mein vater war da und doch nicht da. er hat sich nie vorgedrängt und war von sehr zurückhaltendem charakter. es gibt da etwas, es ist mir erst in den letzten jahren bewusst geworden. das hatte viel mit seinen italienischen wurzeln zu tun. ich nenne es italianità. es gab samstage, da war er abwesend. niemand wusste so genau wo er war. aber er war wohl in w. in einem italienischen laden. da hat er italienische lebensmittel gekauft und seine landsleute getroffen. viele der sachen, die er dann nach hause brachte, hatte ich noch nie gesehen, geschweige denn gegessen. früchte, käse und fisch. das hat ihm alles sehr gefehlt. zumindest in jungen jahren, als unsere familie über wenig geld verfügte. sein lohn als maurer betrug etwa 1500 chf. zu uns 5 kindern war er immer sehr grosszügig. dies haben wir vor allem sonntags erfahren, wenn er kochte. manchmal gab es 2 sorten fleisch. das war auch die zeit, wo er mir gezeigt hat, wie man polenta kocht. mutig habe ich seinen entscheid gefunden, das plattenlegergeschäft zu gründen. in der blütezeit beschäftigte er 10 angestellte und bildete lehrlinge aus. das alles hat ihn sehr gefordert. meine mutter hat nie verstanden, warum am wochenende nicht viel los war bei uns. doch es gab sie, diese momente der überraschungen. zum beispiel als wir zu viert an die expo nach lausanne gefahren sind. mein vater hatte in einer kurzen aktion den vw-bus zum wohnwagen umgebaut. gut erinnere ich mich noch an einen ausflug zum mililtärflughafen in dübendorf. auch mit dem auto. eindrücklich für mich waren die besuche seiner schwester r. das war zwar sehr selten. meine mutter zeigte sich dann überfordert, weil die beiden nur italienisch miteinander gesprochen haben. die besuche bei seiner mutter in k. waren genau so speziell, ein eintauchen in eine andere welt. ich weiss nicht, ob mein vater in der schweiz mit seiner situation glücklich war. ob er oft von einem leben in Italien geträumt hat. seinen traum vom eigenen haus konnte er gerade noch verwirklichen - zum grössten teil selber gemauert und gebaut. die tatsache, dass er beim beginnenden herzinfarkt zu hause meiner mutter sagte, er wolle noch nicht sterben, zeigt mir, dass er wohl schon einige tage früher von diesem ereignis geträumt hatte.
bildlegende cover: 8.jpg; collage, 2010 seite 2: italianitĂ ; schriftliche aufzeichnung, 2010 seite 3: sichtmauer; filmstill, 2010 seite 4: die vergebliche frage nach sich selbst; diptychon, fotografie, 2010 seite 5: der grossvater; aus: texte 2005-2010 doppelseite 6/7: the sun; fotografie, 2010 seite 8: der vater; aus: texte 2005-2010 seite 9: bildlegende seite 10: spiderman, aus der serie it shall never end; fotografie, 2008
Herausgegeben von der Alpineum Produzentengalerie Luzern anlässlich der Ausstellung Alexandra D‘Incau / SPAMAM: WALL TO HALL, 28.8. - 2.10.2010
SPAMAM_WALL_TO_HALL Herausgegeben von der Alpineum Produzentengalerie Luzern anlässlich der Ausstellung Alexandra D‘Incau / SPAMAM: WALL TO HALL, 28.8. - 2.10.2010