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Afghanistan: Wirtschaftskrise und Mangelernährung

Ihr Ernteeinnahmen haben sich um die Hälfte reduziert. Mohammed Jawad (links) und andere Bauern in der zentralafghanischen Provinz Bamiyan.

Wie der Ukraine-Krieg den afghanischen Bauern Mohammed Jawad trifft

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Die Herrschaft der Taliban sorgt in Afghanistan für eine Wirtschaftskrise. Und als Folge der Klimakrise bedroht eine lang anhaltende Dürre die Landwirtschaft. Viele Afghan*innen hungern. Text und Bilder von Vincent Haiges

Afghan*innen am afghanisch-pakistanischen Grenzübergang Spin Boldak. Seit der Machtübernahme der Taliban befindet sich das Land in einer schweren ökonomischen und humanitären Krise.

Mohammed Jawad stammt aus der zen tralafghanischen Provinz Bamiyan und ist eigentlich Kartoffel bauer. Seine Arbeit ist saisonal begrenzt, gesät wird im März, geerntet im Oktober, vom Erlös der Ernte ernährt er normalerweise seine vierköpfige Familie auch über die Wintermonate. Doch mittlerweile reichen die Erträge oft nicht mehr für den Winter. Deswegen verkauft er Früchte auf dem lokalen Markt, meist Bananen. Aber auch die kann sich kaum noch jemand leisten. »Niemand kauft mehr Früchte«, stellt Jawad resigniert fest, »die Mittelund die Oberschicht haben das Land verlassen.«

Fast ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban erlebt Mohammed Jawad wie Millionen anderer Menschen in Afghanistan die Auswirkungen einer Wirtschafts- sowie der Klimakrise. Zwar konnte dank der Unterstützung humanitärer Organisationen eine Hungerkatastrophe im vergangenen Winter verhindert werden. Die Ernährungslage bleibt aber

Die derzeitige Dürre gilt als eine der schlimmsten der vergangenen 40 Jahre.

weiterhin schlecht. Nach Angaben des Welternährungsprogramms hat fast die Hälfte der Bevölkerung zu wenig zu essen.

Die Landwirt*innen bekamen schon vor der Machtübernahme der Taliban zunehmend die Folgen der Klimakrise zu spüren. Afghanistan trägt selbst mangels Industrie kaum zum globalen Klimawandel bei, ist aber stark von den Auswirkungen der Erderwärmung betroffen. Während der Temperaturanstieg seit Mitte des 20. Jahrhunderts global bei 0,82 Grad Celsius lag, betrug er in Afghanistan 1,8 Grad. Sturzfluten, Erdbeben und Erd rutsche, häufig ausgelöst von Gletscherschmelzen in den Bergregionen des Landes, sowie Dürren und extreme Temperaturen sind die Folge. Die derzeitige Dürre gilt als eine der schlimmsten der vergangenen 40 Jahre.

Die Auswirkungen sind umso katastrophaler, da ein Großteil der Bevölkerung von der Landwirtschaft abhängig ist. Nach Angaben des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen waren es im Jahr 2018 mehr als 80 Prozent.

In der Vergangenheit konnten sich viele Bäuerinnen und Bauern bei Dürreperioden oder im Winter als Tagelöhne r*in nen über Wasser halten. Doch die meisten dieser Jobs fallen nun infolge der Wirtschaftskrise weg. Bis zur Machtübernahme der Taliban im August 2021 stammten 75 Prozent des Staatshaushalts aus dem Ausland. Doch nach dem Sturz der Regierung stellten die USA und andere Staaten die Zahlungen ein. Viele Arbeitsstellen, die an Entwicklungshilfe gekop pelt oder im Bereich privater Hilfsorganisationen angesiedelt waren, fielen weg. Steigende Arbeitslosigkeit und eine hohe Inflation sind die Folge, hinzu kommen steigende Lebensmittelpreise.

Die Situation in der Ukraine verschärft die Lage. Der Krieg treibt die Preise für wichtige Nahrungsmittel weltweit auf neue Höchststände. Die Ukraine ist der viertgrößte Weizenexporteur der Welt. Doch sind Exporte derzeit weitgehend unmöglich, weil Russland ukrainische Häfen am Schwarzen Meer und Transportwege auf See blockiert. Da Afghanistan mehr Getreide konsumiert als es selbst produziert, ist es auf Importe angewiesen. Der Krieg in der Ukraine trifft den Bauern Mohammed Jawad direkt.

Der folgende Fotoessay dokumentiert die Auswirkungen von Dürre und Wirtschaftskrise auf die Menschen Afghanis tans – von den schneebedeckten Bergen in der nördlichsten Provinz Badakhshan über die Hauptstadt Kabul und das im Zentrum des Landes gelegene BamiyanTal bis zur Stadt Kandahar im Süden. Die Bilder entstanden im Januar 2022 während einer einmonatigen Reise durch Afghanistan. ◆

Patient*innen in einem Flur im Indira-GandhiKinderkrankenhaus in Kabul. Die Anzahl der Fälle von Unterernährung ist seit dem Sommer 2021 stark gestiegen. Die meisten Patien t*innen stammen aus ländlichen Provinzen rund um Kabul. Nach Angaben von Hilfs organisationen hat fast jeder zweite Mensch in Afghanistan derzeit nicht ausreichend zu essen.

Blumenkohl auf einem Markt in Kandahar. In Afghanistan sind Lebensmittel eigentlich ausreichend verfügbar. Wegen der Wirtschaftskrise fehlen vielen Menschen schlicht die finanziellen Mittel, um Nahrungsmittel zu kaufen. Vor allem Grundnahrungsmittel wie Reis und Öl sind teurer geworden.

Frauen warten bei der Ausgabe von Lebens mitteln in Faizabad im Nordosten Afghanistans auf ihre Registrierung. Dank humanitärer Hilfe, wie hier vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, konnte eine Hungerkatastrophe bislang verhindert werden.

Nazzrudin (60) steht in seinem Feld mit 600 Bäumen in Arghandab. Seit 30 Jahren züchtet er Granatäpfel. In dieser Zeit hat er schon drei Dürreperioden erlebt. Jetzt ist es noch trockener, und er kann nur noch weniger als ein Drittel seiner normalen Ernte erwirtschaften. Junge Männer spielen Volleyball im Distrikt Saihang in der Provinz Bamiyan. Viele von ihnen arbeiteten früher für die Regierung, haben aber ihre Arbeit verloren, als die Taliban die Macht übernahmen. Seither haben nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation mehr als eine halbe Million Menschen ihre Stelle verloren. Zahlreiche dieser Jobs hingen von der Anwesenheit internationaler Truppen ab. Viele Angestellte wurden von den Taliban entlassen.

Auf der Suche nach Nahrung treibt der Schäfer Nematullah (40) seine Herde über die Berggipfel in der zentral afghanischen Provinz Bamiyan. Nun finden seine Schafe kaum noch Nahrung. Er muss die Tiere unter Preis auf dem Markt verkaufen.

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