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REVIEW ALPBACHER TECHNOLOGIEGESPRÄCHE
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Europäisches Forum Alpbach
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AS WELL AS
SPONSORING PARTNERS
GENERAL PARTNERS OF THE EUROPEAN FORUM ALPBACH 2016
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INHALT /
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INHALT DIE TECHNOLOGIEGESPRÄCHE BEIM FORUM ALPBACH 2017 ALS KOMPAKTER RÜCKBLICK ZUM NACHLESEN UND INFORMIERT-SEIN.
04 / STATEMENTS Zum Geleit: Wolfgang Knoll, Monika Eigensperger, Franz Fischler, Hannes Androsch.
08 / PLENARY SESSIONS Mutig in die neuen Zeiten.
10 / FTI TALK Outputorientierte Innovationspolitik in Zeiten der Digitalisierung.
10 / DIE ROBOTER KOMMMEN!
Vom adäquaten Umgang mit Robotik und Information.
12 / NEUE MATERIALIEN UND AUTONOME SYSTEME Die Robotik eröffnet ganz neue Anwendungsmöglichkeiten.
14 / OPTOGENETIK
Wenn Genetik und Optik kombiniert werden, entsteht viel Neues.
16 / FALLING WALLS LAB AUSTRIA
Ein Sieger und viele gute Ideen: alle Tickets nach Berlin vergeben.
18 / SOCIAL AND EXHIBITION AIT-Gartenfest, #ART TEC
20 / DIE NÄCHSTE DIGITALE REVOLUTION Ökologisch, sozial, kulturell und wirtschaftlich nachhaltiges Leben.
22 / CHINAS „MADE IN CHINA 2025“-STRATEGIE
Wie Europa auf die chinesische Herausforderung reagieren kann.
23 / INNOVATIONSMARATHON
TU Austria-Teams stellen sich Herausforderungen in 24 Stunden.
24 / KOMPLEXE SYSTEME MANAGEN
Systeme verstehen und kontrollieren kann Risken minimieren.
24 / DIE ZWEITE QUANTENREVOLUTION?
Kann Europa führend sein wie schon bei der 1. Quanten-Revolution?
26 / GRAVITATIONSWELLEN
Ein absolutes Highlight: das dunkle Universum hören können.
27 / JUNIOR ALPBACH, Ö1 KINDERUNI ALPBACH Großer Einsatz und viel Interesse junger Menschen an offener Diskussion zur Zukunft von Technologie und Eigenverantwortung.
28 / BREAKOUT SESSIONS 13 Arbeitskreise zur Vertiefung aktueller und künftiger Themen für F&E, Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.
IMPRESSUM Herausgeber, Medieninhaber und Inhalt Alpbacher Technologiegespräche AIT Austrian Institute of Technology GmbH Mag. Michael Hlava Donau-City-Straße 1, 1220 WIen cmc@ait.ac.at, www.ait.ac.at Erscheinungsort und Termin Wien, Oktober 2017 Produktion Alpbacher Technologiegespräche AIT Austrian Institute of Technology GmbH Mag. Michael Hlava Claudia Klement Daniel Pepl, MAS Donau-City-Straße 1, 1220 WIen cmc@ait.ac.at, www.ait.ac.at Druck Ueberreuter Print & Packaging GmbH 2100 Korneuburg Verleger Verlag Holzhausen GmbH 1110 Wien, Leberstraße 122 Redaktion, Gestaltung und Satz Harald Hornacek, Leo Szemeliker; Layout: Repromedia/Sofia Smolyar Produktionsleitung: Joachim Mittelstedt
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04
/ EINLEITUNG
GELEITWORT /
SYSTEME VERSTEHEN LERNEN
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Foto: Peter Rigaud
Wolfgang Knoll, Managing Director AIT
aben Sie schon einmal einen Roboter getroffen? In Alpbach hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den diesjährigen Technologiegesprächen dazu Gelegenheit. Und wer die Chance nutzte, konnte an Hand dieser Begegnung erkennen, dass wir uns in einer unglaublich spannenden Phase der Menschheitsgeschichte befinden. Wir befinden uns auf dem Übergang in ein neues technologisches Zeitalter. Heute schon sind Roboter immer öfter in unserem Alltag anzutreffen. Das Bild vom Roboter in der Fabrik hat sich gewandelt, wir erleben täglich Rasen- oder Staubsaugerroboter, sehen immer mehr selbstfahrende Fahrzeuge, wir schätzen die zahlreichen Fahrassistenzsysteme in unseren PKWs, die zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr beitragen. Entscheidend wird die Frage des Umgangs mit diesen neuen, fast grenzenlosen Technologien. Die Interaktion von Mensch und Maschine, die Rollenverteilung von Individuum und Technik. Ein starker Wirtschaftsstandort wie Österreich, eingebettet in ein wieder deutlich prosperierendes Europa, kann seine Chancen nutzen wie kaum ein anderes Land. Das AIT Austrian Institute of Technology ist sich seiner großen Verantwortung bewusst, seinen Teil zu dieser Entwicklung beizutragen. Es geht um die großen infrastrukturellen Themen der Zukunft, es geht um Dekarbonisierung und um Digitalisierung. All das sind Bereiche, von denen wir täglich hören und lesen. Es sind zugleich auch hochkomplexe Systeme, die wir erkennen müssen, um daraus nachhaltigen Nutzen ziehen zu können. Das Management solcher Systeme gehört zu den größten Herausforderungen für Gesellschaft, Wirtschaft und Regierungen – von der Technologie über Produktion, Verkehr, Finanzwelt, Wirtschaft bis zu Gesundheitswesen, Medizin und Umwelt. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit, diese Systeme verstehen zu lernen. Gerade in dieser Hinsicht ist das AIT mit seinem systemischen Forschungsansatz ein Wegbereiter, ein Enabler unserer Zukunft. Auch wenn es noch Jahre dauern wird, bis der erste kommerzielle Quantenrechner läuft, die Optogentik zu unserem Alltag gehört oder wir das Wissen um die Gravitationswelle kommerzialisieren bzw. individualisieren können – um nur drei Beispiele zu nennen, die bei den Technologiegesprächen für großes Interesse sorgten –, das Ziel bleibt stets das gleiche: Die Technik für den Menschen nutzbar zu machen. Denn dann ist das Konfliktpotenzial, das neue Ideen mitunter mit sich bringen, gering. Und der Kooperations- bzw. Kollaborationseffekt umso größer.
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GELEITWORT /
WIE KOOPERATION ENTSTEHT
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Monika Eigensperger,
Foto: ORF/Thomas Ramstorfer
ORF Hörfunkdirektorin
er Kampf um Ressourcen, neue disruptive Technologien, der Klimawandel und viele weitere Faktoren wie die näher rückenden Grenzen des Wachstums verlangen nach neuen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Lösungen. Innovative Ansätze dazu bietet besonders die digitale Welt. In der virtuellen Welt scheint es kaum mehr Grenzen zu geben und Teilen und Kooperation stehen hoch im Kurs. Doch verhelfen uns die neuen digitalen Technologien generell zu mehr Gerechtigkeit durch Zusammenarbeit? Soziale Netzwerke, Big Data und das Internet der Dinge bieten längst noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten. Der Wettbewerb der Ideen und der Disput darüber sind für Innovationen und soziale Entwicklungen essenziell. Und Kooperation gilt als einer der wichtigsten Faktoren für die Entwicklung der Menschheit und der gesamten Evolution des Lebens. Für Medienunternehmen erwachsen aus dieser Situation besondere Aufgaben. Ö1 ist seit vielen Jahren Partner der Technologiegespräche und bietet damit eine mediale Plattform für den Diskurs über aktuelle Zukunftsfragen im Kontext von Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft, der auch über die Veranstaltung hinaus in unseren Sendeformaten weitergeführt wird. Wir sehen dies als Teil unserer medienkulturellen Identität, aber auch als Aspekt unseres öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags. So tragen wir dazu bei, dass Themen gehört und diskutiert werden können. Mit unserem Kinderprogramm laden wir jährlich Mädchen und Buben im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren ein, dem „Wie?“ und „Warum?“ von Wissenschaft und Technologie auf unterhaltsame Weise nachzugehen. Die Möglichkeit, Forschung hautnah zu erleben und unbefangen Fragen zu stellen, erschließt wissenschaftliche Themen in reizvoller, überraschender und vor allem verständlicher Form. Die „Ö1 Kinderuni Alpbach“, in Kooperation mit der „Jungen Uni“ Innsbruck, ging der Frage nach, ob Roboter den Menschen unterstützen oder ersetzen werden. Oder wie die moderne Technik dazu beitragen kann, die Natur zu erhalten – oder sie zu zerstören. Erfahrungen, die zum Weiterdenken und Weiterforschen anregen und in Verbindung mit der Sendereihe „Die Ö1 Kinderuni“ auch einem breiteren Publikum vermittelt werden. Die Konstruktion von Wirklichkeit in (sozialen) Medien stand im Mittelpunkt von „Junior Alpbach“. Hier befassten sich Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jahren in einem Workshop mit „News, Fakes & Wahrheiten“. Denn in einer offenen Gesellschaft ist es wichtig, Meinungen anderer Menschen zu respektieren und zu akzeptieren. Nur so können aus Konflikten letzten Endes tragfähige Kooperationen werden. Eine Medienöffentlichkeit zu gestalten, an der alle teilhaben können, ist eine wichtige Voraussetzung dafür.
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/ EINLEITUNG
GELEITWORT /
KONFLIKTE BEWÄLTIGEN
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Präsident Europäisches Forum Alpbach
Foto: ORF/Hans Leitner
Franz Fischler,
ie Gesamtbilanz des diesjährigen Europäischen Forum Alpbach fällt sehr positiv aus: Insgesamt kamen in den vergangenen 16 Tagen mehr als 5.700 Menschen aus über 100 Nationen in das Tiroler Bergdorf, um Zukunftsfragen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft zu diskutieren. Somit ist das Publikumsinteresse an den Alpbacher Gesprächen auch im 73. Jahr ihres Bestehens konstant hoch. Auch das Generalthema „Konflikt & Kooperation“ erwies sich als nicht nur hochaktuell, sondern vor allem diskussionswürdig. Denn wenn Terror oder Populismus die demokratischen Grundwerte herausfordern, öffnen sich Gräben in Europa. Als Europäisches Forum Alpbach wollen wir bestehende Konflikte nicht ausblenden, sondern gemeinsam bewältigen. Dazu gehört beispielsweise eine Verbesserung der Konfliktkultur. Neben den großen Podiumsdiskussionen und knapp 80 kleineren Breakout-Sessions vermittelten Workshops und Kurse die Fähigkeit, Konflikte zu lösen und Kooperationen positiv zu gestalten. An kaum einem Thema manifestiert sich dieses Spannungsfeld so intensiv, wie in Fragen der Technologie. Wie können wir die enormen Chancen der Digitalisierung nutzen? Was ist nötig, um Konflikte in Gesellschaft und auch in Teilen der Wirtschaft zu vermeiden? Wie machen wir Roboter zu Freunden, die wir schätzen – und nicht zu möglichen Feinden unserer persönlichen Zukunft, sei es beispielsweise am Arbeitsplatz? Mit großer Freude habe ich die vielen intensiven Diskussionen mitverfolgt. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, von potenziellen Konflikten zu zukunftsfähigen Kooperationen zu gelangen. Was mich persönlich besonders freut: Insgesamt 720 junge Menschen unter 30 Jahren, mehr als die Hälfte davon Frauen, nahmen im Rahmen des Alpbacher Stipendienprogramms am Konferenzgeschehen teil. Dies ist umso wichtiger, als die Zukunft Europas, die Digitalisierung und eine nachhaltige Entwicklung bei jungen Menschen hoch im Kurs stehen. Der Einladung nach Alpbach folgten dieses Jahr auch 845 nationale und internationale Sprecherinnen und Sprecher; 37 Prozent davon waren Frauen – Tendenz steigend. Mehr als 120 nationale und internationale Kooperationspartner gestalteten das Programm mit. Ich freue mich auf ein Wiedersehen 2018, wenn das Europäischen Forum Alpbach unter dem Generalthema: „Diversity & Resilience“ einlädt, sich von 15. bis 31. August an den interdisziplinären Debatten zu beteiligen.
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GELEITWORT /
MEHR MUT UND NEUE IDEEN
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Hannes Androsch, Aufsichtsratspräsident AIT und Vorsitzender des Rats für Forschung
Foto: ORF/Hans Leitner
und Technologieentwicklung
iemals war Wirtschaft so spannend wie heute. Die großen Schritte und Entwicklungen in der Menschheitsgeschichte in Richtung Digitalisierung werden das Zusammenleben der Menschen grundlegend verändern. Sie werden auch die Weltökonomie neu definieren. Die Digitalisierung wird dazu beitragen, dass sich die globale Wirtschaft neu erfindet. Dazu brauchen wir nur nach China zu blicken: Im Rahmen der Industriepolitik „Made in China 2025“ geht es um nicht weniger als die gezielte Erneuerung der chinesischen Wirtschaft von imitationsbasiert in Richtung innovationsgetrieben. Und während man in der westlichen Welt davon ausgeht, dass Wachstum bzw. Marktentwicklung zum überwiegenden Teil den Marktkräften überlassen werden sollte, setzt man in China vielfach auf den Staat. Die Studie „China Manufacturing 2025. Putting Industrial Policy Ahead of Market Forces“ der Europäischen Handelskammer in China zeigt eindrücklich, welche Herausforderungen in den nächsten 10 Jahren auf die europäische Industrie zukommen und wie Europa diesen begegnen kann. Die Digitalisierung in China wächst mit einem enormen Tempo, die Skalierbarkeit von Lösungen ist fast ebenso beeindruckend wie die enormen Mittel, die der chinesische Staat in den Ausbau seiner Unternehmen pumpt. Die Folge: Innovation für morgen findet heute vorwiegend in Asien statt, nur noch in ausgewählten Bereichen in Europa. Daran sind wir zum Teil auch selbst schuld. Wir brauchen in Europa – durchaus auch in Österreich – mehr Affinität zu innovativen Technologien, die sich auch in unternehmerische Angebote umsetzen lassen. Da ist das Bildungssystem gefragt, das digitale Kompetenz möglichst früh ermöglichen soll, da ist aber auch eine Abkehr von der gerade in Österreich so beliebten „Gartenlauben-Mentalität“ und Abschottung gefordert. Mit Lösungen aus vergangenen Zeiten werden wir die Herausforderungen der Zukunft nicht bewältigen – weder intellektuell noch technologisch. Es nützt wenig, wenn der aktuelle Forschungs- und Technologiebericht zeigt, dass Österreich durch die im Jahr 2011 angelaufene Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI-Strategie) in Sachen Forschungsintensität aufgeholt hat, oder wenn Österreich eine überdurchschnittliche F&E-Quote von mehr als 3 Prozent aufweist und damit auf dem zweiten Platz in der EU liegt. Wir verlieren in den letzten Jahren an Boden in diversen Innovations-Indizes, wir hinken bei der Digitalisierung nach, wir verlieren gute Leute, die ins Ausland gehen, wir verspielen einen Teil unserer Zukunft. So wird der Weg zum Innovation Leader immer weiter. Noch ist die Chance gegeben, den bestehenden Schub zu verstärken. Aber das Zeitfenster wird immer kleiner.
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/ PLENARY SESSIONS
MUTIG IN DIE NEUEN ZEITEN
Foto: Johannes Zinner
DIE DIGITALISIERUNG IN IHREN UNTERSCHIEDLICHEN AUSPRÄGUNGEN WIRD UNSER LEBEN VERÄNDERN. DARAN BESTEHT KEIN ZWEIFEL. WIE WIR DAMIT UMGEHEN, WIRD ÜBER DIE ZUKUNFT DES WIRTSCHAFTSSTANDORTES EUROPA UND ÜBER UNSEREN KÜNFTIGEN WOHLSTAND ENTSCHEIDEN.
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DIE DIESJÄHRIGEN TECHNOLOGIEGESPRÄCHE MIT DEM RAHMENTHEMA „KONFLIKT & KOOPERATION“ MACHTEN SICH AUF DIE SUCHE NACH NEUEN WEGEN UND WERKZEUGEN FÜR EINE GESELLSCHAFT IM UMBRUCH. DIE SPANNENDE REISE ZUM NACHLESEN AUF: www.alpbach.org/de/event/technologiegespraeche/
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/ PLENARY SESSIONS
01
01
FTI Talk:
/ PLENARY SESSION
Neue Wege muss Österreich gehen, wenn man in
der Digitalisierung mit internationaler Konkurrenz
FTI TALK
mithalten will.
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Hannes Androsch, Sonja Hammerschmid, Georg Kapsch, Jörg Leichtfried, Harald Mahrer / Leitung Rosa Lyon
Die Roboter kommen:
Menschenähnlich sollen sie sein, die neuen
Roboter, nicht menschengleich. Und Menschen
Als am Schluss des FTI-Talks, der traditionellen Eröffnungs-Session im Plenum, Schulnoten für Österreichs Digitalisierungsreife auf einer Skala von 1 bis 5 vergeben werden sollten, sagte Hannes Androsch: „Sieben.“ Der Aufsichtsratsvorsitzende des AIT Austrian Institute of Technology, Präsident des Rats für Forschung und Technologieentwicklung und „Spiritus Rector der heimischen Forschunsgsszene“ (so Diskussionsleiterin und ORF-Journalistin Rosa Lyon) nahm auch 2017 in Alpbach seine Rolle ein – wie immer als scharf formulierender Mahner und Aufrüttler. Doch zurück zum Anfang der Session: Erstmals wurden die Technologiegespräche durchgängig begleitet, und zwar von Andreas Jäger, der in ORF III das Wissenschaftsmagazin „Quantensprung“ moderiert. Auf einem Podium, an dem drei aktive Politiker, ein ExPolitiker und ein hochrangiger Interessenvertreter saßen, nahm dann Hannes Androsch trotzdem die politischen Entscheidungsträger insofern in Schutz, als dass er „das stetige Adressieren der Politik als zu einseitig“ bezeichnete. Was wären dann die Gründe dafür, weswegen die jüngste OECD-Untersuchung Österreich unter 39 Ländern bei der Digitalisierung nur auf Platz 19 setzte? Es liege, so Androsch vor einem vollen großen Plenarsaal in Alpbach, an den „Gartenlauben, in die wir uns in Österreich so gern zurückziehen und schauen, was die anderen so machen“. Was wiederum Georg Kapsch, den Präsidenten der Industriellenvereinigung, zur Bemerkung veranlasste, dass man „die Menschen in Österreich eben 40 Jahre lang so erzogen“ habe, auf der Grundlage, dass „die Politik eben alles richtet“. Hannes Androsch diagnostizierte, es fehle in Österreichs Innovationspolitik an der Wirkungsorientierung. Die Forschungsausgaben, gemessen an der Quote, liegen bei mehr als drei Prozent. „Der Output ist aber unbefriedigend. Was nützt die beste Idee, wenn man sie nicht nutzbringend umsetzt?“ Jörg Leichtfried, Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, plädierte für eine differenzierte und umfassende Sicht. Er hat in Alpbach auch den neuen Robotik-Rat vorgestellt, der die österreichische Bundesregierung mit Strategien zu Automatisierung und künstlicher Intelligenz interdisziplinär beraten soll. Man müsse, so Leichtfried, für die Bevölkerung jedenfalls einmal „das Bedrohungsszenario Digitalisierung relativieren“. Es sei nun einmal ein Faktum, dass die Digitalisierung unser Leben und unsere Umwelt nachhaltig verändert. „Als Segler“, sagte Leichtfried, „weiß ich, was zu tun ist, wenn aus einem lauen Lüfterl, die die Digitalisierung 20 Jahre lang war, eine steife Brise wird. Sicher nicht dem Wind einzureden versuchen, er soll jetzt nicht blasen.“ Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Harald Mahrer sagte zur unter seinem Vorgänger Reinhold Mitterlehner beschlossenen FTIStrategie des Bundes: „Die war gut und richtig, die haben wir auch umgesetzt, nur die Welt dreht sich rasant weiter.“ Der Nukleus der
wissen viel zu wenig über die Robotik an sich.
Entwicklung sei längst nicht mehr die amerikanische Westküste mit dem sprichwörtlichen Silicon Valley, sondern Südostasien. „Und dort interessiert sich niemand für Klein-Klein in Europa.“ Unsere nicht für trial & error offene Einstellung zu Innovationen, vor allem die Regulierungen in Europa, bezeichnete Mahrer wörtlich als „Pampers-Orientierung“. Sollte heißen: „Wir machen uns mehr ins Hemd als notwendig.“ Und Mahrer weiter: „Die Zeit für Beckenrandschwimmer ist vorbei.“ Was seinen Regierungskollegen Leichtfried anmerken ließ, er möchte sich „jetzt nicht Beckenrandschwimmen in Pampers vorstellen“. Bildungsministerin Sonja Hammerschmid pries Teile der jüngsten Schulreform an, die Digitalisierung im Unterricht als „Werkzeug der Individualisierung“ verwende. Auch in der Ausbildung der Lehrkräfte, zumindest jener, die neu eingestellt werden, seien digitale Kompetenzen neue Schwerpunkte. Gefragt nach den Noten für Österreich, vergab Hammerschmid keine Schulnoten, sondern eine „alternative Leistungsbeschreibung“: Sie wünsche sich nämlich mehr Kooperationen mit den Universitäten, Fachhochschulen und vor allem der Wirtschaft, „damit wir in der Schule nicht immer den Entwicklungen hinten nachrennen müssen. Wenn wir zu den besten Ländern bei der Bildung gehören wollen, müssen wir am Puls der Zeit sein und frühzeitig auf Trends reagieren.“
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/ PLENARY SESSION
DIE ROBOTER KOMMEN! FÜRCHTET EUCH (NICHT)! Sabine Theresia Köszegi, Jörg Leichtfried, Martina Mara, Oliver Nachtwey / Leitung Rosa Lyon „Die Roboter sind längst da“, sagte der deutsche Soziologe Oliver Nachtwey gleich zur Eröffnung der zweiten Plenary Session, „eine Autofabrik hat heute einen Automatisierungsgrad von 80 Prozent. Und sie hat dabei Beschäftigung aufgebaut“. Damit hatte er gleich die erste Ausprägung der Furcht adressiert: die vor dem Jobverlust wegen der Roboterisierung. „Bei VW hat sich die Zahl der Arbeiter und Karosseriebauer am Fließband halbiert. Die Anzahl der In- >
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Fotos: ORF/Hans Leitner
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/ PLENARY SESSIONS
genieure hat sich dafür verdoppelt.“ Nachtwey sieht in einem ganz anderen Feld eine Gefahr der Automatisierung – nämlich darin, wie sich die großen Internet-Konzerne den Markt gestalten. Hier werde eine „Heerschar an Niedrigqualifizierten“ unter Druck gesetzt, schlechtere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, mit der Drohung: „Sonst kommen halt die Roboter.“ Hier bestünde die Gefahr, „die Gesellschaft weiter zu spalten“, so Nachtwey. Martina Mara, Leiterin der RoboPsychology-Forschungsabteilung im ARS-Electronica-FutureLab in Linz, erkennt ebenfalls die „Angst, dominiert zu werden“ als in der breiten Öffentlichkeit vorhanden. Möglichst menschenähnlichere Roboter, wie sie in Japan oft durch die Medien gereicht würden, sieht sie mit gemischten Gefühlen: Sie forsche viel zum „uncanny valley“, dieser empirisch erfassten Furcht und Unheimlichkeit, die bei zunehmendem Realismus in der Menschendarstellung durch Roboter oder Computergrafiken entsteht. Sie vermutet den Schlüssel zur Akzeptanz von Robotern vielmehr im Konzept des „informed trust“: „Die Maschine muss den Menschen informieren, was sie tut und was sie als nächstes vor hat.“ Roboter sollten „menschenfreundlich, aber nicht menschengleich sein.“ Sie erwähnte auch aus genderpolitischer Sicht fragwürdige Entwicklungen wie jene in Japan, die „alte Stereotype über die Robotik wieder in die Gesellschaft bringen, indem sie weiblich konnotierte virtuelle Ehefrauen sein sollen, die ihre Besitzer nur mit ‚Meister‘ ansprechen.“ Sabine Köszegi, TU-Professorin und Vorsitzende des neu gegründeten Roboter-Rates, lenkte die Diskussion auf den Bereich Pflege, in dem bekanntlich Personalmangel herrsche: Es gebe Studien, wonach Menschen, die im Rollstuhl sitzen und nicht mehr alleine essen können, es „als angenehmer empfinden, wenn ein Roboter sie füttert und nicht ein Mensch“. Das hieße aber nicht, dass liebevolle Pflege komplett durch Roboter ersetzt werden könne. Die Idee sei, dass Roboter als Ergänzung eingesetzt werden könnten. Nachtwey sagte dazu, dass der Mensch an sich „ein schamvolles Wesen“ sei, daher würden in etwa Schlaganfallpatienten, die in der Rehabilitation von einem Roboter wieder die Sprache erlernten, sich laut Studien weniger schämen. Von hier führte die Diskussion zum Phänomen der „impliziten sozialen Kognition“, zum Beziehungsaufbau zu Dingen. Versuchspersonen hatten in einer Studie für einen ferngesteuerten, aber im Versuch vermeintlich „intelligenten“ Roboter, der als Museumsführer absichtlich einen Fehler begangen und dafür um Verzeihung gebeten hatte, gelogen, um ihn nicht beim Versuchsleiter/Museumsdirektor „schlecht zu machen“. „Mulmig“ wurde es hingegen Diskussionsleiterin Rosa Lyon (ORF), als Minister Leichtfried darüber berichtete, warum er sich dafür einsetze, dass auf unseren Straßen bald selbstfahrende Autos unterwegs sein werden. Weniger wegen des Standortvorteils, den der Minister für die heimische Industrie damit sichern will, sondern wegen des erlebten Kontrollverlusts. Roboterforscherin Mara dazu: „Das ist ähnlich wie im Flugzeug.“ Der – vermeintliche oder auch reale – Kontrollverlust verursacht, dass Passagiere ein „mulmiges“ Gefühl bekommen und im Extremfall Flugangst entwickeln. Für Fußgänger, die an einem Zebrastreifen etwa einem Roboauto begegnen, werde künftig deswegen wichtig sein: „Vorhersehbarkeit, proaktive Kommunikation mit der menschlichen Umgebung.“
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Neue Materialien und autonome Systeme:
Roboter werden derzeit vor allem als Werkzeuge
eingesetzt. Doch wenn sie neue Aufgaben übernehmen sollen, sind auch ethisch-moralische Aspekte zu berücksichtigen.
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/ PLENARY SESSION
NEUE MATERIALIEN UND AUTONOME SYSTEME Alin Olimpiu Albu-Schäffer, Pascale Ehrenfreund, Sami Haddadin, Otmar D. Wiestler Den „Robotertag“ bei der EFAtec abgeschlossen hat eine spannende Plenary Session, gehostet von Otmar Wiestler, Neuropathologe und Präsident der deutschen Helmholtz-Gemeinschaft in Berlin, sowie von Pascale Ehrenfreund, der aus Wien stammenden Astrobiologin und Chefin des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) in Köln. Sie diskutierten mit den Robotikern Sami Haddadin und Alin Albu-Schäffer über den Stand von Forschung und Entwicklung in der noch jungen Disziplin. Alin Albu-Schäffer, Professor an der TU München und RobotikDirektor am DLR, startete seinen Vortrag mit Szenen aus der mittlerweile auch schon 13 Jahre alten Isaac-Asimov-Verfilmung „I, Robot“ – um die Erwartungen, aber auch die Ängste zu illustrieren, die in Roboter gesetzt wurden und teilweise noch werden. „Der Film hat mir damals gut gefallen, war auch gut recherchiert“, so AlbuSchäffer. Er verstehe aber auch, dass Leuten angesichts realer Entwicklungen „mulmig“ werde. Dass auch deswegen für Roboter eines der realen Anwendungsgebiete die Raumfahrt sein werde, sei aber auch sachlich und aus Sicht der Wissenschaft gut begründbar. „Ich glaube auch, dass mehrere Roboter auf dem Mars landen werden, bevor das der erste Mensch tun wird.“ Der Professor zeigte danach, welche komplexe Aufgabe es sei, einer Roboterhand, durch eine Ansammlung von hunderten Motoren, Dämpfern, Federn, adäquate Bewegungen beizubringen. Auch die Simulation von menschlicher Haut mit aller Sensorik sei ein umfassendes Gebiet für Forschung und Experimente. Eine weitere Anwendung, in der die Robotik einerseits große Fortschritte macht, sei die Chirurgie. Gleichzeitig wäre auch hier die Skepsis der Allgemeinheit vorhanden, daher müsse man unterstreichen: „Letztlich entscheidet immer der menschliche Chirurg.“ Aber auch in der Verbindung von Medizin und Entfernungen gäbe es Perspektiven: „Man könnte so im Weltraum operieren.“ Oder: Ein Spezialist in den USA könnte ferngesteuert eine komplizierte Operation in Afrika durchführen. Bei den Haushaltsrobotern hinge- >
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Roboter und künstliche Intelligenz übernehmen immer mehr Aufgaben in unserem Alltag. Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung weckt viele Hoffnungen, aber auch Sorgen. Deshalb hat das Infrastrukturministerium den Roboterrat eingerichtet. Dieser befasst sich mit allen technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Ich freue mich, Sabine Köszegi als Vorsitzende des Roboterrates gewonnen zu haben. Sie leitet derzeit an der TU Wien das Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation. Im Roboterrat wird sie von einem achtköpfigen Team aus internationalen und österreichischen Expertinnen und Experten beraten. Gemeinsam mit allen Mitgliedern des Roboterrats erarbeiten wir einen konkreten Plan, wo und wie Roboter in unserem Leben Platz haben. Bei allen technischen Fortschritten muss der Mensch immer im Mittelpunkt bleiben. Jörg Leichtfried,
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
Fotos: ORF/Hans Leitner
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/ PLENARY SESSIONS
gen liege derzeit der Task, dass ihn auch nicht wissenschaftlich gebildete Personen programmieren können sollten. In der Diskussion über Sicherheit, die einhellig als Zentralthema gesehen wird, erklärte Albu-Schäffer mit dem trockenen Verweis auf die Stochastik, dass Roboterhersteller nachweisen werden müssen, dass ihr Produkt „nicht mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 hoch minus 19 jemanden den Tod bringt. Flugzeughersteller können das.“ Sami Haddadin, Direktor des Institutes für Automatisierungstechnik an der Universität Hannover, sagte nach einem kurzen Überblick über die Geschichte der Robotik von Wilhelm Leibniz bis heute, dass in der Diskussion über sein Feld immer im Mittelpunkt stehen müsse: „Wem nützt man? Und was braucht der Nutzer?“ Die Angst vor der Singularität, also dem von John von Neumann 1950 geprägten Begriff für den Zeitpunkt, in dem die Roboterintelligenz der menschlichen exponentiell davonläuft, sei zu diskutieren. Asimovs berühmte drei Robotergesetze, erstmals aufgeschrieben 1942, seien nach wie vor Prämisse: Erstens, ein Roboter darf kein menschliches Wesen wissentlich verletzen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird. Zweitens, ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren. Drittens, ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel 1 oder 2 kollidiert. Trotzdem müsse in der gesamten Diskussion auch immer wieder unterstrichen werden, dass das, was man unter menschlichem Lernen versteht, etwas anderes sei als roboterisches Lernen, das rein auf Algorithmen aufbaue. „Wir bauen im Moment Werkzeuge. Die Brisanz würde eher dann entstehen, wenn ein Eigentümer mit einem Roboter etwas anstellt, wofür der Roboter nicht programmiert wurde. Nicht die Experten, alle anderen. Den Hammer zu führen ist nun einmal Sache des Handwerkers.“
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/ PLENARY SESSION
OPTOGENETIK Lynn Faith Gladden, Gero Miesenböck Die erste Plenarsitzung am Freitag sollte eine der meist akklamierten bei der EFAtec 17 werden: Lynn Faith Gladden, Chemie- und Biotechnologieprofessorin an der Universität Cambridge, sprach mit Gero Miesenböck, Professor für Neurophysiologie an der Universität Oxford, über ein Gebiet, in dem der aus Oberösterreich stammende Wissenschafter als einer der weltweiten Pioniere gilt: Optogenetik. Diese befasst sich mit der Steuerung genetisch modifizierter Neuronen durch Lichtsignale. Methoden der Genetik und der Optik werden in der gerade einmal etwas mehr als ein Jahrzehnt jungen Disziplin kombiniert. Über seinen Antrieb sagte Miesenböck folgendes (während er auf die Leinwand eine Zeichnung von „Dr. Gero“ projizierte, eines bösen Wissenschafters aus der japanischen Manga-Serie „Dragon Ball“,
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Optogenetik:
Die Möglichkeiten der Steuerung genetisch mo
difizierter Neuronen durch Lichtsignale als Ver bindung von Genetik und Optik faszinierten das Publikum.
der sich selbst zum Cyborg umgebaut hat): „Jahrzehntelang haben Wissenschaftler auf das Gehirn nur gestarrt. Und nicht mit ihm gespielt.“ Was allerdings passieren könnte, wenn man mit dem neurologischen System auf die alte Weise spielt, zeigte er mit einer Zeichnung vom berühmten Froschschenkel-Experiment, mit dem Luigi Galvani 1780 den Zusammenhängen von Elektrizität und Muskelkontraktionen auf die Spur gekommen war. „Das dramatische ist, es ist nicht viel vom Frosch übrig.“ Daher sei es auch nicht unbeschränkt möglich, „Kabel in ein Gehirn“ zu verlegen. Die Optogenetik setze auf Licht, sei also „kabellos und non-invasiv“. In den frühen Versuchen waren die Versuchsobjekte aber auch lediglich: Fruchtfliegen, Drosophilidae. Bei uns meist Mücken gennant. Was sind nun die speziellen wissenschaftlichen Interessen der Optogenetik? Miesenböck erläuterte in seinem spannenden Vortrag unter anderem, dass die Optogentiker etwa einem „biologischen Mysterium, nämlich warum wir den Schlaf brauchen, auf der Spur sind“. Es gehe um ein Konzept der Homöostase, der Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts: „Wir sammeln im Wachzustand irgendetwas an. Und wenn dieses Irgendetwas einen bestimmten Schwellenwert erreicht hat, müssen wir schlafen.“ In den Fruchtfliegen steuern bestimmte Zellen den Rhythmus aus Wachzustand und Schlaf. Man kann die Zweiflügler durch die optische Anregung mancher Zellen sofort in Schlaf versetzen, durch Anregung anderer könne man sie wecken, in Zusammenhang mit den Dopamin-Levels im Körper. Hier seien in der Zukunft auch völlig neue Konzepte der Schlafmedikationen denkbar, so Miesenböck. Der Oxford-Professor stellte auch weitere Studien mit Fruchtfliegen vor (am Ende mussten die Mücken sogar brutal geköpft werden, um den Beweis zu erbringen): In einem Experiment wurde gezeigt, dass durch optische Stimulation gewisser Zellen weibliche Fruchtfliegen in männliches Balzverhalten verfallen können (bei den Mücken ist das eine Art Gesang mit den Flügeln). Wie erwiesen, könne man den Schalter sogar wirkungsvoll bei kopflosen Insekten auslösen. Gefragt zu möglichen Anwendungsfeldern bei Menschen wies Miesenböck darauf hin, dass es sich bei oben beschriebenem Prozedere um eine sehr tief gehende Form der Gentherapie handle. Hier würden nicht eigene Gene repariert werden, sondern fremde eingesetzt, was neben technischen Barrieren auch ethische Fragen aufwerfe. Aber es gebe Felder in der Humanmedizin, in denen ein künftiger Einsatz doch denkbar wäre, etwa bei Schäden der Retina, also der Netzhaut im Auge. Oder in der Behandlung von ParkinsonPatienten. Hierbei könnten jetzt angewandte Methoden wie die Deep-Brain-Stimulation, der sogenannte Hirnschrittmacher, mit Hilfe der Optogenetik weiterentwickelt werden.
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FALLING WALLS LAB AUSTRIA /
IN DREI MINUTEN DIE WELT VERÄNDERN DAS FALLING WALLS LAB IST EINE PLATTFORM, BEI DER JUNGE LEUTE IN EINER SPEED-PERFORMANCE VON NUR DREI MINUTEN EINE HOCHKARÄTIGE JURY VON IHREN FORSCHUNGSERGEBNISSEN, BUSINESSPLÄNEN UND SOZIALEN INITIATIVEN ÜBERZEUGEN MÜSSEN. DAS RENNEN MACHTE JOHANNES BINTINGER MIT „BREAKING THE WALL OF SMELL SENSING“.
Falling Walls will Mauern einreißen und Grenzen überwinden – in den Köpfen, im Denken und im Handeln. Das Lab, das erstmals 2011 in Berlin stattfand, erinnert jährlich an den Fall der Mauer. Mittlerweile findet das Falling Walls Lab an über 60 Standorten weltweit statt. 2016 hat sich Österreich eingereiht. Der erste Gewinner war Nikolaus Pfaffenbichler (AIT Austrian Institute of Technology, „Breaking the Wall of Plant Improvement“), in diesem Jahr holte Agnes Reiner (Medizinische Universität Wien/AIT, „Breaking the Wall of Ovarian Cancer Diagnosis“) den ersten Platz. „Falling Walls ist ein ganz besonderes Event. Gute Forschung allein reicht nicht aus. Es ist wichtig, die Projekte ins Gespräch zu bringen und sich mit anderen auch auf internationaler Ebene zu messen“, sagte AIT Managing Director Wolfgang Knoll, der als Veranstalter der Alpbacher Technologiegespräche das Falling Walls Lab nach Österreich geholt hat.
schaulich vorgestellt. Einziger Unterschied zum Lab im April: Diesmal durfte das Publikum über den Gewinner entscheiden. Die Stärke des Applauses wurde über eine professionelle Dezibel-Messung ermittelt, die durch ein „analoges Handzeichen geben“ erweitert wurde. Das Rennen machte schließlich Johannes Bintinger. „Ich freue mich, beim großen Falling Walls-Finale im November in Berlin dabei zu sein. Eine spannende Erfahrung, die GewinnerInnen aus 100 nationalen Labs live zu erleben“, ist Bintinger überzeugt. Moderiert wurde die Plenary Session von Prof. Jürgen Mlynek (ehemaliger Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft und Vorsitzender des Kuratoriums der Falling Walls Foundation), Prof. Wolfgang Knoll und Hermann Hauser (Amadeus Capital Partners Ltd und Mitglied des ERA Council).
TICKET NACH BERLIN VERGEBEN
Neben den GewinnerInnen des Falling Walls Lab Austria haben auch die drei GewinnerInnen des großen Falling Walls Lab Finales 2016 ihre Pitches präsentiert: Dang Huyen Chau (1. Platz, Technische Universität Dresden), Maxim P. Nikitin (2. Platz, Moskauer Institut für Physik und Technologie) und Nouf Al-Jabri (3. Platz, König-Abdullah-Universität für Wissenschaft und Technologie, Thuwal). Komplettiert wurde die Falling Walls Plenary Session in Alpbach durch die Teilnahme dreier Kandidaten der Alpbach Summer School on Entrepreneurship von Hermann Hauser – Gernot
Für das große Finale in Berlin wurde jetzt ein zweites Ticket vergeben – die Zweitund Drittplatzierten des Wettbewerbs im April hatten Gelegenheit, im Rahmen der Alpbacher Technologiegespräche am 24. August erneut gegeneinander anzutreten. Lukas Kinner („Breaking the Wall of Photovoltaics 2.0”), Johannes Bintinger und Benjamin Aigner („Breaking the Wall of Expensive Assistive Technologies“) hatten in je drei Minuten ihre Forschungsprojekte an-
Grabner („Breaking the Wall of Serving unmet needs in metabolic disease“), Philipp Kainz („Breaking the Wall of KML Vision“) und Stefan Strein („Breaking the Wall of Doro Turbinen – Double Rotation Turbine“).
FALLING WALLS LAB AUSTRIA WIRD AUCH 2018 STATTFINDEN AIT Managing Director Wolfgang Knoll ist erfreut, dass sich das Lab in Österreich fest etabliert hat: „Nach dem erfolgreichen Start des österreichischen Falling Walls Labs im vergangenen Jahr planen wir eine erneute Runde für 2018. Im Rahmen der Langen Nacht der Forschung bieten wir NachwuchswissenschaftlerInnen erneut eine Bühne, um ihre Projekte einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.“
VIELE GUTE IDEEN FÜR MORGEN
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Falling Walls Lab Austria:
Junge ForscherInnen präsentierten ihre Ideen in Alpbach einem interessierten Fachpublikum. Manchmal wollte der Applaus kaum enden.
Das Falling Walls Lab Austria 2017 wird ermöglicht mit Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit), der Industriellenvereinigung (IV), accent, austria wirtschaftsservice (aws), des Rates für Forschung und Technologieentwicklung (RFTE), der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), des Holzhausen Verlags sowie der TU Austria. Veranstaltet wird das Falling Walls Lab Austria von den Alpbacher Technologiegesprächen in Zusammenarbeit mit dem Complexity Science Hub Vienna.
Fotos:ORF/Hans Leitner
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AIT Gartenfest:
Fixpunkt bei den Technologiegesprächen und
unvergesslicher Event für alle, die dabei waren: Das AIT präsentierte sich von seiner besten Seite.
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#ART TEC: Eine beeindruckende Inszenierung mit Show-
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Charakter, die brennende (Zukunfts-)Fragen stellt
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und dazu auch Antworten liefert.
AIT GARTENFEST
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/ EXHIBITION
Zu einer unglaublich beliebten Institution ist das AIT Gartenfest geworden. Dem tat auch ein heftiges Gewitter zum Ende der Veranstaltung keinen Abbruch. BM Jörg Leichtfried wies auf Österreichs Exportstärke hin, die in Europa ihresgleichen suche und die durch Forschung und Entwicklung begründet sei. Peter Koren, stv. Generalsekretär der IV, betonte die wissenschaftliche Expertise des AIT zur Klärung der „Grand Challenges“ und meinte schmunzelnd, es sei Zeit, dass das AIT von der Europa League in die Champions League aufsteige. AIT-Aufsichtsratsvorsitzender Hannes Androsch betonte, dass das AIT mit seiner neuen Struktur und dem gesamten Team hervorragend für die Zukunft aufgestellt sei. Und die AIT-Geschäftsführer Wolfgang Knoll und Anton Plimon bedankten sich für die solide Unterstützung der Eigentümer und gaben erste Einblicke zur neuen AIT-Strategieperiode, die unter dem Motto: „Empowering Innovation“ steht.
#ART TEC: „STADTFABRIK: NEUE ARBEIT. NEUES DESIGN.“ Die Alpbacher Technologiegespräche setzten erneut auf das eigens entwickelte Format #ART TEC – eine Schnittstelle von Kunst, Technologie und Wissenschaft. Das MAK und die Wirtschaftsagentur Wien präsentierten einen Satelliten der Ausstellung „Stadtfabrik: Neue Arbeit. Neues Design.“, die im Rahmen der VIENNA BIENNALE 2017: Roboter. Arbeit. Unsere Zukunft zu sehen ist. Im Fokus standen – vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung unserer Arbeitswelt und der rasanten Entwicklung neuer Technologien – neue Arbeitsformen und Designstrategien. Anhand von sieben Projekten wurden exemplarisch drei gesellschaftlich relevante Arbeitsfelder der Zukunft verhandelt: Neue kreative Arbeit und spartenübergreifende Ko-Kreativität, neue soziale Arbeit einschließlich Arbeiten für Gemeingüter (Commoning) sowie neue nachhaltige Arbeit im Sinne von Kreislaufwirtschaft und innovativer Nutzung städtischer Ressourcen.
Österreich entwickelt sich grundsätzlich positiv: Unsere Anteile in Horizon 2020 sind gestiegen, unsere Forscherinnen und Forscher konnten seit Beginn des Programms bereits rund 750 Mio. Euro einwerben. Bei den Grants des Europäischen Forschungsrates ist Österreich den Top 3-Ländern dicht auf den Fersen. Doch wenn wir andererseits mit 3,14 Prozent die zweithöchste Forschungsquote in der EU haben, aber im European Innovation Scoreboard auf Rang 7 liegen, sind Input und Output nicht stimmig. Um Innovationsführer zu werden, brauchen wir deshalb mehr Effizienz, mehr Offenheit und Internationalität und mehr Mut für Neues. Wir leben teilweise in der Durchschnittsfalle und dieses Denken bringt uns nicht voran. Das Innovationsrennen wird am Anfang entschieden. Um Spitzenleistungen gezielter zu fördern, muss künftig stärker auf eine kompetitive Vergabe von Forschungsmitteln und auf Exzellenz gesetzt werden. Denn entscheidend ist nicht Foto: ORF/Hans Leitner
die Anzahl der Fördereinrichtungen oder der Institutionen, sondern dass die Vergaben effizient und schneller erfolgen und Doppelgleisigkeiten bereinigt und der Impact erhöht werden. Harald Mahrer, Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft
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Fotos: ORF/Hans Leitner, Johannes Zinner
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Die nächste digitale Revolution:
Sinn stiften: Wie lässt sich das Gemeinwohl in Zei-
DIE NÄCHSTE DIGITALE REVOLUTION GESTALTEN. AUSEINANDERSETZUNGEN VON WISSENSCHAFT, TECHNOLOGIE UND KUNST
ten der Robotik und Digitalisierung stärken?
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Made in China 2025: Für wirtschaftsinteressierte Zuhörerinnen und
Susana Martín Belmonte, Harald Gründl, Verena Winiwarter, Christoph Thun-Hohenstein
Zuhörer das absolute Highlight der diesjährigen EFAtec: Die Diskussionsrunde machte klar, wie wichtig China heute für die Welt geworden ist.
Das dritte Panel am Freitagvormittag im Elisabeth-Herz-Kremenak-Saal leitete Christoph Thun Hohenstein, Direktor des Museums für Angewandte Kunst (MAK) in Wien. Er hat auch den Abschlussbeitrag im Jahrbuch der Technologiegespräche („Technologie im Gespräch 2017“, Amalthea Signum Verlag) mit dem Titel „Vernunft und Gefühl im digitalen Zeitalter: Wachen wir auf und handeln wir!“ verfasst. Darin wandelt er unter anderem Isaac Asimovs berühmte Robotergesetze zu „drei prohumanen Roboter-Gesetzen“ um. In Kürze postuliert er damit, intelligente Roboter hätten vor allem „dem menschlichen Gemeinwohl zu dienen“. Auch die Robotik müsse „ein ökologisch, sozial, kulturell und wirtschaftlich nachhaltiges Leben“ ermöglichen. In diesem Geiste hat Thun-Hohenstein auch die Diskussion in Alpbach geleitet. Als Einstieg zitierte er Autor Douglas Coupland („Generation X“): „Robots don‘t buy furniture“, „Killing people with drones is cheating“, „Looking backwards will not help this time“. Den ersten Beitrag zum Thema, wie man das Gemeinwohl im Zeitalter der Digitalisierung und der Robotik heben könne, lieferte die spanische Ökonomin Susana Martín Belmonte. Sie forscht zu neuen Währungssystemen („social currencies“) und alternativen Finanzsystemen ohne Zinsen. Die Basis sei hierbei Vertrauen, dass „Leute zusammen kommen und miteinander reden“. Daraus ergäben sich ganz andere Möglichkeiten, Kreditrisiken zu managen. Dazu müssten aber auch Regierungen Geld in die Hand nehmen und solche neuen Plattformen unterstützend finanzieren, so Susana Martín Belmonte. Auch neue Definitionen von Arbeitszeit, Freizeit und Arbeitslosigkeit wären aus ihrer Sicht notwendig: „Arbeitslosigkeit wird beispielsweise transformiert in demokratisch verteilte Freizeit.“ Danach sprach Verena Winiwarter, Professorin für Umweltgeschichte an der Universität Klagenfurt, über die „universelle menschliche Währung“, nämlich „meaning“, also den Sinngehalt. „Kulturen sind die Behausungen des Sinngehalts“, deswegen wundere es sie, dass in vielen nachhaltigen Produktionszielen der Sinn nicht inkludiert wäre. Kommunikation sei die Herstellung von Sinn. Sie sehe daher die Zukunft in den Commons, also gemeinschaftlich, bedürfnis- und laut Winiwarter eben sinnorientiert genützten Gütern. Sie warnte aber im Zeitalter der Digitalisierung auch vor einer „Desorientierung der Massen“, ausgelöst durch den rasanten Fortschritt, die zu Hass und Aggression führe und so die Demokratie gefährde. Man müssen Strategien gegen die „mind projection fallacy“ finden, also gegen die um sich greifende Meinung von Menschen, die nur ihre Sicht der Dinge als wahre Welt begreifen. In Künstlerprojekten werde gezeigt, wie fragil das Leben oft ist. Winiwarter nannte hier das „Dark-Mountain-Project“, ein Netzwerk
von Autorinnen und Autoren, Künstlerinnen und Künstlern sowie Denkerinnen und Denkern, die „nicht mehr an die Geschichten glauben, die uns die Zivilisation selbst erzählt“. Kunst und Wissenschaft sollten den „verschwommenen Übergang“ zwischen den Disziplinen nutzen und sich verbünden. Zum Schluss warnte die Klagenfurter Professorin: „Was man aber immer wieder sagen muss: Die Gesellschaft ist leider taub, was Aufforderungen betrifft wie ‚Wir alle sollten uns ändern‘. Man soll die Leute vielmehr zum Tun bringen.“ Harald Gründl, Direktor des Institute of Design Research Vienna, ging in seinem Vortrag vor allem auf die Logik der Commons ein. Er zeigte sich dabei auch enttäuscht von der Politik, die in ihren Zielen meist nur darauf abziele, dass Österreich in der Entwicklung zu den Schnellsten und Besten gehöre: „Wir brauchen einen Wechsel zu nachhaltigen Zielen.“ Gründl zeigte Projekte, in dem die Commons-Philosophie gerade im Design beachtenswerte Ergebnisse gebracht habe, etwa das Apertus-Projekt, in dessen Rahmen eine Open-Source-Filmkamera entwickelt wurde.
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CHINAS „MADE IN CHINA 2025“STRATEGIE – STAAT VOR MARKT? Hannes Androsch, Markus Rodlauer, Jörg Wuttke / Leitung Rainer Nowak Im Rahmen der Industriepolitik „Made in China 2025“ ging es um nicht weniger als die Erneuerung der chinesischen Wirtschaft. Während man in der westlichen Welt davon ausgeht, dass dies großteils den Marktkräften überlassen werden sollte, setzt man >
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in China auf den Staat. Anhand der Ergebnisse der Studie „China Manufacturing 2025. Putting Industrial Policy Ahead of Market Forces“ der Europäischen Handelskammer in China wurde die Frage gestellt, was in den nächsten 10 Jahren auf die europäische Industrie zukommt und wie Europa der neuen Herausforderung begegnen kann. Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China, sprach von einem „starken Techno-Nationalismus“: China sei die Fabrik der Welt, will aber selbst dort mitmachen, wo das Geld liege. „China Manufacturing 2025“ zeige ein klares Bekenntnis zu einer besseren Umweltpolitik, beispielsweise durch mehr E-Autos oder den Ausbau Erneuerbarer Energien. „China will aus dem low-end manufacturing raus, es will weniger Joint Ventures und mehr domestic firms“, so die klare Botschaft des ChinaExperten. Für die europäische Industrie gebe es große Probleme im Marktzugang. Dafür sei es chinesischen Firmen jederzeit möglich, in Europa zu expandieren. Hier stehe ein großer Schlachtplan dahinter: China habe eine „regierungs-subventionierte Finanzierungsplattform angeworfen“, so Wuttke, es seien in den letzten Jahren 40 Mrd. Euro von China in Europa investiert worden – viermal soviel als umgekehrt. „Die Chinesen kaufen in Europa ein, wie und wo sie wollen – aber umgekehrt ist dies nicht möglich.“ Wuttke forderte mehr Fairness und Reziprozität. Markus Rodlauer, Deputy Director, Asia and Pacific Department beim IWF, wies darauf hin, dass China „höher digitalisiert ist, als es manche glauben“. Es sei ein hervorragender „technology adaptor“ geworden, so stammt ein Drittel aller Unicorns (junge innovative Unternehmen mit einer Marktbewertung über einer Milliarde US-Dollar) aus China. 40 Prozent des weltweiten E-Commerce finden in China statt. Es gibt fast 800 Mio. Internet-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer. „Und drei riesige, aggressive Unternehmen arbeiten an einem neuen, mächtigen Ökosystem“, sagte Rodlauer. Die digitale Transformation sei in China bereits voll im Laufen. „Dynamik und Skalierbarkeit“ seien enorm, die Firmen wollen „vorne sein“. Diese Entwicklung sei gekennzeichnet von einem Aufwärtspotenzial, ei-
nem starken Binnenmarkt, finanzkräftigen Investoren, einem immer noch recht robusten Ökosystem sowie einer ganz klaren Regierungsunterstützung. Mit einem BIP-Wachstum, das sich zuletzt verlangsamt hat, aber immer noch bei beeindruckenden 6,5 Prozent liegt, sei es verhältnismäßig einfach, sowohl private wie auch öffentliche Schulden zu machen. Das BIP beträgt bereits an die 10 Billionen USD. Doch die BIP-Verschuldung liege bei 300 Prozent. „China muss neue Quellen des Wachstums finden und das erfordert mehr private Investitionen“, meinte Rodlauer. Dazu seien im Haushalt auf mittelfristige Sicht Änderungen nötig – denn niemand könne seriös abschätzen, wann die Verschuldung Chinas ein Problem werden könne, das die Weltwirtschaft negativ beeinflussen würde. Hannes Androsch, AIT-Aufsichtsratsvorsitzender und Vorsitzender des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, lernte die chinesische Wirtschaft gegen Ende der 1970er näher kennen, damals noch als „letzten Ausläufer der Mao-Zeit“. Es sei zu Gesprächen über Finanzierungen für China gekommen, was damals in Österreich noch Neuland war. Androsch selbst ist mit dem Leiterplattenhersteller AT&S auch nach China gegangen. „Und wir würden heute wohl nicht mehr leben, hätten wir das nicht getan“, so der Industrielle. Erwähnenswert sei auch die erfolgreiche EXPOStrategie, die Österreich im Jahr 2010 ausgezeichnet hätte. „Man hat unser Engagement sehr positiv bewertet in China“, so Androsch, der die guten Beziehungen zwischen China und Österreich unterstrich. Und er plauderte auch aus dem Nähkästchen, als er sich an die ersten Gespräche mit führenden chinesischen Politikern im Jahr 1978 erinnerte. „China und Indien hatten damals etwa das gleiche BIP. Heute ist China fünfmal so groß wie Indien.“ Sein Rat an die künftigen und heutigen Entscheidungsträger: Dialog! „Es fehlt Europa an Visionen und langfristigen Strategien. Wir leben in den Tag hinein, die gemeinsame europäische Perspektive fehlt.“ Eine solche werde es aber brauchen im künftigen internationalen Wettbewerb – nicht nur im Verhältnis zu China, so der Sukkus der von „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak geleiteten Runde.
Erstmals bekamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei den Technologiegesprächen ein Jahrbuch ausgehändigt. Nach einer Idee von AIT-Aufsichtsratsvorsitzendem Hannes Androsch, dem Wirtschaftsjournalisten Martin Kugler („Universum-Magazin“, „Die Presse“) und mir entstand ein zweisprachig verfasster Auswahlband: „Technologie im Gespräch – Discussing Technology 2017“ (Amalthea Signum Verlag). In diesem berichten Top-Expertinnen und -Experten über den Status quo in ihren Fachbereichen – von Robotik über Blockchain-Technologie und das Bildungswesen bis hin zu Sozial- und Rechtswissenschaften – und blicken in die Jahre vor uns. Eine Reihe internationaler Forscherinnen und Forscher aus den Bereichen Soziologie, Technologie, IT, aber auch Repräsentantinnen und Repräsentanten aus Kunst und Kultur beschreiben eindrücklich und mitunter sehr persönlich ihre Sicht zum Stand der Digitalisierung und der damit verbundenen möglichen Konsequenzen für unser Leben, unsere Wirtschaft und unsere Zukunft. Es ist zugleich auch ein Appell, mehr Mut und Offenheit zu zeigen, als dies Foto: Peter Rigaud
heute manchmal der Fall ist. Denn die Digitalisierung eröffnet uns – bei allen Risiken, die ihr innewohnen – unglaublich viele Chancen, die wir nutzen sollten. Michael H. Hlava, Head of Corporate and Marketing Communications AIT
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STUDIERENDENWETTBEWERB /
24 STUNDEN STATT 42 KILOMETER 24 STUNDEN NONSTOP AN FRAGEN VON UNTERNEHMEN ARBEITEN UND MIT INNOVATIONSKRAFT PUNKTEN: DER 3. TU AUSTRIA INNOVATIONS-MARATHON STELLTE 40 STUDIERENDE VOR EINE „SPORTLICHE“ HERAUSFORDERUNG.
Fotos: TU Austria/haraldtauderer.com, Österreichisches Patentamt/APA-Fotoservice/Wolfgang Lackner
Acht Unternehmen legten Problemstellungen aus der Praxis in die Hände 40 ausgewählter Alpbach-Stipendiatinnen und -Stipendiaten, die in Teams 24 Stunden Zeit hatten, Lösungen und Prototypen zu entwickeln. Gemeinsam mit dem Organisationsteam der TU Austria – dem Verein der drei österreichischen technischen Universitäten TU Graz, TU Wien und Montanuniversität Leoben – haben die Unternehmenspartner reale Herausforderungen als Aufgabenstellungen formuliert. Diesmal mit dabei waren: • AVL List GmbH | „Trust in autonomous vehicles with AI“ • Energie Steiermark | „Energy as a Service“ • Constantia Flexibles Group GmbH | „The future of packaging in a digital world“ • Fronius International GmbH | „Future Intralogicstics“ • Liebherr-Hausgeräte Lienz GmbH | „One-hand-shopping merchandising cooler” • Logicdata GmbH | „The future workplace – a digital theatre for analog experiences“ • Magna Steyr AG | „Game-changing vehicle vision for the urban environment 2025+“ • voestalpine | „Failure detection in steel casting process“ Einen Tag und eine Nacht lang hatten die Studierenden im eigens präparierten Arbeitsraum im Alpbacher Kongresszentrum Ideen gewälzt, Lösungsansätze diskutiert und Konzepte ausgearbeitet. Über 1.000 Ideen wurden geboren, acht davon wurden
ausgefeilt und genau 24 Stunden nach dem Startschuss Unternehmenspartnern und Gästen anschaulich präsentiert. Die Auftraggeber aus der Industrie zeigten sich beeindruckt und nahmen frische Inputs mit, die etwas erschöpften Studierenden waren stolz ob der eigenen Innovationskraft und hatten wertvolle Kontakte geknüpft. Begeistert waren Harald Kainz, Rektor der TU Graz, Sabine Seidler, Rektorin der TU Wien, und Wilfried Eichlseder, Rektor der Montanuniversität Leoben: „Der TU Austria Innovations-Marathon verlangt so vieles: Fachkompetenz, Teamwork, Begeisterung, Kreativität, Pioniergeist und Durchhaltevermögen. Es ist großartig, was die 40 Studierenden in nur 24 Stunden erarbeitet haben.“ Und Mario Fallast, Leiter des Organisationsteams des TU Austria Innovations-Marathons, betont: „Derart innovative Ergebnisse in so kurzer Zeit entstehen nur in multidisziplinären Teams, die eine Aufgabenstellung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.“
Einen Tag und eine Nacht lang haben die Studierenden Ideen gewälzt, Lösungen disktutiert und Konzepte erarbeitet.
Patentamt als erster Ansprechpartner Auch das Thema „Geistiges Eigentum“ stand heuer im Fokus: Bin ich der Erste mit meiner Idee? Wie haben andere dieses oder ähnliche Probleme gelöst? Solche Fragen wurden den Expertinnen und Experten des Patentamts gestellt. Patentamtspräsidentin Mariana Karepova: „Unsere erstaunlich kreativen Youngsters lernen das eigene geistige Eigentum und das der anderen wertzuschätzen. Das gehört zu einer modernen Gesellschaft dazu. Bei 12.000 österreichischen Patenten, die 2016 weltweit angemeldet wurden, zeigt sich, dass sich diese Kultur des Respekts immer mehr durchsetzt.“
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Komplexe Systeme managen:
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Die Gesellschaft benötigt Antworten auf immer komplexere Fragestellungen. Die Wissenschaft
KOMPLEXE SYSTEME MANAGEN
nimmt zusehends intervenierende Positionen ein.
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Simon DeDeo, Vittorio Loreto, Stefan Thurner, Helga Nowotny
Die zweite Quantenrevolution:
Europa soll in der Quantenwissenschaft ganz vorne
Helga Nowotny, ehemalige Professorin an der ETH Zürich, heute Vorsitzende des ERA Council Forum Austria und Mitglied des Rates für Forschung und Technologieentwicklung, übernahm die Leitung der ersten Plenary Session am Samstag, dem finalen Tag der Technologiegespräche bei der EFAtec 17. Die renommierte Wissenschaftsforscherin stellte kurz den Complexity Science Hub Vienna vor, danach ging sie gleich in medias res, in die komplexen Systeme, „die bekanntlich überall in unserer Gesellschaft zu finden sind“. Die drei Vortragenden, die mit ihr am Podium waren, sind allesamt eigentlich Physiker, die sich eben mit den Werkzeugen ihrer Disziplin aufmachten, komplexe Systeme zu verstehen – die Verbindungen und Interaktionen, die intendierten und nicht intendierten Auswirkungen von Interaktionen. Es sei zu beobachten, so Nowotny, dass „die Wissenschaft sich von der reinen Beobachtung zur Intervention bewegt“, frei nach Robert Musil sei dabei „die Wissenschaft die Brücke zwischen Möglichkeitssinn und Wirklichkeitssinn“. Der amerikanische Physiker Simon DeDeo von der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh machte mit einer mitreißenden Präsentation den Anfang. Er begann mit der französischen Revolution und skizzierte kurz seinen Ansatz, komplexe Systeme zu verstehen. DeDeo hat 40.000 von rund 200.000 Reden, die rund 15.000 beteiligte Personen im Zuge der französischen Nationalversammlung zwischen 1789 und 1791 gehalten haben, nach zwei Kategorien bewertet: nach „novelty“, also Neuigkeitsgehalt, und „transience“, Vergänglichkeit. Dabei hat er eines der „Gesetze der Kreativität“ widerlegen können, nämlich: „Be new, but not too new“. Das sei nicht richtig, vielmehr stimme: „Es gibt kein Limit für den Appetit nach Neuigkeiten – wenn man die Risiken akzeptiert.“ In ähnlichen Analysen von Reden im serbischen Parlament oder von diversen Konflikten fand er heraus, dass Menschen, die kämpfen, zwar nicht kreativ sind, aber „die richtige Art der Konflikte“ dann doch die Kreativität beflügeln. Wichtig sei, dass man sich gemeinsam eben auf ein Problem fokussiere, dass man sich „in einen Raum begebe“ und die Möglichkeit der Synthese damit schaffe. Zweiter Vortragender war Vittorio Loreto, Physik-Professor an der Sapienzia Universität in Rom. Sein Forschungsgebiet ist die Analyse der menschlichen Entscheidungen, beispielsweise in einem komplexen System wie einem öffentlichen Verkehrsangebot. „Wir verstehen dadurch auch, wie Intuition funktioniert.“ Daraus lassen sich Simulationsmodelle ableiten, etwa für die Planung neuer U-Bahnlinien, wenn alternative Streckenführungen bei einer gegebenen Budgetgröße bewertet werden sollen. Am Schluss der Plenary Session hatte der „spiritus rector“ des Wiener Complexity Science Hubs, Stefan Thurner, die Möglichkeit, seine Forschungen zu systemischen Risiken im Finanzsystem vorzustellen. Dieses Thema löste im Publikum die meisten Nachfragen aus. Leitete der Professor an der Medizinischen Universität Wien
im globalen Erkenntniswettbewerb mitspielen.
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Gravitationswellen:
Kann man das dunkle Universum hören? Man kann, zeigte diese beeindruckende Plenary Session.
doch aus seinen Untersuchungen auch eine Forderung nach einer neuen Besteuerung des Finanzsystems ab. Das systemische Risiko definiere sich dabei laut Thurner aus der Höhe der Verbindlichkeiten sowie aus der Position im Finanzierungs-Netzwerk der jeweiligen Bank. Mit einer „Systemrisiko-Steuer“ sollte erreicht werden, dass die Institutionen „nicht die Steuer zahlen, sondern das Risiko minimieren“. Denn die Kontrolle sei jedenfalls nur dann möglich, wenn man auch das Netzwerk restrukturiere: „Den mathematischen Beweis dafür, dass es mit dieser Steuer ein risikofreies Gleichgewicht im Finanzsystem geben kann, haben wir jedenfalls erbracht.“ Abgesehen von allen steuerpolitischen Fragen sollte man zumindest die Risikolage erkennen. Anhand seines Modells sei dies möglich. Ziel müsse sein, das komplexe System so zu kontrollieren, dass das Risiko eines Zusammenbruchs minimiert werde.
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DIE ZWEITE QUANTENREVOLUTION? Rainer Blatt, Tommaso Calarco, Heike Riel, Robert-Jan Smits, Maria Chiara Carrozza Das zweite Panel am Abschlusstag der Technologiegespräche widmete sich der kommenden Quanten-Revolution. Das Fragezeichen im Titel bezieht sich vor allem auf die alles entscheidende Fragen: Wo wird diese stattfinden? Kann Europa führend sein, so wie auch bei der ersten Quanten-Revolution, als sich aufbauend auf Max Planck, Albert Einstein, Werner Heisenberg, Niels Bohr etc. ein ganzes Universum an Theorien bildete? Führend beteiligt war auch Erwin Schrödinger, der bekanntlich in Alpbach begraben ist. Den Vorsitz dieses höchst spannenden Panels hatte Maria Chiara Carrozza, Professorin für Bioengineering und Biorobotik in Pisa. Auf Schrödinger nahm gleich der erste Vortragende Bezug, ebenso wie auf die Arbeiten von Quantenphysiker Anton Zeilin- >
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ger: Tommaso Calarco, Professor für Integrierte Quantenwissenschafts- und -technologie an der Universität von Ulm, wies darauf hin, dass die Institutionen Europa nach den bahnbrechenden Forschungsergebnissen Zeilingers zur Quantenteleportation vor zwanzig Jahren nicht adäquat reagiert hätten. „China hat jetzt einen Satelliten ins All geschickt“, so Calarco. Konkret haben Quantenforscherinnen und -forscher rund um Jian-Wei Pan von der Technischen Universität in Shanghai einen Quantenlink zwischen Satellit und Bodenstationen gebildet und so die zehnfache Entfernung im Vergleich zu früheren Experimenten erreicht. Anton Zeilinger war einst Doktorvater seines späteren „Konkurrenten“ Jian-Wei Pan. Robert-Jan Smits, Generaldirekor für Forschung und Entwicklung bei der Europäischen Kommission, unterstrich die Bedeutung der Entscheidung, dass die EU vor etwas mehr als einem Jahr die Quantenwissenschaft zum Flagship-Projekt (wie auch schon vorher die Forschungsbereiche des menschlichen Gehirns und des Werkstoffs Graphen) erklärt habe und auch entsprechende Mittel – eine Milliarde Euro für das kommende Jahrzehnt – zur Verfügung stellen wolle. „Aber die Herausforderung bleibt: Wir müssen auch die europäische Industrie involvieren“, so Smits, „nur so können wir sicherstellen, dass auch die zweite Quantenrevolution hier stattfindet.“ Als Anwendungsbereiche hat man Quantenkommunikationsnetzwerke, Zeitmessung, Gravitationssensoren, Quantensimulatoren und vor allem extrem leistungsfähige Quantencomputer festgestellt. Rainer Blatt, Professor am Institut für experimentelle Physik an der Universität Innsbruck, nahm das Publikum auf einen atemberaubenden Schnelldurchlauf zu Status quo und Zukunft mit. Das Um und Auf der Quantentechnologie, die Verschränkung zweier Teilchen, stand im Mittelpunkt der Präsentation, ebenso die Herausforderung der Quantenfehlerkorrektur. Auch Blatt sieht „die Notwendigkeit für mehr Interaktion zwischen der Wissenschaft und der Industrie“. Aber: „Zuerst muss die Physik stimmen, dann folgt die Technologie“, ist der Physikprofessor überzeugt, und dem herkömmlichen Rechner überlegenen Quantencomputer „steht physikalisch auch nichts mehr im Weg“. Faktisch sieht die Sache freilich so aus: Der IBM-Quantencomputer („IBM Q“), den man über das Internet ansteuern kann, lagert bei einer Temperatur zwischen 10 und 30 Mikrokelvin. „Das ist noch nicht etwas, was man zu Hause haben könnte“, so Heike Riel, IBMDirektorin für physikalische Wissenschaften in Zürich. Gekoppelte Quantenbits können in normalen Umgebungen schnell ihre Informationen verlieren. Der IBM Q sei derzeit „for science and playing“, bald aber solle er auch für Business-Anwendungen zur Verfügung stehen. Begonnen hat man mit 5 Qubits, seit Mai bietet IBM 16 Qubits, der Prototyp für kommerzielle Anwendungen hat 17 Qubits. (Ein Qubit ist das Pedant zum herkömmlichen Bit, es kann auch „Superpositionen“ einnehmen, Zwischenzustände zwischen Null und Eins). Es seien bisher bereits 50.000 User registriert, die 500.000 Experimente durchgeführt hätten. Es gäbe bereits auch 30 wissenschaftliche Publikationen. Riel: „Das Halbleiter-Spiel haben wir verloren. Aber das Rennen um den Quantencomputer kann Europa gewinnen. Es ist noch offen.“
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GRAVITATIONSWELLEN Karsten Danzmann, Lynn Faith Gladden Der letzte Vortrag der 2017er-Technologiegespräche war ein Highlight sondergleichen. Karsten Danzmann sprach über Gravitationswellen. Die Präsentation „Sounds from the Dark Side of the Universe“ des Direktors des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik an der Leibniz-Universität Hannover war ein Thriller. Am 14.9.2015 hat Danzmanns Team die Geschichte der Astronomie umgeschrieben. Tausende Jahre habe die Menschheit auf die Sterne geschaut, mit immer besseren Augen, den Teleskopen. „Aber es hat etwas gefehlt: Ist da kein Donner, wenn ein Stern explodiert? Können wir das Universum hören? Vermeintlich Nein. Wo ein Vakuum, gibt es keinen Schall.“ Einstein vermutete bereits 1916, dass es Gravitationswellen gäbe. „Verwerfungen von Raum und Zeit, die sich in Lichtgeschwindigkeit bewegen, wenn sich der Raum quetscht und dehnt, horizontal und vertikal, und sich die Distanzen verändern. Leider seien die Effekte sehr klein. Ein Kilometer Länge verändere sich um ein Tausendstel des Durchmessers eines Photons, und das für ein paar Millisekunden. „Kein Wunder, dass es ein Jahrhundert gedauert hat, das zu messen. Wir hatten nicht die Technologie.“ Interferometer gibt es zwar seit über 100 Jahren. Aber erst heute baut man riesige Laser-Interferometer, die immer sensitiver werden. Vier große Systeme richten ihre Sensoren in den Weltraum, zwei in den USA, zwei in Europa, in Indien und Japan werden weitere gebaut. 2011 bis 2015 wurden die Ligo-Systeme in den USA komplett neu aufgesetzt, viele Teile kamen aus Hannover, so Danzmann stolz. Die Spannung greifen im Raum konnte man, als der Professor vom denkwürdigen Tag berichtete, als man erstmals Gravitationswellen gemessen hatte. Eigentlich seien die beiden US-Interferometer im Bundesstaat Washington und in Louisiana zufällig eingeschaltet gewesen. Zwei junge Postdocs, die an „diesem schönen Montag im AEI auf ihre Bildschirme starrten“, trauten ihren Augen nicht. „Das Signal schaute einfach zu schön aus, wie man seit einem halben Jahrhundert vermutet habe, dass es aussieht, wenn zwei schwarze Löcher kollidieren.“ Es folgten hektische Telefonate, tausende E-Mails hin und her über den Atlantik. Bis klar war: Man hatte die letzten Augenblicke im Leben zweier schwarzer Löcher registriert und gemessen. Sie waren vor mehr als einer Milliarde Jahre kollidiert. „Wir konnten das dunkle Universum hören.“ Danzmann spielte dem gebannten Publikum die Originalaufnahmen vor. Seitdem wurde eine Reihe ähnlicher Messungen gemacht. Die nächsten Meilensteine werden erwartet, wenn die Laser-Interferometer Space Antenna (LISA) im All in Funktion geht, ein Sondendreieck mit Seitenlängen von 2,5 Mio. Kilometern, das hinter der Erde um die Sonne kreisen wird, um in aller Stille und ungestört von Interferenzen riesige Bereiche des Weltalls abhören zu können. Starttermin: 2034. „Ich weiß, ich werde in meiner Laufbahn den Urknall noch hören“, sagte Professor Danzmann. Tosender Applaus. Und ein würdiges, ja packendes Ende für die Technologiegespräche in Alpbach 2017.
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JUNIOR ALPBACH – WISSENSCHAFT UND T ECHNOLOGIE FÜR JUNGE MENSCHEN
Ö1 KINDERUNI ALPBACH – WISSENSCHAFT UND TECHNOLOGIE FÜR KINDER
Josef Mitterer, Sara Katharina Wichelhaus / Begrüßung Sonja Hammerschmid, Barbara Weitgruber / Einführung Dorothé Smit, Alina Krischkowsky, Martin Murer / Koordination Kathryn List
Simon Haller, Katharina Seeber / Begrüßung Sonja Hammerschmid, Barbara Weitgruber / Keynote Thomas Lichtmannegger / Koordination Martin Bernhofer
Unsere Welt wird immer komplexer, die richtigen Zusammenhänge zu erkennen, ist nicht einfach. Gerade im Umgang mit neuen Medien sind junge Menschen heute gefordert. Die Konstruktion von Wirklichkeit in (sozialen) Medien war diesmal das Thema von „Junior Alpbach“ – eine Veranstaltung, die jährlich im Rahmen der Technologiegespräche in Alpbach stattfindet und die neuesten Errungenschaften der Wissenschaft diskutiert. Junior Alpbach bietet jungen Menschen zwischen 12 und 17 Jahren in praxisbezogenen Arbeitskreisen die Möglichkeit, komplexe Technologien zu begreifen und aktuelle Themenstellungen zu behandeln, welche die Bedeutung und den Einfluss neuer Technologien zeigen. Die Jugendlichen befassten sich in einem Workshop mit „News, Fakes & Wahrheiten“. Die engagierten Diskussionspartnerinnen und Diskussionspartner, allen voran Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, stellten sich einem offenen Diskurs, der zeigte, dass junge Menschen in vielen Bereichen deutlich kritischer denken, handeln und fühlen, als man es gemeinhin annehmen würde.
Das ist Alpbach: Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (r.) und BMWFW-Sektionschefin Barbara Weitgruber stellten sich einer kritischen und munteren Schar von Jugendlichen.
Das Kinderprogramm der Alpbacher Technologiegespräche lädt Mädchen und Buben im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren dazu ein, dem „Wie?“ und „Warum?“ von Wissenschaft und Technologie auf unterhaltsame Weise nachzugehen. Die Möglichkeit, Forschung hautnah zu erleben und unbefangen Fragen zu stellen, erschließt wissenschaftliche Themen in reizvoller, überraschender und vor allem verständlicher Form. Die diesjährige Ö1 Kinderuni Alpbach, die in Kooperation mit der „Jungen Uni“ Innsbruck stattfand, trug den Titel „Technik zum Nutzen der Natur und des Menschen?“. Dabei wurden Fragen behandelt, die auch Kinder bereits bewegen: Werden Roboter den Menschen unterstützen oder ersetzen? Wird moderne Technik beitragen, die Natur zu erhalten oder sie zu zerstören? Eine Kindervorlesung und Workshops vermittelten eine praxisnahe Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld Technik-Mensch-Natur. Die in der Ö1 Kinderuni Alpbach getätigten Erfahrungen sollen zum Weiterdenken und Weiterforschen anregen und werden später in Verbindung mit der Sendereihe „Die Ö1 Kinderuni“ auch einem breiteren Publikum vermittelt. Die Kinder waren mit vollem Diskussionseinsatz dabei!
Von wegen klein: Die Kinder bewiesen ihre Neugierde und
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ihren kritischen Geist und sorgten für manchen Aha-Effekt.
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BREAKOUT SESSIONS
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VOM VEGANEN BLUNZENGRÖSTL UND GREEN TECH TECHNOLOGIES ÜBER WISSENSCHAFT IN EINER ZEIT DER IGNORANZ UND LERNENDEN MASCHINEN, DIE NOTWENDIGKEIT VON AUSBILDUNG 4.0 ODER DAS MÖGLICHE ENTSTEHEN EINES NEUEN BIEDERMEIERS BIS HIN ZUM PARISER LEBENSSTIL – IN 13 HOCHKARÄTIG BESETZTEN BREAKOUT SESSIONS WURDEN UNTERSCHIEDLICHE ASPEKTE DER ZUNEHMENDEN DIGITA LISIERUNG UND DER DAMIT VERBUNDENEN KONFLIKTUND KOOPERATIONSPOTENZIALE DISKUTIERT.
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DIGITALE ZUKUNFT: DESIGN ALS SCHLÜSSEL ZUKÜNFTIGER DIGITALER WELTEN
FORSCHUNGS- UND INNOVATIONSFÖRDERUNG IN Ö STERREICH: GOVERNANCE ZWISCHEN STEUERUNG UND AUTONOMIE
/ BREAKOUT SESSION
Franz Aschl, Laura Devendorf, Lone Koefoed Hansen, Wilfried Haslauer, Hilmar Linder, Petra Sundström, Andrea Wald / Leitung Manfred Tscheligi / Koordination Martin Murer Die vom Land Salzburg gehostete Breakout Session wurde von Manfred Tscheligi, Professor für Human-Computer Interaction an der Universtität Salzburg und Leiter des Centers for Technology Experience am AIT, gemeinsam mit seinem Universitätskollegen Martin Murer geleitet. Nach einem Beitrag Tscheligis über das Thema der „Digitalen Kontexte“ – über die er auch im Jahrbuch der Technologiegespräche geschrieben hat – sowie einem Eröffnungsstatement von Landeshauptmann Wifried Haslauer startete im ersten Diskussionsteil eine Kurzvortragsserie zum Thema: „Designing digital futures: How to prepare for the unpredictable?“. Referate dazu gab es von Laura Devendorf, Assistenzprofessorin an der University of Colorado in Boulder, Franz Aschl, Leiter Management Innovation bei der Sigmatek-Gruppe in Lamprechtshausen und CEO einer Tochterfirma in Ningbo/China, sowie von Hilmar Linder von der Salzburg University of Applied Sciences. Nach der Pause sprachen über „Next steps in cross-disciplinary practice“ Lone Koefoed-Hansen, Professor für Digital Design und Ästhetik an der Aarhus University, Andrea Wald vom FWF Wien und Petra Sundström von der Stockholmer Husqvarna-Gruppe.
Digitale Zukunft erforschen: Cross-Disziplinarität und Technologieerfahrung als Schlüssel für Akzeptanz und Verstehen.
/ BREAKOUT SESSION
Sylvia Schwaag-Serger, Klara Sekanina / Keynote Tobias Bach / Leitung Rupert Pichler / Koordination Mario Steyer Diese Session widmete sich den Auswirkungen des Mergers der Austria Wirtschaftsservice (AWS) und der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) als zentrale Förderungsagenturen im internationalen Vergleich. Nach der Einführung durch Rupert Pichler, Abteilungsleiter im bmvit, hielt Tobias Bach, Professor for Public Policy and Administration an der Universität Oslo, die Key note zum Thema „Autonomie und Steuerung verselbständigter Behörden im internationalen Vergleich“. Sylvia Schwaag-Serger, Executive Director der schwedischen Agentur für Innovation (Vinnova), versuchte „Unvergleichbares zu vergleichen“, nämlich die Förderstrukturen in Schweden, Norwegen, Finnland und Österreich. Die Unterschiede zwischen der Schweiz und Österreich skizzierte Klara Sekanina von der Eidgenössischen Stiftung zur Förderung schweizerischer Volkswirtschaft durch wissenschaftliche Forschung.
Behörden im Wettbewerb: Das österreichichische Förder
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wesen wurde intensiv diskutiert.
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DATA-DRIVEN INNOVATION – VON DER RESSOURCE ZUR STRATEGIE
OPEN SCIENCE, DARK KNOWLEDGE: WISSENSCHAFT IN EINER ZEIT DER IGNORANZ
/ BREAKOUT SESSION
Andreas Hedrich, Stefanie Lindstaedt, Johann Pluy, Heike Riel, Ulrich Schuh, Philipp von Lattorff / Leitung Peter Koren / Koordination Anna Bohrn Die Breakout Session der Industriellenvereinigung beschäftigte sich mit großen Datenmengen als Ressource und ihren Impact auf die Unternehmensstrategien, auf Volkswirtschaften und Sektoren. Den Vorsitz hatte Peter Koren, Vize-Generalsekretär der IV. Die Keynote zum Thema „Daten als strategische Ressource im Wettbewerb um den Innovationsvorsprung“ kam von Professorin Stefanie Lindstaedt, Geschäftsführerin der Know-Center GmbH und Leiterin des Instituts für Interaktive Systeme & Data Science an der TU Graz. An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen weiters teil: Andreas Hedrich (UBIMET), Philipp von Lattorff (Boehringer Ingelheim), Johann Pluy (ÖBB-Business Competence Center) und Heike Riel (IBM Research).
/ BREAKOUT SESSION
Katy Börner, Matthias Gross, Jonathan Jeschke, Linsey McGoey, Roger Pielke, Victoria Stodden / Einführung Harald Mahrer / Leitung Klement Tockner / Koordination Marie-Louise Skolud Mit der Lücke zwischen dem abhängig von der Menge an produzierten Daten und Informationen möglichen und dem tatsächlichen öffentlichen Wissen, genannt „Dark Knowledge“, befasste sich der vom Wissenschaftsministerium ausgerichtete Arbeitskreis. Den Vorsitz hatte Klement Tockner, Präsident des FWF und Professor für Aquatische Ökologie an der Freien Universität Berlin. Nach einer Eröffnung von Minister Harald Mahrer führte Jonathan Jeschke von der Freien Universtität Berlin ins Thema ein. Linsey McGoey (University of Essex) ging anschließend der Frage nach: „What is the logic of ignorance and misinformation?“ Matthias Gross (Universität Jena) schloss hier nahtlos an mit: „How can we overcome ignorance and misinformation?“ – mit der provokativen Frage, ob Ignoranz nicht auch hilfreich sein könnte. Danach referierte Roger Pielke (University of Colorado) grundsätzlicher zu: „What is the role of science in today’s societies?“ Victoria Stodden (University of Illinois at Urbana-Champaign) ging auf das Thema „What are the opportunities and limits of Open Science for tackling ignorance and misinformation?“ ein. Den Abschluss machte Katy Börner (Indiana University) mit: „What are the opportunities and limits of data visualization for rendering (mis-)information into actionable insights?“
Wissen gefragt: Ignoranz und Missinformation müssen überwunden werden, um echten Nutzen zu stiften.
So viele Daten: Europas Industrie muss lernen, die unzähli-
Fotos: Johannes Zinner, ORF/Hans Leitner
gen Informationen, die sie hat, besser zu nutzen.
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SECOND MACHINE AGE: LERNENDE MASCHINEN – AUTONOME MASCHINEN
VOM LABOR AUF DEN TELLER – DAS VEGANE BLUNZENGRÖSTL
/ BREAKOUT SESSION
Monika Kofler, Christoph Krammer, Burton Lee, Christopher Lindinger, Bernhard Nessler, Sonja Zillner / Einführung Michael Strugl / Leitung Wolfgang Freiseisen / Koordination Tanja Spennlingwimmer Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat Michael Strugl kündigte an, dass sein Bundesland „die klügsten Köpfe aus aller Welt holen“ wolle. Daher habe man Professor Sepp Hochreiter von der Johannes Kepler Universität ersucht, „trotz Abwerbeversuchen aus dem Ausland“ ein AI LAB, ein Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, aufzubauen und zu leiten: „Unser Ziel ist es, Oberösterreich zu einer international sichtbaren Kompetenzregion für Künstliche Intelligenz zu machen.“ Weitere Beiträge kamen von Bernhard Nessler vom Institut für Bioinformatik an der JKU Linz („Deep Learning – possibilities, chances and conflicts“), von Monika Kofler von amazon.com zu „Machine Learning in storage logistics and strategy of topology“, von Professor Sonja Zillner von der Siemens AG zu „Towards intelligent and autonomous manufacturing by artificial intelligence for industry“ sowie von Christoph Krammer von Magna Steyr („Autonomous Production Systems – The key for an agile production“).
Ein Land prescht vor: Oberösterreich hat sich eine digitale Strategie gegeben, die kluge Köpfe ins Land holen will.
/ BREAKOUT SESSION
Andreas Gebhart, Ingrid Kiefer, Mark Post, Karl Schillinger, Martin Wagner, Gernot Zweytick / Einführung Petra Bohuslav / Leitung Claus Zeppelzauer / Koordination Karin Herzog NÖ Landesrätin Petra Bohuslav sagte, dass ihr Bundesland Nahrungsmittel-Forschung stärker unterstützen wolle und nannte „federführend“ die Technopole Tulln und Wieselburg sowie den Lebensmittelcluster NÖ. In Tulln eröffnete heuer mit Feed and Food Quality, Safety & Innovation das erste K1Kompetenzzentrum für den Futter- und Lebensmittelbereich. Dazu gab Martin Wagner, wissenschaftlicher Leiter, Einblicke. Weiters dabei waren der Physiologe Mark Post, der 2013 „den Burger aus der Petrischale“ entwickelte, die Ernährungswissenschaftlerin Ingrid Kiefer sowie Andreas Gebhart, Geschäftsführer von VeggieMeat (Produkte aus Erbsenproteinen). Bei einer Degustation mit Gernot Zweytick (FH Wiener Neustadt), Campus Wieselburg und dem Gastronomen Karl Schillinger von Schillinger‘s Swing Kitchen wurde Veganes und Vegetarisches aufgetischt. Ecoplus-Geschäftsführer Helmut Miernicki: „Wer im Wettbewerb erfolgreich bleiben will, muss in engem Kontakt mit hochkarätigen Forschungseinrichtungen stehen und bereit sein, die Ergebnisse rasch und kreativ im eigenen Portfolio umzusetzen.“
Fleisch oder nicht Fleisch? In NÖ wird gerade ein For-
Fotos: Johannes Zinner, ORF/Hans Leitner
schungsschwerpunkt auf künftige Ernährung etabliert.
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BRAUCHT INDUSTRIE 4.0 EINE (AUS-)BILDUNG 4.0?
SMART PRODUCTION AND SERVICES
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Julia Bock-Schappelwein, Sabine Herlitschka, Heinz Hollerweger, Kurt Matyas, Isabella Meran-Waldstein, Andreas Probst, Lars Windelband / Einführung Sonja Hammerschmid / Leitung Christian Dorininger / Koordination Christian Schrack Ist unser Schulsystem in Österreich den Herausforderungen der Digitalisierung gewachsen? Sabine Herlitschka, Generaldirektorin Infineon Österreich, zitierte John P. Kotter mit seinem Buch „Die Kraft der zwei Systeme“, das postuliere, dass Neues eben neue Systeme benötige. Bildungsministerin Sonja Hammerschmid verteidigte jüngste Reformschritte. Die Schicksale der einstigen Weltkonzerne Kodak und Nokia, die von disruptiven Erfindungen ihrer Geschäftsgrundlage beraubt wurden, könnten als Analogien zur Bildungsdiskussion dienen. Einen interessanten Input lieferte Heinz Hollerweger (Audi AG) zu sequenziellen Prozessen der Bildungsvermittlung. Über Industrie 4.0 und Risiken oder Chancen für die Berufsbildung sprach Professor Lars Windelband von der PH Schwäbisch Gmünd. Weitere Vortragende: Kurt Matyas, Vizerektor für Studium und Lehre an der TU-Wien, Julia BockSchappelwein vom Wifo Wien, Isabella Meran-Waldstein von der Industriellenvereinigung sowie der Rieder HTL-Lehrer Andreas Probst, der zwei Absolventinnen vorstellte.
/ BREAKOUT SESSION
Eric Charran, Harald Dutzler, Sandra Lamm, Sven Stegemann, Hermann Stockinger, Wolfgang Zitz / Einführung Harald Kainz / Leitung Rudolf Pichler / Koordination Franz Haas Diese Breakout Session befasste sich mit der konkreten industriellen Gegenwart und der möglichen Zukunft. Rudolf Pichler, Professor für Advanced Manufacturing, und Franz Haas, Professor und Institutsleiter für Production Engineering an der TU Graz, leiteten die Session. Harald Kainz, Rektor der Grazer Technischen Universität, führte ins Thema Smart Production ein, gefolgt von drei Kick-off-Präsentationen. Über die „Versatile Factory @ Magna Steyr“ berichtete Wolfgang Zitz, Vizepräsident für Contract Manufacturing bei der Magna Steyr Fahrzeugtechnik, über „Electronics – Smart Production of already Smart Devices“ referierte Sandra Lamm von der AT&S Austria Technologie & Systemtechnik AG in Leoben. Das Thema „Start-ups – smart from the very beginning“ besprach Hermann Stockinger, CEO bei der EaseE-Link GmbH, Graz. International wurde es im zweiten Teil der Session: Eric Charran, Chief Architect Data & AI bei der Microsoft, sprach über „Beyond Chatbots Embracing Conversations as a Platform?“. Über die sich stetig verändernden Konsumentenwünsche berichtete Harald Dutzler von PwC.
Kluge Produktion: Sowohl die Anforderungen von Konsumenten als auch Industriebetrieben ändern sich rasant.
Neue Systeme: Die Bildungsreform öffnet Türen, kann aber
Fotos: Johannes Zinner, ORF/Hans Leitner
nur der erste Schritt in die Zukunft sein.
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KONFLIKT UND KOOPERATION IM ZEITALTER DER DIGITALISIERUNG
DER PARIS-LEBENSSTIL – TECHNOLOGIEN UND CHANCEN FÜR DEN KLIMASCHUTZ
/ BREAKOUT SESSION
Hubert Faustmann, Walter Peer, Viktoria Weber, Christian Wehrschütz / Keynote Muna Duzdar / Leitung Gabriele Ambros, Friedrich Faulhammer / Koordination Robert Lichtner Staatssekretärin Muna Duzdar betonte die Dualität der Digitalisierung – zahlreiche gesellschaftliche und politische Prozesse und Bewegungen wurden durch Digitalisierung überhaupt erst in deren Form ermöglicht. Nicht abzustreiten sei die Konfliktverstärkung, die durch Echokammern und Filterblasen durch die Anwendung von Algorithmen begünstigt wird. Hubert Faustmann, Professor für Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Nicosia, beschrieb anhand des Zypernkonflikts, welche Rolle Digitalisierung – in diesem Fall die Sozialen Medien – in Konflikten spielen kann. Walter Peer, Communalp GmbH, betonte, das Projekte auf Gemeindeebene, wenn sie professionell begleitet würden, zu „mehr Offenheit, höherer Transparenz und höherer Akzeptanz unter den Menschen, für die die Projekte ja gemacht werden“, führen. Für Ursula Rosenbichler, BKA, existiert bei der Einführung der Digitalisierung in Organisationen immer ein Mensch-Maschine-Dilemma. Digitalisierung ist aber auch ein Tool, um Vorhersagen und Prognosen aufstellen zu können und die Basis für eine effiziente Verwaltung zu legen. Viktoria Weber, Professorin für Angewandte Biochemie und Vizerektorin für Forschung der Donau Universität Krems, stellte fest, dass die Fülle der Daten und die Geschwindigkeit, mit der sich deren Verbreitung und Speicherung verändert habe, beachtlich sei. Es stelle sich aber die Frage, ob Quantität zu mehr Qualität führe – und mehr Daten mehr Wissen und mehr Kompetenz bedeuten. ORFSüdosteuropa-Korrespondent Christian Wehrschütz meinte, man käme durch die Digitalisierung wesentlich leichter an Personen und Informationen heran als früher. Andererseits werde die Möglichkeit der Manipulation von Informationen oder Wahlen zu wenig diskutiert.
Soziale Medien als Treiber: Die Möglichkeit von Manipulation und Beeinflussung muss intensiver disktutiert werden.
/ BREAKOUT SESSION
Harald Hagenauer, Daniela Jacob, Carsten Nathani, Hugo-Maria Schally, Ralph Sims, Daniela Velte / Leitung Franz Prettenthaler / Koordination Gerfried Jungmeier Der von 195 Staaten angenommene Klimaschutzvertrag von Paris soll die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius bis zum Jahr 2100 beschränken. Welche Chancen und Konflikte ergeben sich daraus? Franz Prettenthaler, Direktor von Joanneum Research Life, hatte den Vorsitz, Kollege Gerfried Jungmeier führte ins Thema ein. Daniela Jacob vom deutschen Klima Sevice Center beschrieb: „How does the 1.5°C hotter World look like?“ Über „EnergyDemand, Climate-smart Solutions and Happiness“ sprach Ralph Sims von der Massey University in Neuseeland. „Environmental Footprint of Products and Services – Future Challenges“ hieß das Thema von Hugo- Maria Schally, Generaldirektor für Umwelt bei der Europäischen Kommission. Über „Energy Lifestyles in Europe – An Empirical Approach“ berichtete Daniela Velte (Tecnalia, Spanien), über „Consumption based GHG Emissions – The Swiss Case“ Carsten Nathani von der Rütter Soceco AG. Den Abschluss machte eine „Success Story“, erzählt von Harald Hagenauer (Österreichische Post AG).
Aktiver Klimaschutz: Letzten Endes wird eine Änderung un-
Fotos: ORF/Hans Leitner
seres Lebensstils nötig sein, um das Klima zu retten.
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KONFLIKT, KOOPERATION ODER BEIDES: WIE ENTSTEHT INNOVATION?
WETTBEWERB UM RESSOURCEN ALS TREIBER VON GREEN TECHNOLOGIES
NEUES BIEDERMEIER IN EUROPA?
Harald Katzmair, Siegrun Klug, Susanne Michaelis, Roland Werner, Theodor Zillner / Leitung Theresia Vogel, Markus Mooslechner / Koordination Katja Hoyer
Ingmar Höbarth, Silvia Schweiger-Fuchs, Manfred Stadlbauer, Helge Wendenburg / Einführung Andrä Rupprechter / Leitung Georg Rebernig, Andreas Tschulik / Koordination Josef Behofsics
/ BREAKOUT SESSION
/ BREAKOUT SESSION
/ BREAKOUT SESSION
Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Wilhelm Molterer, Christian Redl, Christian Sagmeister, Erwin Smole / Leitung Andreas Lampl / Koordination Claudia Riebler
In dieser Breakout Session, betreut vom Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, diskutierte Bundesminister Andrä Rupprechter mit Expertinnen und Experten über die möglichen Konflikte und die notwendigen Kooperationen im Bereich von Klimastrategien, Ressourceneffizienz und Umwelt- und Energietechnologien. Rupprechter sagte, jede Regierung werde eine „integrierte Klimaund Umweltstrategie brauchen“. Hauptproblem sei nicht die Industrie, sondern der Verkehr. Er könne sich auch eine gesetzliche Regelung vorstellen, über Anreizsysteme hinaus. Helge Wendenburg vom deutschen Umweltministerium präsentierte das Ressourceneffizienzprogramm ProgRess III. Über eine neue Recyclingtechnologie berichtete Silvia Schweiger-Fuchs von der BTWolfgang Binder GmbH. Green-Tech-Innovationen in Netzwerken standen im Fokus der Präsentation von Manfred Stadlbauer vom Economica Institut für Wirtschaftsforschung. Ingmar Höbarth vom Klima-und Energiefonds gab einen Überblick über globale Konfliktpotenziale durch den Klimawandel.
„Biedermeierlichen Tendenzen“ insbesondere in der Energiepolitik wollte der 13. Arbeitskreis in Alpbach unter der Leitung von „Trend“-Chefredakteur Andreas Lampl nachgehen. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Vorstandsvorsitzende der Austrian Power Grid, eröffnete mit einem Statement zur europäischen Vertrauenskrise und wog nationalstaatliche Eigeninteressen vs. gesamteuropäische Interessen in der Energiepolitik ab. Christian Redl, Projektleiter European Energy Cooperation bei Agora Energiewende, fragte, inwiefern die nationale Umsetzung der deutschen Energiewende den europäischen Gedanken der Energieunion konterkarieren könnte. Wie der Widerspruch zwischen ökonomischtechnischer Solidarität und den zunehmenden Desintegrationstendenzen in politischer Sicht aufgelöst werden könnte, zeigte Wilhelm Molterer, Direktor des Euro päischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI). Über die Rolle der ÖBB sprach Christian Sagmeister, Geschäftsbereichsleiter Bahnsysteme, ÖBB-Infrastruktur AG, über die Blockchain Technologie im europäischen Kontext Erwin Smole, Co-Founder von Grid Singularity.
Konflikte bringen Kooperation: Erneuerungen finden oft erst
Strategie gefragt: Für Veränderungen werde es mitunter ge-
Aufeinander zugehen: Ökonomisch-technische Solidarität
statt, wenn zuvor Konflikte darüber entbrannt sind.
setzliche Regelungen statt reiner Anreizsysteme brauchen.
statt zunehmender Desintegrationstendenzen gefordert.
Fotos: ORF/Hans Leitner
Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds, strich in der von ihrer Organisation gehosteten Breakout Session hervor, dass die moderne Welt beides brauche – Konflikt wie auch Kooperation: Manchmal brauche es „einen Konflikt als Auslöser, im Sinne einer neuen Regelung oder einer Technologie, die andere aus dem Markt verdrängt“. Im nächsten Schritt schließlich müsste man dann wieder auf Kooperation setzen, um die neuen Lösungen „in die Breite zu bringen“. Gerade in der Energiewirtschaft sei das wichtig. Vonnöten sei auch eine Sprache, die auch in die Breite gehe, die auch außerhalb informierter Zirkel verstanden werde. Darüber diskutierten Harald Katzmair von FASResearch, Psychologin Siegrun Klug vom Institut für nachhaltige Energienutzung, Roland Werner vom Ride-Hailing-Anbieter Uber, Theodor Zillner vom bmvit. Den Co-Chair hatte Markus Mooslechner von Terra Mater Factual Studios über.
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Aufklärung 2.0 – Vision und Realität 25. –27.08.2016 Aufk lärung 2.0 – Vision und Realität 25.–27.08.2016 Congress Centrum Alpbach/Tirol Informationen: www.alpbach.org/tec Auskünfte: claudia.klement@ait.ac.at Congress Centrum Alpbach/Tirol Informationen: www.alpbach.org/tec Auskünfte: claudia.klement@ait.ac.at
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