Biodiversität bei Kartoffeln

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E B O PR F E I T VER UNGST I E B ARMai 2014

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INHALTSVERZEICHNIS

«LASST UNS DEN MUT HABEN, DIE HEISSESTEN KARTOFFELN IN GROSSER FAIRNESS ANZUPACKEN.» Angela Merkel

Biodiversität bei Kartoffeln / 2014


INHALTSVERZEICHNIS

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INHALTSVERZEICHNIS

01 Vorwort 2.1 Begriff Biodiversität 2.2 Biodiversität im Völkerrecht

04-05 07 07-08

2.3 Stellungnahme «ProSpecieRara» zur Biodiversitätsstrategie in der Schweiz 03 Sortenübersicht in der Migros Limmatplatz 4.1 Ursprung der Knolle 4.2 Geschichte der Knolle 4.3 Botanik der Kartoffel

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4.4 Giftige Teile und ihre Wirkung

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5.1 Pilze und andere Schädlinge

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5.2 Die Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) 14-15 5.3 Bakterielle Krankheiten

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6.1 Weltweiter Anbau

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6.2 Anbausituation in der Schweiz

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07. Biodiversität gegen globale Monokulturen

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08. Schwierigkeiten beim Bio-Kartoffel-Anbau

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09. Global eingesetztes Saatgut

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10. Interview «Ellenberg's Kartoffelvielfalt»

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11. Schlusswort

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12. Link- und Bildquellem

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Was viele Konsumenten gar nicht wissen; es gibt verschiedene Kartoffelsorten in jeglichen Farben und Formen. Biodiversit채t bei Kartoffeln / 2014


VORWORT

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LINDA, SIEGLINDE UND LA RATTE «Wo nur ein leerer Platz zu finden ist, soll die Kartoffel angebaut werden, da diese Frucht nicht allein sehr nützlich zu gebrauchen, sondern auch dergestalt ergiebig ist, dass die darauf verwendete Mühe sehr gut belohnt wird.» «Circular - Ordre» von Friedrich II vom 24. März 1756

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ch habe mich sehr intensiv mit dem Thema VA und Probe-VA auseinandergesetzt. Es interessierten mich sehr viele verschiedene Themen; Babyhandel in China, Glücklich sein im Altersheim oder Konsumententäuschung in den hiesigen Supermärkten. An einem Samstag im Coop in Bachenbülach entdeckte ich in der Gemüseabteilung unterschiedlich aussehende Karotten, Randen und Kartoffeln. Das Regal war mit «ProSpecieRara-Sorten» gefüllt. Dies machte mich neugierig und ich googelte diesen Begriff. «ProSpecieRara» ist eine Schweizer Stiftung, die sich für die Rettung und den Erhalt von biologischer Vielfalt, auch Biodiversität genannt, einsetzt. Ich beschränke mich auf das Thema Biodiversität bei Kartoffeln, da ich regelmässige Konsumentin und Liebhaberin dieses Knollengewächses bin und meine Grosseitern in einer Region wohnen, Lüneburger Heide in Niedersachsen, in der viele Kartoffeln angepflanzt werden. Die wichtigste Frage, die ich in meiner Arbeit klären wollte, ist, warum Biodiversität bei

der Kartoffel so wichtig ist. Warum sollte man statt der sechs angebotenen Kartoffelsorten im Laden um die Ecke mehr züchten? Mir als Konsumentin reichen diese sechs Sorten für zum Beispiel Kartoffelbrei und Kartoffelsalat. Zudem wollte ich etwas über die Schwierigkeiten zur Erhaltung des Genpools erfahren. Denn die Knollen einfrieren, wie es bei Mais oder Reis üblich ist, kann man nicht. Jedes Jahr muss der Zyklus der Kartoffelpflanze durchlaufen werden. In den letzten Jahren kamen in der Presse immer wieder Meldungen über Kartoffelsorten die bedroht wurden durch Pilze und andere Schädlinge. Auch dies habe ich in meiner Arbeit genauer angeschaut. Auch auf die Geschichte der Knolle, die Kultivierung und die aktuelle Anbausituation bin ich eingegangen. Zum Schluss der Arbeit berichte ich von meinem Besuch auf einem Biohof in der Lüneburger Heide, der etwa 100 verschiedene Kartoffelsorten anbaut und pro Jahr etwa 35 Sorten im hauseigenen Bioladen oder online verkauft. Mit einem Mitarbeiter habe ich ein kleines Interview geführt. Biodiversität bei Kartoffeln / 2014


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Der Erhaltbei und die Nutzung Biodiversit채t Kartoffeln / 2014 der Tausenden von Kartoffelsorten ist von grosser Bedeutung.


BIODIVERSITÄT

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DIE GENETISCHE VIELFALT BEWAHREN – NICHT NUR BEI KARTOFFELN Nicht nur bei Kartoffeln ist Sortenvielfalt gefragt; auch alte Nutztierrassen werden mittlerweile wieder in Betrieben gehalten und gezüchtet. Ob man die üblichen, eher geschmacklich farblosen Sorten oder ausgefallenere Sorten wie zum Beispiel den «Blauen Schweden» verkosten möchte ist jedem selbst überlassen; man kann aber aktiv zur Erhaltung der Artvielfalt bei Kartoffeln beitragen. 1.1 Begriff Biodiversität it Biodiversität („biological diversity“) ist nicht nur die Artenvielfalt gemeint, sondern die Vielfalt des ganzen Lebens. Darunter fallen die Ökosysteme (Lebensräume wie Wasser, Wald, alpiner Raum), die Artenvielfalt (Tiere, Pflanzen, Pilze, Mikroorganismen), die genetischen Unterschiede innerhalb der Arten (Rassen oder

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Sorten von wildlebenden und genutzten Arten) und die Vielfalt der Beziehungen der Lebewesen untereinander und zur Umwelt. 1.2 Biodiversität im Völkerrecht Im Originaltext der Konvention über biologische Vielfalt CBD (Artikel 2: Begriffsbestimmung) bedeutet biologische Vielfalt: Biodiversität bei Kartoffeln / 2014


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BIODIVERSITÄT

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…die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören. Dies umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme.

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2.3 Stellungnahme von «ProSpecieRara» zur Biodiversitätsstrategie in der Schweiz 20 Jahre nach der Unterzeichnung der Biodiversitätskonvention von Rio hat sich das Bundesamt für Umwelt (BAFU) an die Ausarbeitung einer «Strategie Biodiversität Schweiz» gewagt. In dieser Strategie wurden die Kulturpfl anzen und Nutztiere zwar miteinbezogen, erhalten aber massiv zu wenig Gewicht. In der Vernehmlassungsphase, die Mitte Dezember zu Ende gegangen ist, hat «ProSpecieRara» Stellung bezogen und gibt so der Vielfalt der Kulturpfl anzen und Nutztiere eine Stimme. 3. Sortenübersicht in der Migros Limmatplatz Wenn man in die Migros geht, findet man, je nach Grösse der Filiale, etwa zehn verschiedene Kartoffelsorten (Mai 2014,


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Noch nie gingen in der Erdgeschichte so schnell so viele Arten verloren, wie in den letzten 200 Jahren.

Migros Limmatplatz). Sie sind immer mit dem Sortennamen und den Kocheigenschaften wie fest kochend, vorwiegend fest kochend oder mehlig kochend angeschrieben. Die Erdäpfel werden vom Kunden überwiegend über äussere Merkmale ausgesucht wie formschönheit und glatte, einfach zu schälende Schale.

Alle sehen jedoch von der Form und Farbe sehr gleich aus. Farbvielfalt gibt es keine und auch keine Geschmacksbeschreibung auf der Verpackung. Ob Kleinbauer oder Hobbygärtner; man kann aktiv zur Erhaltung der Artvielfalt bei Kartoffeln beitragen, in dem man alte Sorten im eigenen Garten anbaut oder kauft und so auf den Geschmack kommt. Biodiversität bei Kartoffeln / 2014


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Je nach Sorte sind die Kartoffelblüten weiss bis bläulich/violett gefärbt. Die daraus entstehenden, tomatenähnlichen Biodiversität bei Kartoffeln 2014 Früchte enthalten die/ Samen und sind giftig.


URSPRUNG

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AUS PERU ÜBER DIE KANAREN ZUM SPANISCHEN KÖNIG Im alten Inkareich Südamerikas hiessen die Kartoffeln in der Quechua-Sprache «Papa» (Knollen), aber es gibt in den alten Inka-Sprachen noch über tausend weitere Namen für die Kartoffel.

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ie spanischen Entdecker der Knolle nannten sie «Batatas», woraus im englischen «Potatoes» und im italienischen «Taratuffuli» (kleine Trüffel) wurde. Anfang des 19. Jahrhunderts hat sich, ausgehend vom italienischen Wort und dem französischen Wort «Cartoufle» in der deutschen Schriftsprache die Bezeichnung «Kartoffel»" durchgesetzt (erstmals im Wörterbuch der hochdeutschen Mundart von Johann Christoph Adelung, 1793). Je nach Region gibt es noch weitere klangvolle Na-

men wie zum Beispiel Erdapfel, Grumbeer, Erdbirn oder Abbel. Den lateinischen Namen «Solanum tuberosum» (Knolliges Nachtschattengewächs) erhielt die Kartoffel 1620 vom Basler Arzt Caspar Bauhin. 4.1 Ursprung der Knolle Den Ursprung hat die Kartoffel in Südamerika, genauer in der Region um den Titicaca-See im Hochland der Anden zwischen Peru und Bolivien. Dort existieren über 5'000 Sorten, die seit fast 8'000 Jahren als Grundnahrungsmittel der Bevölkerung dienen. Biodiversität bei Kartoffeln / 2014


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GESCHICHTE / BOTANIK

Eine der ältesten Wildkartoffel wurde auf der Insel Chiloé (bei Chile) entdeckt und auf 13.000 Jahre vor Christus geschätzt. Die weltweit grösste Saatgutbank befindet sich in Lima (Internationales Kartoffelzentrum CIP), welches 5'000 Sorten und 100 Wildtypen eingetragen, beschrieben und aufbewahrt hat. Es betreibt zudem Forschung, ist in methodischer und technischer Innovation führend und berät Spezialisten, die nationale Kartoffelprogramme in Entwicklungsländern leiten. 4.2 Geschichte der Knolle Erst durch die Eroberung des Inkareichs durch Pizarro 1532, stiessen die Spanier später auf die «Trüffeln». Auf der Suche nach «Eldorado» entdeckten spanische Eroberer in verlassenen Indio-Dörfern 1537 die ersten Kartoffeln. So gelang die Speisefrucht an das spanische Königshaus zu König Phillip II. 1565 ist die nahrhafte Knolle in Europa bekannt und beliebt. In Deutschland, wo das Grundnahrungsmittel Getreide vorherrscht, gilt die Kartoffel als giftig und als Teufelswerk, da sie sich aus sich selbst heraus vermehrt. Dort wird sie lediglich wegen ihrer schönen Blüten in herrschaftlichen Gärten als Zierpflanze angebaut. Im 18. Jahrhundert als Friedrich der Grosse Nahrung für sein Heer braucht und danach zur Zeit der Industrialisierung wird die Kartoffel in ganz Europa angebaut. Die Bevölkerungszahl stieg zwischen 1760 – 1840 und versechsfachte sich, auch dank der nährhaften Kartoffel. Durch die Missernten 1845 bis 1849 durch die Kartoffelfäule, geriet Irland in eine grosse Hungersnot, denn Kartoffeln waren das damalige Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung. Biodiversität bei Kartoffeln / 2014

Die zwei Sorten, welche angebaut wurden, waren, typisch für durchgehenden monokulturellen Anbau, sehr anfällig für den Pilz. Es starben eine Million Menschen, etwas zwölf Prozent der irischen Bevölkerung, und zwei Millionen wanderten nach Kanada, Australien und in die USA aus. Aufgrund einer ähnlichen Epidemie zur gleichen Zeit, wanderten tausende Schweizer Bauernfamilien nach Südamerika aus. 4.3 Botanik der Kartoffel Die Kartoffel (Solanum tuberosum) gehört zu der Familie der Nachtschattengewächse wie Tomaten, Tabak und andere Kulturpflanzen. Essbar sind die Knollen – die dicken Enden der unterirdischen Seitentriebe, von der Pflanze als Vorratsspeicher gebildet. Sie sind, vor allem mit der Schale, eine

Oben: Die Kartoffelesser, Vincent van Gogh 1885 Rechts: Pizarro unterwirft die Inkas von Peru, Sir John Everett Millais 1846


BOTANIK / GIFTWIRKUNG

gute und günstige Vitamin- und Mineralstoffquelle. Schon in Kriegszeiten versorgte sie die Menschen mit genügend Vitamin C und Eiweiss. Durch zu langes Kochen wird allerdings Vitamin C zerstört und die Mineralstoffe ausgeschwemmt. Der Verlust an Vitaminen und Mineralstoffen liegt bei Salzkartoffeln um 25 %. Doch nicht nur zur Ernährung trägt die Alleskönnerin bei. Die Stärke der Kartoffel wird in der Papierindustrie und bei der Herstellung von Folien genutzt. Der Agraralkohl, der aus der Kartoffel gemacht wird, findet als Treibstoff oder in der Lebensmittelherstellung Verwendung. Auch gewinnt die Kartoffel immer mehr an Bedeutung als nachwachsender Rohstoff; Plastikersatz aus Kartoffelstärke hat sich bereits bewährt.

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4.4 Giftige Teile und ihre Wirkung Alle oberirdischen Teile der Pflanze, insbesondere die grünen Kartoffeln, Beeren und die Keimlinge der Knolle sind durch ihren starken Solanin-Gehalt nicht nur für Menschen giftig. Kartoffelkraut und gekeimte Kartoffeln sind vor allem für Pferde, Kühe, Schafe, Schweine, Hasen und Vögel tödlich. Das giftige Solanin im oberirdischen Teil der Pflanze ist eine natürliche Abwehrbarriere gegen Bakterien und Insekten. Tödliche Vergiftungen von Menschen sind häufig in der Literatur beschrieben worden. Auch nach dem Kochen bleiben die giftigen Stoffe im Kartoffelkraut erhalten und einige Stunden nach der Aufnahme kommt es zu erbrechen, Durchfall, Bewusstseinsstörungen. Schlussendlich stirbt man bei vollem Bewusstsein an einer Atemlähmung.

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PILZE, BAKTERIEN UND ANDERE SCHÄDLINGE

5.1 Pilze und andere Schädlinge Krankheiten sind zum Beispiel Pilze, Bakterien und Viren und Schädlinge wie Insekten, Asseln, Fadenwürmer und Nagetiere. Vor allem die Bekämpfung von pilzlichen und bakteriellen Erregern nimmt einen breiten Raum im Kartoffelanbau ein. 5.2 Die Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) Auch nach 160 Jahren Forschung bleibt die Kraut- und Knollenfäule (verursacht durch den Pilz Phytophthora infestans) die häufigste Kartoffelkrankheit. Man erkennt sie an sich einrollenden Blättern und der Verfärbung der Ränder ins Gelbbraune und Braune. Dieser Erreger ist sehr wandlungsfähig und hat sich mit der Zeit einigen Fungiziden angepasst. Er zerstört nicht nur das Kartoffelkraut, sondern vermindert das Knollenwachstum und es entstehen erhebliche Lagerverluste. Er wird mit Kupferspritzungen oder mehrmaligen Behandlungen mit Fungiziden

bekämpft, jedoch nur mit mässigem Erfolg. Dies ist auch eine grosse Herausforderung im Bioanbau, da Kupfer das einzig wirksame Mittel gegen die Kraut- und Knollenfäule ist. Allein in der Schweiz werden bis zu 50 Tonnen Fungizide pro Jahr gespritzt. Seit 1992 wird von verschiedenen Instituten und Organisationen an einer gentechnisch veränderten Kartoffel, die gegen den Pilzbefall resistent ist, geforscht. Dies wäre landwirtschaftlich als auch ökologisch sehr interessant. 5.3 Bakterielle Krankheiten Typische Symptome für bakterielle Erkrankungen wie Schwarzbeinigkeit, Bakterienwelke, Nassfäule, Bakterienringfäule oder Schleimkrankheit sind schwarze Stängel, welkende und absterbende Blätter sowie Fäulnis an Stängeln und Knollen. Diese Verursachen im Kartoffelanbau Jahr für Jahr Schäden in Millionenhöhe. Allein die Schwarzbeinigkeit verursacht bei niederländischen Landwirten Einbussen von rund 30 Millionen Euro jährlich.

Die Bekämpfung des Kartoffelkäfers wird immer schwieriger; er baut zunehmend Resistenzen gegen Chemikalien und Infektion mit bestimmten Bakterienstämmen auf.

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PILZE, BAKTERIEN UND ANDERE SCHÄDLINGE

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Oben: Eine Kartoffelpflanze befallen mit der Krautund Knollenfäule (Phytophthora infestans). Rechts: Die häufig auftretende und unangenehm riechende Nassfäule wird durch ein Bakterium verursacht. Daneben gibt es aber auch pilzliche Erreger, die Nassfäulen verursachen.

Die Schäden beziehen sich nicht nur auf die Speisekartoffeln, bei denen die Ernteerträge und die -qualität sinken, sondern auch die Pflanzguterzeuger sind betroffen und Totalausfälle sind die Folge. Momentan gibt es kein zugelassenes Pflanzenschutzmittel, um den Bakterienbefall zu stoppen. Ausreichende Anbaustände und die Voruntersuchung der Knolle durch Fachleute sind vorbeugende Massnahmen.

Die Bakterienringfäule und die Schleimkrankheit werden durch meldepflichtige Erreger verursacht, wogegen es keine Bekämpfungsmöglichkeiten gibt. Die Ausbreitung in andere Regionen muss vermieden werden. Bei der Bakterienringfäule w ird durch die Behörden ein dreijähriges, bei der Schleimkrankheit ein v ierjähriges Anbauverbot verhängt. Biodiversität bei Kartoffeln / 2014


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DAS ANBAUGEBIET UND KLIMA BEEINFLUSSEN DAS KARTOFFEL-AROMA Dank der anpassungsfähigen Knolle, welche von fast Meeresniveau bis hoch hinauf über 4'000 Meter angebaut werden kann, profitieren viele Länder mit den verschiedensten Klimazonen. Dies hat auch die verschiedenen Kartoffelarten und -Sorten in allen Farben und Formen hervorgebracht. Schale und Fleisch können von gelb, über rosa, rot bis dunkelviolett schimmern. Die Vielfalt scheint unerschöpflich.

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ANBAUSITUATIONEN

6.1 Weltweiter Anbau ie Kartoffel wird in über 130 Ländern weltweit auf 20,3 Millionen Hektar angebaut und ist nach Weizen, Reis und Mais die am meisten angebaute Nutzpflanze. In China ernähren sich zum Beispiel mehr Menschen von Kartoffeln als von Reis. Ganz Asien hat seine Produktion in den letzten Jahren stark ausgeweitet und steht jetzt knapp hinter Europa auf Platz zwei. Global gesehen werden heute fast doppelt so viele Kartoffeln geerntet wie noch vor 20 Jahren. Vorallem die Entwicklungsländer bauen immer mehr Kartoffeln an.

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6.2 Anbausituation in der Schweiz In der Schweiz werden auf insgesamt 14'000 Hektar Land über 20 Sorten angebaut. Die grosse Zeit der Kartoffelanbaukultur ist sicher das 19. Jahrhundert gewesen; in Kriegszeiten lag der Kartoffelverzehr in Europa bei bis zu 200 kg pro Person. Heute rechnet man ihn in der Schweiz etwa mit 45 kg pro Kopf und Jahr. Alte Landsorten, die von der Stiftung «ProSpecieRara» erhalten wurden, sind immer mehr für Nischenmärkte interessant. Mittlerweile sind auch grosse Detailhändler auf den Zug der Bio- und Regionalprodukte aufgesprungen; Coop verkauft traditionelle Schweizer Sorten von «ProSpecieRara». Für den biologischen Anbau wurden exotische Sorten aus Bolivien vom FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) getestet, unter anderem in Zusammenarbeit mit der Migros. 7. Biodiversität gegen globale Monokulturen Sortenvielfalt bei den Kartoffeln ist deshalb so wichtig, um die rasante Ausbreitung von

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Krankheiten und Schädlingen wie zum Beispiel die Kartoffelfäule, welche die grosse Hungersnot in Irland auslöste, zu vermeiden. Gerade durch die globale Monokultur (Verwendung von nur wenigen Sorten) sind die Pflanzen anfällig und weniger ressistent gegen Schädlinge. 8. Schwierigkeiten beim Bio-Kartoffel-Anbau Die Erträge schwanken von Jahr zu Jahr sehr stark und der Anteil an nicht marktfähiger Ware ist ausserordentlich hoch. Sie sind anfällig für Krankheiten und Schädlinge, zudem beeinflussen Dürren, Überschwemmungen und Frost den Ertrag. Saatkartoffeln können Krankheiten, Viren, Pilze oder Bakterien übertragen, weshalb bis zu 50 % der Produktionskosten in gesundes, qualitativ einwandfreies Saatgut investiert werden müssen. 9. Global eingesetztes Saatgut Wo im Bio-Bereich vermehrt auf samenfestes Saatgut gesetzt wird, werden global mehrheitlich Hybridsorten, von einer handvoll Konzernen wie Monsanto kontrolliert, angebaut. Im ersten Jahr sind die Hybridsorten in Farbe, Form und Grösse sehr einheitlich (wenn der entsprechende Kunstdünger verwendet wird) und bringen höhere Erträge (wenn die entsprechenden Spritzmittel verwendet werden). Jedoch kann von diesen Pflanzen für die weitere Vermehrung kein brauchbares Saatgut gewonnen werden. Aus ihren Samen entwickeln sich nämlich nur uneinheitliche, schwache Pflanzen – der Landwirt muss Saison für Saison wieder Saatgut, Dünger und Spritzmittel kaufen. Biodiversität bei Kartoffeln / 2014


ROSA TANNENZAPFEN, GEN-DATENBANK UND VIEL HANDARBEIT

Die Einfahrt des Hofladens in Barum, Deutschland.


INTERVIEW

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Per Zufall bin ich auf die Seite «Kartoffelvielfalt.de» gestossen und da ich über Ostern bei meinen Grosseltern zu besuch war, fuhr ich am Ostersamstag zum nahe gelegenen Biohof. Herr Heinrich Jensen, der festangestellt bei den Ellenberg's ist, bediente im Bioladen und beantwortete mir nicht nur Fragen im Rahmen eines kleinen Interviews (worin man die Leidenschaft und Begeisterung für Kartoffeln bemerkte), sondern empfahl uns auch hofeigene Sorten, welche wir mit nach hause nahmen. Wieso bauen Sie so viele verschiedene Kartoffelsorten an? or allem um Sorterhaltung und um die Geschmacksvielfalt zu erhalten. Die alten Kartoffelsorten faszinieren uns in ihrer Form, Farbe und den vielfältigen Geschmacksrichtungen, von cremig, würzig, erdig bis zu buttrig oder nussig. Unser Ziel ist es, eine neue Vielfalt in Zusammenarbeit mit der Natur zu entwickeln.

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Wie hat Herr Ellenberg mit den alten Sorten angefangen und woher hat er seine ersten Samen? In Rostock an der Ostseeküste liegt eine Samenbanken, die deutschen Kartoffel-Genbank Gross Lüsewitz. Schon in DDR-Zeiten war in Gross Lüsewitz die Zweigstelle für Kartoffeln an der Ostsee. Durch den frischen Seewind an der Küste sind weniger Läuse vorhanden, welche Viruskrankheiten übertragen können. Haben Sie eine sehr alte oder aussergewöhnliche Sorte? Unsere älteste Sorte, welche wir im Hofladen

und Online anbieten, ist unser „Rosa Tannenzapfen“, welcher seit 1850 angebaut wird. Linda, Sieglinde, Violetta — Wer darf die Kartoffeln benennen und wieso gibt es so viele weibliche Namen? Die Legende besagt, dass der Züchter seine Kartoffeln nach der schönsten Tochter von ihm benannte. Traditionell wird die Sorte nach der Tochter oder der Ehefrau des Züchters benannt. Woher beziehen Sie Ihr Saatgut? Durch Gen-Datenbanken aus Deutschland erhalten wir die Saat. Wir haben auch Kontakte nach Dänemark und Schottland, mit ihnen vermischen wir den Genpool und tauschen Genmaterial aus. Wir züchten auch eigene Kartoffelsorten, aber bis man eine ertragreiche und virenfreie Kartoffel hat, welche alle gesetzlich vorgeschriebenen Bewilligungen hat, können bis zu 10 Jahre vergehen. Wo vermarkten Sie Ihre Ware? Kunstbulletin 9 / 2013


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INTERVIEW

Und haben Sie einen bestimmten Kundenstamm? Wir haben unseren Hofladen, beliefern umliegende Bioläden oder man bestellt unsere Kartoffeln Online in unserem eigenem Webshop. Heutzutage sind viele Kartoffeln nicht mehr «mehlig», dies schätzt vor allem unsere ältere Kundschaft an unseren alten Sorten. Viele Leute, dabei sind Gärtner, Gastronome, Einzel- und Grosshändler, schätzen Bioware und sind begeistert, wie verschieden Kartoffeln schmecken können.

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Die meisten Kartoffelnamen sind übrigens weiblich. Kartoffelnamen werden traditionell nach Mädchenvornamen benannt, oft nach der Tochter oder der Ehefrau des Züchters.

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Gibt es bei den alten Sorten auch unterschiedliche Erntezeiten? Ja, genau wie bei den jüngeren Kartoffelsorten gibt es Früh-, Mittel- und Spähtsorten. Wie funktioniert die Ernte? Diese erfolgt, zum Beispiel bei den speziell geformten Sorten wie dem «Tannenzapfen», Biodiversität bei Kartoffeln / 2014

in mühsamer Handarbeit. Da kann uns die Maschine leider nicht helfen, sie würde die vorgekeimten Setzlinge nur schädigen. Die Ernte nimmt uns die Maschine ab, jedoch stoppeln wir jedes Feld nach (von Hand nachsammeln; wurde vorallem zu Kriegszeiten gemacht). Je nach Qualität des Saatgutes, wird die Sorte im nächsten Jahr wider angepflanzt. Spätestens aber alle drei Jahre muss das Feld brachgelegt werden und bekommt eine Erholungsphase mit Dünger. Wie sind Ihre Erträge? Das kann man immer erst nach der Erntezeit sagen. Diese hängen von der Sorte und der jeweiligen Witterungsbedingung ab. Letztes Jahr zum Beispiel konnten wir, durch den langen Winter, die Kartoffeln erst verspähtet einpflanzen. Danach führten Niederschläge im Mai und Juni zum Teil zu Überschwemmungen auf den Feldern. Durch den vielen Regen wurden die Knollen wurden gross und durch die Feuchte fingen viele an zu schimmeln. Danach folgte ein heisser Juli. Trotz allem kam die Krautfäule letztes Jahr relativ späht. Dadurch konnten die Kartoffeln ausreifen und ihren Geschmack gut voll entwickeln. Wie hoch sind die Anfangsinvestitionen? Diese sind leider sehr hoch und aufwendig. Es steckt viel Zeit, Handarbeit und Fachwissen dahinter. Wir sind insgesamt 10 Personen und neben den 20 Hektar Kartoffeln bauen wir Getreide, Gras und Klee an. Zusätzlich braucht man, um neue Sorten züchten und öffentlich verkaufen zu können, viele Genehmigungen und Gentests, welche hohe Kostenfaktoren sind.


INTERVIEW

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Oben: Der Bioladen ist gekühlt auf etwa 14 Grad damit die Kartoffeln nicht anfangen zu keimen. Rechts: Alle Familienmitglieder und Angestellte des Biohofes.

«Ellenberg's Kartoffelvielfalt» ist mit 80 Hektar deutschlandweit der kleinste Kartoffelzuchtbetrieb, in dem sie jährlich eine Mischung aus Wildkartoffeln, alten und neuen Sorten, eine originelle Kartoffelvielfalt kreuzen. Sie bauen momentan ca. 100 Sorten an und etwa 35 werden jedes Jahr im Sortiment angeboten. Dies geschieht nur nach Biolandrichtlinien, was bedeutet, dass keine chemi-

schen Dünge- und Pflanzenschutzmittel verwendet werden. Die neuen Zuchtstämme wachsen dann auf den Biofeldern und werden kontrolliert, ob sie resistent gegen Krautfäule, dominant gegenüber Ackerwildkräutern und ertragreich sind. Zusätzlich folgt ein Geschmackstest, zum Beispiel nach der Lagerung über den Winter. Biodiversität bei Kartoffeln / 2014


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SCHLUSSWORT

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ch habe mich sehr intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt und habe ein grosses Interesse für Biodiversität entwickelt. Mit Biodiversität bzw. alten Nutztierrassen bin ich schon früher in Berührung gekommen. 2011 war ich mit meiner ganzen Familie eine Woche auf dem «Tierpark Arche Warder» in der Nähe von Kiel arbeiten; ich besuchte ein Work-Camp für Jugendliche (arbeiten und Horsemanship) während meine Eltern im Park und dem Schäfer halfen. Der Tierpark hat sich auf seltene und vom Aussterben bedrohte Haus- und Nutztierrassen spezialisiert und beherbergt 800 Tiere von über 70 Rassen auf einer Fläche von 40 Hektar. Ich fütterte Poitou-Esel, hatte ein Schleswiger Kaltblut als Pflegepferd und habe seit dem eine Patenschaft für ein Dänisches Glöckchenschwein. Jedoch war mir, bis vor meiner Vertiefungsarbeit, nicht klar gewesen, wie wichtig Biodiversität bei Obst und Gemüse ist. Durch Unwissen und vielleicht auch Gutdünken ist die grosse Hungersnot in Irland ausgebrochen. Ich glaube nicht, dass sich dieses in so grossem Ausmass wiederholen wird. Erst durch diese Katastrophe haben wir aber gemerkt, dass die Erhaltung der genetischen Informationen von alten Sorten so wichtig ist. Und das nicht nur bei der Nutzpflanze Kartoffel; auch Reis, Mais oder Bananen sind betroffen. Ich hoffe, ich konnte auch Ihnen als Leser durch meine kleine Arbeit zur Kartoffel erläutern, wie wichtig der Erhalt von Sortenvielfalt ist.

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Von dem Biohof in der Lüneburger Heide habe ich ein paar verschiedene Kartoffelsorten mitgenommen. Einerseits zum Essen und andererseits habe ich sie mit meinem Götti in den Garten meiner Grosseltern gepflanzt. Im Herbst wird die Ernte sein; mal schauen ob ich dabei bin und meine eigenen, blaue Kartoffeln ernte. Der erste Geschmackstest mit der ganzen Familie hat ergeben, das die blaufleischige Anneliese doch etwas anders schmeckt, als unsere normal-verwendeten Kartoffeln. Ihr Geschmack ist leicht nussig und die Farbe ist wirklich sehr speziell, man erwartet fast, dass sie gar nicht nach Kartoffel schmeckt.

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Es war mir nicht von Anfang an klar, wie wichtig Biodiversität ist.

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Leider ist die Probe-Vertiefungsarbeit so klein; ich hatte grosse Mühe mich nur auf das Wichtigste zu beschränken und viele Themen nur kurz anzuschneiden, hätte ich doch viele weitere Seiten schreiben können und wäre noch zu einer richtigen Kartoffel-Spezialistin mutiert. Ich denke, ich habe mich auf das Wichtigste reduziert, aktuelle Meldungen auf dem Gebiet der Kartoffelzucht und genveränderten Kartoffeln konnte ich, mangels Zeit und Platz, leider nicht weiterverfolgen. Biodiversität bei Kartoffeln / 2014


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