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Amnesty Ukraine: So lebe und arbeite ich im Krieg

So lebe und arbeite ich im Krieg

Kateryna Mitieva, Medienbeauftragte von Amnesty International Ukraine, ist auch nach dem russischen Angriff im Land geblieben. Sie dokumentiert nun Kriegsverbrechen. Ihre Situation hat die Amnesty-Koordinationsgruppe Belarus/Ukraine Ende April protokolliert.

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Ich erinnere mich an den ersten Tag des Krieges. Es war 6 Uhr morgens, als mich ein Anruf weckte. Statt ihn zu beantworten, las ich Nachrichten und stellte schockiert fest, dass der Krieg begonnen hatte. Ich war darauf nicht vorbereitet. Als ich auf den Straßen Kiews unterwegs war, sah ich viele Menschen mit Taschen und Haustieren. Da war ein hohes Maß an Angst spürbar, alles war ungewiss. Das war auch der Moment, als ich zum ersten Mal Sirenen hörte, die vor einem Luftangriff warnten. Zu Hause suchte ich Kleidung, Geld und Dokumente zusammen. Als ich meine Freundin anrief, sagte sie, sie habe die Stadt bereits verlassen und dass ein weiterer Luftangriff erwartet werde. Ich verbrachte die halbe Nacht mit Freund*innen im Badezimmer, weil wir es für den sichersten Ort in der Wohnung hielten.

Am nächsten Morgen war die Atmosphäre beängstigend, denn es waren kaum Menschen auf den Straßen zu sehen, nur einige in ihren Autos. Ich verließ Kiew und fuhr mit dem Zug in meine Heimatstadt Kropivnitskiy im Zentrum der Ukraine. Seither lebe ich dort. Es ist relativ sicher, aber wir haben schon zwei Luftangriffe erlebt. Einer davon auf den Flughafen, von dem ich nur zehn Kilometer entfernt lebe. Ich hatte Glück, nichts wirklich Schreckliches zu erleben, ich musste keine Kampfhandlungen oder Leichen sehen. Es entbehrt wahrscheinlich jeder

Amnesty kann sich in der Ukraine nicht allen Fällen widmen. Es sind zu viele.

Logik, dass ich geblieben bin. Ich hörte auf mein Gefühl und wollte bei meiner Familie sein. Und ich lebe noch.

Ich analysiere jeden Tag die Nachrichten, und es ist erschütternd, zu sehen, was in der Ukraine passiert und dass einige Städte bereits ausgelöscht sind. Für Amnesty arbeite ich im Presse- und Medienbereich und beantworte Anfragen. In den vergangenen Jahren haben wir insbesondere zu geschlechtsspezifischer Gewalt gearbeitet, zu LGBTI+-Rechten und zur Situation auf der Krim. Unser Team ist nun über das ganze Land verteilt, andere halten sich in europäischen Ländern auf. Ich arbeite derzeit überwiegend online, suche nach Augenzeug*innen von Kriegsverbrechen und dokumentiere ihre Aussagen.

Vor dem Krieg gab es Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine, aber die Situation war insgesamt nicht schlecht. Damals waren wir schockiert, wenn etwas passierte, aber jetzt erleben wir täglich Gräueltaten und haben keine Zeit mehr für unsere früheren Themen. Am schrecklichsten ist es für mich zu erfahren, wenn das Leben einfach aufhört. In Butscha und Irpin lagen Leichen auf den Straßen, Zivilist*innen ohne Waffen, und wir hörten von vergewaltigten Frauen. Wir wissen nicht, wie viele Opfer es in Mariupol gibt, aber die Zahlen sind für mich unvorstellbar.

Amnesty kann sich in der Ukraine momentan nicht allen Fällen widmen, es sind zu viele. Stattdessen konzentriert sich Amnesty auf bestimmte Fälle und analysiert Kriegsverbrechen. Alle, die sich derzeit in den von russischen Truppen besetzten Gebieten aufhalten, sind gefährdet. Dort werden beispielsweise Journalist*innen, Bürgermeister*innen und

Möchte zurück nach Kiew, sobald es geht: Kateryna Mitieva.

Geistliche entführt. Zivilpersonen zu entführen, ist ein Kriegsverbrechen, und ich sehe es als unsere Hauptaufgabe an, der Weltöffentlichkeit und dem Internationalen Strafgerichtshof Belege und Beweise zur Verfügung zu stellen.

Ich rufe alle Menschen weltweit dazu auf, Demonstrationen zu besuchen und Druck auf ihre Regierungen auszuüben. Die internationale Gemeinschaft muss die Kriegsverbrechen untersuchen und die Ukraine darin unterstützen, faire Prozesse gegen die Verantwortlichen zu führen.

Ich zähle die Tage, bis ich zurück nach Kiew kann. Unser Leben wird nicht mehr so sein wie zuvor, aber ich hoffe, dass wir unser Land ohne Krieg sehen werden, ohne alltägliche Gräueltaten, ohne das Töten von Menschen. Ich hoffe, dass wir endlich frei sein werden. ◆

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