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Lichtgeblendet

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Kultbuch/Impressum

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Lichtverschmutzung im Tal und am Berg

Als die Pioniere des Bergsteigens vor etwa 150 Jahren begeistert über die Bleichen Berge, wie die Dolomiten ursprünglich genannt wurden, berichteten, schimmerten sie noch im Licht von Mond und Sternen. Das Wechselspiel von Tag und Nacht regelte damals noch den Takt des Lebens in unserem Land.

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Vielerorts in Europa begann zu dieser Zeit die fortschreitende Industrialisierung, das Leben der Menschen zu verändern. Die Sehnsucht nach unberührter Natur zog viele zur Erholung in die Berge Südtirols. Mit dem Ersten Weltkrieg kam dann große Not ins Land. Frontstellungen in den Bergen wurden mit Licht geflutet. Der Mensch erfuhr zum ersten Mal, wie grandios künstliches Licht eingesetzt werden kann, um die Nacht zum Tag zu machen. Die heute nahezu uneingeschränkte Verfügbarkeit von Energie, welche die Nacht mit künstlichem Licht erhellt, wird oftmals gar nicht mehr als etwas Unnatürliches empfunden.

Zu viel Licht schadet

Lichtverschmutzung bedeutet nicht nur hohe Energieverschwendung und den Verlust des Blickes auf den Sternenhimmel, sondern hat auch gesundheitliche Folgen. Forscher haben herausgefunden, dass starkes elektrisches Licht die Produktion des Hormons Melatonin unterdrückt. Wenn Straßenlaternen ihr Licht direkt in die Wohnungen strahlen, beeinträchtigt dies die Schlafqualität. Eine wichtige Maßnahme, um dem gegenzusteuern, ist daher die Errichtung von Leuchtkörpern, die gebündelt nach unten strahlen und weder den Masten noch Hausmauern anstrahlen.

Weitgehend unbeachtet bleibt die Tatsache, dass Lichtverschmutzung auch maßgebliche Auswirkungen auf die Natur hat. Die erhellte Nacht stellt nicht nur ein Problem für die Navigation oder Orientierung nachtaktiver Insekten und für Zugvögel dar. Zahlreichen Studien zufolge werden jede Nacht Milliarden von Insekten von frei strahlenden Leuchtkörpern angezogen und verenden an diesen. Dadurch entsteht ein Bruch in der Nahrungskette.

Für das Sicherheitsbedürfnis der Menschen werden nicht nur Straßen im Siedlungsbereich, sondern auch wenig befahrene Landstraßen die ganze Nacht über unnötig beleuchtet. Um die Abstrahlung möglichst gering zu halten, müssten die Leuchtkörper talseitig aufgestellt und talwärts abgeschirmt sein – häufig ist dies nicht der Fall. Weit über die zu beleuchtende Fläche hinaus strahlen beispielsweise die Flutlichtanlagen der meisten Fußballplätze – auch hier herrscht Handlungsbedarf. Neben der öffentlichen Beleuchtung tragen auch viele Beleuchtungssysteme im Privatbereich zur Lichtverschmutzung bei.

Seit 2012 gesetzlich geregelt

In Südtirol wurde 2012 ein eigenes Gesetz zur Energieeinsparung und Eindämmung der Lichtverschmutzung erlassen. Den damals eingebrachten Empfehlungen für eine nachhaltige, vom Hausverstand geprägte Neu-Ausleuchtung des Landes unter Berück-

Beispiel für unnötige nächtliche Beleuchtung eines Gebäudes in der Industriezone Bozen

Foto: Diego del Monego

Der Bozner Talkessel vom Gantkofel aus gesehen am 29.12.2019 um 23 Uhr. So nehmen Insekten die Lichtverschmutzung wahr.

Foto: Florian Radlherr, Webcam am Gantkofel; www.foto-webcam.eu

sichtigung seiner topographischen Gegebenheiten wurde leider bislang nur wenig Rechnung getragen. Im ganzen Land wurden z. B. in Hanglagen Leuchtkörper eingesetzt, die für den Einsatz in ebenem Gelände kon-

zipiert sind, in Hanglage eingesetzt jedoch nach wie vor das Licht nicht ausreichend abschirmen und, im Gegenteil, weiterhin blenden. Trotz eingesetzter Millionenbeträge konnte das gesteckte Ziel, das Land einerseits energiesparend gut auszuleuchten und andererseits die Lichtverschmutzung zu verringern, bislang kaum erreicht werden.

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber der Ausleuchtung privater Areale und Gebäude zu viel „Gestaltungsfreiraum“ gewährt hat. Augenscheinliche Beispiele dafür gibt es im ganzen Land. Auch bei der Beleuchtung öffentlicher Plätze wurden in jüngster Zeit Fehler begangen: Am Silvius-Magnago-Platz in Bozen strahlen Leuchtkörper in den Himmel, anstatt wie am Eduard-Wallnöfer-Platz in Innsbruck vorbildlich nach unten zu strahlen, ohne die Gebäude unnötig anzuleuchten.

Bleibt zu hoffen, dass künftig bei Neuausleuchtungsvorhaben einige Grundregeln eingehalten und den lokalen Gegebenheiten angepasste Beleuchtungskörper verwendet werden. Nur so können Fehler vermieden werden, die unseren Schlaf und die Umwelt über Jahrzehnte belasten würden. Eine dringend notwendige Kurskorrektur wäre ein Akt der Zivilcourage zur Bewahrung unserer Umwelt. „Südtirol … das Land der Sterne“ (nicht nur in dunklen Bergregionen) ist möglich.

Diego del Monego

Diego del Monego, Jahrgang 1956, ist geprüfter Reiseleiter und AVSWanderführer sowie Landschaftschronist. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Energieeinsparung und Lichtverschmutzung.

Negativbeispiel Neugestaltung des Magnago Platzes in Bozen: Die Leuchtkörper strahlen auf Gebäude und in den Himmel.

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