenschaftsstandort in diesem Bereich? Die Leistungen, die ForscherInnen hierzulande erbringen, spielen eine zentrale Rolle in der Stärkung des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandortes. Aufgrund der strategischen Zusammenarbeit von TU Wien und AIT ist es gelungen, in einem kleinen Land wie Österreich kritische Massen aufzubauen, um einen Entwicklungsprozess mitgestalten zu können und weiter voranzutreiben. ///

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Intelligente StraSSenbahnen Sicher /// Während hoch in den Lüften der Autopilot

schon seit Jahrzehnten seinen Dienst versieht, sind Fahrerassistenzsysteme, insbesondere für Schienenfahrzeuge, erst in der Startphase. Das AIT entwickelt nun mit Bombardier ein innovatives Fahrerassistenzsystem mit intelligenten 3D-Kameras für Straßenbahnen, um den Stadtverkehr sicherer zu machen. ///

3D Technologie lernt Schienenfahrzeugen das „Sehen“.

●● auf den punkt gebracht Um den oft unübersichtlichen Stadtverkehr sicherer zu machen, entwickelt das AIT mit Bombardier, Weltmarktführer im Bereich Schienenverkehrstechnologie, ein innovatives Fahrerassistenzsystem für Straßenbahnen. Dabei kommt die intelligente 3D-Kameratechnologie des AIT zum Einsatz. Das System identifiziert mittels speziell entwickelter Algorithmen alle Objekte im Vorfeld des Fahrzeuges präzise in Echtzeit, bestimmt den genauen Abstand sowie die Bewegungsrichtung und warnt bei Gefahr die FahrerzeugführerInnen. Nach den ersten erfolgreichen Tests mit einer Straßenbahngarnitur der Verkehrsgesellschaft Frankfurt wird das System nun zur Marktreife gebracht. Die AIT 3D-Vision-Technologie findet bereits in unterschiedlichen Bereichen Anwendung von der Entwicklung autonomer Kraftfahrzeuge bis zum Zahnscanner in der Medizintechnik.

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Im Stadtverkehr geht es oft sehr chaotisch zu. So queren - besonders im Umkreis von Haltestellen - öfters völlig unerwartet Personen die Straßenbahngleise, ohne darauf zu achten, ob eine Tram einfährt. Die Gefahr ist insbesondere an Umsteigeplätzen, komplexen Kreuzungen mit gemischtem Verkehr oder Straßen mit kreuzenden Abbiegespuren groß. Je unübersichtlicher die Situationen, desto eher kommt es zu Unfällen mit Fußgängern, Fahrrädern oder Autos.

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ahnen – her auf Schiene Um den Stadtverkehr sicherer zu machen, entwickelt Bombardier, Weltmarktführer im Bereich Schienenverkehrstechnologie, mit dem AIT Safety & Security Department ein neues Fahrerassistenzsystem zur Gefahrenerkennung für Straßenbahnen. Anders als bei den meisten Zugstrecken können die Gleiskörper in der Stadt nicht abgesperrt oder durch Schranken gesichert werden. Deshalb muss die Strecke im Vorfeld genau überwacht werden. Dabei kommen hochauflösende 3D-Kameras und eine vom AIT entwickelte Software zum Einsatz. Das intelligente System identifiziert alle Objekte im Blickfeld in Echtzeit und bestimmt zugleich den genauen Abstand und die Bewegungsrichtung. Die ersten Tests mit einer Straßenbahngarnitur der Verkehrsgesellschaft Frankfurt liefen bereits sehr zufriedenstellend. Das System kann die vorausliegende Strecke bis zu einer für innerstädtischen Verkehr relevanten Reichweite von 60 Metern präzise überwachen. Es identifiziert und lokalisiert die Gegenstände und gibt entsprechende Warnungen. „Wir haben wieder einen großen Schritt bei der Entwicklung eines Systems gemacht. Das verspricht mehr Sicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer“, sagte Bruno Kittner, Standortleiter des Kompetenzzentrums für Stadt- und Straßenbahnen von Bombardier in Wien bei der ersten Vorstellung des Systems Mitte Oktober. Software erkennt Objekte

Zur Analyse der potentiellen Hindernisse entwickelten die 3D Vision-SpezialistInnen am AIT spezielle Algorithmen, die die Komplexität der Umgebung reduzieren und einzigartige Erkennungsfähigkeiten des menschlichen Auges nachahmen. „Die Straßenbahn kann verschie-

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dene Objekte wie Fahrzeuge, Personen, Kinderwagen, aber auch kleinere Gegenstände wahrnehmen“, so Christian Zinner, Thematic Coordinator der Forschungsgruppe 3D Vision and Modeling im AIT Safety & Security Department. Danach beurteilt das System selbständig das Gefahrenpotential und reagiert entsprechend darauf. Die neue AIT-Technologie soll jedenfalls bald schon die Straßenbahn-Sicherheit revolutionieren. „Unser großes Ziel ist es, künftig Unfälle weitgehend zu verhindern“, betont AIT-Experte Hans-Jörg Otto, der für das Business Development zuständig ist. Künftig könnten Straßenbahnen damit auch vollständig autonom fahren - so wie es bislang einige wenige U-Bahnen und erste Test-Autos machen. „Die große Herausforderung bei Straßenbahnen sind jedoch die offenen Gleise“, so Zinner. In Kombination mit den oft komplexen Verkehrssituationen im innerstädtischen Bereich wird die Überwachung der Strecke zu einer schwierigen Aufgabe. Im Vergleich zu den frei fahrenden Autos limitieren wiederum die fixen Gleise die Möglichkeiten: ein Ausweichen bei Kollisionsgefahr ist natürlich nicht möglich. Rechtliche Fragen

Während der Autopilot im Flugverkehr schon seit Jahrzehnten Alltag ist und sich kaum noch ein Passagier darüber Gedanken macht, sorgen in den Nachrichten derzeit die ersten Automodelle mit Fahrerassistenzsystemen für Aufsehen. „Hier wird aber klar darauf hingewiesen, dass im Fall des Falles derzeit der Lenker die letzte Verantwortung trägt und bei Unfällen auch haftet“, so Hans-Jörg Otto zur völlig anderen rechtlichen Lage. Wenn im Bahnbetrieb ein vollautomatisches System nicht richtig reagiert, könnte derzeit der Betreiber oder Hersteller geklagt werden. Die juristischen Grundlagen für den Einsatz autonomer Schienenfahrzeuge sind noch unklar und müssen rasch geklärt werden. Deshalb setzt Bombardier zuerst auf ein reines Assistenzsystem, das die FahrerzeugführerInnen über ein Warnsignal alarmiert, um recht-

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zeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können. In einer weiteren Ausbaustufe soll das System eigenständig Bremsmanöver und andere Schutzmaßnahmen einleiten können, um Fußgänger, Radfahrer und andere Verkehrsteilnehmer besser zu schützen. In der Entwicklung autonomer Systeme bietet der Flugverkehr einen guten Vergleich: auch hier wurde der Autopilot in seiner Funktionalität schrittweise eingeführt - so wie nun auch bei den Automobilen. In Zukunft könnte es im Straßenbahnverkehr - so wie einst „schaffnerlos“ - bald „fahrerlos“ heißen. Von autonomen Konvois bis zum Zahnscanner

Das AIT konnte sich in den letzten Jahren erfolgreich als internationales Kompetenzzentrum in den Bereichen 3D-Erfassung und Bildverarbeitung positionieren. Im Forschungsbereich Intelligent Vision Systems arbeiten rund 80 ExpertInnen. Das Herz der Assistenzsysteme ist das optische System mit seinen speziellen Algorithmen zur Auswertung der Stereobilder, das in mehrjähriger Forschungsarbeit entwickelt wurde. Diese 3D Sensoren bieten eine sehr hohe räumliche Auflösung bei gleichzeitig niedrigen Kosten für die Sensorhardware. Damit können Schienenfahrzeuge und Automobile die Strecke auf Entfernungen von bis zu 100 Metern überwachen. Bereits 2005 entwickelten die AIT-ExpertInnen mit der Auburn University ein autonomes Fahrzeug, das sich im legendären 100 Meilen-Roboter-Wüstenrennen für unbemannte Fahrzeuge der US-Defence Agency DARPA beweisen durfte. Ab 2007 wurde mit der ETH Zürich und der TU Wien an einem Roboter geforscht, der unter anderem schon Kaffee servieren kann. Im Fahrzeugbereich hat das AIT neben dem Straßenbahnprojekt mit Bombardier Forschungen für ein System für eine autonom fahrende Lokalbahn sowie für semi-autonome LKW-Konvois betrieben. Im KIRAS-Projekt Christian Zinner /// Thematic Coordinator „3D Vision and Modeling“, Safety & Security Department „Die Straßenbahn kann verschiedene Objekte wie Fahrzeuge, Personen, Kinderwagen, aber auch kleinere Gegenstände wahrnehmen.“

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Hans-Jörg Otto /// Business Development, AIT Safety & Security Department „Unser großes Ziel ist es, künftig Unfälle weitgehend zu verhindern.“

„SafeCon - Sichere semi-autonome Konvoiführung“ (finanziert im Sicherheitsforschungs-Förderprogramm KIRAS vom BMVIT - Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) finden die Lastkraftwagen ihren Weg sogar im unwegsamen Gelände völlig selbstständig, um etwa in gefährdeten Zonen Hilfe und Nachschub zu liefern. In Zukunft könnte das System auf unsicheren Strecken bei friedenserhaltenden Missionen des österreichischen Bundesheeres und bei Naturkatastrophen wie etwa Lawinen- und Murenabgängen zum Einsatz kommen. Für einen völlig anderen Bereich hat das AIT mit dem Kärntner Dentalspezialist Prof. Horst Koinig den kleinsten optischen 3D-Scanner der Welt für den intra-oralen Einsatz entwickelt. Anstatt aufwendiger Silicon-Abdrücke und Gipsmodelle liefert das intelligente System für PatientInnen deutlich komfortabler und schneller ein genaues digitales Modell des Gebisses. Die AIT Technologie dieses Zahnscanners wurde auf der internationalen Leitmesse für industrielle Bildverarbeitung in Stuttgart mit dem VISION Award 2011 ausgezeichnet. Perfektes Zusammenspiel

Für hohe Bildwiederholraten und kurze Reaktionszeiten müssen enorme Mengen an Daten effizient verarbeitet werden. Wichtig ist ebenfalls eine entsprechende Systemarchitektur, um das Zusammenspiel der leistungsstarken Prozessoren und der Bildsensoren zu gewährleisten. Erst die perfekte Zusammenarbeit aller Komponenten ermöglicht ein stabiles, hochleistungsfähiges 3D Stereo Vision-System. Die bisherigen AIT-Projekte haben gezeigt, dass die Technologie nicht nur robust, störungsunempfindlich und präzise, sondern auch sehr kostengünstig ist und auf große Nachfrage stößt. Nach der ersten Testphase in Frankfurt stehen weitere Tests in Deutschland und vielleicht auch in Österreich am Programm, um ab Ende 2014 erste Straßen- und Stadtbahnen mit diesen

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neuen Funktionen auszustatten. Die neue Sicherheitstechnologie konnte aber auch in Österreich schon einen großen Erfolg erzielen. Das AIT Sensorsystem wurde für den österreichischen Staatspreis für Mobilität 2013 in der Kategorie „Forschen. Entwickeln. Neue Wege weisen.“ nominiert und erzielte einen Platz unter den Top 3. ///

Weitere Infos: Safety & Security Department, Michael Mürling, Tel.: +43 505 50-4126, E-Mail:michael. muerling@ait.ac.at, Web: www.ait.ac.at/3d

Research services AIT erforscht und entwickelt im Rahmen des Research Services „3D Vision and Modeling“ Technologien des räumlichen Erfassens mit Methoden der Bildverarbeitung. Innovative 3D Sensorsysteme ermöglichen eine Fülle von neuen Anwendungen in den Bereichen Transport (Assistenzsysteme, autonome Systeme), industrielle Automation und Inspektion sowie Überwachung. Es müssen daher grundlegende Problemstellungen, wie z.B. • 3D Rekonstruktion der Umgebung • Hindernis- und Objekterkennung • präzise Vermessung von Objekten • Selbstlokalisierung des Sensorsystems • Pfad und Bewegungsplanung zuverlässig, schnell und effizient mit vergleichsweise kostengünstiger Bildverarbeitungstechnologie gelöst werden. Dazu werden unter anderem Algorithmen zur stereoskopischen Bildverarbeitung erforscht und auf ein effizientes Laufzeitverhalten in Echtzeitumgebungen hin optimiert.

Fotos: Bomnadier, Tschank, AIT

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Eine weitere Kernkompetenz liegt in der plattformoptimierten Umsetzung derartiger Computer Vision Verfahren auf energieeffizienten eingebetteten Systemen. Dem Research Service „3D Vision and Modeling“ ist ein Portfolio thematisch fokussierter Forschungsprojekte mit den Problemstellungen entsprechenden Forschungsschwerpunkten zugeordnet. Wir fokussieren uns auf folgende Innovationen und Forschungsthemen: • Autonomous Land Vehicles • Airborne Vision • Measuring the World ///

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Gerald Newesely, Manager Product Planning & Innovation bei Bombardier Transportation Austria, über Fahrerassistenzsysteme für Schienenfahrzeuge, 3D-Technologie und die Zusammenarbeit mit dem AIT. Herr Newesely, Bombardier Transportation, Marktführer für Schienenfahrzeuge, entwickelt gemeinsam mit dem AIT ein neues Fahrerassistenz-System. Im Wiener Kompetenzzentrum für Stadt- und Straßenbahnen wurde das System mit optischem 3D-Sensorsystem schon in ersten Testfahrzeugen installiert. Was wird die neue Generation an Straßenbahnen leisten können? Unsere Bahnen „lernen sehen“: das Fahrerassistenzsystem wird die Sicherheit von Straßen- und Stadtbahnen erhöhen. Es zielt darauf ab, die Unfallgefahr für Passanten zu reduzieren indem es dem Fahrer der Bahn mögliche Kollisionshindernisse anzeigt und damit eine rechtzeitige Bremsung ermöglicht. In weiterer Folge wird das Assistenzsystem nach erfolgter Hinderniserkennung neben der Anzeige des Gefahrenpotentials an den Fahrer auch selbsttätig Aktionen wie Warnglocke oder Lichtzeichen abgeben können. Wir testen derzeit eine erste Entwicklungsstufe in einer Straßenbahn eines unserer Kunden einer deutschen Großstadt, um die Laborergebnisse zu verifizieren und „echte Felddaten“ zu erhalten. Welche Vorteile bringt hier die vom AIT entwickelte 3D-Technologie? Die Analysealgorithmen des optischen Sensorsystems erkennen aufgrund der 3D-Bildinformationen Hindernisse im Vorfeld der Bahn und berechnen deren Distanz zum Fahrzeug – und das in Abhängigkeit ihrer Position in mehreren Zyklen pro Sekunde. Damit kann eine zuverlässige Erkennung und Klassifizierung von Gefahrenpotential möglicher Hindernisse und deren Nachverfolgung vor dem Fahrzeug sichergestellt werden. Welche Vorzüge versprechen Sie sich aus der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem AIT? Die Entwicklung eines Fahrerassistenzsystems unterliegt höchsten Sicherheitsanforderungen – und da sind wir beim AIT an der richtigen Adresse: die Expertise und Professionalität der Kollegen im AIT sind ein Garant für exzellente Ergebnisse. Welche Besonderheiten/Möglichkeiten ergeben sich durch ein Fahrerassistenzsystem für Schienenfahrzeuge und wo liegen hier Unterschiede zu einem Einsatz im Automotive Bereich? Ein weiterer Entwicklungsschritt des Fahrerassistenzsystems wird in der Implementierung in die Fahrzeugsteuerung liegen mit dem Ziel, weitere relevante Fahrzeugfunktionen zu aktivieren. Die Besonderheit unseres Fahrerassistenzsystems aber liegt im wahrsten Sinn des Wortes in der Weitsicht unserer Entwicklung: wir werden nicht nur bis jenseits von 80m in das Vorfeld des Fahrzeuges blicken, um von dort beginnend potentielle Hindernisse zu erkennen und zu verfolgen, sondern werden auch quasi „um die Kurve sehen“. Damit meine ich, dass wir den Verlauf der nächsten Kurve des Schienenstranges identifizieren werden können um Gefahrenpotenziale, die möglicherweise in der Kurve auf „Kollisionskurs“ sind, richtig klassifizieren zu können. Das stellt einen deutlichen Unterschied zu ähnlichen Systemen im Automotive-Bereich dar. Ein Blick in die Zukunft: Welche strategische Bedeutung hat das Fahrerassistenzsystem als Teil des Produktportfolios von BOMBARDIER Austria? Wir transportieren Menschen – und da steht Sicherheit an erster Stelle. Das Fahrerassistenzsystem hilft uns, die Sicherheit aller im öffentlichen Personennahverkehr beteiligten Personen zu erhöhen, vor allem jene der Passanten und der Passagiere (z.B. durch vorausschauende Vermeidung von harschen Bremsmanövern). Das ist Hi-Tech pur, Made in Austria. Die strategische Bedeutung ist enorm - wir planen, die Technologie für alle unsere Bahnen in verschiedenen Ausbaustufen anzubieten und für bestehende Bahnen nachrüsten zu können. ///

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Hightech-Toolbox für eine schnelle Infektionsdiagnostik /// Im medizinischen Alltag werden aufgrund der langwierigen Bluttests Infektionen häufig intuitiv diagnostiziert. Mit Hilfe molekularer Blut- und Speicheltests, wie sie am AIT entwickelt werden, kann man Infektionen künftig schneller und sicherer ermitteln als jemals zuvor. ///

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Johannes Peham /// Scientist am AIT Health & Environment Department „Bei der Protein-Analytik kann die Konzentration von Entzündungsmarkern mittels Licht nachgewiesen werden.“

Martin Weber /// Leiter der Business Unit Molecular Diagnostics, Health & Environment Department Nicht selten werden von Ärztinnen und Ärzten Antibiotika verschrieben, ohne vorher zu klären, welcher Erreger vorliegt. Dabei wäre es sehr wichtig zu wissen, ob es sich überhaupt um eine bakterielle Infektion handelt. Wenn die Infektion nämlich - wie etwa Grippe und andere Erkältungskrankheiten - von Viren ausgelöst wurde, bringt der Einsatz von Antibiotika nichts. Ganz im Gegenteil: Durch den lange Zeit relativ sorglosen Umgang mit Antibiotika und ihre Verwendung auf bloßen Verdacht wirken sie mittlerweile bei vielen Bakterien nicht mehr, weil diese resistent geworden sind. Ein Grund, warum Ärzte dennoch oft auf eine Blutuntersuchung verzichten, ist nicht zuletzt ihre lange Dauer. Bis zu fünf Tage muss man bei der gegenwärtigen Methode warten, bis feststeht um welchen Erreger es sich handelt und welches Antibiotikum am besten helfen würde. Da sich bakterielle Infektionen sehr schnell im Blut verteilen, müssen Ärztinnen und Ärzte aber rasch reagieren. Besonders wichtig ist das etwa bei einer Blutvergiftung, bei der man auch wissen sollte, von welchem Erreger sie hervorgerufen wurde.

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„Mit der NukleinsäureDetektion können Bakterien über ihr Erbgut identifiziert werden.“

●● auf den punkt gebracht Zu wissen, ob eine Infektion von Viren oder Bakterien ausgelöst wurde, um welche Bakterien es sich handelt und ob Resistenzen vorliegen, ist für die Wahl der passenden Therapie entscheidend. Die zurzeit eingesetzten Bluttests liefern diese Informationen aber erst nach Tagen. Am AIT wird deshalb an der Entwicklung schneller, hoch empfindlicher Analysesysteme auf molekularbiologischer Basis geforscht. In diese Systeme fließt das AIT Know-how im Feld der Biosensorik, der Biomarker oder der Ausleseelektronik ebenso ein wie Erkenntnisse der Mikrofluidik. Durch die Integration all dieser Komponenten in ein miniaturisiertes, automatisiertes System werden Blut- und Speicheltests künftig in weniger als 30 Minuten zuverlässige Infektionsdaten liefern und sowohl auf der Intensivstation als auch zu Hause einsetzbar sein.

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Neue Analyseverfahren

Während der Goldstandard zum Auffinden von Bakterien im Blut zurzeit auf der langwierigen Kultivierung von Bakterien im Labor basiert, versucht das AIT bedeutend schnellere Analysemethoden zu finden. „Ein innovativer Ansatz in der Infektionsdiagnostik ist etwa die Nukleinsäure-Detektion, also die Ermittlung der Bakterien über ihr Erbgut“ erläutert Martin Weber, Leiter der Business Unit Molecular Diagnostics beim AIT. „Damit kann man bestimmen, um welches Bakterium es sich handelt und welche Resistenzen gegeben sind“. Ein anderer Weg der künftigen Infektionsdiagnostik führt über die Protein-Analytik. Ziel der AIT-ForscherInnen ist die Entwicklung eines Gesamtsystems in Desktopgröße, um direkt am Krankenbett schnell und zuverlässig die wichtigsten Sepsisparameter messen zu können. Mit diesem Gerät soll auch das Blutplasma separiert werden können, in welchem die entzündungsrelevanten Marker – vor allem Interleukine – mit Hilfe eines Immuno-Assays erfasst werden. Dieser Assay ist mit Antikörpern ausgestattet, um den gesuchten Analyten herauszufiltern. Nachweisen kann man ihn mit Hilfe von Lumineszenz. „Das System quantifiziert die Konzentration dieses Analyten, indem es das Licht misst“, erklärt Johannes Peham, Scientist am AIT Health & Environment Department. Das von Sensoren erfasste Licht liefert schließlich ein Signal, das auf die Konzentration des Analyten schließen lässt. Extreme Miniaturisierung mittels Mikrofluidik

Eine weitere am AIT verfolgte Methode zur Bakteriendetektion ist die so genannte mikrofluidische PCR (Polymerase-Kettenreaktion) – ein Verfahren zur In-vitro-Vervielfältigung von DNA. „Dabei handelt es sich um eine äußerst sensitive Methode, mit der man schon kleinste Mengen von DNA nachweisen und den Testvorgang sehr beschleunigen kann“, so Johannes Peham. Grundsätzlich beschäftigt sich das noch junge Forschungsgebiet der Mikrofluidik mit dem Verhalten von Flüssigkeiten und Gasen auf kleinstem Raum. „Dabei geht es um Größen im Mikro- und Nanometerbereich“, erklärt Peham. Mit dem mikrofluidischen PCR-System wäre es demnach möglich, sämtliche Analyseschritte von der Probenvorbereitung bis zum Auslesen auf einem wenige Millimeter großen Chip durchzuführen. Zwar gibt es heute bereits einige sehr schnelle und leicht zu handhabende Detekti-

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onsverfahren auf dem Markt, doch diese weisen einen gravierenden Mangel auf: Sie sind zu wenig sensitiv und liefern daher viele falsch positive und falsch negative Ergebnisse. Der Grund dafür sind die unzähligen menschlichen Zellen im Blut, die eine zuverlässige Detektion der Bakterien verhindern. Nachwuchswissenschaftler revolutioniert Infektionsdiagnostik

Klemens Wassermann, PhD Student im Geschäftsfeld Molecular Diagnostics, hat im Rahmen seiner Dissertation ein Verfahren erarbeitet, mit dem dieses Problem gelöst werden kann. Dabei werden mit Hilfe von Mikrofluidik und elektrischen Feldern sämtliche Bakterien aus dem Blut herausgefiltert, sodass bei ihrer Detektion der „human content“ in der Probe nicht mehr stören kann. Eine bahnbrechende Entwicklung, die dem jungen Forscher den Jury- und Audience Award-Sieg des Falling Walls Lab 2013 in Berlin einbrachte. Wie aber funktioniert diese „Bakterienfilter-Methode“ konkret? „Das Probenblut wird durch eine Art Zylinder geleitet, wobei die Probe regelrecht unter Spannung gesetzt wird“, erläutert Klemens Wassermann. Diese elektrischen Felder bringen die humanen Zellen zum Platzen, die Bakterien aber bleiben unversehrt. Sie werden am unteren Rand des Zylinders aufgefangen und gewaschen. Auf diese Weise erhält man hochreine Bakterien, die mit den neuen biosensorischen Methoden zuverlässig nachgewiesen werden können. „In zehn Sekunden können wir bereits 98 Prozent der humanen Zellen aufbrechen, sodass nur noch die Bakterien überleben“, berichtet Wassermann stolz. „Nun entwickeln wir einen Prototyp, der auch mit großen Probenmengen von bis zu 10 Milliliter Blut vollautomatisch arbeiten kann. Unser Ziel ist es, weniger als 100 Bakterien je Milliliter Blut zu detektieren“. Der Prototyp soll Ende nächsten Jahres fertig sein und ein komplettes „Lab-on-a-Chip“ ermöglichen, mit dem sowohl die Blutaufreinigung als auch die Detektion durchgeführt werden kann. Die neue Methode zum Isolieren der Bakterien aus Blut wurde bereits als Patent angemeldet und wird zurzeit im europäischen Patentamt geprüft. Biosensoren mit unterschiedlichen Eigenschaften

Im Bereich der Sensorentwicklung zur Detektion von Krankheitserregern arbeitet man am AIT parallel an mehreren Methoden, um für unterschiedli-

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Klemens Wassermann /// Dissertant am AIT, Health & Environment Department „Wir entwickeln für die BakterienanreicherungsMethode jetzt einen Prototyp für ein „Lab-on-a-Chip.“

Research services Sensorentwicklung Am Health & Environment Department werden hochempfindliche optische, magnetische und elektrochemische Biosensoren zur Analyse von Flüssigkeiten wie Blut oder Speichel für unterschiedliche Anforderungen entwickelt. Biomarkerentwicklung Am Department werden Biomarker für eine frühzeitige Diagnose und gezielte Therapie komplexer Erkrankungen entwickelt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf nukleinsäure- und proteinbasierten Biomarkern. Zusätzliche Services: • Biomarker-Screenings • Validierung von Biomarkern und Entwicklung diagnostischer Assays • Anwendungsspezifische Softwarelösungen für eine automatisierte, vollständig protokollierte Hochdurchsatz-Datenanalyse Bioinformatik Bioinformatik ist ein essentieller Bestandteil moderner molekularbiologischer Messmethoden. Insbesondere die neuen Methoden zur DNA-Sequenzierung (NGS) sind ohne hochspezialisierte Bioinformatik nicht möglich. Am Department werden einerseits interne und externe NGS-Projekte unterstützt, andererseits aber auch moderne Methoden der Klassifizierung/Mustererkennung hinsichtlich diagnostischer Anwendbarkeit auf molekularbiologische Daten optimiert.

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Mikrofluidik Mit Hilfe von mikrofluidischen Verfahren kann die Analyse von Flüssigkeiten extrem miniaturisiert – etwa auf einem winzigen Chip – erfolgen. Am AIT werden entsprechende flüssigkeitsbasierte Systeme entwickelt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Integration von Sensoren und biochemischen Tests auch mit externen Partnern. Systemintegration Das AIT verfügt über fundiertes Know-how in der Integration von Biomarkern, Sensoren, Mikrofluidik, molekularen Nachweisreaktionen sowie Ausleseelektronik und Prozessmanagement. Mit der Systemintegration wird eine umfassende Optimierung angestrebt – sowohl in Hinblick auf die Interaktion der einzelnen Komponenten als auch in Bezug auf ein einfaches und benutzerfreundliches Gesamtsystem. ///

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che Anforderungen das jeweils optimale System anbieten zu können. „Wir verfolgen zurzeit drei Ansätze für den Aufbau einer Toolbox mit verschiedenen Systemen“, berichtet Johannes Peham. „Für die Intensivmedizin beispielsweise braucht man ein hoch sensitives System, in anderen Anwendungsbereichen wiederum muss es sehr preiswert sein“. So können mit Hilfe von integriert-optischen Biosensoren mehrere Analyten parallel und direkt nachgewiesen werden. Magnetische Biosensoren hingegen bauen darauf, die Analyten spezifisch an magnetische Nanopartikel zu binden und nachzuweisen, woraus sich Vorteile hinsichtlich der Probenaufbereitung ergeben. Seit kurzer Zeit wird am AIT auch an elektrochemischen Biosensoren gearbeitet. Diese können auf Kunststoffsubstrate oder Papier gedruckt werden und sind deshalb besonders preisgünstig. All diese molekularbiologischen Methoden zur Entwicklung kompakter, automatisierter und miniaturisierter Systeme sind erst in den letzten Jahren entstanden und sollen im Endausbau die Analyseergebnisse in weniger als 30 Minuten liefern. Damit sind die neuen Geräte direkt am Krankenbett ebenso einsetzbar wie in der Arztpraxis, in der Apotheke oder zu Hause. Der Speichel als Informationsspeicher

Ein ganz neues Gebiet, mit dem sich die AIT-ForscherInnen seit einiger Zeit beschäftigen, ist die Speicheldiagnostik. „Aufgrund der immer höheren Sensitivität der molekularen Analysemethoden können mittlerweile auch aus dem Speichel viele Informationen herausgelesen werden“, erklärt Martin Weber. Da Speichel Spuren von Nukleinsäuren und Proteinen enthält, kann man durch deren Detektion nicht nur feststellen, ob es sich um eine bakterielle oder um eine virale Infektion handelt, sondern auch Krebs, Alzheimer, Parkinson oder Herz-Kreislauferkrankungen frühzeitig diagnostizieren. Einer der großen Vorteile dieser nicht invasiven Methode: Man erspart sich die Blutabnahme und hat ein auf null reduziertes Infektionsrisiko. ///

Weitere Infos: Health & Environment Department, Zlata Kovacevic, Tel.: +43 505 50-4406, E-Mail: zlata.kovacevic@ait.ac.at, Web: www.ait.ac.at/health_ environment

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➜ Innovation Systems

Der Weg in ein personalisiertes Gesundheitssystem /// Europas Gesundheitssystem sieht sich zahlreichen Herausforderungen wie Kostensteigerungen, Überalterung etc. gegenüber. Personal Health Systems (PHS) versprechen eine individuellere, effektivere und effizientere gesundheitliche Betreuung: Eingebettet in Gesundheitsdienstleistungen kommen technische Systeme zum Einsatz, die direkt - etwa in der Heimpflege - die Vitaldaten erfassen und an ExpertInnen übermitteln, die wiederum ihre Entscheidungen und Handlungen darauf aufbauen. Die Frage ist, welche Rahmenbedingungen braucht es, damit PHS vermehrt im Gesundheitswesen Anwendung finden? Dazu wurde das EU-Projekt Personal Health Systems Foresight gestartet, in dem das AIT speziell die wichtige Rolle der öffentlichen Hand untersucht. ///

●● auf den punkt gebracht Im zweijährigen EU-Projekt Personal Health Systems Foresight werden die Rahmenbedingungen zur europaweiten Einführung von Systemen erforscht, die eine individuellere, effektivere und effizientere gesundheitliche Betreuung versprechen. Personal Health Systems (PHS) sind technische Hilfsmittel, die in der direkten Umgebung einer Person, am Körper oder auch in Form von Implantaten physiologische und andere Gesundheitsdaten sammeln, überwachen und kommunizieren. Individuelle Therapien oder beispielsweise Beratungen zur Ernährung sind so von überall aus möglich. In Bereichen wie eHealth oder Ambient Assisted Living gibt es schon einige technisch ausgereifte Lösungen. Dem Durchbruch von PHS in Europa stellen sich aber noch zahlreiche Hindernisse (unterschiedliche Gesundheitssysteme, fehlende Geschäftsmodelle, etc.) entgegen. Das AIT arbeitet im Forschungsprojekt speziell die wichtige Rolle der öffentlichen Hand und der EU-Politik heraus.

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Wie wird die Gesundheitsvorsorge im Jahr 2030 aussehen? Diesem Thema widmen sich derzeit im Rahmen des EU-Projektes Personal Health Systems Foresight ExpertInnen der AIT Departments Innovation Systems und Safety & Security. Besonders wichtig ist die Frage, wie eine bessere, effektivere und personalisierte gesundheitliche Vorsorge und Betreuung in Europa geschaffen werden kann. Einen Platz zum offenen Austausch zu diesem wichtigen Thema bietet die erste PHS-Internet-Plattform (www.phsforesight.eu), die im März 2013 gestartet wurde. Sie dient sowohl der Generierung von Visionen und Ideen als auch zur Vernetzung möglichst vieler mit dem Thema befasster Gruppen. Welche technologischen und gesellschaftlichen Trends erwarten uns? Im Rahmen des Projekts wurden auf der neuen Plattform und in Work-

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shops mittlerweile schon zahlreiche Visionen zu PHS-Themen wie das Management von chronischen Krankheiten, die Vorsorge durch LifeStyle-Management oder neue Notfalldienste entwickelt. Personalisiertes Gesundheitswesen mit Hindernissen

Dass Personal Health Systems (PHS) dem Gesundheitssystem große Chancen bieten, darüber herrscht mittlerweile große Einigkeit. Doch selbst technologisch einwandfreie Systeme beispielsweise im Bereich eHealth - sind noch wenig verbreitet. Das liegt zum einen daran, dass das Gesundheitswesen in den EU-Ländern sehr unterschiedlich gestaltet ist. Zum anderen gibt es für private Nutzer nur eingeschränkt Geschäftsmodelle, sodass dieser Markt zwar hohes Potenzial bietet und auch wächst, die Zuwachsraten jedoch unter den Erwartungen bleiben. Um neue Technologien aus Gebieten wie eHealth, mobile Health oder Ambient Assisted Living (altersgerechte Assistenzsysteme) stärker im Gesundheitswesen zu verankern, wurden europaweit schon einige Initiativen gestartet. Obwohl es sich klar gezeigt hat, dass diese Systeme die Pflege oft

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Innovation Systems

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deutlich verbessern, effizienter und kostengünstiger machen würden, blieben die meisten Projekte aber auf ein enges Umfeld begrenzt. Individueller, effizienter, kostengünstiger

PHS-Foresight will nun viele dieser Einzelinitiativen ganzheitlicher betrachten. „Personal Health Systems helfen Therapien zu individualisieren, und können damit effizienter sein für die PatientInnen sowie für das gesamte Gesundheitssystem. Sie finden Anwendung sowohl in der Gesundheitsvorsorge als auch im therapeutischen Bereich“, erklärt Doris Schartinger, Scientist im AIT Innovation Systems Department. Sie stehen für technische Systeme, die in der direkten Umgebung einer Person, am Körper oder auch in Form von Implantaten physiologische und andere Gesundheitsdaten sammeln, überwachen und kommunizieren. So können beispielsweise chronisch Kranke ihre Therapien individuell und genau den aktuellen Gesundheitsdaten entsprechend gestalten. Zentral dabei ist die intelligente Verarbeitung der Daten und die direkte Kommunikation mit ExpertInnen. Dadurch lassen sich von überall Maßnahmen für PatientInnen individuell gestalten. Es kann sich dabei aber auch ein-

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Doris Schartinger /// Scientist im AIT Innovation Systems Department „Personal Health Systems helfen Therapien zu individualisieren, und können damit effizienter sein für die PatientInnen sowie für das gesamte Gesundheitssystem.“

Homemonitoring: Einsatz von Technologie für die Gesundheit

fach nur um Tipps für gesunde Personen zur Ernährung oder zu Bewegungsprogrammen handeln. Denn neben Pflege und Therapien können PHS besonders auch die Prävention drohender Erkrankungen oder Behinderungen zum Ziel haben. Dieses neue, sehr breite Thema bietet zugleich für die Gesundheitsindustrie und Dienstleister in Europa und weltweit große wirtschaftliche Chancen. In vielen Bereichen gibt es sehr engagierte Projekte - wie auch am AIT-, um beispielsweise die Heimpflege zu verbessern oder älteren Menschen eine höhere Lebensqualität in den eigenen vier Wänden zu bieten. „Die Forschungs-Community ist aber noch sehr zersplittert, und es gibt Probleme, Absatzmärkte zu definieren“, erklärt Schartinger. Dazu kommen weitere Hindernisse wie uneinheitliche technische Standards oder juristische und ethische Fragen bei der Verarbeitung sensibler Patientendaten. „Eine hervorragende Techno-

logie allein genügt nicht, um sich automatisch am Markt durchzusetzen und damit erfolgreich zu sein“, so die AIT-Expertin, „es geht vor allem auch um die Gestaltung von Dienstleistungen und deren Integration ins Gesundheitssystem.“ GroSSe Chancen, groSSe politische Aufgaben

Deshalb wurde das EU-Projekt Personal Health Systems Foresight im 7. EU-Rahmenprogramm initiiert, das die Möglichkeiten zur Einbettung von PHS im Gesundheitswesen erkunden will. Teilnehmer an dem Projekt, das von September 2012 bis 2014 läuft, sind das AIT (Konzeption, Koordination und besonders auch die Herausarbeitung der öffentlichen Rolle der EU), die University of Manchester (übernimmt besonders die Szenarienentwicklung) und Impetu Solutions, ein spanisches Forschungs- und Beratungsunternehmen, das sich vor allem um die Online-Plattform kümmert. Das Ziel ist, ein tieferes Verständnis für das Missverhältnis zwischen dem großen Potenzial von PHS und der aktuellen Situation mit den politischen und innovationsbestimmenden Rahmenbedingungen zu erlangen. Zugleich will das Projekt die Innovationslandschaft mobilisieren und vernetzen, um PHS zu promoten, Potenzialanalysen erstellen und gemeinsame Strategiepläne für eine mögliche neue Europäische InnovationsPartnerschaft (EIP) entwerfen. Als erster Schritt wurde in der klassischen Foresight-Vorgehensweise der aktuelle Wissensstand zu PHS in Europa erfasst und dazu ein State-ofthe-Art Report im Februar 2013 veröffentlicht, um daraufhin konkret Treiber und Hindernisse sowie die möglichen Felder für PHS zu identifizieren. Anschließend wurde die PHS-Online Plattform im März 2013 gegründet. Im Juni folgte der erste große Workshop zur Szenarioentwicklung, an dem SystementwicklerInnen, MedizinerInnen, ForscherInnen und VertreterInnen von eHealth- und weiteren spezifischen Organisationen teilnahmen.

„Der zweite Workshop Anfang 2014 wird deutlich stärker Policy-orientiert sein und die Makroperspektive der Gesundheitssysteme beleuchten“, erklärt Schartinger. Hier sollen sich besonders auch ExpertInnen aus den Sozialversicherungen und dem Public Health Bereich austauschen. Themen sind hier nicht individuelle Behandlun-

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Differenzierte Rolle der öffentlichen Hand

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gen, sondern etwa die Verbreitung von Krankheiten (z.B. Diabetes) und die Entwicklung entsprechender Dienstleistungen. Der Workshop möchte vor allem auch mögliche institutionelle Rahmen erarbeiten und gemeinsame Nenner und Barrieren aufzeigen, damit künftig PHS-Dienste bestmöglich genutzt werden können. „Ein großes Thema im Workshop wird die öffentliche Rolle bei der Einführung von Personal Health Systems sein und die konkreten technologiepolitischen Aufgaben der EU“, so Schartinger. Ein großes Problem bei Investitionen in IT-Lösungen im Gesundheitsbereich ist allgemein, dass diejenigen, die investieren, oftmals nicht diejenigen sind, die den finanziellen Nutzen daraus ziehen. Der Nutzen aus der Investition taucht dann oft in einem anderen Budget auf, was den Anreiz zu investieren natürlich erheblich reduziert. So bekommen Spitäler ihr Geld für geleistete Dienste oft aufgrund der gestellten Diagnosen, niedergelassene Ärzte wiederum für die Behandlungen „pro Kopf“. In beiden Fällen gibt es aber kaum Anreize, in PHS zu investieren, da es nur einen nichtvergüteten Mehraufwand bedeuten würde. Es zeigt sich auch, dass die ersten PHS-Anbieter aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen lieber im nationalen oder gar regionalen Bereich bleiben. „Das sind deutliche Hinweise dafür, dass zur EU-weiten Verbreitung von PHS die öffentliche Hand eine wichtige Rolle einnehmen kann“, fasst Schartinger die ersten Erkenntnisse zusammen. Weitere Aspekte, die einer EU-weiten Lösung bedürfen, da sonst die Märkte eher national bleiben, sind Fragen der Interoperabilität, der Datensicherheit und der damit verbundenen juristischen und ethischen Fragen. ///

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Weitere Infos: Innovation Systems Department, Beatrice Rath, Tel.: +43 505 50-4508, E-Mail:beatrice.rath@ ait.ac.at, Web: www.ait. ac.at/is

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Laura Pombo-Juárez, Präsidentin & CEO von Impetu Solutions, über die Bedeutung von Personal Health Systems Foresight und wer von den Entwicklungen in Zukunft profitieren kann. Welche Möglichkeiten bieten Personal Health Systems für Europa? Die Entwicklung von Personal Health Systems (PHS) im Bereich eHealth ist von zentraler Bedeutung für die häusliche Pflege und die damit verbundenen Services für PatientInnen (Fernüberwachung, Notfallversorgung). Zudem erweitern sie die Leistungen in der privaten und öffentlichen Gesundheitsversorgung und eröffnen neue Geschäftsmöglichkeiten auf europäischer und globaler Ebene. Von PHS erhofft man sich eine Qualitätssteigerung in der Pflege, eine Verbesserung der Lebensqualität im Allgemeinen sowie eine höhere Kosteneffizienz im Gesundheitssystem. Welche Rolle spielt das AIT Innovation Systems Department im Leuchtturmprojekt PHS Foresight und welches Know-how bringt es ein? Das AIT ist für die Gesamtkoordination des Projekts verantwortlich und leitet zudem drei Arbeitspakete: Stand der Technik, zentrale Herausforderungen und politische Strategien (WP1), strategische Planung zur Koordination künftiger Entwicklungen (WP4) sowie Management (WP6). Das Innovation Systems Department kann auf breites Know-how in der politikorientierten Analyse und Forschung zurückgreifen – von Innovationspolitik über Sicherheitspolitik bis hin zur Infrastrukturpolitik. Das Geschäftsfeld eHealth im Safety & Security Department verfügt über umfassende Forschungskompetenz im Bereich Gesundheitsversorgung und Biomedizin und erarbeitet Infrastrukturlösungen, Tools und Knowhow für Planung, Entwicklung und Betrieb von Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitssystem. Wer wird Ihrer Erfahrung nach künftig am meisten vom technischen Fortschritt im Bereich Personal Health Systems profitieren und wie? PHS führen zu einer Verbesserung der Leistungen in der privaten und öffentlichen Gesundheitsversorgung und eröffnen neue Geschäftsmöglichkeiten auf internationaler Ebene. Forschung und Innovation sind Schlüsselthemen in der Weiterentwicklung von PHS, auch wenn viele der relevanten Technologien für einen breiten Zugang zur personalisierten Gesundheitsversorgung bereits zur Verfügung stehen. Trotz des enormen technischen Fortschritts stellen Benutzerschnittstellen und Interoperabilität noch immer zentrale Herausforderungen dar. Darüber hinaus müssen PHS in einem breiteren Ansatz in den betreffenden Gesundheits- und Sozialsystemen verankert werden. In unserem Projekt haben wir daher für die Analyse von PHS einen umfassenden Systemansatz gewählt, der die Schaffung komplexer miteinander zusammenhängender Architekturen berücksichtigt: zum einen sind das Pflegeempfänger, Pflegende und andere Personen, des weiteren organisatorische Strukturen und Prozesse zur Aufteilung von Arbeits- und Zuständigkeitsbereichen, Ressourcenfluss etc. und schließlich Technologien, insbesondere Informationstechnologien, aber auch andere im Gesundheitsund Sozialwesen eingesetzte technische Geräte und Software. Ich glaube, dass Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet PHS verschiedene Teile zusammenführen werden. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag für personalisiertere und kostengünstigere Leistungen sowie besser informierte PatientInnen und Fachkräfte und eröffnen neue Geschäftsmöglichkeiten, unter anderem für Technologie-, Dienstleistungsund Versicherungsanbieter. ///

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Flüssiger Verkehr auf dem Wasser /// Der Umwelt zuliebe sollten unsere Wasserwege für den Gütertransport so effizient wie nur möglich genutzt werden. AIT entwickelt die dafür nötigen Logistiksysteme. ///

Ein neues Logistiksystem bringt geringere SchleusenStehzeiten für Donau-Frachtschiffe.

Der Gütertransport auf Wasserwegen ist bedeutend umweltschonender als der Schwerverkehr auf unseren Straßen. Aus diesem Grund fordert die Europäische Kommission in ihrem „Weißbuch Verkehr“ bis 2030 die Verlage-

●● auf den punkt gebracht Ein wichtiger Verkehrsweg für den Transport, auf den man in Österreich leicht vergisst, ist die Donau. Über 10 Millionen Tonnen an Frachtgut und mehr als eine Million Passagiere gelangen pro Jahr auf diese umweltfreundliche Weise an ihr (Etappen)Ziel. Käme es nicht immer wieder zu Stehzeiten bei Schleusen und Umschlagplätzen, könnten es sogar noch mehr sein. ForscherInnen des AIT Mobility Departments haben die Ursachen dieser Verzögerungen analysiert und darauf aufbauend ein selbstlernendes System entwickelt, das verbesserte Ankunftsprognosen mit einem optimierten Containerplatz- und Schleusenmanagement verbindet. Um die verschiedenen Akteure im intermodalen Transportprozess besser miteinander zu vernetzen und wichtige Informationen rechtzeitig an die jeweils richtige Stelle zu leiten, wurde überdies ein innovatives Kommunikationskonzept erarbeitet.

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rung von 30 Prozent des Straßengüterverkehrs über Distanzen von mehr als 300 Kilometer auf andere Transportmittel wie Eisenbahn oder Schiff. Tatsächlich verzeichnet die Beförderung von Waren auf dem Wasser auch in Österreich erfreuliche Zuwachsraten. So wurden auf dem österreichischen Teil der Donau im Jahr 2012 insgesamt knapp 11 Millionen Tonnen an Gütern transportiert, eine Steigerung um nahezu 8 % im Vergleich zum vorangegangenen Jahr. Durch die österreichischen Schleusen wurden fast 100.000 Güterschiffe gelotst. Um die von der EU geforderte massive Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf Binnengewässer zu ermöglichen, müssen diese Wasserwege optimal ausgenutzt werden. Derzeit werden Schiffe an den neun in Österreich gelegenen Donauschleusen lediglich auf einer First-come-first-serve-Basis

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abgefertigt. „Das kann nicht nur zu unnötig langen Wartezeiten führen, sondern fördert auch das schadstoffintensive Fahren mit Höchstgeschwindigkeit zwischen den Schleusen“, erläutert Matthias Prandtstetter, Scientist am AIT Mobility Department. Effiziente Schleusennutzung

Vor diesem Hintergrund wurde am AIT das Forschungsprojekt „imFluss“ in Kooperation mit dem Betreiber der Wasserstraßeninfrastruktur in Österreich, via donau, sowie mit der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) ins Leben gerufen. Ziel des Projekts sind mögliche Optimierungen des Verkehrsmanage-

ments auf dem österreichischen Segment der Donau und damit die Schaffung der methodischen Voraussetzungen für eine generelle Effizienzsteigerung der Binnenschifffahrt. Wie das zu bewerkstelligen ist? „In diesem Projekt geht es uns vor allem um verbesserte Ankunfts- und Aufenthaltszeitprognosen sowie eine optimierte Abfolge der Schiffe durch die Koordination aller neun Schleusen“, so Matthias Prandtstetter. „Mit unseren Optimierungsmethoden können wir beispielsweise berechnen, welches Schiff mit welcher Geschwindigkeit fahren soll, damit es im Schleusenbereich zu keinen Wartezeiten kommt und die Schiffe – vor allem wenn sie in entgegengesetzte Richtungen fahren – gut aufeinander abgestimmt werden können“. Um die Ankunftsprognosen noch genauer zu machen, beziehen die ForscherInnen erstmals auch me-

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teorologische Daten wie etwa Seitenwinde oder Sichtbehinderungen durch starken Nebel etc. in ihre Modelle ein. Besser planen statt hetzen

Durch eine automatisierte Koordinierung der einzelnen Schleusen können sich die Wartezeiten der Schiffe bis zur Abfertigung verringern, wodurch teure Stehzeiten verhindert werden. „Damit macht es für die Kapitäne auch keinen Sinn mehr, zwischen den Schleusen besonders schnell zu fahren und damit Treibstoff zu verschwenden“, erklärt Ulrike Ritzinger, Junior Scientist am AIT Mobility Department, die an der Erstellung der dafür notwendigen mathematischen Optimierungsmodelle maßgeblich mitgearbeitet hat. Das neue System sollte also nicht nur eine höhere Planungssicherheit für Hafenanlagen und Transporteure bringen, sondern auch ökologische und wirtschaftliche Vorteile. Außerdem können die Schiffe bei Bedarf länger in einem Hafen vor Anker bleiben, was die Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhezeiten für die Kapitäne beträchtlich erleichtert. Noch sind die Arbeiten an diesem Projekt in vollem Gang, mit ersten Testergebnissen ist aber spätestens in einem Jahr zu rechnen. Im Rahmen des Projekts „Trimodaler Umschlagplatz Hafen – TRIUMPH“ entwickeln die AIT-ForscherInnen ein selbstlernendes System, das Ankunftsprognosen von Schiffen, Lkw und Zügen in die Ressourcenplanung und eine effiziente Containerlagerung im Hafen integriert. Für die Ankunftsprognosen wurden am AIT auf statistischen Methoden basierende Verfahren entwickelt. Um ihre Zuverlässigkeit zu erhöhen, wird die derzeit manuell durchgeführte Auswahl von virtuellen Schranken automatisiert, sodass diese regelmäßig angepasst und verbessert werden kann. Für den Lkw-Bereich können bereits jetzt zuverlässige Ankunftsvorhersagen gemacht werden. „Im Hinblick auf den Schiffsverkehr sind die Fahrzeiten schon gut abschätzbar, noch nicht aber die Aufenthalte in den Schleusen“, erläutert Johannes Asamer, Junior Scientist am AIT Mobility Department, die Motivation für die aktuellen Entwicklungen. Kampf dem Container-Chaos

Eine besondere Herausforderung auf dem Weg zu einem verbesserten Logistiksystem für die österreichische Binnenschifffahrt ist auch das Con-

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Matthias Prandtstetter /// Scientist, AIT Mobility Department „Uns geht es um verbesserte Ankunfts- und Aufenthaltszeitprognosen sowie eine optimierte Abfolge der Schiffe durch die Koordination aller neun Schleusen.“

tainerplatzmanagement. Viele Container in der intermodalen Transportkette kommen aus umliegenden Betrieben zu Verladeterminals bzw. Kontroll- und Reparaturstationen an der Donau, wo sie auf Züge verladen und zu den verschiedenen Hochseehäfen transportiert werden. Ein solcher intermodaler Knotenpunkt befindet sich auch im Ennshafen in Oberösterreich. Tag für Tag landen dort Hunderte Container – ein Teil davon lange Ulrike Ritzinger /// Junior Scientist am AIT Mobility Department „Durch die automatische Schleusenregulierung macht es für die Kapitäne keinen Sinn mehr, zwischen den Schleusen besonders schnell zu fahren und damit Treibstoff zu verschwenden.“

vor ihrem Weitertransport. Diese Container in Warteposition behindern immer wieder den Brückenkran, der auf die aktuell zu verladenden Container frei zugreifen können sollte. Auf diese Weise werden wertvolle Zeit und Arbeitskraft vergeudet, die man durch eine besser organisierte Containerlagerung einsparen könnte. Wie aber soll das funktionieren? „Indem man die Ankunftsprognosen mit dem Containermanagement verknüpft“, erläutert Matthias Prandtstetter. Ziel der AIT ExpertInnen sei es deshalb, auf Basis von Ankunftsprognosen ein System zu entwickeln, Johannes Asamer /// Junior Scientist am AIT Mobility Department „Im Hinblick auf den Schiffsverkehr sind die Fahrzeiten schon gut abschätzbar, noch nicht aber die Aufenthalte in den Schleusen.“

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mit dem die Container so effizient wie möglich geschlichtet werden können. „Hier kommen komplexe Lösungsverfahren auf der Basis dynamischer Programmierung und Metaheuristiken zum Einsatz“, so Prandtstetter. „Damit können wir sicherstellen, dass die Verladung der Container mit der kleinstmöglichen Anzahl an Bewegungen, also hocheffizient erfolgt“. Die richtige Information an die richtige Stelle

Gegenwärtig wissen die MitarbeiterInnen der österreichischen Donauterminals allerdings meist nicht, wann welcher Container geliefert wird und wo er sich gerade befindet. Die Ursache für diesen gravierenden und letztlich sehr teuren Informationsmangel sieht der Logistikexperte im Fehlen einer entsprechenden Datenschnittstelle. Obwohl bereits Systeme verfügbar sind, die eine Abstimmung zwischen den einzelnen Verkehrsträgern durch die Bereitstellung von Ankunftsund Fahrzeitprognosen unterstützen würden, gibt es noch keine einheitlich anerkannte und umgesetzte Verknüpfung dieser Systeme bzw. eine automatische Auswertung der vorhandenen Daten. Diese Problemlage motivierte die ForscherInnen schließlich zum Projekt TRIUMPH II. Hier geht es darum, die richtigen Informationen an die jeweils richtigen Stellen (und nur an diese) zu bringen. So ist es zum Beispiel für die Logistikzentrale am Umschlagplatz wichtig zu wissen, wann ein bestimmter Container ankommt. Zurzeit ist dort jedoch meist nur bekannt, wann der Container wieder den Terminal verlassen soll. Auch für den Kunden und den Versender ist es nicht unwichtig, über den aktuellen Aufenthaltsort der Ware Bescheid zu wissen. „Um diese Informationslücken im System zu schließen, bedarf es einer unabhängigen Datenschnittstelle bzw. einer Clearingstelle, die über alle relevanten Daten verfügt und diese den jeweiligen Personen auf Basis maßgeschneiderter Zugriffsrechte automatisch zur Verfügung stellt“, erklärt Matthias Prandtstetter. Mit ihrer umfangreichen Expertise im Feld der Dynamic Transportation Systems konnten die AIT ForscherInnen nicht nur die (Ankunfts-)Prognoseverfahren verbessern, sondern am Beispiel des Container- und Schleusenmanagements in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern auch zeigen, welches Einsparungspotenzial an Zeit und Arbeitsressourcen ein optimales Informationssystem birgt. ///

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Stefan Simon, viadonau, zur Zukunft des Transportmittels Schiff und der Verlagerung des Güterverkehrs auf die WasserstraSSe.

Weitere Infos: Mobility Department, Nancy Brandt, Tel.: +43 505 50-6322, E-Mail:nancy.brandt@ ait.ac.at, Web: www.ait. ac.at/mobility

Research services Im Geschäftsfeld Dynamic Transportation Systems wird das interdisziplinäre Know-how für eine effiziente, kostengünstige und umweltverträgliche Transportlogistik entwickelt.

Fotos: viadonau, AIT

Performance-Analyse und Kostenevaluierung Die zwei zentralen Probleme im Transportgewerbe sind zum einen zu hohe Beförderungskosten, zum anderen unzuverlässige Ankunftsprognosen. AIT bietet umfassende Unterstützung bei der Bewertung der aktuellen Routen- und Tourenplanung sowie bei der Suche nach und der Umsetzung von kostensenkenden Maßnahmen. • Analyse aktueller Transportpläne (Touren, Routen) einschließlich GPS-Tracking • Evaluierung von Transportplänen anhand verschiedener Performance-Indikatoren (Zeit, Kosten, Emissionen) in Verbindung mit dem Verkehrszustand • Ermittlung und Berechnung von Einsparungspotenzialen • Unterstützung bei der Auswahl von Optimierungs methoden für eine effizientere Transportlogistik Optimierung von Fahrzeugflotten Die Bewältigung komplexer Routen- und Tourenplanungsaufgaben erfordert den Einsatz unterschiedlicher mathematischer Methoden. AIT wendet die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus verschiedenen Forschungsbereichen an und entwickelt selbst neuartige Optimierungsalgorithmen, um eine effiziente und zuverlässige Transportplanung unter Berücksichtigung des aktuellen und zukünftigen Verkehrszustandes zu gewährleisten. • Lösung integrierter Probleme durch Abweichungsmanagement • Intermodale Routen- und Tourenplanung • Stochastische und dynamische Optimierung zur kosteneffizienten Problemlösung ///

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Wird Ihrer Meinung nach das vergleichsweise umweltschonende Transportmittel Schiff in Österreich ausreichend genutzt? Die Stärkung der Schifffahrt ist ein erklärtes verkehrspolitisches Ziel Österreichs und der Europäischen Union. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie verfolgt via donau dieses Ziel durch den Nationalen Aktionsplan Donauschifffahrt (NAP). Der NAP ist zeitgleich die nationale Umsetzung des von der Europäischen Kommission initiierten NAIADES Aktionsprogramms. Die PLATINA-Plattform zur Umsetzung dieses europäischen Aktionsprogramms wird seit 2008 von via donau koordiniert. Österreich leistet somit einen aktiven Beitrag zur Gestaltung der europäischen Binnenschifffahrtspolitik. National liegt der Schwerpunkt naturgemäß auf der Verbesserung der Infrastruktur, damit die Donau ganzjährig ein starker und „grüner“ Partner für die verladende Wirtschaft ist. So wurden in den letzten Jahren die Abläufe und Strukturen zur Instandhaltung der Wasserstraße innerhalb der via donau grundlegend analysiert und verbessert. Das reicht von Investitionen in hochmodernes Vermessungsgerät über optimierte Instandhaltung der Fahrrinne bis hin zu umfassender, elektronisch verfügbarer Information für die Nutzer. Was muss getan werden, um den Güterverkehr noch stärker auf die Donau zu verlagern? via donau arbeitet bereits seit 2009 an der Entwicklung eines „Kundenorientierten Wasserstraßenmanagement-Systems“. Darunter verstehen wir die professionelle Abwicklung aller Aktivitäten im Bereich des Wasserstraßenmanagements: beginnend von der permanenten Überwachung des Zustandes der Schifffahrtsrinne durch entsprechende Vermessungen der Stromsohle über die zeitnahe Planung und Durchführung von allfälligen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Schifffahrtsrinne durch entsprechende Baggerungen. Zentral hierbei ist die laufende und maßgeschneiderte Information über den Zustand der Wasserstraße Donau in Richtung Kunden. Im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses wurden bereits zahlreiche Detailmaßnahmen umgesetzt, beispielhaft genannt seien ein verdichteter Vermessungszyklus der Stromsohle, die grafische Darstellung der schlechtesten Stellen in der Donau auf der Website der via donau sowie die Einführung einer 3-Tages Pegelprognose bei Niederwassersituationen. Weitere Stellschrauben zur Modernisierung der Donauschifffahrt sind Beratungen zur Donaulogistik, Flottenmodernisierung durch angewandte Forschungsprojekte und Förderungen sowie neue Informationstechnologien (River Information Services). Was bringt die Kooperation mit AIT Ihrem Unternehmen, auf welche AIT-Kompetenzen haben Sie zurückgegriffen und was soll damit geändert werden? Das Austrian Institute of Technology GmbH (AIT) verfügt über die notwendigen Kapazitäten und Infrastrukturen, um umfangreiche Datensammlungen und -analysen aus den gemeinsam durchgeführten Forschungsprojekten (TRIUMPH, TRIUMPH II, imFluss) - aufgrund langjähriger Expertisen der involvierten Mitarbeiter - kompetent und effizient von forschungsnahem Know-how in Richtung Umsetzungspartner zu transformieren, was selbstverständlich auch für den Verkehrsbereich Binnenschifffahrt von großem Interesse ist. Inhaltlich stellt AIT Mobility durch seine Kompetenzen im Logistik- und Transportoptimierungsbereich einen wichtigen und wertvollen Partner in diesen interdisziplinären Projektkonsortien dar, der durch die eingebrachten Kompetenzen wissenschaftliche Aufgabenbereiche abdeckt, die durch die via donau teilweise nicht in der für den Erfolg dieses Projekts notwendigen Tiefe erfasst werden könnten. ///

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➜ VERANSTALTUNGEN

INNOVATIONSKALENDER 14. – 17.1.: SOFTWARE QUALITY DAYS 2014 Themenschwerpunkt 2014: Model driven approaches for advanced software engineering. Der unabhängige Fachkongress in Österreich lädt bereits zum sechsten Mal nach Wien ein. Aktuellste Trends, Best Practice Methoden im Qualitätsmanagement und Ideen zur Verbesserung von Methoden und Prozessen - alles dreht sich um System- und Software-Qualität. Ort: Wien Infos: www.2014.software-quality-days.com 21. – 22.1.: AAL-Kongress Der 7. Deutsche AAL Kongress 2014 steht unter dem Leitthema „Wohnen – Pflege – Teilhabe“. Unter der Schirmherrschaft des BMBF ist er der Leitkongress in Deutschland. Er stellt eine hervorragende Plattform für das Innovationsfeld AAL dar und ermöglicht einen qualifizierten Informations- und Wissensaustausch zwischen Forschern und Entwicklern, Herstellern und Anwendern, Dienstleistern, Endanwendern sowie Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Verbänden. Im Mittelpunkt werden technische Lösungen von heute und Konzeptstudien für morgen und übermorgen stehen. Neben Plenarbeiträgen und Vorträgen werden auch Workshops angeboten. Ort: Berlin Infos: www.conference.vde.com/aal 22. – 24.1.: Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin (ANIM) Traditionell Mitte/Ende Januar jeden Jahres findet die Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin (ANIM) statt, die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Schlaganfallgesellschaft (DSG). Hier werden in einem breit gefächerten Programm für alle neurointensivmedizinisch interessierten Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten sowohl „klassische“ als auch kontroverse Themen der Neurointensivmedizin behandelt. Neue Entwicklungen sollen dabei im Vordergrund stehen. Erstmals 2011 startete die Fortbildungsreihe „Leitsymptome in der Notaufnahme“ in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Dabei werden die speziellen Anforderungen in der Differentialdiagnostik akut neurologischer Symptome aufgegriffen. Ort: Hannover Infos: www.dgni.de/ 23. – 24.1.: Solar Heat Integration in Industrial Processes, 5th Experts Meeting Der Einsatz von Solarthermie ist im kommerziellen und industriellen Bereich bei weitem noch nicht so verbreitet wie im Haushaltssektor oder bei Schwimmbädern. Die meisten Anwendungen in der Industrie beschränken sich auf kleinere Systeme und sind meist experimenteller Natur. Weltweit sind derzeit nur sehr wenige große Anlagen im Einsatz. Beim 5th Experts Meeting diskutieren Spezialisten über das ungenutzte Potenzial in diesem Bereich und die verstärkte Integration der Solarthermie in industrielle Prozesse. Ort: Südafrika, University Stellenbosch Ansprechperson: Christian Köfinger 25.1 – 27. 1.: Geography of Innovation Conference Die Geography of Innovation Conference bietet ein Diskussionsforum für Experten aus Wissenschaft und Praxis und behandelt wissenschaftliche, politische und strategische Themen zur räumlichen Dimension von Innovationstätigkeiten. Ort: Utrecht Infos: http://elio6.eurolio.eu/indico/conferenceDisplay.py?confId=3

28.1 – 29.1.: CAR-Symposium 2014 Das Internationale CAR-Symposium hat sich als hochrangiger Branchentreff der Automobilindustrie etabliert. Jedes Jahr diskutieren über 1.000 führende Manager und Entscheider sowohl von Automobilherstellern als auch von Zulieferern und Dienstleistern über die Chancen und Herausforderungen zukünftiger Mobilität. Durch den engen Bezug zur Universität Duisburg-Essen mit allein 80 ingenieurwissenschaftlichen Lehrstühlen, eine der größten ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten deutschlandweit, bietet das CAR-Symposium zudem hohe Transferleistungen zwischen Wissenschaft und Industrie. Ort: Essen Infos: www.car-symposium.de 29.1 – 1.2.: Optical Document Security Conference Optical Document Security – die Nachfolgekonferenz der Conference on Optical Security and Counterfeit Deterrence Techniques – beschäftigt sich mit technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen im Bereich optischer Sicherheitsmerkmale für Dokumente und Wertobjekte. Die Konferenz bietet eine Plattform für Forscher, Entwickler, Hersteller und Nutzer von Sicherheitstechnik und gibt ihnen die Gelegenheit, ihre neuesten Erkenntnisse, Arbeiten und Methoden auf technischer und wissenschaftlicher Ebene zu präsentieren. Ort: San Francisco Infos: www.opticaldocumentsecurity.com/ 2.2 – 6.2.: IS&T / SPIE Electronic Imaging 2014 Die Konferenz präsentiert die neuesten Forschungen im Bereich Digital Imaging Systems, 3D-Darstellung, Bildqualität, Bildoptimierung u.v.m. Ort: San Francisco Infos: http://spie.org/x16218.xml 4.2. – 9.2.: American Clinical Neurophysiology Society (ACNS) Die American Clinical Neurophysiology Society ist ein Fachverband zur Förderung von Exzellenz in der klinischen Neurophysiologie. Sie setzt auf Bildung, Forschung, Diskussion und Gedankenaustausch, um ein besseres Verständnis der Funktion des zentralen und peripheren Nervensystems in Gesundheit und Krankheit zu fördern. Ort: Atlanta Infos: http://www.acns.org/ 11.2.: Zukunft von Forschung und Innovation Das Innovation Systems Department veranstaltet einen nationalen Workshop, bei dem die Ergebnisse der beiden EU Projekte RIF Research and Innovation Futures und INFU Innovation Futures vor heimischen Stakeholdern präsentiert werden. Ort: Wien Infos: www.innovation-futures.org, www.rif2030.eu 11.2. – 16.2.: Singapore Airshow Die Singapore Airshow ist Asiens größte und eine der weltweit wichtigsten Ausstellungen zu den Themen Luftfahrt und Verteidigung. Die führenden internationalen Hersteller im Bereich Luft- und Raumfahrt präsentieren hier ihre neuesten Systeme, Technologien und Entwicklungen. Ort: Singapore Infos: http://www.singaporeairshow.com/ 12. – 14. 2.: 13. SYMPOSIUM ENERGIEINNOVATION Wissenschaft, Wirtschaft sowie Politik und Verwaltung sind gefordert, entsprechende Beiträge für die gedeihliche Entwicklung der europäischen Energiewirtschaft und Gesellschaft zu leisten und deren Beiträge werden im Rahmen des 13. Symposium Energieinnovation präsentiert und diskutiert. Ort: TU Graz


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➜ SCIENTIFIC PAPER

AIT TOP JOURNAL PAPERS /// Aktuelle Forschungsergebnisse von AIT-WissenschaftlerInnen, die kürzlich in Impact-starken, renommierten internationalen Journalen publiziert wurden. /// J. Weichselbaum, C. Zinner, O. Gebauer (University of Salzburg), W. Pree (University of Salzburg): “ACCURATE 3D-VISION-BASED OBSTACLE DETECTION FOR AN AUTONOMOUS TRAIN” Computers in Industry, Volume 64, Issue 9, Pages 1209 - 1220, Elsevier Autonom betriebene Züge stellen eine Möglichkeit dar, die ökonomische Attraktivität von Regionalbahnen für die Zukunft zu sichern. In unserem Paper, veröffentlicht im Fachjournal „Computers in Industry“, präsentieren wir ein Stereovision basiertes Hinderniserkennungssys-tem für einen autonom betriebenen Zug. Auf Basis der am AIT entwick-elten Stereoengine S3E wird für jedes Objekt im Sichtfeld berechnet, ob sich dieses innerhalb des Lichtraumprofils entlang des Schienenverlaufs befindet, also ein Hindernis ist, oder nicht. Wir konnten zeigen, dass unser System Hindernisse mit einer minimalen Größe von ca. 30 cm bis zu einer Distanz von über 80 m zuverlässig detektieren kann.

Hu, Y., Scherngell, T., Man, S.-N. and Wang, Y.: „IS THE UNITED STATES STILL DOMINANT IN THE GLOBAL PHARMACEUTICAL INNOVATION NETWORK?“ PLOS One 8(11) (2013), e77247 Der starke Anstieg von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in der pharmazeutischen Industrie in Schwellenländern wirft die Frage auf, ob die Vereinigten Staaten ihre weltweite Dominanz auf diesem Gebiet behaupten können. Dieser Artikel untersucht die Rolle der Vereinigten Staaten im Bereich pharmazeutischer Innovationen und nimmt dabei, im Unterschied zu früheren Studien, eine netzwerkanalytische Perspektive ein. Die Stichprobe der Studie umfasst Patente für alle neuen Arzneimittel, die von der amerikanischen Food and Drug Administration zwischen 1996 und 2010 zugelassen wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Vereinigten Staaten das weltweite Netzwerk pharmazeutischer Innovation noch immer dominieren, vor allem bei jenen Erfindungen, die eine besondere Marktrelevanz aufweisen. Ihre zentrale Rolle in den Netzwerken für neue Arzneimittel insgesamt bzw. für neue Wirkstoffe, so genannte New Molecular Entities, ging jedoch im Zeitraum zwischen 2006 und 2010 leicht zurück.

B. Hametner, S. Wassertheurer, A. Hughes, K. Parker, T. Weber, B. Eber: „RESERVOIR AND EXCESS PRESSURES PREDICT CARDIOVASCULAR EVENTS IN HIGH-RISK PATIENTS“ International Journal of Cardiology (Onlineveröffentlichung, 23. November 2013) Die Analyse der arteriellen Pulswelle spielt eine immer wichtigere Rolle in der kardiovaskulären Risikostratifikation. Die Parameter Pulswellenreflexion und Gefäßsteifigkeit wurden als eigenständige Risikoprädiktoren identifiziert und werden üblicher-

weise auf der Basis von Modellen zur Wellenausbreitung im Blutkreislauf bestimmt. Ein weiterer Modellierungsansatz beruht auf modifizierten Windkesselmodellen, in denen die Pulskurven in sogenannte Reservoir- und Excess-Druckkurven unterschieden werden. Über ihre Eignung zur Vorhersage ist noch wenig bekannt. Ziel dieser Studie ist es, den prädiktiven Wert aus der ReservoirTheorie auf arterielle Pulswellen anzuwenden und in einer Kohorte von Hochrisikopatienten zu bewerten. Weiters wurde der Zusammenhang zwischen diesen Parametern und jenen aus der Pulswellenanalyse untersucht. Anhand sehr unterschiedlicher Modelle wurde gezeigt, dass die Parameter aus der Reservoir-Theorie und der Pulswellenanalyse sehr stark korrelieren und kardiovaskuläre Ereignisse ähnlich gut vorhersagen können. Obwohl Windkesselmodelle nicht alle physiologischen Eigenschaften des Arteriensystems beschreiben können, sind sie für die Analyse seines Verhaltens und die Vorhersage kardiovaskulärer Ereignisse geeignet. ///

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Mehr Informationen über uns finden Sie hier:

Wenn es um bahnbrechende Innovationen geht, ist das AIT Austrian Institute of Technology der richtige Partner für Ihr Unternehmen: Denn bei uns arbeiten schon heute die kompetentesten Köpfe Europas an den Tools und Technologien von morgen, um die Lösungen der Zukunft realisieren zu können. Mehr über die Zukunft erfahren Sie hier: www.ait.ac.at

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