klassik erleben Frühjahr 2017

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Frühjahr 2017

klassikerleben

Empfehlungen des Klassikfachhandels

Benjamin Appl Heimat

Sonya Yoncheva, Aida Garifullina • Alexander Krichel David Fray • Philippe Jaroussky • Daniel Hope u. v. a. klassikerleben.de


EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, Das Debütalbum von Benjamin Appl ist ein sehr persönliches Album geworden. Hier besingt der Bariton, welche Gefühle er selbst mit dem Begriff der „Heimat“ verbindet. Inwieweit hat dieser Begriff mit Menschen oder Orten, Erlebnissen oder Schicksalen zu tun? Diese Fragen stellten sich vielleicht auch berühmte Damen der antiken Mythologie und Weltgeschichte, die Sonya Yoncheva in den Mittelpunkt ihres neuen Albums stellt. Egal ob es sich um Kleopatra, Alcina oder Agrippina handelt, denen der große Händel Opernarien widmete: Sie alle sind starke Frauenpersönlichkeiten. Nach ihren großen Erfolgen im Belcanto-Fach hat die bulgarische Sopranistin nun ihre Leidenschaft für die Barockoper entdeckt. Ein aufsteigender Stern am Sopranistinnen-Himmel ist auch Aida Garifullina. Ihr Debütalbum und das der kanadischen Altistin Marie-Nicole Lemieux, die mit viel Witz Rossini-Arien präsentiert, sind Highlights des noch jungen Jahres. Von der Sehnsucht danach, ein Instrument singen zu lassen wie eine menschliche Stimme, sind der Pianist David Fray und der Bratschist Antoine Tamestit gleichermaßen besessen. Das große Reformationsjubiläum hat beachtliche Spuren im Tonträgermarkt hinterlassen, denn Luthers Kirchenlieder wurden ja vielfach bearbeitet und adaptiert. Passend zum Jubiläum gibt es in dieser Ausgabe ein kleines Luther-Special.

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HIGHLIGHTS: RIAS Kammerchor & Capella de la Torre (S. 4), David Fray (S. 4), Luther-Special (S. 5), Alexander Krichel (S. 6),

Sonya Yoncheva (S. 7), Tamestit/Tiberghien (S. 8), Jean Rondeau (S. 10), Gerhaher/Walser/Huber (S. 11), Daniel Hope (S. 11), Philippe Jaroussky (S. 12), Grigory Sokolov (S. 13), Khatia Buniatishvili (S. 13), Telemann-Collection (S. 14), Dorothee Oberlinger (S. 14)

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TITEL

Benjamin Appl Auf der Suche nach „Heimat“ Nur wenige Begriffe sind so schwierig zu definieren und gesellschaftlich so aufgeladen wie der der Heimat. Mit der Heimat verbinden viele Menschen etwas Vertrautes, das sie aus frühester Kindheit in ihren Herzen bewahren. Der Heimat steht das Fremde und Unbekannte gegenüber. Sigmund Freud sagte ganz zu Recht, dass der Gegensatz zwischen unheimlich und heimlich im Sinne des Sich-geborgen-Fühlens den gleichen Wortstamm habe wie Heimat. Der Bariton Benjamin Appl hat Lieder wie Franz Schuberts „Seligkeit“ oder das „Nachtstück“, Hugo Wolfs „Er ist’s“, Francis Poulencs „Hyde Park“ nach Apollinaire, aber auch Benjamin Brittens „Greensleeves“ zusammengestellt, die sich im weitesten Sinne mit Heimat auseinandersetzen oder einen Bezug dazu herstellen. „Heimat ist für mich immer etwas Privates“, sagt der 34-jährige Sänger Benjamin Appl, „und genau das macht es

so schwierig, den Kontext von Heimat allgemein zu definieren.“ Tatsächlich sei die Liste möglicher Lieder für seine „Heimat“-CD so lang gewesen, dass alle Lieder niemals auf eine CD gepasst hätten, so Appl. Ihm ging es aber darum, den Ansatz möglichst weit zu fassen. Nicht allein Schumanns Lieder nach Joseph von Eichendorffs Texten oder echte Heimatlieder sollten auf diesem Album erklingen, sondern eben auch Lieder, die in Appls Leben eine besondere Rolle gespielt haben und seine ganz persönliche Sicht einbringen. Heimat bedeutet für Appl auch Motivation, Inspiration, Liebe, Orientierung und Sicherheit. Den Aspekt des Heimatverlustes und der weggebrochenen Unterstützung projiziert Appl auf den Verlust seiner Großeltern, die seinen Werdegang einst intensiv begleitet haben. „Das Singen von Franz Schuberts ‚Nachtstück’ sowie ‚Allerseelen’ von Richard Strauss direkt nach deren Tod waren emotional unbeschreiblich schwierige, unvergessliche Augenblicke“, berichtet er.

S ony Classical CD 88985393032

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NEUERSCHEINUNGEN RIAS Kammerchor & Capella de la Torre Luthers Erbe Als Luther 1517 die 95 Thesen an die Wittenberger Kirche schlug, hatte er keine Vorstellung, welche Folgen die von ihm ausgelöste Reformation noch haben sollte. Protestanten und Katholiken bekämpften sich fortan bis aufs Blut, und ganze Länder erklärten sich Kriege mit verheerenden Folgen. Dabei drückt Luthers Kirchenlied „Verleih uns Frieden gnädiglich“, das der RIAS Kammerchor mit der Capella de la Torre für seine Sammlung „Da Pacem – Echo der Reformation“ aufgenommen hat, doch einen der innigsten Wünsche des Reformators für die Menschen aus. Die CD beschäftigt sich nicht allein mit Repertoire aus der Luther-Zeit, sondern vor allem mit Musik des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts, die auf die Folgen der Reformation und die Glaubens-

kämpfe reagierte. Da hören wir das geistliche Konzert „Dulcis Jesu patris imago“ des Italieners Giovanni Gabrieli, dessen Handschrift Heinrich Schütz, der hier mit „Gib unsern Fürsten SWV 373“ vertreten ist, an den Hof des Landgrafen Moritz ins protestantische Hessen hinübergerettet hat. Die Interpreten dieser CD schlagen einen Bogen von der frühbarocken Vielchörigkeit zu Adaptionen berühmter Weisen wie „Ein feste Burg“ durch den aus der Erfurter Region stammenden Pastor Michael Altenburg. Claudio Monteverdis „Salve Regina SV 285“ oder ein Werk Orazio Vecchis aus einer Benediktinerabtei stehen unmittelbar neben dem ergreifenden „Meine Seele erhebt den Herren“ von Michael Praetorius.

D HM/Sony Music CD 88985405412

David Fray Ein singender Flügel An Chopin interessiert den 35-jährigen französischen Pianisten David Fray besonders das Fragile, Unvorhergesehene und Formbare. In Bezug auf sein erstes Chopin-Album sprach er von der Kunst beim Interpretieren dieser Musik, die Inspiration jeweils aus dem Moment heraus zu schöpfen. Chopins einzigartige Werke sind niemals planbar, weshalb Frays Herangehensweise zuweilen auch tastend, ja improvisatorisch zu klingen scheint. Der Pianist hat mit diesem Album einen Damm gebrochen. Immerhin hatte er Chopins Werke seit fünfzehn Jahren nicht mehr öffentlich gespielt. Weshalb das so ist, begründet Fray mit den Worten: „Eine in sich geschlossene Welt. Eine Insel! Es hat mir ein bisschen Angst gemacht. Jetzt fühle ich mich freier als zuvor.“ Die Freiheit im Umgang mit der Polonaise Fantaisie op. 61, dem letzten großen Klavierwerk Chopins, ausgewählten Nocturnes wie op. 9 Nr. 2, op. 55 Nr. 2, dem Walzer As-Dur op. 69 Nr. 1 oder der Mazurka op. 63 Nr. 2 muss jedoch stets aufs Neue erkämpft werden. Chopins Poesie ist tief und komplex. Die starken Ausdruckswellen kontrolliert Fray hinreißend, und die Kantabili-

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tät der Melodik Chopins ist für ihn Anlass genug, ein „Album des Gesangs – und vor allem der Freiheit“ entstehen zu lassen. Und tatsächlich, das zeigen ja auch viele andere Aufnahmen dieses großen Pianisten, ist es immer eines seiner Hauptziele gewesen, das Klavier in ein singendes Instrument zu verwandeln.

Erato/Warner Music CD 9029589647


NEUERSCHEINUNGEN

Calmus Ensemble, Lautten Compagney, Wiener Motettenchor u.a. Auf Luthers musikalischen Spuren Martin Luther wusste um die Macht der Musik, die die Herzen der Menschen treffen und im Gottesdienst ein Gemeinschaftsgefühl entstehen lassen konnte. Luthers Kirchenlieder leben fort bis in unsere Zeit. Das Calmus Ensemble Leipzig und die Lautten Compagney Berlin haben eine CD zum Luther-Jahr mit dem Titel „Mitten im Leben 1517“ herausgegeben. „Damit wollen wir dazu beitragen“, sagt der Lautenist Wolfgang Katschner, „den Abstand zu überwinden und die Zeit der Renaissance ins Heute zu holen.“ Aufgenommen haben die Interpreten die Motette „Beati immaculati in via“ von Luthers musikalischem Partner Johann Walter, die einst zur von Luther durchgeführten Einweihung der Schlosskapelle in Torgau gespielt wurde. Eine große Nähe zu Luther

baute auch der aus Basel stammende Ludwig Senfl auf, von dem hier unter anderem die Weise „Mir ist ein rot Goldfingerlein“ zu hören ist. Werke von Josquin Desprez, Orlando di Lasso und Senfls Lehrer Heinrich Isaac ergänzen das Repertoire des 15. und 16. Jahrhunderts in modernen Arrangements. Für die Aufnahme der nach dem Kirchenjahr geordneten Lieder der CD „Luther Collage“ hat sich das Calmus Ensemble über Nacht in die Leipziger Thomaskirche begeben. In kleinen Besetzungen gesungene Adaptionen von Luthers Liedern etwa von Reger, Piutti, Bach oder Pärt schlagen einen weiten Bogen. Schließlich erscheint eine Sammlung von neun CDs mit dem Titel „Luther und die Musik“, die fantasievoll einen fiktiven Musikabend im Hause Luthers für Gesang und Laute konstruiert, den Spiegel der Reformation im Rom des 16. Jahrhunderts thematisiert oder Musik aus dem Umfeld des Kardinals und Luther-Gegenspielers Albrecht von Brandenburg vorstellt. Enthalten sind unter anderem Aufnahmen des Wiener Motettenchors, der Musica Antiqua Wien, des Johann Rosenmüller Ensembles oder des Ensemble Officium.

C arus/note 1 music CD CAR83477 („Mitten im Leben“) C arus/note 1 music CD CAR83478 („Luther Collage“) C hristophorus/note 1 music 9CD CHR77403 („Luther und die Musik“)

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NEUERSCHEINUNGEN Alexander Krichel Krichel malt Ravel

In Alexander Krichels Interpretation von Maurice Ravels „Gaspard de la nuit“ läuft dem Hörer wahrlich ein Schauer über den Rücken. In den aus Motiven romantischer Schauergeschichten entlehnten Sujets dieses Klavierzyklus’ findet der junge Pianist und große Ravel-Verehrer zu teilweise unwirklich schwebenden Klangkaskaden. Etwa dort, wo die Wasserfee Undine durchs Wasser gleitet, umgeben von Wellen und Strudeln, aber trotzdem leicht und unerreichbar. Krichel malt die Bilder dieser Musik wie ein Impressionist seine Gemälde mit changierenden Farben. Konturen werden ganz bewusst verwischt, und doch ist die Klarheit und Brillanz seines Spiels einzigartig. Er folgt dabei ganz dem französischen Dichter Stéphane Mallarmé, der einmal sagte, im Impressionismus gehe es nicht darum, eine Sache abzubilden, sondern es solle die Wirkung abgebildet werden, die sie auslöst. So schwirren die „Noctuelles“, die flatternden

Nachtfalter im ersten Satz von Ravels „Miroirs“, zwar unruhig herum, sie lösen aber ebenso ein Gefühl des Spukhaften, Geheimnisvollen und Rätselhaften aus. Das Stück „Le Tombeau de Couperin“, das Krichel als „helles, fast unschuldig wirkendes Stück“ bezeichnet, erhält mit seinen neoklassizistischen Anklängen an den Barockkomponisten François Couperin noch ganz andere Dimensionen. Hier geht es um Tänzerisches, um das Spiel mit alten Formen, um Licht und Schatten und Ravels unvergleichliche Kunst der Kontraste.

S ony Classical CD 88985377642

Aida Garifullina Aida Garifullina

Sie singt wie eine Göttin, ist hochattraktiv und, wie Plácido Domingo begeistert sagt, „eine der aufregendsten Operndiven von heute.“ Die Sopranistin Aida Garifullina war 2013 Gewinnerin des renommierten, von Domingo initiierten „Operalia“-Gesangswettbewerbs und nahm das Publikum mit Charles Gounods Walzer-Arie „Je vieux vivre“ aus „Romeo et Juliette“ beim Wiener Opernball vor zwei Jahren für sich ein. Klar, dass dieser Klassiker ihres Repertoires und Léo Delibes „Bell Song“ aus „Lakmé“ auf ihrem Debütalbum bei Decca nicht fehlen dürfen. Ganz ihren Vorlieben und ihren russischen Wurzeln folgend – Garifullina wurde 1987 in Kasan geboren – dominieren russische Arien und Romanzen von Peter Tschaikowsky, Nikolai Rimsky-Korsakov und Sergej Rachmaninow das Album.

Decca/Universal Music CD 4788305

Terry Wey Pace e guerra

Die Begriffe Krieg und Frieden, die Tolstoi einmal für seinen in der napoleonischen Zeit spielenden Roman als Titel wählte, tauchen ebenso im Titel der leidenschaftlichen Arie „Lucio Vero – Pace e guerra“ des italienischen Barockkomponisten Pietro Torri auf. Das Werk ist eine von sieben Weltersteinspielungen des schweizerisch-amerikanischen Countertenors Terry Wey auf seinem neuen Album „Pace e guerra“. Der 31-jährige Sänger mit der ungemein reinen Stimme vereint hier Arien und Duette, die einst für den 1756 gestorbenen Kastraten Antonio Maria Bernacchi komponiert wurden. Wey wird von fantastischen Sängern und Spezialisten für Alte Musik wie Vivica Genaux und Valer Sabadus begleitet. Enthalten sind Arien von Händel und Hasse, aber auch von weniger bekannten Komponisten wie Domenico Sarro und Carlo Francesco Pollarolo.

DHM/Sony Music CD 88985410502

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NEUERSCHEINUNGEN

Sonya Yoncheva Starke Frauen der Geschichte Kein Komponist des Barockzeitalters war ein größerer Dramatiker als Georg Friedrich Händel. In seinen Opern sind die Psyche, die Emotionen und die Motive der Handelnden so plastisch greifbar, dass der Spannungsbogen nicht eine Sekunde gebrochen wird. Für die junge bulgarische Sopranistin Sonya Yoncheva, die im September vergangenen Jahres so erfolgreich für Anna Netrebko als Norma am Royal Opera House einsprang und mittlerweile als beste Traviata der Welt gilt, war die Barock­ oper schon immer ein besonderer Schwerpunkt. „Ich denke nicht übers Singen nach“, sagte sie einmal, „sondern übers Geschichtenerzählen.“ Dazu gibt ihr Händel die besten Stoffe an die Hand. Seine Frauenfiguren sind durchweg starke Persönlichkeiten, die den oft diktatorischen Männern in ihrem Umfeld die Stirn bieten. Aus Händels „Giulio Cesare in Egitto“ singt Yoncheva die leidenschaftliche Arie „Se

pietà di me non senti“, in der auch die verletzliche Seite der sonst so selbstbewussten Herrscherin Kleo­ patra zum Ausdruck kommt. Einfühlsam begleitet von der Academia Montis Regalis unter Alessandro de Marchis Leitung kommt Yonchevas wandlungsfähiger, schlanker Sopran so richtig zur Geltung. Nicht weniger eindrucksvoll gestaltet sie die Arie „Ah! mio cor! schernito sei!“ der bemitleidenswerten Zauberin Alcina, die mit ihren Liebhabern wenig zimperlich umging, dann aber auf den Ritter Ruggiero trifft, dem sie aus Liebe ihre Zauberkraft opfert. Ein Opfer ist auch die Christin Theodora, die für ihren Glauben und ihre Liebe zum römischen Offizier Didymus gegen die Übermacht des römischen Reiches kämpft. Ein Höhepunkt des Händel-Albums ist die Arie „Pensieri, voi mi tormentate!“ aus der Oper „Agrippina“. in der die ganze Skrupellosigkeit der Hauptfigur deutlich wird. Der einzige nicht von Händel stammende Beitrag ist die Arie „Thy hand, Belinda … When I am laid in earth“ aus der Oper “Dido And Aeneas” von Henry Purcell.

S ony Classical CD 88985302932

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NEUERSCHEINUNGEN Antoine Tamestit und Cédric Tiberghien Singende Bratsche Wie klingen wohl die schönsten Belcanto-Arien Italiens, gespielt auf der legendären Stradivari-Viola „Mahler“ von 1672 und einem Steinway-Flügel? Und vor allem gespielt von dem einzigartigen Antoine Tamestit, begleitet von dem kongenialen Cédric Tiberghien. Der dramatisch leidende Duktus zu Beginn der Arie „Il faut partir“ aus Gaetano Donizettis Oper „La Fille du Regiment“, der im Original von einer Oboe geblasen wird, klingt in der Bearbeitung für Viola und Klavier noch viel berührender. Antoine Tamestit, der mit „Bel Canto“ sein erstes Soloalbum für das Label Harmonia Mundi vorstellt, wagt sich sogar an die Arien aller Arien, „Casta Diva“ aus Bellinis „Norma“, und macht den größten Sängerinnen Konkurrenz. Die Diva ist dabei zweifellos die Bratsche, der Tamestit in unsterblicher Liebe verfallen ist. Die enge Verbindung der Bratsche zum Gesang hatte der französische Kritiker Henri-Louis Blanchard bereits Mitte des 19. Jahrhunderts mit den Worten beschrieben, die Viola habe den Status

eines „dramatischen Countertenors der instrumentalen Stimmen“. Auf dieser CD lässt Antoine Tamestit die Stimme der Viola aber auch in der BratschenSonate B-Dur op. 36 und dem Capriccio für Viola solo c-Moll op. 55 von Henri Vieuxtemps singen. Eine Repertoire-Besonderheit ist darüber hinaus das Stück „Le Songe“, eine Elegie über Donizettis Oper „La Favorite“ des Geigers und Komponisten JacquesFéréol Mazas.

H armonia Mundi CD HMM 902277

Sebastian Manz Carl Maria von Weber: Complete Works For Clarinet

Manche Solisten wollen es einfach genau wissen. Vergleichbar mit dem Geiger Frank Peter Zimmermann, der für die Erarbeitung von Schostakowitschs Violinkonzerten die Autographe studierte, setzte sich der Klarinettist Sebastian Manz bei der Einspielung aller Klarinettenwerke von Carl Maria von Weber eingehend mit den Notentexten von Webers Zeitgenossen, dem Klarinettisten Heinrich Joseph Baermann, auseinander. Der Gewinner des ARD-Musikwettbewerbs lässt sich bei den hochvirtuosen Klarinettenkonzerten vom SWR Radio-Sinfonieorchester Stuttgart begleiten, in dem er selbst als Solo-Klarinettist tätig ist. Besonderheiten bei der Kammermusik sind neben den Klassikern, dem Klarinettenquintett und dem Grand Duo Concertant op.48, die Silvana Variationen op. 33.

Berlin Classics/Edel 2CD 0300835BC

Andreas Ottensamer New Era

Bei der österreichischen Familie Ottensamer hat man sich mit außerordentlichem Erfolg auf eines geeinigt: die Klarinette. Es ist schon bemerkenswert, dass neben dem Vater Ernst, Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker, auch seine beiden Söhne Andreas und Daniel Ottensamer Klarinette spielen. Andreas Ottensamer, der heute Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker ist, veröffentlichte erst vor Kurzem ein Brahms-Album bei der Deutschen Grammophon. Sein neues Album „New Era“ mit Konzerten von Johann und Carl Philipp Stamitz und Arrangements von Mozart-Arien ist Ottensamers Debütalbum beim Label Decca, das ihn exklusiv unter Vertrag genommen hat. Mit von der Partie sind auch Ottensamers Berliner Kollegen, der Flötist Emmanuel Pahud und der Oboist Albrecht Mayer.

Decca/Universal Music CD 4814711

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NEUERSCHEINUNGEN Rafał Blechacz Johann Sebastian Bach

Der polnische Pianist Rafał Blechacz hat seinen Pianistenkollegen in dieser Hinsicht schon einiges voraus. Er kann nicht nur Klavier, sondern auch Orgel spielen und legte damit schon in jungen Jahren die Grundlage für seine Bach-Begeisterung. Wie aber beeinflusst dieser Zugang nun Blechaczs Bach-Interpretationen? Tatsächlich sind die dynamischen Abstufungen, die Kontraste und die Phrasierungen auf dem Steinway-Flügel außergewöhnlich ausgewogen. Neben Bachs „Italienischem Konzert BWV 971“ enthält das Album die Partiten Nr. 1 in B-Dur BWV 825 und Nr. 3 in a-Moll BWV 827 sowie die vier Duette BWV 802–805 aus dem dritten Teil der Clavierübung, die Fantasie und Fuge in a-Moll BWV 944 und eine Bearbeitung des Chorals „Jesus bleibet meine Freude“.

Deutsche Grammophon/Universal Music CD 4795534

NDR Elbphilharmonie Orchester und Thomas Hengelbrock Elbphilharmonie Hamburg – The First Recording

Dem NDR Elbphilharmonie Orchester und seinem Chefdirigenten Thomas Hengelbrock kommt die Ehre zu, als Hausorchester des nun in voller Pracht erstrahlenden neuen Konzerthauses im Hamburger Hafen die erste dort gemachte Aufnahme überhaupt veröffentlichen zu dürfen. Wir wissen nicht, wie oft der japanische Akustiker der Elbphilharmonie Yasuhisa Toyota und die NDR-Tonmeister diese Aufnahmen der Brahms-Sinfonien Nr. 3 und 4 schon rauf und runter gehört haben, ihre Begeisterung dürfte jedenfalls keine Grenzen kennen. Die Qualitäten des Saals in seiner Fähigkeit, dynamische Feinheiten und Volumen gleichermaßen abzubilden, kommen hier zum Ausdruck. Der Audio-CD ist in der Deluxe-Version ein Film über die Entstehung des einzigartigen Baus beigefügt.

Sony Classical CD 88985405082/CD + DVD 88985406752/CD + Blu-ray Disc 88985406762

NEU AB 24.02.2017 Beatrice Rana Bach: Goldberg-Variationen

Selbst die größten Pianisten haben sich bisher immer eine lange Zeit der Reifung genehmigt, bevor sie Bachs Goldberg-Variationen gespielt und aufgenommen haben. Da überrascht es schon, dass die erst 24 Jahre alte Italienerin Beatrice Rana das Mammutwerk bereits jetzt auf CD einspielt, nachdem sie erst 2015 ihr Debüt­ album mit Tschaikowsky und Prokofjew vorgestellt hatte. Schon die Aria, der Keim der dreißigteiligen Variationsfolge, die Bach einst für seinen vor dem Grafen Keyserlingk spielenden Schüler Johann Gottlob Goldberg geschaffen haben soll, strahlt bei Rana eine souveräne Ruhe und Gesetztheit aus. Diese so klar und berührend gespielten Anfangstakte prägen sich im Geiste wie eine Gravur ein, die im weiteren Verlauf Orientierung und Sicherheit schafft.

Warner Classics CD 9029588018

Kremer, Dirvanauskaite und Trifonov Preghiera Die Behauptung ist kühn, aber fast klingt Fritz Kreislers berühmte Bearbeitung des 2. Satzes aus Rachmaninows 2. Klavierkonzert für Klaviertrio noch schöner, mindestens aber genauso aufregend wie das Original. Gidon Kremer, Giedre Dirvanauskaite und Daniil Trifonov haben das als „Preghiera“ („Gebet“) betitelte Stück gleich an den Anfang ihrer neuen CD mit den berühmten Trios élégiaque von Rachmaninow gestellt. Man wird das Preghiera-Thema einfach nicht mehr los und kann verstehen, dass es sogar einmal von Eric Carmen in seinem Song „All By Myself“ zitiert wurde. Intensiv, zerbrechlich und ungemein musikalisch sind die Interpretationen der eingängigen, nicht weniger gebetartigen Trios élégiaque Nr. 1 g-Moll und Nr. 2 d-Moll mit dieser Star-Besetzung.

Deutsche Grammophon/Universal Music CD 4796979

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NEU AB 24.02.2017 Jean Rondeau Familiensache Es ist nicht übertrieben, den französischen Cembalisten Jean Rondeau als wahrhaft versessen auf Bach und auf die Musik der ganzen Bach-Familie zu bezeichnen. Mit seinem ersten Album „Imagine“ hatte er bereits Werke von Johann Sebastian Bach in ganz neuen Klangdimensionen vorgestellt. Zu diesem neuen, frischen Klangbild trägt auch seine stilistische Vielseitigkeit bei. Zum Film „Paula“ von Christian Schwochow hatte der Cembalist selbst einen Soundtrack geschaffen. Außerdem ist er Mitglied des Jazzprojekts „Note Forget“ und beschäftigt sich intensiv mit Jazzkompositionen. Rondeaus neues Album „Dynastie“ nun widmet sich wieder Bach, aber nicht nur bestimmten Cembalokonzerten des Thomaskantors allein, sondern auch seiner Söhne Wilhelm Friedemann, Johann Christian und Carl Philipp Emanuel. Gerade Letzterer war ja als Cembalist seinem berühmten Vater vielleicht am ähnlichsten. Besonders das Cembalo-Konzert f-Moll

von Johann Christian Bach zeigt deutliche Merkmale der neuen klassischen Epoche. Mit klugem Blick auf die historische Aufführungspraxis lässt sich Rondeau hier wie auch bei den anderen Cembalokonzerten nicht von einem Orchester, sondern, wie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts oft üblich, von einfach besetzten Orchesterstimmen begleiten. Ein genialer Einfall ist überdies Rondeaus eigene Instrumentierung von Wilhelm Friedemann Bachs Lamento aus der Cembalosonate G-Dur FK 7 für Cembalo und Instrumentalbegleitung.

E rato/Warner Music CD 9029588846/ LP 9029587239

Fazil Say und Nicolas Altstaedt Sébastien Daucé 4 CitiesRoyal de la Nuit Ballet

Fazil spieltdes ja nicht nur Klavier, er komponiert auch brillant. Und oft haben Dass Say am Hofe Sonnenkönigs Ludwig XIV. Kostümbälle, Theateraufführungen, seine Werke einen Bezug würden zu seiner politisch gesellschaftlich Feste oder – wie wirengen heute sagen – Events eineund große Rolle spielten,aufgesteht wühlten Heimat. Die von SayOrganist, komponierte Cello-Sonate „FourSébastien Cities“ istDaucé prall außer Frage. Der französische Cembalist und Dirigent gefüllt mit Anklängen an die Musik der Türkei. Die zuweilen ungewohnte Ornaund sein Ensemble Correspondances haben nun das spektakuläre Stück „Ballet mentik des derEnde Say Klangbilder für nach die vier türkischen Städte Hopa, Royal de laStücks, Nuit“, in das Februar 1653 den Aufständen derSivas, Fronde im Ankara uraufgeführt und Bodrum geschaffen hat,zum bringen er und fantastische Cellist Bei Nicolas Louvre worden war, ersten Malderauf CD eingespielt. der Altstaedt großartig zur Geltung. Auch Leošdes Janáčeks fürLibretto Cello und Klavier hat einen Bezug zur MärUraufführung Stücks„Pohadka“ nach einem von Bensérade tanzte Ludwig XIV. chenmythologie und Heimatim seines Schöpfers. Neben der klangfarblich changierenden Cellosonate von Claude Kostüm der Sonne selbst mit, was ihm später den Beinamen „Sonnenkönig“ Debussy ist Festlich, Dmitri Schostakowitschs Frühwerk, dieMusik Cello-Sonate op.zahlreichen 40, nicht minder kontrastreich. einbrachte. bunt und mitreißend ist diese mit ihren Solo-Arien und Chorsätzen.

Warner Classics CD2CD 9029586724 Harmonia Mundi HMC952223

NEU AB 03.03.2017 Barenboim & West-Eastern Diwan Orchestra Franco Fagioli Hommage à Boulez Orfeo ed Euridice

Mit aber auchals mit von selbst dirigierten KonGibt seinen es eine Kompositionen, ergreifendere Opernszene dasden Ende vonihm Glucks „Orfeo ed Euridice“, zertprogrammen hat der vor einem Jahr verstorbene Pierre Boulez dafür gesorgt, wo der verzweifelte Gatte aus Liebe zu seiner Euridice versagt und deren Rettung die Neue Musik nachhaltig im normalen Konzertbetrieb zuWerk etablieren. In seinen aus dem Totenreich verhindert? Bei DG/Archiv kommt das nun erstmals in Stücken fand er zu wunderbar geschmeidigen und strahlkräftigen der italienischen Textfassung der Wiener und der Pariser Version undKlangwelten, gespielt auf die zwar immer kompliziert gebaut waren, aber sofort ins Ohr gingen die historischen Instrumenten heraus. Außerdem ist diese Produktion mit demund Insular Herzen der Menschen trafen. Daniel Barenboim, ein enger Vertrauter und Freund von Boulez, hat hier eine Orchestra unter Laurence Equilbeys die erste Operngesamtaufnahme, die der argentinische Countertenor, Hommage unter dem „Dialogue de l’ombre double“, „Memoriale“, „Anthèmes 2“ und der mühelos dreianderem Oktaven mit beherrscht, überhaupt veröffentlicht. Esdem ist ein fulminanterden Start für eine vielver„Messagequisse“ zusammengestellt. Boulezist selbst „Leder Marteau sans maître“, zu dem ihn der sprechende Zusammenarbeit mit derDer DG,Meister denn Fagioli seit leitet Kurzem erste Countertenor, den das Label französische René Char anregte, dessen 110. Geburtstag in diesem Jahr gedacht wird. exklusiv unterSurrealist Vertrag genommen hat.

Deutsche Music 2CD 4797160 Deutsche Grammophon/Universal Grammniversal Music 3CD 4795315

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NEU AB 03.03.2017 Christian Gerhaher, Martin Walser, Gerold Huber Die schönste Magelone Manchmal bedarf es nur eines Anstoßes, um aus einer kleinen Idee etwas revolutionär Neues entstehen zu lassen. Es war Dieter Borchmeyer, der Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der den gefeierten Bariton Christian Gerhaher und den Schriftsteller Martin Walser zusammenbrachte. Bei dieser Begegnung war Ludwig Tiecks Prosatext „Die schöne Magelone“, aus dem Johannes Brahms einzelne Gedichte für seinen Liederzyklus adaptiert hatte, ein Thema. Gerhaher klagte über den Stil der Tieckschen Sprache, und der Austausch mit dem Schriftsteller hat Gerhahers Neuinterpretation des Zyklus maßgeblich beeinflusst. In Walsers Augen singt Gerhaher, „wie schon lange nicht mehr gesungen wird. Und er hat in Gerold

Huber auch den genuinen, also geborenen Begleiter.“ Viele Sänger machen um das geniale Vokalwerk des großen Brahms eher einen Bogen. Das galt bis zu diesem Zeitpunkt auch für Christian Gerhaher. Nicht nur die komplexe Vertonung der Gedichte, die aus dem Prosazusammenhang gerissen wurden, waren dafür ein Grund, sondern auch das Sujet in Gestalt eines Ritterromans nach alter Volksbuchtradition, in dem es um die Liebe des Peter von Provence, einem edlen Ritter, zu Magelone, der Tochter des Königs von Neapel, geht. Gerhahers und Hubers subtile Interpretation dieser Lieder eröffnet einen völlig neuen Zugang zu diesem schwierigen, aber immens schönen Werk.

S ony Classical 2CD 88985311022

Daniel Hope Oden an die Jahreszeiten, das Leben und die Musik Das Bearbeiten, Verändern und Auffrischen großer Werke des Klassikrepertoires hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Im Gegensatz zu Kollegen, die auch gern mal weniger bekanntes Repertoire hervorziehen und einer „Generalüberholung“ unterziehen, wählte Max Richter einen echten Klassikhit aus. „Vivaldis ‚Vier Jahreszeiten’ sind ein omnipräsentes Klangobjekt und wie kein anderes Werk Teil unserer musikalischen Landschaft und meines täglichen Lebens“, sagt der geniale Arrangeur und Schöpfer von Tanztheaterstücken und Installationen. Die vier von Max Richter aufgefrischten Jahreszeiten sind ein wichtiger Teil des neuen Konzeptalbums „For Seasons“ von Daniel Hope. „Für“ die Jahreszeiten lautet der Titel ausdrücklich, weil die CD den Jahreslauf viel weiter fasst. Den Jahreszeiten nähert sich der britische Stargeiger hier aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Nicht nur, dass er Vivaldis Musik zwölf weiteren Werken vom Barock bis hin zur Neo-Klassik unter anderem von JeanPhilippe Rameau, Johann Melchior Molter und Bach sowie den Zeitge-

nossen Aphex Twin, Nils Frahm und Chilly Gonzales gegenüberstellt. Daniel Hope wählte für das Booklet auch Bilder des Künstlers Dirk Dzimirsky aus, die die Veränderungen eines Frauenantlitzes von der Kindheit bis zum hohen Alter darstellen. „Das sagt viel über unser Leben aus“, kommentiert Hope, „es ist aber auch eine Hommage an die Elemente und das, was uns verbindet.“

D G/Universal Music CD 4796922

klassikerleben 11


NEU AB 10.03.2017 Philippe Jaroussky Auf Orpheus’ Spuren

Bei der Eröffnung der Elbphilharmonie war der Auftritt des Countertenors Philippe Jaroussky ein gefeierter Höhepunkt. Von einer Empore herab sang der Residenzkünstler dort Emilio de’ Cavalieris Arie „Dalle piu alte sfere“ aus „La Pellegrina“. Nun widmet sich der Weltstar mit der Sopranistin Emöke Barath und dem Ensemble I Barocchisti unter Leitung von Diego Fasolis auf seiner neuen CD „La Storia di Orfeo“ dem antiken Mythos des Orpheus. Im März 2017 ist Jaroussky mit diesem Programm unter anderem in Versailles, Wien, Dortmund, Amsterdam und Zaragoza zu erleben. Das Projekt ist auch eine Hommage an Claudio Monteverdi, der dem Mythos in seiner 1607 uraufgeführten Oper „L’Orfeo“ wohl ein eindrucksvolles Denkmal gesetzt hat und dessen 450. Geburtstag am 9. Mai 2017 gedacht wird. Das Leid des zu Tode betrübten Orpheus, der seine geliebte Euridice verliert und sie durch Apollos Einsehen vielleicht doch noch aus der Unterwelt erretten kann, drückt Monteverdi in berührend sanften Klängen herzergreifend aus. „Ich möchte nicht mein ganzes Leben dieselben zwanzig Arien singen“, hat Jaroussky

einmal im Interview gestanden, „und ich möchte mein Publikum auch überraschen und Risiken eingehen.“ Ganz diesem Motto folgend, besingt der Countertenor den Stoff dann auch in Ausschnitten aus der vierzig Jahre nach Monteverdi entstandenen Oper „L’Orfeo“ von Luigi Rossi und der 1672 uraufgeführten Opernversion Antonio Sartorios.

E rato/Warner Music CD 9029585190

Schumann Quartett Sébastien Daucé Landscapes Ballet Royal de la Nuit

Das Quartett ist erst vor fünf XIV. Jahren gegründet Theateraufführungen, worden. Und es heißt DassSchumann am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig Kostümbälle, nicht etwa–so, sichsagen auf Robert Schumann bezieht, sondern weil diesteht drei Feste oder wieweil wir es heute würden – Events eine große Rolle spielten, Brüder Erik, Ken und Mark Schumann es initiiert haben. Das einzige Nichtaußer Frage. Der französische Organist, Cembalist und Dirigent Sébastien Daucé Familienmitglied desCorrespondances Ensembles ist diehaben aus Estland stammende Bratschistin Liisa und sein Ensemble nun das spektakuläre Stück „Ballet Randalu, die für die CD „Landscapes“ höchstpersönlich den Kontakt zum sonst Royal de la Nuit“, das Ende Februar 1653 nach den Aufständen der Fronde im estnischen Arvo hat.des MitStücks Pärt selbst Louvre uraufgeführt wordensehr war,scheuen zum ersten Mal aufKomponisten CD eingespielt. BeiPärt derhergestellt Uraufführung nach durfte das Quartett dessen Klassiker der Moderne erarbeiten. Aus dem 20. Jahrhundert stammen einem Libretto von Bensérade tanzte Ludwig XIV. im„Fratres“ Kostüm der Sonne selbst mit, was ihm später den Beinaauch Béla Bartóks Streichquartett Nr. 2 und Takemitsus ist Quartett „Landscape 1“.zahlreichen Zu den hierSolo-Arien in Tönen men „Sonnenkönig“ einbrachte. Festlich, buntToru und mitreißend diese Musik mit ihren gemalten Klang-Landschaften passt außerdem Joseph Haydns Streichquartett op. 76/4 mit dem Beinamen und Chorsätzen. „Sonnenaufgang“. Harmonia Mundi 2CD HMC952223

Berlin Classics/Edel CD 0300836BC

Franco FagioliLemieux Marie-Nicole Orfeo ed– Euridice Rossini Si! Si! Si! Si!

Die von Rossini sind immer virtuos machen einfach GibtKoloraturarien es eine ergreifendere Opernszene als dasbrillant, Ende von Glucksund „Orfeo ed Euridice“, immensen Spaß zu Gatte hören.aus Das empfindet die kanadische Mariewo der verzweifelte Liebe zu seinerauch Euridice versagt undAltistin deren Rettung Nicole Lemieux, die bei vielen Arien komischer Opern wie „Cruda sorte!“ aus dem Totenreich verhindert? Bei DG/Archiv kommt das Werk nun erstmalsaus in „L’Italiana in Algeri“ oder „Unader voce poco fa“ barbiere di Siviglia“ selbst den der italienischen Textfassung Wiener undaus der„IlPariser Version und gespielt auf Schalk im Nacken zu habenheraus. scheint. „Rossini ist mich eine Offenbarung“, sagt historischen Instrumenten Außerdem istfür diese Produktion mit dem Insular Lemieux, bei ihm doppeltdie so viel bei anderen Komponisten Zeit.“ Countertenor, Das mit einer Orchestra„man untersingt Laurence Equilbeys erstewie Operngesamtaufnahme, die in derderselben argentinische Arienphrase Albumbeherrscht, „Rossini – Si! Si! Si! Si!”veröffentlicht. ist ihre erste Veröffentlichung als Erato-Exklusivkünstlerin. der mühelosbetitelte drei Oktaven überhaupt Es ist ein fulminanter Start für eine vielverAuch weniger bekannte Ausschnitte „Matilde di Kurzem Shabran“ pietra del paragone“ und sprechende Zusammenarbeit mit der aus DG, Rossinis denn Fagioli ist seit deroder erste„La Countertenor, den das Label Duette Patrizia Ciofi und Julienhat. Véronèse sind enthalten. exklusivmit unter Vertrag genommen

Erato/Warner CD 9029595326 Deutsche GramUniversal Music 3CD 4795315

klassikerleben 12

KLASSIKERLEBEN.DE


NEU AB 10.03.2017 Grigory Sokolov Ein Individualist von Weltklasse Wenn Grigory Sokolov die ersten Töne der Exposition in Rachmaninows 3. Klavierkonzert anschlägt, scheint alles beinah zu schweben. Berückend formt der russische Pianist die melodische Linie und reißt das Orchester mit, um gleich beim ersten Ausbruch ein Höchstmaß an Energetik und Virtuosität an den Tag zu legen. Sokolov spielt manche Passagen wirklich in atemberaubendem Tempo. Und dabei ist es doch ein Merkmal dieses Pianisten, dass er sich so gar nicht in die Rolle eines Selbstdarstellers und in das Schema eines modernen Konzertbetriebs fügen mag. Interviews gibt er kaum, Neueinspielungen mit ihm als Solisten sind rar gesät, und eine persönliche Nähe zu seinem Publikum scheint der russische Individualist ausschließlich über die musikalische Brücke aufbauen zu wollen. Der

1950 in Leningrad geborene Grigory Sokolov lebt jeden Ton aus und hat eine Anschlagstechnik entwickelt, die einen hohen Grad an Eigenwilligkeit beansprucht. Wie kaum ein anderer Pianist lässt er die Hände von der Tastatur abfedern, fast als habe er gerade auf eine heiße Herdplatte gegriffen. Dann wieder formt er die Töne durch leichten Druck jedes einzelnen Fingers, nachdem er eine Taste schon längst angeschlagen hat. Voller Esprit spielt er auch Mozarts Klavierkonzert KV 488, jenes hochbeliebte und im Vergleich zum vorhergehenden 22. Klavierkonzert noch virtuosere Klavierkonzert des Salzburgers.

D G/Universal Music CD + DVD 4797015

Khatia Buniatishvili Georgisch-russische Seelenverwandtschaft Allein der Beginn von Rachmaninows 2. Klavierkonzert, in dem die georgische Pianistin Khatia Buniatish­ vili eine gewaltige Steigerung aufbaut, die sogleich in das lyrische Thema des ersten Satzes übergeht, ist ein Genuss. Buniatishvili ist aber auch eine Pianistin, die den enormen Kraftentladungen der beiden Klavierkonzerte Nr. 2 und 3, die sie hier mit dem Czech Philharmonic Orchestra unter Paavo Järvis zupackender, enorm konturierter Leitung eingespielt hat, mehr als gewachsen. Die Läufe und Dialoge mit dem Orchester gestalten sich geradezu explosiv. Bei den starken Kontrasten in der Dynamik, der Agogik und der ausgewogenen Klangbalance wird sie zudem hinreißend von Järvi unterstützt. Rachmaninow ist in den Augen der Georgierin nicht nur Komponist und Schöpfer zweier echter, von ihr so gern und oft gespielter Repertoireklassiker, er war eben auch selbst Pianist. Stets betont Buniatishvili, wie wichtig ihr die ständige Auseinandersetzung mit den Stilen großer Pianisten der Vergangenheit ist. Von Swjatoslav Richter etwa hat sie die beispiellose

Präzision und Anschlagskultur übernommen. Außerdem sind ihre Cantabile, die wunderbaren Legatobögen und die Brillanz der hochvirtuosen, stets nach vorn drängenden Läufe ein besonderes Merkmal ihrer exquisiten Gestaltungskunst. Für die entsprechende Dramatik im Orchester – wir kennen seine Qualitäten – sorgt Järvi auf seine Art.

Sony Classical CD 88985402412

klassikerleben 13


NEU AB 10.03.2017 Nikolaus Harnoncourt, Emmanuel Pahud, Albrecht Mayer, Sergei Nakariakov u.a. Umfangreiche Telemann-Werkschau

Georg Philipp Telemann war einmal Musikdirektor am traditionsreichen Johanneum sowie Kantor und Musikdirektor der fünf Hauptkirchen in Hamburg. Darüber hinaus war er ein gewiefter Theatermann. Er beherrschte Pointen, dramatische Steigerungen und die Kunst der Ironie nicht weniger eindrucksvoll als Georg Friedrich Händel, der ja auch mal in Hamburg gelebt hat. Klar, dass sich die Elbmetropole ihrem großen Bürger Telemann zu dessen 250. Todestag in diesem Jahr ebenso verpflichtet fühlt wie das Label Warner, das Telemanns immenses Schaffen nun mit einer „Telemann Collection“ auf 13 CDs würdigt. Telemanns Œu­v­re ist so groß, dass es immer noch Unentdecktes oder nicht Erschlossenes bei ihm zu finden gibt. Andere seiner Kompositionen wie etwa die Fantasien für

Violine und Flöte sind Standardrepertoire für jeden Instrumentalisten. Auf dieser Compilation widmen sich Nikolaus Harnoncourt, der Concentus Musicus Wien, der Flötist Emmanuel Pahud, der Oboist Albrecht Mayer und der Trompeter Sergei Nakariakov ganz besonderen Telemann-Stücken. Zu echten Raritäten zählen das Apokalypse-Oratorium „Der Tag des Gerichts“, die Kantate „Ino“ und die Oper „Pimpinone“. Singen sei sowieso das Fundament zur Musik in allen Dingen, hat Telemann einmal gesagt. „Wer die Composition ergreifft, muss in seinen Sätzen singen. Wer auf Instrumenten spielt, muss des Singens kündig seyn.“

W arner Classics 13 CD 9029586013

Dorothee Oberlinger Feine musikalische Ornamente Bei dem Begriff Rokoko denkt man zuerst ja gern ans Kunstgeschichtliche, an Sitzmöbel mit Tierfüßen und Muschelornamenten, an die höfische Kultur des 18. Jahrhunderts und an Damen in Reifröcken. Es gibt das Rokoko aber auch in der Musik, vor allem in der Musik aus dem Umfeld des frankophilen Preußenkönigs Friedrich des Großen. Komponisten wie Johann Gottlieb Graun oder Johann Joachim Quantz, der dem König Flötenunterricht erteilte, und natürlich der Hofakkompagnist Carl Philipp Emanuel Bach schufen Flötenwerke, die die Merkmale des galanten Zeitalters widerspiegelten. Die Blockflötistin Dorothee Oberlinger greift für ihre CD „Rococo“ nun nicht etwa zur Traversflöte, dem führenden Querflöteninstrument des Rokokozeitalters. Sie spielt die virtuose, in Themenstrukturen und Verarbeitungstechnik kunstvoll verästelte Triosonate für Viola, Flauto basso und Cembalo F-Dur Wq 163 des berühmten Bach-Sohns auf einer Bassblockflöte und das virtuose Doppelkonzert C-Dur für Violine und Flöte von Graun auf einer Blockflöte in

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KLASSIKERLEBEN.DE

C. Auch das Kammermusikwerk Quadro G-Dur des 1763 gestorbenen Johann Gottlieb Janitsch strahlt eine besondere Spielfreude, Glanz und Helligkeit aus. „Die Hinwendung zum Feinen, Verästelten, Ornamentierten, Delikaten“, erklärt Dorothee Oberlinger, „fand sich in der Musik wieder, die dem Ausdruck der Gefühle gegenüber einer mathematisch fundierten Kontrapunktkunst die neue Vorherrschaft einräumte.“

D HM/Sony Music CD 88875134062


TOP 20 KLASSIK-CHARTS FEBRUAR 2017

2

1

1 NEU

2 NEU

New Year‘s Concert 2017 / Neujahrskonzert 2017 Gustavo Dudamel & Wiener Philharmoniker

11 Sony Classical

Sony Classical

3

Dolce Vita

1

Jonas Kaufmann

4

Bach: The Complete Keyboard Works

NEU

11

12

Elbphilharmonie First Recording Thomas Hengelbrock & NDR Elbphilharmonie Orchester

3

2

13 Sony Classical

Zuzana Růžičková

NEU

14

Erato

NEU

Philippe Jaroussky

Erato

Jubilo – Fasch, Corelli, Torelli & Bach Alison Balsom

Warner Classics

Ein feste Burg ist unser Gott Vox Luminis, Lionel Meunier & Bart Jacobs

Ricercar

My World Nigel Kennedy

Neue Meister

5

Elements

4

Ludovico Einaudi

6

Transcendental – Daniil Trifonov Plays Franz Liszt

7

Daniil Trifonov

7

Nessun dorma – The Puccini Album

17

Sol Gabetta Live

5

Jonas Kaufman

12

Sol Gabetta

8

Three Worlds: Music From Woolf Works

18

Bruckner: The Complete Symphonies

NEU

9 NEU

Max Richter

15

Bach & Telemann: Sacred Cantatas

We Love Music

16 DG

Sony Classical

DG

Sony Classical

10 Verismo 3

WE

NEU

19

Sacred Duets Valer Sabadus, Nuria Rial, Kammerorchester Basel

6

8

20

Anna Netrebko

9 DG

New York Rhapsody Lang Lang

Sony Classical

Neujahrskonzert: Die gesamten Werke Wiener Philharmoniker

Sony Classical

Sony Classical

Daniel Barenboim & Staatskapelle Berlin

DG

Johann Sebastian Bach: The French Suites Murray Perahia

DG

Notte Magica – A Tribute To The Three Tenors Il Volo

Die offiziellen Deutschen Klassik-Charts werden von GfK Entertainment im Auftrag des Bundesverbandes Musikindustrie e.V. ermittelt. Basis der Top 20 sind die Verkaufs- bzw. Nutzungsdaten von Klassik-Alben im Zeitraum 06.01.– 02.02.2017

Masterworks

klassikerleben 15


CHRISTIAN GERHAHER & MARTIN WALSER DIE SCHÖNE MAGELONE VON J. BRAHMS Der Bariton Christian Gerhaher hat zusammen mit seinem langjährigen Klavierpartner Gerold Huber die „Schöne Magelone“ in einer eigens für ihn entstandenen neuen Textfassung aufgenommen. Sie stammt vom bedeutenden deutschen Schriftsteller und Büchner-Preisträger Martin Walser, der in der Neuaufnahme der Lieder auch in der Rolle des Sprechers der Zwischentexte zu hören ist.

Ab 3. März im Handel


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