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GUTE PFLEGE
Einem Partner, Familienmitglied oder einer Freundin einer an Brustkrebs erkrankten Frau fällt oft die Rolle der oder des Pflegenden zu. Wir gehen der Bedeutung von Stressmanagement auf den Grund, um “Ermüdung durch Mitgefühl” zu vermeiden.
Von Beth Leibson
„Als meine Tochter Lindsey eine Krebsbehandlung durchlief, war ich jeden Tag den ganzen Tag bei ihr“, so Barbara. „Ich ließ sie nur duschen oder etwas essen gehen, wenn noch jemand in der Nähe war – ihr Vater oder ihr Cousin. Selbst als ich auf die Toilette ging, ließ ich die Tür offen und erledigte mein Geschäft sehr, sehr schnell.“
Barbara nahm sich keine Minute Zeit für sich selbst, weder um ein Buch zu lesen, einen Spaziergang zu machen noch um mit einem Freund zu reden. „Ich konzentrierte mich nur darauf, bei ihr zu sein, um sie zu pflegen. Ich habe überhaupt nicht an mich selbst gedacht.“ Barbara war einfach betäubt, ohne zu wissen, welche Emotionen sich in ihr aufbauten.
Eines Tages wurde sie unerwartet beleidigend gegenüber einem der Ärzte ihrer Tochter. Es war ein Weckruf.
Leider ist Barbara nicht allein. Eine Studie aus dem Jahr 2007 ergab, dass Pflegepersonen - in der Regel sind dies pflegende Angehörige - genauso wahrscheinlich wegen Depressionen und Ängsten behandelt werden wie Krebspatienten. Vier von fünf Pflegepersonen berichten, dass sie während der gesamten Krebserkrankung Stress und Angst empfinden. Laut dem US-amerikanischen National Cancer Institut kämpfen Pflegepersonen nicht nur mit dem Stress der Krankheit selbst, sondern auch mit der Verantwortung der Pflege.
Sie sind sich dieser Belastung häufig nicht bewusst. „Pflegepersonen kommen oft in mein Büro und sagen: ‚Es ist mir peinlich, dass ich hier bin – ich bin nicht derjenige, der Krebs hat‘“, erklärt Laura Mosiello, lizenzierte klinische Onkologie-Sozialarbei-
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terin bei der in New York ansässigen gemeinnützigen Organisation Cancer and Careers. Mosiello bietet sowohl Patienten als auch Pflegepersonen Beratung an.
„Sie sagen mir: ‚Ich bin erschöpft, ich bin verärgert, ich habe Angst‘“, so Mosiello. „‚Aber was ich fühle, kann nicht so schlimm sein wie das, was der Krebspatient fühlt.‘“
Die Wahrheit ist, dass Krebs die Pflegepersonen genauso angreift wie die Patienten. Der Patient hat die Erlaubnis, in seine schwierigen Gefühle einzutauchen, weil er krank ist. Von Pflegepersonen wird jedoch erwartet – bzw. sie erwarten es von sich selbst – dass sie es aushalten.
„Viele Pflegepersonen geben sich nicht die Erlaubnis, sich schlecht zu fühlen“, erklärt Mosiello. „Sie vergessen, dass sie auf sich selbst aufpassen müssen, bevor sie sich um jemand anderen kümmern können.“
MULTITASKING UND SCHULDGEFÜHLE SCHAFFEN STRESS
„Ein Großteil der Belastung kommt vom Multitasking“, so Richard Hara, Dr. phil., M. Sc. Soziale Arbeit, Onkologie-Sozialarbeiter und Professor an der Columbia University in New York. Die Pflegepersonen erledigen in der Regel die gesamte Hausarbeit, verwalten den Zeitplan, kochen die Mahlzeiten, fahren den Patienten, navigieren durch das Gesundheitssystem und führen dabei ihr eigenes Berufsleben. „Manchmal haben sie einen zusätzlichen Zweitjob, um das auszugleichen, was der Patient nicht verdient“, fügt Hara hinzu.
Schuldgefühle und Müdigkeit kommen häufig vor. „Pflegepersonen haben oft das Gefühl, dass sie nicht helfen, wenn sie mal nichts tun, keine Bettpfanne wechseln oder keine Mahlzeit kochen“, so Mosiello. Damit sie beschäftigt bleiben, halten sie einen Wirbelwind der Aktivität aufrecht. Sich Zeit für sich selbst zu nehmen, wird oft als egoistisch angesehen. Laut About Caring for Family or Friends with Cancer (Über die Pflege von Familie oder Freunden mit Krebs), das Hara zusammen mit Susannah L. Rose, M. Sc., M. Sc. Soziale Arbeit, geschrieben hat, gibt es mehrere Anzeichen von Burnout, auch bekannt als „Ermüdung durch Mitgefühl“: • Reizbarkeit • Schlafstörungen (entweder Probleme beim Einschlafen oder zu langes Schlafen) • Verlust von Interesse an Aktivitäten • Soziale Isolation • Wiederkehrende Gefühle von Schuld und Angst Pflegepersonen, die eine oder mehrere dieser Merkmale aufweisen, sollten diese ernst nehmen und versuchen, herauszufinden, wie man mit der Belastung umgeht.
Meditation, ein täglicher Spaziergang, gesunde Ernährung und Zeit mit anderen Freunden und Familie zu verbringen sind einige einfache Methoden, um die Belastung der Pflegeperson zu verringern. Es gibt sogar Selbsthilfegruppen, die speziell für Pflegepersonen gedacht sind.
ACHTEN SIE AUF DIESE ANZEICHEN VON BURNOUT
Manchmal sind Pflegepersonen so sehr mit dem Kochen und Planen, Reinigen und Budgetieren beschäftigt, dass sie nicht bemerken, dass sie Stress verspüren.
Es gibt jedoch bestimmte Merkmale, die als Warnhinweise dienen können. Die Pflege kann unerwartet Positives mit sich bringen – viele Menschen erwerben neue Fähigkeiten, ein größeres Selbstverständnis und eine stärkere Beziehung zum Patienten. Die Vorteile der Pflege können Sie aber nur erleben, wenn Sie auch gewissenhaft daran arbeiten, für sich selbst zu sorgen.