Sommer 2016
klassikerleben
Empfehlungen des Klassikfachhandels
Nikolaus Harnoncourt • Philippe Jaroussky • Glauco Venier Cappella Gabetta • Jordi Savall • Anna Prohaska u. v. a. klassikerleben.de
EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, die Oper dominiert in diesen Sommermonaten den Neuerscheinungsmarkt mit Aufnahmen der größten Sängerstars. Grund genug, dem Thema ein Special zu widmen, das in dieser Ausgabe ein eigenes Kapitel erhält. Viele CDs und DVDs sind darunter, die viel diskutierte Festivalproduktionen dokumentieren. Eine Oper findet sich aber auch unter den Neuerscheinungen, bei der kein einziger Sänger beteiligt ist. Die attraktive und hochbegabte Akkordeonistin Ksenija Sidorova hat mit einem Orchester sowie Jazz- und Weltmusikern eine Carmen-Adaption bei Universal veröffentlicht, die Bizets Musik ganz neu deutet. Neue Formen und neue Klänge sind auch das Anliegen der Komponisten und Musiker, die das Label Edel in seiner neuen Reihe „Neue Meister“ präsentiert. Und überhaupt ist die Neue Musik ganz stark auf dem Vormarsch. Eine der faszinierendsten Neuheiten der Avantgardemusik hat ECM mit Glauco Veniers „Miniatures“ für Klavier und Schlagzeug auf den Markt gebracht. Wenn wir uns im Repertoire einmal drei Jahrhunderte zurückbewegen, dann sticht die großartige Einspielung der „Music at the Habsburg Court“ der Cappella Gabetta heraus. Einer bestimmten Region ist auch Jordi Savalls neue CD „Granada“ bei harmonia mundi gewidmet. Hier geht es um Musik aus fünf Jahrhunderten vom Hochmittelalter bis in die Neuzeit.
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HIGHLIGHTS: Cappella Gabetta (S. 4), Nikolaus Harnoncourt (S. 5), Jordi Savall (S. 6), Wiener Philharmoniker (S. 6), Glauco Venier (S. 10), Anna Prohaska (S. 12), Philippe Jaroussky (S. 13), Jonas Kaufmann (S. 14) Bleiben Sie auf dem Laufenden und abonnieren Sie unseren Newsletter auf klassikerleben.de
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inhalte und abgedruckte Termine ohne Gewähr BILDNACHWEISE: © Gavin Evans/DG (Sidorova 1), Alexander van Ingen/DG (Sidorova 3), Holger Talinski (Cappella Gabetta 4), Marco Borggreve (Harnoncourt 5), Molina Visuals (Savall 6), Terry Linke (Wiener Philharmoniker 6), Caterina di Perri/ECM Records (Venier 10), Decca/Giovanni De Sandre (Bocelli 11), Chris Valentien (Prohaska 12), Festival d’Aix-en-Provence 2015/ P. Berger – Artcomart (Jaroussky 13), Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath (Thielemann 14), Monika Rittershaus (Kaufmann 14), Michael Gregonowits (Le Nozze Di Figaro 15)
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TITEL
Ksenija Sidorova Carmen schlüpft in ein Akkordeon Carmen-Fantasien und Carmen-Bearbeitungen gibt es viele. Eine Version für Akkordeon und Band, ja sogar für Akkordeon und ein großes Sinfonieorchester, wie sie die lettische Akkordeonistin Ksenija Sidorova auf ihrem DG-Debütalbum hier vorlegt, ist aber ein absolutes Novum. Bizets Opernvorlage mit ihren weltberühmten Melodien dient Sidorova dabei nur als Folie. Es entsteht etwas grundlegend Eigenes, Apartes und Fantastisches. Zuweilen hat man das Gefühl, sich unendlich weit von Bizets Original zu entfernen, dann wieder lenken Motive und Elemente des Werks den Hörer wieder zurück zum eigentlichen Thema des Albums. Unterstützt von Musikern unterschiedlichster Provenienz wie Michael Abramovich, Itamar Doari, Nuevo Mundo und dem Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra schafft Sidorova eine rein instrumentale CarmenFantasie. „Der größte Unterschied zwischen der Oper und meiner Version besteht darin“, erklärt die 28-jäh-
rige Lettin mit russischen Wurzeln, „dass es auf dem Album keine Sängerin gibt. Ich selbst bin Carmen.“ Das Akkordeon nutzt Sidorova als Medium, über das sie als Figur spricht und singt. Das Akkordeon, schwärmt die attraktive Solistin, habe ja Möglichkeiten wie eine Singstimme. Die musikalische Vielfalt der 17 Carmen-Adaptionen kommt vor allem dadurch zustande, dass Sidorova so verschiedene Musiker für dieses Album zusammengetrommelt hat. Einige kommen nämlich aus dem Jazz, andere wieder aus der Weltmusik, wohingegen die Orchesterparts ganz dem klassisch-romantischen Klangbild nacheifern. All das ergibt eine Mischung, die der schwer greifbaren und geheimnisvollen Carmen-Figur sehr nahe kommt. Ksenija Sidorova empfindet Carmen als einen freien und mutigen Geist. „Ich glaube, sie ist genauso stark wie ein Mann“, sagt die Akkordeonistin. „Sie ist sehr temperamentvoll und wie ein Wirbelsturm der Gefühle.“
D eutsche Grammophon/Universal Music CD 4795224
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NEUERSCHEINUNGEN Cappella Gabetta Schätze und Ersteinspielungen Wer einmal die Wiener Hofburg, die Schlösser Schönbrunn und Belvedere besucht, erhält einen Eindruck von der Pracht der habsburgischen Monarchie. Die Förderung der Musik, aber auch das Sammeln von Kunstgegenständen gehörte seit dem 16. Jahrhundert zu den großen Leidenschaften der Habsburger. Für viele Barockkomponisten wie den Italiener Angelo Ragazzi oder die Wiener Joseph Umstatt und Joseph Timmer kam eine Mitgliedschaft in der Wiener Hofmusikkapelle zur Zeit Karls VI. von Habsburg einem Ritterschlag gleich. Wer in diesem Ensemble eine Anstellung fand, hatte den Durchbruch geschafft. Werke, die die Wiener Hofmusikkomponisten für die mächtigsten Herrscher Europas im 18. Jahrhundert anfertigten, stellt die von Sol Gabetta und ihrem Bruder gegründete Cappella Gabetta unter Leitung des Barockgeigers Andrés Gabetta teil-
weise in Ersteinspielungen auf ihrer neuen CD vor. Auch Vivaldi hatte sich in Wien einst mit dem Violinkonzert „La Cetra“ RV 358 beworben, das Andrés Gabetta hier zauberhaft als Solist und Dirigent in Personalunion spielt. Obwohl Vivaldi später so berühmt wurde, konnte er die Gunst der Habsburger nicht erringen. Hochvirtuos sind Ragazzis Violinkonzerte mit dem irreführenden Titel Sonata à 4 und das in einer Weltersteinspielung enthaltene Concerto à 5 von Joseph Timmer. Viele Manuskriptvorlagen dieser CD lagern in der Österreichischen Nationalbibliothek.
S ony Classical CD 88875194662
Andris Nelsons und das Boston Symphony Orchestra Schostakowitsch: Sinfonien 5, 8 und 9
Schostakowitschs Sinfonie Nr. 5 op. 47 aus dem Jahr 1937 kann als Ausdruck tiefer, quälender Gedanken aufgefasst werden, die sich die Menschen in einer von Angst geprägten Zeit machten. Erstmals treten hier die vielschichtigen Bindungen Schostakowitschs auch zu Komponisten der Vergangenheit wie Bach und Beethoven auf, was Andris Nelsons in seiner Aufnahme mit dem Boston Symphony Orchestra packend zum Ausdruck bringt. Jene Werke aus der Zeit, in der Schostakowitsch seine Rolle unter dem Joch des Diktators Stalin suchen sollte, sind das Thema der Reihe „Under Stalin’s Shadow“. Erst acht Jahre nach der 1945 vollendeten 9. Sinfonie sollte mit Stalins Tod 1953 eine große Last von Schostakowitschs Schultern fallen.
Deutsche Grammophon/Universal Music 2CD 4795201
Netrebko, Bartoli, Kaufmann u. a. Gala der Stars Wer nicht persönlich von der New Yorker Met an die Wiener Staatsoper mit einer Zwischenstation an der Scala und am Royal Opera House in London reisen will, um die größten Sängerstars unserer Tage zu hören, dem sei das aktuelle Doppelalbum „Gala der Stars“ wärmstens empfohlen. Cecilia Bartoli singt hier ihre ganz persönliche „Casta Diva“ aus Bellinis „Norma“, Jonas Kaufmann brilliert als Tamino in der „Zauberflöte“, und Anna Netrebko stimmt das bewegende „Lied an den Mond“ aus Dvořáks „Rusalka“ an. Zum Dahinschmachten geeignet ist Elīna Garančas „Mon coeur s‘ouvre à ta voix“ aus Camille Saint-Saëns’ Oper „Samson et Dalila“. Aber auch berühmte Opernchöre mit dem Coro del Teatro alla Scala di Milano oder dem Ambrosian Opera Chorus fehlen nicht.
Deutsche Grammophon/Universal Music 2CD 002894825788
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NEUERSCHEINUNGEN Nikolaus Harnoncourt Seine letzte Aufnahme Die Aufführungen von Beethovens „Missa solemnis“ unter Nikolaus Harnoncourts Leitung bei den Salzburger Festspielen und beim styriarte-Festival in Graz im Sommer 2015, wo auch dieser Live-Mitschnitt entstanden ist, sind ein Vermächtnis des im März dieses Jahres verstorbenen Dirigenten. Aus gesundheitlichen Gründen hatte Harnoncourt im Dezember 2015 seinen Abschied von der Bühne genommen und auch die geplante Gesamtaufnahme der Beethoven-Sinfonien mit dem Concentus Musicus Wien nicht mehr vollenden können. Beethovens „Missa solemnis“ nun, die wegen ihrer irritierenden Kompromisslosigkeit und ihrer für alle Singstimmen exorbitanten Anforderungen zu Recht gefürchtet ist, klingt bei Harnoncourts Altersaufnahme schon etwas anders als 1988, wo er das Stück einst zum ersten Mal bei der Schubertiade in Hohenems ebenfalls unter Beteiligung des Arnold Schönberg Chors
aufgeführt hatte. Harnoncourt lässt die gewollten Brüche in diesem Werk, das Kantige, das radikal Losgelöste und Eigenwillige ganz aus eigener Kraft wirken. Neben der Verwendung eines rein historischen Instrumentariums hält er sich streng an Beethovens dynamische Vorgaben, sucht aber noch entschlossener nach Verinnerlichung und Ruhe als in jeder früheren Produktion. Es ist ein altersweiser Beethoven, bei dem Harnoncourt auf alles Plakative verzichtet, den Klang verschlankt und das Archaische dieser Musik ungefiltert zur Geltung kommen lässt.
S ony Classical CD 889853135929
Kožená, Quasthoff, Polenzani, Rost, Levine, Bronfman Brahms: Lieder & Liebeslieder Waltzes
Die kühle und dennoch zutiefst innige Distanz der Brahmsschen Liebeslieder mag die Mezzosopranistin Magdalena Kožená ganz besonders. Die Fünf Ophelia-Lieder WoO 22 von Brahms singt sie auch gern in der Fassung mit Streichquartett. Darauf hat sie bei diesem Album allerdings verzichtet. Unterstützt von Thomas Quasthoff, der ungarischen Sopranistin Andrea Rost und dem amerikanischen Tenor Matthew Polenzani hat sie hier mit den Pianisten James Levine und Yefim Bronfman Ausschnitte aus den Liedern und Gesängen op. 32 und 63, den Fünf Gedichten op. 19 und den Sechs Liedern op. 86 aufgenommen. Ein Genuss sind die gemeinsam gesungenen Liebeslieder-Walzer op. 52 aus Daumers Sammlung internationaler Volksdichtungen „Polydora“.
Deutsche Grammophon/Universal Music CD 4796044
Cameron Carpenter All You Need Is Bach Bachs Musik ist für jeden Organisten nun einmal der Gipfel aller Kunst. Auch für den jungen Amerikaner Cameron Carpenter, der auf seiner Sony-Debüt-CD „If You Could Read My Mind“ 2014 zunächst nur zwei kurze Bach-Titel, sonst aber eigene Arrangements unter anderem von Stücken Leonard Cohens oder Astor Piazzollas aufgenommen hatte. Jetzt war es an der Zeit zu zeigen, wie Französische Suiten oder ein Contrapunctus aus der „Kunst der Fuge“ auf der extra für Carpenter gebauten digitalen International Touring Organ klingen würden. Das Ergebnis ist frappierend schön und macht den ehrwürdigen Kirchenorgeln Konkurrenz. Carpenters raffinierte Melange des Beatles-Klassikers „All You Need Is Love“ mit Bachs Invention Nr. 8 schließlich ist eine Art persönliches Bekenntnis.
Sony Classical CD 88875178262
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NEUERSCHEINUNGEN Jordi Savall Ein halbes Jahrhundert Granada Die musikalische Erforschung seiner spanischen Heimat steht für den katalanischen Musikwissenschaftler, Gambisten und Gründer der Capella Reial de Catalunya nun einmal im Zentrum seines Interesses. Ganz aktuell rekonstruierte Savall im Rahmen eines ausgedehnten Kulturprojekts die Reiseroute des katalanischen Gelehrten und Ritters Ramon Llull aus dem 13. Jahrhundert, der unter dem damaligen König Jakob I. von Aragón für die Eroberung der damals sarazenisch beherrschten Balearen gekämpft hatte und als Troubadour die musikalischen Schwerpunkte am Hof Jakobs bestimmte. Die Musik dieser Zeit und ihre vielfältigen historischen Bezüge sind auch das Thema des neuen Projekts „Granada“ der beiden von Savall geleiteten Ensemble Hesperion XXI und La Capella Reial de Catalunya. Der fokussierte Zeitraum umfasst mehr als ein halbes Jahrhundert
und ermöglicht die Begegnung mit Musik aus Granada von 1013 bis 1526. Schon allein die eingespielten Titel wie „Lamento andalusí Maqam hijaz“ von Ibn Zydun aus dem 11. Jahrhundert, „Siónida: Yefe Nof“ von Yehudá Halevi oder die „Cantiga de Santa María“ von Alfonso X El Sabio zeigen, dass es hier kaum nur um christlich geprägte Musik geht. Granada war eine Region, in der sich drei monotheistische Religionen auch künstlerisch nebeneinander entfalten konnten. Enthalten sind auch rezitierte Texte aus dem „Diario de abordo de Cristóbal Colón“, dem großen Kolumbus.
A lix Vox/Harmonia Mundi SACD AVSA9915
Wiener Philharmoniker Französische Sommernacht Es war ein Novum dieses Sommers, dass das seit 2004 jährlich stattfindende „Sommernachtskonzert“ der Wiener Philharmoniker im Schlosspark Schönbrunn, das 2016 von Semyon Bychkov geleitet wurde, zum ersten Mal bei freiem Eintritt für rund 100.000 Besucher gegeben wurde. Ebenfalls neu war auch die Live-Übertragung des ORF nach London, Bukarest, Madrid und Monza im Rahmen eines Public Viewing. Ein Wiedersehen gab es bei diesem Konzert auch mit den Schwestern Katia und Marièlle Labèque, die sich das farbenreiche Konzert für zwei Klaviere und Orchester d-Moll FP 61 des 1963 verstorbenen französischen Komponisten Francis Poulenc ausgewählt hatten. Es ist ein Werk voll bizarr-grotesker Virtuosität, Esprit und Abwechslungsreichtum, das seinen Hang zur Heiterkeit und Ironie trotz der düsteren Moll-Tonart kaum verhehlt. Das rein fran-
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zösische Repertoire dieses Sommernachtskonzerts 2016 ergänzten die Wiener Philharmoniker durch Georges Bizets munteren Klassikhit „Farandole“ aus der Suite „L‘Arlésienne“ Nr. 2 und den wuchtigen Rákóczy-Marsch aus „La Damnation de Faust“ op. 24 von Hector Berlioz. Für zartere Töne sorgte die auf der antiken Sage zweier Findelkinder und ihrer Liebe zueinander beruhende 2. Suite aus „Daphnis und Chloé“ von Maurice Ravel. Klar, dass zu einem Anlass wie dem Sommernachtskonzert Ravels „Bolero“ dann natürlich nicht fehlen durfte.
Sony Classical CD 889853135424/Blu-ray Disc 889853135899/DVD 889853135790 Blu-ray und DVD ab dem 01.07. erhältlich.
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NEUERSCHEINUNGEN
Edel:Kultur Neue Meister im Anmarsch
Und da soll noch mal einer sagen, die Avantgarde unserer Tage hätte es schwer in der Gunst der großen Tonträgerproduzenten? Mit seiner exklusiven Reihe „Neue Meister“ widmet sich Edel nun der jungen Komponistengeneration von heute. Präsentiert wird aber nicht nur die akademisch-experimentelle Neue Musik und ihr vielgescholtener Elfenbeinturm, den nur Spezialisten und Kenner unter den Hörern zu erklimmen bereit sind. Nein, hier geht es um Vielfalt ohne Grenzen. Um eine Neue Musik, die um ihrer selbst willen gut und hörenswert ist und die es verdient, ein großes Publikum zu erobern. Unter dem Albumtitel „Berlin“ haben Henrik Schwarz, Johannes Motschmann, Max Richter, Paul Frick, Federico Albanese und Fabian Russ im Februar 2016 die Reihe mit ungeheurer Vielfalt eröffnet. Im Sommer nun folgt das Album „Crossing Borders“ mit Musik von Christian Jost, dem
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Pianisten und Komponisten Fazil Say, Gilad Hochmann, einem Uraufführungsmitschnitt von Matthew Herbert und Sven Helbigs elektronischen Stücken. Im November dann wird „Inspired by ...“ mit Ben Palmer, Arash Safaian, Sebastian Knauer, Chilly Gonzales und Francesco Tristano herauskommen. Christian Kellersmann, der Kreativdirektor von Edel:Kultur, sagt: „In den letzten Jahren hat sich abseits der etablierten Festivals für Neue Musik eine sehr kreative und spannende Komponistenszene entwickelt. Diese zeichnet sich durch Offenheit und Originalität, gepaart mit hohem Qualitätsanspruch, aus. Komponisten und Künstler von Max Richter oder Francesco Tristano über Nils Frahm, Ludovico Einaudi und Gonzales bis hin zu Arvo Pärt, Fazil Say oder Christian Jost läuten eine neue Ära ein. Diese Namen sind der Anfang einer neuen Entwicklung.“ Parallel zu den Veröffentlichungen veranstaltet Edel:Kultur gemeinsam mit dem Deutschen Kammerorchester 2016 drei „Neue Meister“-Abende im „DRIVE. Volkswagen Group Forum“ in Berlin.
Neue Meister/Edel CD 0300685NM/ LP 0300706NM/CD 0300759NM/CD 0300707NM/ CD 0300700NM/LP 0300708NM/LP 0300778NM
NEUERSCHEINUNGEN Glauco Venier Verträumte Klangwelt Die Einbindung von Schlagzeuginstrumenten in der Kammermusik unserer Tage hat mittlerweile viele neue Klänge hervorgebracht. Die Klangräume und -mischungen, die der bereits mit einem Grammy ausgezeichnete italienische Jazzpianist und Schlagzeuger Glauco Venier auf seinem neuen Album „Miniatures“ präsentiert, sind noch einmal anspruchsvoller, ungewohnter, überraschender und faszinierender. Ausgestattet mit Glocken, Gongs und metallischen Schlagwerkinstrumenten schafft Venier eine teilweise sphärische, auch mal verträumte und stets sich verwandelnde Klangwelt. Das Klavier konterkariert die Schlagzeugklänge, ist aber meist für die melodische Linie verantwortlich. Außermusikalische Bezüge vermeidet Venier keineswegs. Da gibt es einen Track mit dem auf den großen Renaissancemaler bezogenen Titel „Tizian’s Paintings“ oder einen Titel „Byzantine
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Icon“. Keineswegs ist es zwingend, die Inhalte oder programmatischen Ideen dahinter auch zu kennen. Die musikalischen Strukturen erschließen sich bei „Prayer“, „Madba“ oder „Krunk“ ganz von allein. Veniers Background im Jazz bestimmt vor allem den harmonischen Aufbau mancher Stücke. Man sollte sich aber hüten, den Komponisten und Pianisten in irgendeine Schublade stecken zu wollen. Das hat Glauco Venier ja bereits in seiner Zusammenarbeit mit dem Klarinettisten Klaus Gesing und der Sängerin Norma Winstone eindrucksvoll bewiesen.
E CM/Universal Music CD 4780266
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NEU AB 01.07.2016 The Playfords Luther tanzt
Martin Luther liebte gutes Essen, fröhliche Gesellschaft und Melodien, die er dem Volke abhorchte und dank seiner musikalischen Bildung in Lieder und Choräle der Reformation verwandelte. Er selbst war ein geübter Lautenist und hatte fleißig den Kontrapunkt studiert. Das Spezialistenensemble für Renaissance- und Frühbarock-Tanzmusik The Playfords singt und spielt auf seiner neuen CD „Luther tanzt“ aber nicht nur Luther-Originale wie „Ein feste Burg ist unser Gott“ oder „Die beste Zeit im Jahr ist mein“, sondern auch andere Lieder der damaligen Zeit wie „Es ist alles eitel“ von Andreas Gryphius oder „Innsbruck, ich muss dich lassen“ von Heinrich Isaac. Dass es mit Chitarrone und Schlagwerk dabei auch mal ausgelassen zugeht, ist ein typisches Merkmal der Reformationsmusik.
DHM/Sony Classical CD 889853052820
NEU AB 26.08.2016 Mahan Esfahani Goldberg Variations
Die Goldberg-Variationen seien unter wenigen Werken, die völlig zeitlos und unabhängig von jedem Ort komponiert wurden, nun einmal auch eines, das eine Art Fahrplan für den Hörer wirklich benötige, sagte der iranische Cembalist Mahan Esfahani einmal. Wer diesen Fahrplan kennt, wird bei seiner unerhört geistreichen Interpretation umso mehr spüren, wie intensiv er sich damit auseinandergesetzt hat. Mit großer Leichtigkeit und einer lebendigen Fantasie spielt er die einzelnen Teile auch in dem festen Entschluss, sowohl die Kontraste als auch ihre inneren Beziehungen zueinander äußerst fein herauszuarbeiten. Auch wenn Bachs Musik kaum außermusikalische Gedanken transportiere, so Esfahani, lasse dieses Werk doch keinen Zweifel an einer tiefen inneren Botschaft.
Deutsche Grammophon/Universal Music CD 4795929
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OPERN-SPECIAL
Zeit für Oper – Unser Special zur Opern-Saison Wenn die Opernhäuser zur Sommerpause ihre Pforten schließen, beginnt die Zeit der großen Sommerfestivals. Bei den Salzburger Festspielen 2016 stehen sogar ein zeitgenössisches Werk, die im Auftrag des Festivals komponierte Oper „The Exterminating Angel“ von Thomas Adès, eine Neuinszenierung von Charles Gounods „Faust“, die seltener gespielte Oper „Die Liebe der Danae“ von Richard Strauss und konzertant Puccinis „Manon Lescaut“ auf dem Programm. Bei den Bayreuther Festspielen freut man sich auf die Neuinszenierung des „Parsifal“. Außerdem steht Christian Thielemann wieder am Pult des Festspielhauses am Grünen Hügel bei dem von Katharina Wagner inszenierten Musikdrama „Tristan und Isolde“. Universal veröffentlicht den Bayreuther „Tristan“, der im vergangenen Jahr Premiere hatte, nun auf DVD und Blu-ray. Auch die Salzburger Festspiele finden sich unter den Neuerscheinungen dieses Sommers. Adrienne Pieczonka als Leonore und Jonas Kaufmann als Florestan brillieren in Claus Guths
ziemlich besonderem, weil völlig ohne gesprochene Dialoge inszeniertem „Fidelio“. Ein tragischer Held, wenn auch unter ganz anderen Voraussetzungen als Florestan, ist der Ägypter Radames in Verdis „Aida“, den Andrea Bocelli in einer spektakulären Gesamtaufnahme unter Zubin Mehtas Leitung nun produziert hat. Eine wahre Starbesetzung wie diese Produktion bietet auch die Gesamtaufnahme von Mozarts „Le Nozze di Figaro“ von den Festspielen Baden-Baden mit Weltstars wie Christiane Karg, Sonya Yoncheva, Thomas Hampson und Rolando Villazón. Eine exklusive Raritätensammlung stellt Anna Prohaskas neues Album „Serpent & Fire“ dar. Geschickt hat die Koloratursopranistin Arien barocker Frauengestalten ausgewählt, die verschiedene Komponisten aufgegriffen haben. Last but not least ist Philippe Jarousskys Neuproduktion von Händels „Alcina” in einer kunterbunten Inszenierung von Katie Mitchell ein heißer Tipp unter den Sommerneuheiten.
Andrea Bocelli Ein Radames der Seele Mit Maestro Zubin Mehta hatte Andrea Bocelli bereits zur Jahrtausendwende eine Verdi-CD veröffentlicht, die alle Kenner der italienischen Oper nur so schwärmen ließ. Die „Aida“ an der Seite der umwerfend singenden Partnerinnen Kristin Lewis und Veronica Simeoni sowie dem Orchestra Del Maggio Musicale Fiorentino unter Mehtas Leitung ist nun ein echter Meilenstein in Bocellis Diskografie. So zart, so hinreißend verletzlich, aber auch so kraftvoll strahlend bekommt man die Arie „Celeste Aida“ nur selten zu hören. „Leidenschaft ist das Feuer, das das Leben entfacht“, sagte der blinde Tenor, der die Herzen bewegt, einmal im Interview. „Ohne Leidenschaft geht gar nichts, dann steht man nur in der Ecke.“ Die Kunst ist es nun aber ja, die Leidenschaft auch so deutlich werden zu lassen, dass sie sich ohne Verluste auf das Publikum überträgt, und sie genau dosiert. Gerade die Partie des Radames, der seine erfolgreiche Karriere als Feldherr der großen Liebe zur äthiopischen Königstochter Aida opfert, ist mehr als heikel. Schließlich geht es ja dauernd darum, die innere Gebrochenheit des Mannes und seine
zwischen Pflicht und Hingabe schwankende Zerrissenheit darzustellen. Bocellis berührend zarte Töne und der unvergleichliche Schmelz seiner Stimme treffen die Seele unmittelbar. Eindrucksvoll agiert neben den großartig besetzten Solopartien auch der Coro del Maggio Musicale Fiorentino.
Deutsche Grammophon/Universal Music 2CD 4830075 – ab 22.07. erhältlich
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OPERN-SPECIAL
Anna Prohaska Auf den Spuren großer Damen der Antike Die österreichischbritische Koloratursopranistin Anna Prohaska hat sich für ihr aktuelles Album „Serpent & Fire“ barocke Arien ausgewählt, die aus berühmten Frauengestalten der Antike gewidmeten Opern Händels, Graupners, Purcells oder Hasses stammen. Dabei lassen sich sogar zwei Opernausschnitte, die der karthagischen Königin Dido gewidmet sind, direkt miteinander vergleichen. Mit seiner knapp einstündigen Oper „Dido and Aeneas“ hatte Henry Purcell die in der Operngeschichte wohl kürzeste Adaption des Stoffes geschaffen. Innig und ergreifend singt Prohaska die Schlussarie der vom Trojaner Aeneas verlassenen und dem Tod geweihten Königin „Denk an mich zurück, doch vergiss mein Schicksal“. Es ist ein Flehen, aber auch ein Bekenntnis, das im inneren Ohr und im Herzen noch lange nachklingt. Und es ist eine Dido-Arie, die sich von Christoph Graupners
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heiter gestimmter, lebendiger Arie „Holdestes Lispeln der spielenden Fluten“ aus seiner Oper „Dido, Königin von Karthago“ deutlich unterscheidet. Das Anna Prohaska begleitende Barockensemble Il Giardino Armonico unter Giovanni Antonini verleiht dieser Musik eine packende Akzentuierung und Dynamik und natürlich eine Phrasierung nach allen Regeln historischer Aufführungspraxis. Mit einer tänzerischen Blockflötenmelodie beginnt die entschlossen gesungene Arie „Non voglio amar“ aus Antonio Sartorios Oper „Giulio Cesare in Egitto“, einem Sujet, dem sich ja auch Händel zugewandt hatte. Wie immer bei Händel bebt das musikalische Geschehen in den Arien „Che sento“ und „Se pieta“ aus seinem Cesare-Drama förmlich, und der Sängerin wird Raum gegeben, ihr ganzes Leiden und Lieben mit Inbrunst zum Ausdruck zu bringen. Arien aus Matthew Lockes Oper nach Shakespeares unverwüstlicher Vorlage „The Tempest“ und die Arien „A Dio regnio“ aus der Oper „La Cleopatra“ vom Venezianer Daniele da Castrovillari zeigen darüber hinaus Prohaskas unglaubliche Ausdrucksvielfalt.
A lpha/note 1 music CD ALP250
OPERN-SPECIAL
Händels „Alcina“ mit Philippe Jaroussky Auf der Zauberinsel im Plüschbett Lebendiger kann man Händels von einer gefährlichen, männermordenden Zauberin handelnde Oper „Alcina“ wirklich kaum inszenieren, als es die britische Regisseurin Katie Mitchell in einer Produktion des Festivals Aix-en-Provence 2015 getan hat. Alcinas Zauberinsel irgendwo im Mittelmeer im frühen Mittelalter versetzt Mitchell in ein neobarockes Ambiente. Wir befinden uns in einem plüschig eingerichteten Schlafzimmer, in dem ein riesiges Ehebett mit aufgeschlagenen Federkissen und Kerzenleuchter an den Wänden die Hauptrequisiten sind. Viel Wirbel entsteht um den Ritter Ruggiero, den kein Geringerer als der Countertenor Philippe Jaroussky singt. Mit der Alcina-Interpretin Patricia Petibon wälzt er sich in besagtem Bett, umgeben von Heerführern, weiteren Rittern, Zauberwesen und Geistern der Unterwelt.
Das kann Ruggieros Braut Bradamante (Katarina Bradic) natürlich nicht gefallen. Auch sie besitzt Rittermut und hat sich aufgemacht, ihren Geliebten zu retten. In Mitchells wunderbarer Inszenierung wird nicht mit bunten Kostümen und Turbulenz gespart. Zuweilen entblößt sich da eine der Schönheiten bis auf die Unterwäsche, denn der Rausch der Verführung ist eines der Hauptmotive dieser Inszenierung. Philippe Jaroussky ist ganz brav und förmlich in eine Uniform des ausgehenden 19. Jahrhunderts gehüllt. Was aber auch nichts daran ändert, dass sich wilde Leidenschaft genauso wie menschliche Abgründe ungehindert Bahn brechen. Ein ausgestopfter Puma im Schaukasten soll die Atmosphäre der sagenumwobenen Zauberinsel nicht ohne Ironie andeuten. Händels mitreißende Musik liegt beim Freiburger Barockorchester und dem begleitenden Chor MusicAeterna neben den hochkarätig besetzten Solistenpartien natürlich in besten Händen. Für Jaroussky bedeutet diese einst für den Kastraten Giovanni Carestini geschaffene Partie einen weiteren Meilenstein im Bereich der Barockoper.
Erato/Warner Classics Blu-ray Disc 9029597435/DVD 9029597436
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OPERN-SPECIAL Christian Thielemann und das Bayreuther Festspielorchester An der Seite der Urenkelin Acht Jahre hatte Katharina Wagner, die Urenkelin Richard Wagners, nach ihrer Inszenierung der „Meistersinger von Nürnberg“ am Grünen Hügel verstreichen lassen, bevor sie sich mit einer Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ in Bayreuth 2015 wieder aus der Deckung wagte. Eine Inszenierung müsse man spüren, hatte sie im Interview einmal gesagt, und meinte damit, dass keineswegs nur der Kopf dabei leiten solle, sondern vor allem das Herz. Welche WagnerOper eignet sich besser dazu, dies in die Tat umzusetzen, als ausgerechnet „Tristan und Isolde“? Das Drama um zwei Liebende, die nicht zueinander finden dürfen, der Macht der Gefühle aber unterlegen sind, brachte Wagner aus einem sehr femininen Betrachtungswinkel auf die Bühne. Ihr König Marke (Georg Zeppenfeld) ist kein leidender Verschmähter, sondern ein brutaler Macho, Glenn Gould singt den Tristan mit ungebrochen männlicher Attitüde und Evelyn Herlitzius’ Isolde ist einfach nur ergreifend. Der berühmte 2. Aufzug spielt nicht auf der Burg von Cornwall, sondern in einem Kerker
voller eiserner Jungfrauen. Christian Thielemann am Pult des Bayreuther Festspielorchesters erlebte eine Sternstunde seiner Karriere. In großen Bögen und voller Kontraste schuf er sowohl ein pastoses, zu wuchtigen Steigerungen stets bereites Klangbild als auch fast schon impressionistische Farbmischungen.
Deutsche Grammophon/Universal Music Blu-ray Disc 0735254/2DVD 0735251 – ab 08.07. erhältlich
Jonas Kaufmann Fidelio Claus Guths „Fidelio“-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen 2015 gehört wohl zu den radikalsten und aufregendsten der jüngeren Zeit. Die oft lähmenden, holprigen Sprechdialoge hatte der Regisseur gleich ganz gestrichen und durch wummernde Geräuscheinblendungen ersetzt, die Beethovens Hörwahrnehmung während der Arbeit an seiner einzigen Oper andeuten sollten. Als neun Jahre nach der Uraufführung die überarbeitete Fassung seines „Fidelio“ 1814 zur Uraufführung kam, benutzte Beethoven bereits Hörrohre. Neben Adrienne Pieczonka als Leonore war Jonas Kaufmann der umjubelte Star der Salzburger Produktion. Sein im Kerker dahinsiechender Florestan wirkt zutiefst gebrochen. Kaufmann singt ihn ohne jede Heldenattitüde, und doch ist der Wunsch des Leidenden nach Freiheit in jedem Ton spür- und nachvollziehbar. Hell und schlank klingt Kaufmanns Stimme auch in
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den heiklen Höhen dieser gefürchteten Partie. „Die Welt“ schrieb voller Begeisterung über Kaufmanns hochsensible Anlage: „Kaufmann verströmt strahlendes Sängerglück“. Großen Anteil am Erfolg dieser Aufnahme haben aber auch die Wiener Philharmoniker, die unter Franz Welser-Möst zu einem wunderbar leichten, schon in der Ouvertüre fast schwebend entrückten Beethoven-Klangbild finden. Michael Beyer fängt mit seiner Kameraführung bei dieser DVD-Liveaufnahme die drastischen Schwarz-Weiß-Kontraste der Bühne ein, zu denen auch klug erdachte Licht- und Schatteneffekte gehören.
Sony Classical Blu-ray Disc 88875193529/2DVD 88751935198 – ab 08.07. erhältlich
OPERN-SPECIAL
Karg, Yoncheva, Villazón, Hampson, Von Otter, Nézet-Seguin, u.v.a. Festspiel-Figaro mit Starbesetzung Mozarts „Le Nozze di Figaro“ sei eine Oper, die nur so abschnurre wie ein Uhrwerk, schrieb einmal „Die Welt“. Schon in den ersten Takten der Ouvertüre wird klar, dass man sich auf ein spritziges, übermütiges Stück einzustellen hat. Die oft knappen und pointierten Arien, Duette und Ensembles der ironiegeladenen Oper um Täuschung, Eheglück, Betrug und Leidenschaft treiben die Handlung unentwegt voran. „Le Nozze di Figaro“ ist ein Ensemblestück par excellence und eines der dichtesten und schnellsten Werke der Opernliteratur überhaupt. Bei aller Leichtigkeit und Ungezwungenheit des Sujets indessen sind die technischen Herausforderungen der Sängerpartien exorbitant hoch. Bei der konzertanten Aufführung des Werks im Rahmen der Festspiele Baden-Baden in Kooperation mit der Deutschen Grammophon im Juli 2015 sang die Rolle der Gräfin Almaviva die unvergleichliche Sonya Yoncheva.
Der Figaro war mit Luca Pisaroni besetzt, und einen markigen Grafen Almaviva bot Thomas Hampson. Neben Christiane Karg als Susanna und Anne Sofie von Otter als Marcellina brillierte Rolando Villazón in der Rolle des Basilio. Seit 2011 hat sich Rolando Villazón intensiv mit Mozart beschäftigt und zum Beispiel große Partien in „Il re pastore“, „Don Giovanni“ und Ferrando in „Così fan tutte“ gesungen. Zu der ungebrochenen Turbulenz der Produktion tragen aber vor allem das bestens aufgelegte Chamber Orchestra of Europe unter Yannick Nézet-Séguins Leitung bei. „Ein rundum zupackender, kontrastreicher Mozart, mit extremen Schärfen, aber auch wieder – zumal bei den Violinen – zartesten Klängen“, kommentierte die „Badische Zeitung“ nach der ersten Aufführung. „Die aberwitzig schnell gespielte Ouvertüre ist eine einzige Burleske.“ Er beeile sich stets, über alles zu lachen, um nicht gezwungen zu sein, darüber zu weinen, sagte verschmitzt der Dichter Beaumarchais, der im Klima der bevorstehenden Französischen Revolution das provokante FigaroStück einst geschaffen hatte, was Lorenzo da Ponte dann für Mozart in ein geniales Libretto verwandelte.
Deutsche Grammophon/Universal Music 3CD 4795945 – ab 08.07. erhältlich
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