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Kurt Walde im Gespräch

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Bergsteigertipp

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„Am Berg bring ich meine Gedanken zum Fliegen“

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Der Bergführer Kurt Walde im Gespräch

Fotos: Kurt Walde

Kurt Walde ist seit Dezember 2019 Präsident der Landesberufskammer der Südtiroler Berg- und Skiführer und Wanderleiter. Der 59-Jahrige verrät uns seine Leidenschaft zu seinem naturverbundenen, aber verantwortungsvollen Beruf.

Was macht einen guten Bergführer aus?

Als Bergführer gilt es, sich in die Verfassung des Gastes einzufühlen und ihm einen schönen Tag in der Natur zu bieten. Dabei bedarf es einer Kombination aus Körper und Psyche, damit es für ihn ein schönes Erlebnis wird, ich die individuellen Möglichkeiten aus der Person herauskitzeln kann und nicht über deren Grenze gehe. Die Intensität des Bergtages hängt nicht von der Schwierigkeit einer Tour ab, sondern von der Balance der körperlichen und geistigen Empfindung. Die Empathie und die Wertschätzung für den Kunden ist eine Grundkomponente des Bergführerberufs. Wenn ich meinen Gästen ein tolles Erlebnis vermitteln kann, macht es auch mir eine große Freude. Und wenn ich allein unterwegs bin, genieße ich die Natur oft fotografierend oder einfach nur staunend. Ich erfahre so starke Empfindungen, die ich schwer beschreiben kann.

Bergführer haben einen extrem gefährlichen Beruf und sind täglich Gefahren wie Steinschlag, Gewitter oder Lawinen ausgesetzt. Wie gehst du damit um?

In der nationalen Auflistung des Gefahrenpotenzials für Berufe ist der Bergführerberuf nur im mittleren Risikobereich eingestuft. Das trifft insofern zu, als sich die Gefahr immer gut abschätzen lässt, wenn man in der jeweiligen Situation mit Vernunft und Kontrolle vorgeht. Ein Restrisiko ist immer dabei, wie bei vielen anderen Berufen auch.

Welches Ziel setzt du dir als Präsident des Bergführerverbandes?

Unser Land hat in der internationalen Alpingeschichte stets eine zentrale Rolle gespielt. Auch stand Südtirol z. B. Pate im Aufbau des Bergführerverbandes in Slowenien. Außerdem ist die Entwicklung des Tourismus ganz eng mit dem Alpinismus verknüpft. Mein Ziel ist es, das Berufsbild des Bergführers verstärkt in der Gesellschaft zu etablieren.

Ging mit dem Bergführerberuf für dich ein Kindheitstraum in Erfüllung?

Nicht unbedingt. Durch den elterlichen Süßwarenbetrieb war es nahezu vorgegeben, mich als Konditor ausbilden zu lassen. Den Zugang zur Natur jedoch fand ich schon als Bub,

als wir Kinder unsere sogenannte Sommerfrische immer in Kasern oder Weißenbach im Ahrntal auf einem Hof verbrachten und herumtollten. Die „Infizierung“ durch die Natur geschah gewiss in dieser Zeit. In meiner Teenagerzeit machte ich Yoseikan Budo und unterrichtete diesen Sport auch. Mit der zunehmenden Mobilität durch die Erlangung des Führerscheins mit 18 Jahren interessierten mich die Berge immer mehr. Kollegen nahmen mich mit und so kam ich zum Klettern. Ziemlich bald schon – anfangs aus einem gewissen Bestätigungsdrang – machte ich die Bergführerausscheidung und mit 23 die Bergführerprüfung. Seitdem ist es mein Beruf. Etwa 10 Jahre später wurde ich Ausbildner für Bergführer auf nationaler Ebene. Für längere Zeit war ich auch im Vorstand der Berufskammer in Südtirol und später in der nationalen Bergführerkammer tätig. Rund sechs Jahre arbeitete ich im Vorstand und als Vizepräsident der technischen Kommission der internationalen Vereinigung der Bergführerverbände IVBV/IFMGA.

Du warst auch im Himalaya unterwegs …

In meinen jungen Jahren reizte es mich, ferne Berge und Kulturen kennenzulernen. Mit Lois Brugger gelang uns eine der schnellsten Besteigungen des Ama Dablam, meine erste Erfahrung im Himalaya. Vollgestopft mit Übermut und Adrenalin über die Westwand hinauf und auf der Normalroute hinab. Nun meinten wir den Schlüssel für die Achttausender in der Tasche zu haben, scheiterten dann aber an der Lhotse Südwand. Zusammen mit Polen misslang mir auch die Winterbesteigung des Nanga Parbat. 1988 gelang mir die zweite Besteigung der Südwand am Uli Biaho Tower (6.109 m) im Karakorum in Pakistan. Als Bergführer unternahm ich auch Trekkings, so zum Basecamp des K2.

Wie geht Bergführen in Zeiten von Corona?

Wenn wir alle – und dies gilt nicht nur für meinen Beruf – mit Disziplin und Respekt die Vorsichtsmaßnahmen einhalten, haben wir gute Karten, der Pandemie entgegenzutreten. Unsere Mitglieder weisen wir eindringlich darauf hin. Die Einhaltung eines gewissen Abstandes ist durchaus möglich. Unangenehmer empfinden unsere Gäste mögliche Menschenansammlungen sowie die Enge in Hütten und fragen uns nach Alternativen. Durch den Lockdown waren die Einbußen in unserem Beruf jedoch gewaltig.

Du und deine Kollegen haben 800 Bergtage für Heim- und Gesundheitspersonal verschenkt. Ein tolle Aktion! Wie kam es dazu?

Über Medien und Bekannte erfuhr ich von der extremen Belastung durch Covid19 für das Personal in den Krankenhäusern und Seniorenheimen; das geht von Ärzten, Pflegern bis hin zum Küchen und Reinigungspersonal. Ganz spontan kam mir die Idee für eine gratis Führungstour, die ich einer Person aus dem Krankenhaus Bruneck zukommen ließ. Das Feedback dieses geschenkten Bergtages war so enorm, dass ich einen Newsletter an meine Bergführerkollegen und Wanderleiter schickte mit dem Ansporn, mitzumachen. Sofort meldeten sich über 50 Kollegen und ebenso viele Wanderleiter aus allen Teilen des Landes. So konnten wir insgesamt 800 Gratisführungen für Krankenhauspersonal anbieten. An der Aktion beteiligte sich jeder Bergführer ehrenamtlich und ohne Zuschuss aus der öffentlichen Hand. Mein herzlicher Dank gilt allen Kollegen, die mitgemacht haben.

Wie siehst du die Zukunft für den Bergführerberuf?

Großartig. Dass sich die Welt durch die Pandemie verändert hat, liegt auf der Hand. Der Trend zurück zur Natur hat begonnen. Wir haben erkannt, dass am Ende die Natur das Wichtigste ist, was wir haben. Egal, wie technologisch wir daheim ausgerüstet sind, am Ende wollen wir alle raus in die Natur. Das ist unsere Natur. Die FanGemeinde der Berg und Naturliebhaber ist das vergangene Jahr enorm gestiegen. Dies wird sich unweigerlich auch auf unseren Beruf auswirken, jetzt und später. Da muss natürlich jeder einzelne Bergführer, aber auch die Landesberufskammer der Südtiroler Bergund Skiführer ordentlich was tun, diesen Trend mitzugestalten. Wir werden uns weiterbilden müssen, ständig, damit wir imstande sind, das zu bieten, was Menschen künftig suchen und brauchen werden. Die Unterweisung in den verschiedenen alpinistischen Disziplinen hat bereits eine große Bedeutung, wird aber noch viel wichtiger werden. Unsere Körper werden vermehrt motorischtechnische Abläufe lernen wollen, um so jedes Berg und Naturerlebnis nochmals steigern zu können. Was jedoch die geteilte mentale Kraft einer Seilschaft anbelangt, werden die Bergführer in Zukunft höchstwahrscheinlich einen nennenswert größeren Anteil als früher übernehmen müssen. Was die Nachfrage für unseren Beruf anbelangt, da schaut es nicht so schlecht aus. Eine junge, intelligente, gebildete und gut trainierte Generation steht in den Startlöchern. Willkommen in der Ausbildung!

Kurt Walde, der Präsident der Südtiroler Berg und Skiführer

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