Ausgabe 1 / 2018 | 3,50 € 20. Jahrgang / Heft Nr. 56
Magazin für die Freunde Ägyptischer Museen und Sammlungen
ISSN 2196-8942
56
E D I T O R I A L
Horst Creutz
Dr. Hartmut Häger
Hartwig Löger
Dr. Jürgern Kroneberg
Rainer Fineske
Dr. Angela Onasch
Margot Rathenow
Klaus Suckow
Verehrte Freunde und Förderer der Ägyptischen Museen und Sammlungen, heute halten Sie das neue Heft unseres Magazins in den Händen. Ihre Reaktionen und Anregungen zu den beiden letzten Ausgaben haben dazu beigetragen, die Gestaltung seit dem Redaktionswechsel von Leipzig nach Berlin ein wenig zu verbessern. Vielen Dank für Ihre aktive Teilnahme! In diesem Heft haben wir für Sie elf abwechslungsreiche Berichte und wieder zahlreiche Veranstaltungshinweise zusammengestellt. Ein großer Dank geht erneut an unsere Autorinnen und Autoren, die wieder sehr fleißig waren! Zwei Berichte widmen sich einer Rückschau auf vergangene Sonderausstellungen in Bonn und Leipzig, ein dritter der kürzlich verlängerten Ausstellung „O Isis und Osiris“ in H annover. Viele unserer Vereine unternehmen Gruppenreisen – nutzen Sie diese Gelegenheiten, um sich die Sonderausstellungen direkt vor Ort anzuschauen, es lohnt sich! So wartet beispielsweise im Kunsthistorischen Museum Wien ab dem 8. Mai die spannende Sonderausstellung „Der vergessene Papyrus“ auf Sie. Auch in dieser Ausgabe wagen wir hinsichtlich anderer Ägyptischer Museen und Sammlungen wieder einen „Blick über den Tellerrand“, dieses Mal jedoch nicht ins Ausland. Susanne Beck stellt Ihnen ab Seite 18 die Ägyptische Sammlung der Eberhard-Karls- Universität in Tübingen vor. Weitere Beiträge widmen sich Archivbeständen im Berliner Ägyptischen Museum sowie Fragen der Konservierung und Restaurierung von Kunst- und Kulturgütern sowie neuster Untersuchungs- und Präsentationsmethoden in Zusammenhang mit Mumien. Ihnen wünsche ich nun viel Vergnügen mit der neuen Ihr Horst Creutz Unsere Museen im Internet: http://www.smb.museum http://www.aegyptisches-museum.uni-bonn.de http://www.museum-august-kestner.de http://www.rpmuseum.de http://www.gko.uni-leipzig.de/aegyptisches-museum http://www.khm.at 2
Ausgabe!
Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 03 Nadja Braun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 05
Onkel Georg führt durchs alte Ägypten
Schülerführer für das Ägyptische Museum – Georg Steindorff – der Universität Leipzig Jana Helmbold-Doyé / Thomas L. Gertzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Entdeckungen im Fotoarchiv des Ägyptischen Museums Berlin
Bildband zu Heinrich Schäfers Nubienreise um 1900 in Kooperation mit dem DAI Kairo Susanne Beck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18
Ägyptische Sammlung
Eberhard-Karls-Universität Tübingen Isabelle Lange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26
Von Angesicht zu Angesicht
Konservatorische Arbeiten an hölzernen Gesichtern im Ägyptischen Museum Bonn Frank Förster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31
Ringer im Museum
Ein sportlicher Rückblick auf eine Sonderausstellung im Ägyptischen Museum Bonn Oliver Gauert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .40
Holographische Rekonstruktion des Inneren einer ägyptischen Mumie Veranstaltungskalender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Caroline Böhme / Franziska Naether . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Bekriegt. Besetzt. Bereichert.
Ägypten zwischen Spätzeit und Spätantike Christian E. Loeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
O Isis und Osiris
die Mysterien in Hannover gehen in die nächste Runde … und „online“ Regine Schulz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .67
Nachruf auf Prof. Dr. Nicole Riedl-Siedow Peter Uhrbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69
Ist Gustav Seyffarth wirklich gescheitert? Christina Hanus / Anne Schorneck / Klaus Finneiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .71
Die Archivbestände des Berliner Ägyptischen Museums Thomas Staemmler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79
Restaurierungstheorie und Restaurierungspraxis Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .87
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I N H A L T S V E R Z E I C H N I S
Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .02
Schülerführer durch das Ägyptische Museum – Georg Steindorff – der Universität Leipzig
Ein Projekt des Hochfranken-Gymnasiums Naila
Onkel Georg führt durchs alte Ägypten Schülerführer für das Ägyptische Museum – Georg Steindorff – der Universität Leipzig Nadja Braun
S
Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit den Partnern in Leipzig einen einzigartigen Schülerführer für die Sammlung erstellt. Informativ, kreativ und abwechslungsreich eröffnet er gerade jungen Museumsgästen in altersgerechter Sprache einen Zugang zum alten Ägypten und zu ausgewählten Objekten. Interesse weckt er dabei durch Katalogaufnahmen ganz besonderer Art. Dank des großen Einsatzes der Sammlungsfotografin Marion Wenzel sind nämlich alle 31 enthaltenen Stücke jeweils zusammen mit einer Schülerin bzw. einem Schüler oder einer Mitarbeiterin bzw. einem Mitarbeiter
eit einiger Zeit empfängt an der Museumskasse eine Figur namens Onkel Georg insbesondere die jungen Besucherinnen und Besucher und weist auf die Möglichkeit hin, sich von ihm und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch die Sammlung führen zu lassen (Abb. 1). Onkel Georg ist Teil eines Kooperationsprojekts zwischen dem Leipziger Museum, dem Ägyptologischen Institut der Universität Leipzig, dem Freundeskreis des Ägyptischen Museums e. V. und dem Hochfranken-Gymnasium Naila. Unter meiner Leitung haben
Abb. 1: Onkel Georg empfängt gemeinsam mit der Museumsaufsicht Barbara Merkel die Besucher an der Museumskasse © Foto: Nadja Braun 5
lungen verrät. Sie erklärt, dass die Menschen an ein Weiterleben im Jenseits glaubten, welches sie den „schönen Westen“ nannten, und überzeugt waren, sich dort genauso fortzubewegen wie im irdischen Leben – auf dem Wasser eben.
des Museums oder des Ägyptologischen Instituts abgelichtet. In beeindruckender Weise ist es der Fotografin gelungen, vor Ort im Museum oder in ihrem Fotostudio die Personen mit ihren selbst ausgewählten Stücken in Szene zu setzen (Abb. 2). Im dazugehörigen Text werden dann Informationen über das jeweilige Objekt und darüber hinaus vermittelt. Beispielsweise erzählt die 14-jährige Dalia über die Kalksteinstatue des Senenu und seiner Frau aus dem Alten Reich (Inv.-Nr. 2559; Abb. 3), dass die Familie der Grundstein der ägyptischen Gesellschaft war, wir aber nicht wissen, wie eine Ehe damals geschlossen wurde. Sie hat auch herausgefunden, dass solche Statuen nach Vorstellung der alten Ägypter als „Ersatzkörper“ dienten und Opfergaben der Verwandten am Grab entgegennehmen sollten. Von der 17-jährigen Eva-Maria erfährt man, was ein 4 000 Jahre altes hölzernes Boot aus der Grabausstattung des Herischef-hotep (Inv.-Nr. 38; Abb. 4) über die ägyptischen Jenseitsvorstel-
Auch die beteiligten Expertinnen und Experten bringen ihre Stücke zum Reden. Dr. Marc Brose legt dar, was Scherben alles erzählen können (Inv.-Nr. 1891; Abb. 5): Vorarbeiter aus Deir el-Medina haben auf Ostraka beispielsweise Fehltage ihrer Arbeiter zusammen mit dem Grund des Fernbleibens notiert. Daher wissen wir, dass Bierbrauen für ein Fest ein triftiger Grund war, der Arbeit fernzubleiben. Gerade der individuelle Zugang zu den Objekten über die jeweilige Person macht die Originalität dieses Museumsführers aus. So ist das Lieblingsstück der Institutssekretärin Annette Kunze ein fast 2 500 Jahre altes
Abb. 2: Sammlungsfotografin Marion Wenzel bei Aufnahmen in ihrem Fotostudio © Foto: Nadja Braun
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Abb. 3: Dalia vor der Kalksteinstatue des Senenu und seiner Frau im Ägyptischen Museum © Foto: Marion Wenzel
Abb. 4: Eva-Maria mit einem Bootsmodell aus der Grabausstattung des Herischefhotep © Foto: Marion Wenzel
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Abb. 5: Dr. Marc Brose präsentiert ein Ostrakon der Leipziger Sammlung © Foto: Marion Wenzel
Abb. 6: Annette Kunze mit ihrem Lieblingsstück, dem Igel-Gefäß © Foto: Marion Wenzel
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Igel-Gefäß aus hellgrün glasierter Kieselkeramik (Inv.-Nr. 8302; Abb. 6); das Stück zählt übrigens auch zu den Favoriten der jungen Museumsbesucherinnen und -besucher. Der kleine Ohrenigel erinnert Annette Kunze an Besuche von Igeln an Sommerabenden im eigenen Garten und sie hat in Erfahrung gebracht, dass diese Igel beim Zusammenrollen ihre auffallend großen Ohren zusammenfalten und dank dieser nicht nur sehr gut hören, sondern außerdem scharfe Augen haben, mit denen sie sogar in der Nacht sehen können. Das Gefäß diente zur Aufbewahrung von schwarzer Augenschminke, berichtet sie weiter, und der Igel war für die Ägypter ein Schutzsymbol vor dem Bösen. Aus seinen Stacheln wurde sogar ein Heilmittel gegen Haarausfall hergestellt.
Doch was hat es eigentlich mit Onkel Georg auf sich? Die Teilnehmerinnen des Kurses „Die Erforschung Ägyptens am Beispiel von Georg Steindorff“ im Rahmen der Regionalen Begabtenförderung für Gymnasien in Oberfranken haben sich ein Jahr lang mit dem Leben und Wirken von Georg Steindorff, dem Namensgeber des Ägyptischen Museums, beschäftigt und dabei zahlreiche Archivfotos studiert. Anschließend wurden gemeinsam mit der Leipziger Grafikerin Susann Hesselbarth während eines Workshops im Museum Entwürfe für Figuren des berühmten Ägyptologen gezeichnet. Dabei entstand Onkel Georg (Abb. 7). Der Name kommt nicht von ungefähr; Kerstin Seidel M. A. hatte den Schülerinnen zuvor verraten, dass sich Professor Steindorff Onkel
Abb. 7: Lena entwirft Onkel Georg beim Workshop mit Suann Hesselbarth © Foto: Nadja Braun
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Georg nennen ließ. Eine dieser Onkel-Georg-Figuren steht in Form eines kleinen Aufstellers inzwischen auf der Theke der Museumskasse (vgl. Abb. 1) und ist auf der Begrüßungsseite des Schülerführers abgedruckt. Im Heft informiert er zunächst über die Geschichte der Sammlung und seinen persönlichen Beitrag zu ihrer Vergrößerung. Wer den Text nicht selbst lesen möchte oder dazu noch zu jung ist, kann den auf dieser Seite abgebildeten QR-Code mit seinem Smartphone einscannen und wird auf eine Internetseite geleitet, wo der bekannte Radiojournalist Claus Fischer Onkel Georg seine Stimme leiht und die Besucherinnen und Besucher begrüßt.
Kleinere Aufsteller der Onkel-Georg-Figur wurden entweder in den Vitrinen neben den Stücken platziert (Abb. 8), die im Schülerführer zu finden sind, oder an den jeweiligen Sockeln angebracht. Da alle Figuren jeweils mit einer eigenen Nummer versehen sind, kann im Heft leicht die entsprechende Objektseite gefunden werden, sodass Onkel Georg die jungen Museumsgäste auch auf diese Weise durch seine Sammlung begleitet. Auf der von einem Schüler entworfenen Ägyptenkarte kann man überdies in Erfahrung bringen, wo überall Georg Steindorff selbst gegraben hat und woher viele der Objekte aus dem Museum stammen. Außer-
Abb. 8: Karl Heinrich von Stülpnagel platziert gemeinsam mit Klara Dietze, Anna Grünberg, Alexa Thüsing M. A. und Museumspraktikantin Karoline Böttcher die Onkel-Georg-Aufsteller in den Vitrinen © Foto: Nadja Braun 10
Nieren zu prüfen. Nachdem dieser Testlauf erfolgreich absolviert war, ging es an die letzten Überarbeitungsschritte. Einen entscheidenden Beitrag leistete dabei Studienrat Jochen Schubert, der mit seinem Einsatz für das professionelle Layout sorgte. Dank des Freundeskreises des Ägyptischen Museums e. V., der in finanzielle Vorleistung getreten ist, konnte das Heft letztlich in Druck gehen.
dem haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projekt-Seminars „Schülerführer durch das alte Ägypten“ Informationsseiten zu zentralen Themen wie Geografie, Pharaonen, Gesellschaft, Religion, Schrift und Architektur verfasst. Ein weiteres Highlight ist ein von ihnen entwickelter Bastelbogen für ein Segelboot, der aus der Heftmitte entnommen werden kann, und für Rätselfreunde gibt es eine Seite zum Knobeln sowie eine Hieroglyphentabelle, mit deren Hilfe man den eigenen Namen in den Schriftzeichen der alten Ägypter schreiben kann.
Möglich war die Realisierung dieses aufwendigen Projekts nur durch die Unterstützung zahlreicher Museums- und Institutsmitglieder – namentlich Prof. Hans-W. Fischer-Elfert und Kustos PD Dietrich Raue. Einen großen Anteil am Erfolg des Projekts haben aber vor allem Alexa Thüsing M. A. und Restaurator Karl Heinrich von Stülpnagel. Ein großer Dank gebührt außerdem Dr. Angela Onasch, die als Vorsitzende des
Bevor der Schülerführer seinen letzten Schliff bekam, wurde natürlich noch ein Praxistest im Museum durchgeführt. Dazu reiste extra eine 6. Klasse des Hochfranken-Gymnasiums aus dem Frankenwald an, um den Museumsführer auf Herz und
Abb. 9: Verleihung des P-Seminarpreises der Unternehmerinitiative Hochfranken an der Hochschule Hof, von links Dr. Nadja Braun, Carmen Stöcker, Ina Jungkunz und Schulleiter Oberstudiendirektor Lothar Braun © Foto: Jochen Schubert 11
Zusätzlich zum Schülerführer können junge Besucherinnen und Besucher an der Kasse ein Aufgabenblatt für eine Museumsrallye bekommen, um damit eigenständig die Sammlung zu erkunden und dabei Fragen zu einzelnen Stücken zu beantworten. Die Museumspädagoginnen Klara Dietze und Anna Grünberg haben überdies einzelne Textseiten aus dem Schülerführer laminiert und in den Holzkästen für die Taschentexte für alle Museumsgäste bereitgestellt. Denn in der Praxis hat sich schnell gezeigt, dass der neue Leipziger Museumsführer nicht nur die jungen Besucherinnen und Besucher begeistert.
Freundeskreises mehrfach zusammen mit den Schülerinnen und Schülern an den Texten gearbeitet hat. Sie alle haben die vielfältigen Einzelaktionen von Anfang an tatkräftig sowie mit zahlreichen Ideen unterstützt und dabei immer wieder erleben dürfen, wie viel Freude die Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern machen kann.
Das Projekt hat nach Fertigstellung auch über Leipzig hinaus Beachtung gefunden. Im Rahmen der Auftaktveranstaltung zur Contacta 2017 wurde der Schülerführer an der Hochschule Hof von Dr. Dorothee Strunz mit dem Preis der Unternehmerinitiative Hochfranken ausgezeichnet (Abb. 9) Ab Herbst 2018 Jahres wird sich dann – ein Erfolg, den die Lokalpresse mit der Artikelüberschrift „Mit Ägypten die Nase ein weitere Gruppe des Hochfranken-Gymnasiums an die Erarbeitung eines auf dem vorn“ würdigte. Schülerführer aufbauenden Audioguides für Schülerinnen und Schüler machen.
Abb. 10: Die am Projekt beteiligten Schülerinnen und Schüler des Hochfranken-Gymnasiums Naila mit Projektleiterin StRin Dr. Nadja Braun und Schulleiter OStD Lothar Braun © Foto: Jochen Schubert 12
Entdeckungen im Fotoarchiv des Ägyptischen Museums Berlin Bildband zu Heinrich Schäfers Nubienreise um 1900 in Kooperation mit dem DAI Kairo
A
Jana Helmbold-Doyé / Thomas L. Gertzen
ls vor nunmehr drei Jahren das Tagebuch einer Nubienreise des späteren Direktors des Ägyptischen Museums Berlin, Heinrich Schäfer (1868–1957), in der wissenschaftsgeschichtlichen Publikationsreihe des DAI Kairo (Menschen - Reisen - Forschungen Bd. 2) veröffentlicht wurde, galt die fotografische Dokumentation dieser Reise als verschollen. Zwar konnten einzelne im Familienbesitz oder in den Archiven des Schweizerischen Institutes für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde in Kairo sowie dem Ägyptischen Museum – Georg Steindorff – in Leipzig erhalten gebliebene Fotoaufnahmen zur Illustration herangezogen und durch die Bleistiftskizzen Schäfers und des mitreisenden klassischen Archäologen Hermann Thiersch (1874–1939) ergänzt werden. Die zahlreichen Aufnahmen der Tempel, Festungsbauten und des Alltagslebens des inzwischen in den Fluten des Nasser-Stausees versunkenen Nubiens, die der Ägyptologe erwähnt, schienen für immer verloren.
konnten diese nicht nur als Aufnahmen aus der Region (neben weiteren, vornehmlich aus Saqqara, Memphis und Amarna) identifiziert, sondern auch der besagten Expedition eindeutig zugeordnet werden.
Im Zuge der Sichtung und Aufbereitung der Fotobestände des Ägyptischen Museums Berlin, stieß die Leiterin des Fotoarchivs Caris-Beatrice Arnst im Jahr 2015 auf ein Konvolut von ca. 340 Fotos in sechs unbeschrifteten Aufbewahrungsboxen. Nach Rücksprache mit der Kuratorin der Abteilung nubischer Altertümer Jana Helmbold-Doyé
Abb. 1: Heinrich Schäfer vor den Ruinen der Festung von Mirgissa. © SMB Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Fotoarchiv, Ph. 5973
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Im März und April 1900 unternahm Heinrich Schäfer in Begleitung des schon erwähnten Hermann Thiersch sowie der beiden Ägyptologen Ludwig Borchardt (1863–1938) und Georg Steindorff (1861– 1951) zusammen mit dem Diplomaten Curt von Grünau (1871–1939) eine Reise in das Gebiet zwischen dem Ersten und Zweiten
Nilkatarakt. Ziel waren die pharaonischen Grenzfestungen des Mittleren und Neuen Reiches (etwa 2040 bis 1070 v. Chr.). Nach der umfassenden Dokumentation dieser Baudenkmäler, welche Borchardt noch Jahrzehnte später zur Abfassung wissenschaftlicher Abhandlungen diente, kehrte die Reisegruppe nach Assuan zurück.
Abb. 2: Karte des Gebietes zwischen dem 1. und 2. Nilkatarakt aus: F. Hintze (Hrsg.), Africa in antiquity. The arts of ancient Nubia and the Sudan, proceedings of the symposium held in conjunction with the exhibition, Brooklyn, September 29 – October 1, 1978, Berlin 1979.
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melt hatte, gingen die Teilnehmer an Bord der für die Expedition gecharterten Dahabije mit Namen „Kebêki“, welche auch sogleich unter deutsche Flagge gesetzt wurde. Die Raumaufteilung und auch die Dunkelkammer, in der die auf der Reise gemachten Fotoaufnahmen belichtet wurden, sind von Schäfer in einer Skizze dokumentiert worden.
Finanziert wurde die Unternehmung aus Mitteln der Ernst von Sieglin-Expedition, benannt nach dem Stuttgarter Unternehmer Ernst von Sieglin (1848–1927), welcher der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 1899 Gelder für eine Erkundung der Oase Siwa im Nordwesten Ägyptens zur Verfügung gestellt hatte. Hinzu kamen Mittel der Carl-Ritter Stiftung des Leipziger Vereins für Erdkunde und zwei Zuschüsse der Kommission zur Herausgabe des Ägyptischen Wörterbuches. Ursprünglich sollten nach der Oase Siwa auch die Oasen der ägyptischen Westwüste Farafra, Dachla und Charga besucht werden. Stattdessen begab sich die Expedition nur in die westlich des Niltales gelegene Flussoase Fajjum. Dadurch wurden die benötigten Mittel gewonnen, eine Reise nach Nubien zu unternehmen.
Auf einigen der jetzt wiederentdeckten Bilder sind auch die Fotografen bei der Arbeit abgelichtet worden, was darauf hindeutet, dass der Reisegruppe zumindest zeitweilig zwei Kameras zur Verfügung standen. Den Ausführungen Schäfers zu Folge war v. a. von Grünau für die Fotoaufnahmen zuständig, was durch Steindorff, welcher gleichfalls ein Tagebuch der Reise hinterlassen hat, auch so dokumentiert worden ist.
Nachdem die Gruppe sich mit dem Zug von Kairo aus anreisend – mit einem kurzen Die Auswahl der Motive bzw. der zu dokuZwischenstopp in Luxor – in Assuan versam- mentierenden Befunde geschah wohl durch
Abb. 3: Schäfers Skizze mit der Raumaufteilung der Dahabije „Kebêki“. © DAI, Kairo.
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Aufnahmen jedoch dienten streng wissenschaftlichen Interessen. Mitunter wurden auch Nubier fotografiert, die die Reisenden bei ihrer Arbeit beobachtet hatten und mit denen man ins Gespräch gekommen war. Die Reiseteilnehmer selbst sind eher selten auf den Fotos zu sehen, allerdings wurden sie gelegentlich zum Maßstab vor einigen Borchardt wird v. a. auf die fotografische Gebäuderesten aufgenommen, wobei hierzu Dokumentation der Festungsbauten und auch Einheimische herangezogen wurden. freigelegter Grundrisse oder von Mauerwerk Verknüpft mit Auszügen aus dem bereits geachtet haben. Steindorff nutzte die Fotografien zur Aufnahme größerer Inschriften. edierten Tagebuch, sollen diese FotoaufDabei erschwerten die Lichtverhältnisse mit- nahmen nun in einem eigenen Bildband unter den Einsatz der modernen Technik. veröffentlicht und durch kurze Essaybeiträge Andererseits erlaubte es die fotografische in ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung Dokumentation bei kürzerer Verweildauer erläutert werden. Nach Erscheinen der Puban bestimmten Monumenten größere likation ist eine Fotoausstellung in der nubiTextmengen aufzunehmen, wenn die Zeit schen Abteilung des Ägyptischen Museums nicht für eine Abschrift reichte. Nicht alle Berlin geplant. die Ägyptologen, die von Grünau entsprechende Anweisungen erhielten. Dabei gehen die Aufnahmen der zeitgenössischen Kulturlandschaft Nubiens wohl auf Schäfers Initiative zurück, der darüber hinaus einige Szenen des Alltagslebens mit Darstellungen aus der altägyptischen Kunst vergleichen wollte.
Abb. 4: Nach Heinrich Schäfer: „Kornreibende Frau zum Vergleich mit den alten Figuren photographiert“. © SMB Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Fotoarchiv, Ph. 5869.
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Abb. 5: Blick über den Zweiten Katarakt. © SMB Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Fotoarchiv, Ph. 6148.
Abb. 6: Kinder vor den Ruinen des Tempels von Dendur. © SMB Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Fotoarchiv, Ph. 5880.
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Ägyptische Sammlung Eberhard-Karls-Universität Tübingen Susanne Beck
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ie Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen umfasst rund 2 100 Objekte. Etwa die Hälfte der Stücke werden in der Schausammlung in Museum Schloss Hohentübingen gezeigt. Der andere Teil wird in der sogenannten Lehrsammlung verwahrt und dient der Ausbildung der Studenten. Die meisten Aegyptiaca sind kleinformatig. Allerdings befinden sich in der Tübinger Sammlung auch größerer Objekte wie Stelen, Statuen, Särge und eine Opferkammer.
In den 1950ern ist der Lehrstuhl für Ägyptologie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen begründet worden. Zeitgleich wurde begonnen, eine Sammlung aufzubauen, die der Lehre und somit der Ausbildung der Studenten dienen sollte. Etwa ein Viertel der Objekte ist von dem Institut für Klassische Archäologie der Universität Tübingen übernommen worden. Diese bildeten die Grundlage der Sammlung, die 1961 an das ägyptologische Institut durch seinen Begründer, Helmut Brunner, ange-
Abb. 1: „Südwestecke der Opferkammer des Seschemnefer III.” © Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen, Museum Schloss Hohentübingen Foto: V. Marquardt 18
gliedert wurde. Darunter befanden sich u. a. Stiftungen des Stuttgarter Fabrikbesitzers Ernst von Sieglin, wie die Opferkammer Seschemnefers III., der Sarg des Idy, kleinere Objekte wie Statuetten, Uschebtis, Amulette und Gefäße verschiedenster Materialien, sowie der Doppelsarg mit Mumie der Taditiajna, der ein Geschenk des Konsuls Daniel Dumreichers war. In den 1960ern wurde die Kollektion durch rund 550 Stücke des Landesmuseum Württemberg erweitert, die dem Haus als Dauerleihgaben zur Verfügung gestellt worden sind. 1964 konnten die
Aegyptiaca des Linden-Museums Stuttgart akquiriert werden, welches als damaliges Privatmuseum die Objekte veräußern durfte. Die Gelder wurden vom Kultusministerium in Stuttgart bereitgestellt. Auf der Grundlage der Stücke dieser drei Sammlungen, d. h. der des Instituts für Klassische Archäologie, des Linden-Museums Stuttgarts und des Landesmuseums Württembergs, konnte zumindest ein Fundament für die Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen geschaffen werden, wobei die Lücken in den Beständen durch gezielte Ankäufe im Kunsthandel
Abb. 2: „Nordwand der Opferkammer des Seschemnefer III.“, © Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen, Museum Schloss Hohentübingen Foto: V. Marquardt
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geschlossen werden konnten. Dabei wurde darauf geachtet, dass sich diese Aegyptiaca schon mindestens seit 30 Jahren außerhalb von Ägypten befanden. Die Gelder sind großzügig von verschiedenen Sponsoren zur Verfügung gestellt worden. Zusätzlich konnte die Sammlung in den 1990ern durch die Dauerleihgaben aus dem Nachlass Dr. Hans Alexander Winklers, einem Orientalisten, Religionswissenschaftler und Ethnologen der Universität Tübingen, sowie durch Schenkungen über die Jahre hinweg aus der Sammlung Helmut Brunners und seiner
Gemahlin Emma Brunner-Trauts, ebenfalls einer Ägyptologin, systematisch erweitert werden. Die ägyptische Sammlung stellt einen geschlossenen Sammlungsfundus dar. Lediglich Altbestände, die noch nicht näher bearbeitet worden sind, werden noch in die Sammlung eingegliedert. Die Provenienz der einzelnen Stücke der ägyptischen Sammlung ist kompliziert, da die Objekte aus anderen Kollektionen – Institut für Klassische Archäologie Universität Tübingen, Landesmuseum Württemberg
Abb. 3: „Scheintür des Seschemnefer II.“ © Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen, Museum Schloss Hohentübingen Foto: S. Beck
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Schlachtszenen und Gabenbringer sollte die Versorgung Seschemnefers III. im Jenseits sichergestellt werden. Die Opferkammer datiert in die fünfte Dynastie des Alten Reichs (ca. 2700–2160 v. Chr.) und stammt aus der Mastaba G 5170 Giza.
(Dauerleihgaben), Linden-Museum Stuttgart – übernommen oder im Kunsthandel angekauft worden sind. Ein Teil der Stücke stammen beispielsweise aus Abusir wie die Naqada-Gefäße oder aus Abu Gurôb wie die Relieffragmente aus dem altreichszeitlichen Sonnenheiligtum des Niuserre. Bei anderen Musealien kann die Herkunft mit Hilfe von Inschriften verifiziert werden wie bei dem Stelophor des Chaui (s. u.).
Neben der Opferkammer des Seschemnefer III. befindet sich ferner eine der Scheintüren seines Vaters, Seschemnefer II., aus der Mastaba G 5080 in Giza (Inv. Nr. 4, Abb. 3) in der Tübinger Sammlung, von der ein Parallelstück (Inv. Nr. 2555) im Ägyptischen Museum – Georg Steindorff – der Universität Leipzig gezeigt wird.
Zu den Glanzpunkten der Ägyptischen Sammlung gehört die Opferkammer des Sechemnefer III. (Inv. Nr. 3, Abb. 1–2), die im Frühjahr 1910 von Ernst von Sieglin in Giza käuflich erworben worden ist und sich seit 1911 in Tübingen befindet. Die Kalksteinblöcke mit Reliefen, deren farbige Fassung sich ausgezeichnet erhalten hat, sind im Museum aufgebaut und können zur Besichtigung begangen werden. Die Wände zeigen den verstorbenen Grabherrn mit seiner Familie sowie die Dinge, die er als Totenopfer erhielt bzw. sich erhoffte. Durch
Der Kastensarg des Idy (Inv. Nr. 6, Abb. 4) ist einer der siebzehn weltweit bekannten Särge, die eine Sternenuhr aufweisen. Mit Hilfe dieser diagonalen Sternenuhr, die sich im Deckel befindet, konnte man den zeitlichen Verlauf der Nacht bestimmen. Die Inschriften auf der Außen- und Innenwand des Sargs geben das typische Opferformu-
Abb. 4: „Sargdeckel des Idy mit der Sternenuhr“ © Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen, Museum Schloss Hohentübingen Foto: H. Jensen 21
lar mit dem Wunsch nach Versorgtsein im Totenreich wieder. Der Sarg des Idy, der in das Mittlere Reich (ca. 2040–1797 v. Chr.) datiert, stammt aus Assiut.
zeichnet sich durch eine feine Reliefierung aus und weist Reste von Farbspuren auf. Auf dem Denkstein wird ein Hymnus an Re wiedergegeben, in dem verschiedene Erscheinungsformen des Sonnengotts angesprochen Die Kniestatue des Chaui (Inv. Nr. 303, werden und Chaui um die Aufnahme in sein Abb. 5) befindet sich seit den 1960er in der Gefolge bittet. Ägyptischen Sammlung. Sie stammt wohl Das Sargensemble der Tadjtiana (Inv. aus Theben-West von der Ziegelpyramide des Grabs TT 214, dessen Besitzer Chaui (ii) Nr. 150a–b, Abb. 6–7), bestehend aus war. Aus zahlreichen Inschriften ist bekannt, einem inneren und einem äußeren Sarg, dass er ein Wächter am Platz der Wahrheit, datiert in die beginnende 26. Dynastie der d. h. im Tal der Könige, gewesen ist und Spätzeit (ca. 664–332 v. Chr.) und stammt in Deir el-Medineh zu Zeiten Ramses II. wahrscheinlich aus der thebanischen Nekropole. Es wurde zwischen 1823 bis im Neuen Reich (ca. 1550–1070 v. Chr.) lebte. Der Stelophor (griech. „Stelenträger“) 1835 in Alexandria, Ägypten, durch Daniel
Abb. 5: „Stelophor des Chaui (ii)“ © Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen, Museum Schloss Hohentübingen Foto: F. Albrecht, nachgearbeitet von S. Beck
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Abb. 6: „Innensarg der Taditiajna“ © Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen, Museum Schloss Hohentübingen Foto: C. Teotino
Abb. 7: „Außensarg der Taditiajna“ © Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen, Museum Schloss Hohentübingen Foto: C. Teotino
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estens und aller Götter, geweiht und nennt W den bekannten Schreiber Ramose (i) aus Deir el-Medineh zusammen mit seinem Diener Ptahsanch (i), die beide unter R amses II. lebten und Zeitgenossen von Chaui (ii) gewesen sind.
umreicher erworben. Beide anthropomorD phen Särge sind farbig gefasst und prächtig ausgestaltet. Die Inschriften sollen die Verstorbene im Jenseits schützen und ihre Versorgung sicherstellen. Die Stele des Ramose (Inv. Nr. 1716, Abb. 8) besteht aus Kalkstein und ist im versenkten Relief gearbeitet. Spuren der ursprünglichen Bemalung haben sich noch erhalten. Als eine Besonderheit weist die kleine Stele eine Einlegearbeit aus blauer Fayence in der Form einer Kuh in einem Schrein auf, die die ursprünglich reliefierte Hathordarstellung ersetzte. Der Denkstein ist der Göttin Hathor, der Herrin des
Neben den erwähnten Stücken sei noch auf den Torso von Echnaton (Inv. Nr. 1685, Abb. 9), einem Bruchstück einer überlebensgroßen Statue, die wahrscheinlich im Atontempel stand, sowie auf den Würfel hocker des Mentuhotep (Inv. Nr. 1734 + ML 14607, MMA New York, Abb. 10), dem Obersten der königlichen Schreiber, verwiesen.
Abb. 8: „Stele des Ramose“ © Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen, Museum Schloss Hohentübingen Foto: F. Albrecht
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Abb. 9: „Torso Echnatons“ © Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen, Museum Schloss Hohentübingen Foto: H. Jensen
Abb. 10: „Würfelhocker Mentuhoteps“ © Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen, Museum Schloss HohentübingenFoto: T. Zachmann
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Von Angesicht zu Angesicht Konservatorische Arbeiten an hölzernen Gesichtern im Ägyptischen Museum Bonn Isabelle Lange
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m Sommer 2016 kamen die Universität Bonn und die Technische Hochschule Köln für ein gemeinsames Projekt zusammen. Als Master-Studierende des Cologne Institute of Conservation Sciences (CICS) fand ich für mein projektbezogenes Studium im Fachbereich „Konservierung und Restaurierung von Kunst- und Kulturgut” einen Kooperationspartner im Ägyptischen Museum der Universität Bonn, wo M useumswesen, Ägyptologie und Restaurierungswissenschaften zusammenfinden sollten. Die Exponate des 2001 eröffneten Museums reichen von Schriftgut auf verschiedenen Trägern über Keramik, Stein- und Bronzeplastiken, Schmuck und Werkzeug bis hin zu Särgen, Sargfragmenten, Mumienteilen, Amuletten und vielen anderen Objekten.
ren eine Maske, ein idealisiertes Gesicht für die Ewigkeit. Doch wie gelangten die Gesichter der Toten nach Bonn? Vermutlich kamen viele von ihnen nach vorangegangener Grabräuberei über den Tourismus und Antikenhandel nach Deutschland. Gerade Gesichter und Augen ziehen die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich – und sind wesentlich handlicher und leichter zu trans-
Der Fokus des Masterprojektes liegt auf der Untersuchung und Erfassung der Objektgruppe der gesichtsförmigen Sargdeckelelemente. Hierbei handelt es sich um Bestandteile hölzerner, anthropomorpher Särge, die als Gesichtspartie separat hergestellt und in die Konstruktion des Sargdeckels verbaut worden waren. Allen Objekten gemein ist die Ausgestaltung menschlicher, stilisierter Züge. Obwohl sie in älteren Dokumentationen des Museums gelegentlich als ‚Masken‘ bezeichnet werden, erfüllen sie nur im übertragenen Sinn diese Funktion: Die Sargdeckelelemente imitie-
Abb. 1: Masterstudentin Isabelle Lange und Dipl. Rest. Andreas Krupa bei der Arbeit an hölzernen Gesichtern im Ägyptischen Museum Bonn. Foto: Frank Förster
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Abb. 2: Zusammenstellung der 16 ausgewählten, im Ägyptischen Museum der Bonner Universität aufbewahrten Holzgesichter. Fotos: Isabelle Lange
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portieren als größere Sargbestandteile. Viele der Sammlungsstücke entstammen privaten Schenkungen Ägyptenreisender oder sind Funde familiärer Dachböden-Schätze. Andere wiederum erreichten das Museum nach einer kuriosen Reise im Postpaket. Dies alles führte dazu, dass oftmals die Provenienz intransparent wird und es zu einem eklatanten Informationsverlust kommt. Neben der oftmals nebulösen Objektgeschichte zeigen die hölzernen Gesichter weder Schriftzeichen noch anderer Kennzeichnungen, so dass die Ägyptologen in ihren Nachforschungen auf die Ikonografie zurückgreifen.
tät. Unter der Betreuung von Diplom-Restaurator Andreas Krupa, Dozent am CICS in der Fachrichtung „Holz und Werkstoffe der Moderne“, und Dr. Frank Förster, dem Kurator des Museums, begebe ich mich mit sechzehn ausgewählten Holzgesichtern aus verschiedenen Dynastien auf die Reise.
Die kunsttechnologische Untersuchung soll die Gesichter als „Gruppe“ erfassen und sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten herausarbeiten. Ausgerüstet mit einem Stereomikroskop und einer UV-Lampe erforsche ich vor Ort die Werkprozesse. Wurde die einheimische Sykomore oder ein Der Blickwinkel der Restauratoren wendet importiertes Holz verwendet? Besteht die sich einem ganz anderen Sprachrohr der Grundierung aus Kreide oder Nilschlamm? archäologischen Funde zu: ihrer Materiali- Mit welchen Pigmenten der ägyptischen
Abb. 3: Die Rückseite dieses Sargdeckelgesichts (vgl. Abb. 2, oben links) wurde in einer bereits älteren Maßnahme durch den Vorbesitzer mit Heißkleber gefestigt und dadurch die Oberfläche geschädigt. Foto: Isabelle Lange
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tischen Bedingungen gezogen werden, d. h. ob sie unter Sand lagen oder in Kontakt mit Wasser kamen. Sogar die Spuren von Grabräubern sind nachweisbar – zweifelsohne auch die Gebrauchsspuren privater Sammler, mit Aufhängungen und Beschriftungen, aber auch Reparaturen und Festigungen.
Farbpalette wurde das Gesicht gefasst? Wurde das Holz zuvor mit Messern und Beiteln bearbeitet? Wie breit war der Pinsel, der die Augen zeichnete? Wurde das hölzerne Gesicht auf den Sargdeckel genagelt, geleimt oder gesteckt? Die einzelnen Gesichter berichten von ihrem Ursprung, von den Menschen, die sie herstellten. Doch erzählen sie ihre Geschichte noch bis heute weiter und zeigen einen spezifischen, durch Geschichte und Zeit gezeichneten Erhaltungszustand. Alterungsspuren und Schäden in Form von Rissen und Ausbrüchen im Holz, Termitenbefall, Verlusten in der Farbfassung und Verschmutzungen prägen die meisten Exponate. Eine genaue Beobachtung solcher Phänomene verrät Genaueres über die Reise der Sargdeckelelemente: So können beispielsweise Rückschlüsse über die klima-
All diese Informationen sollen im Rahmen der Masterarbeit gesammelt und durch eine restauratorische Erfassung strukturiert werden, um ein Konservierungskonzept zu erstellen und abschließende Konservierungsmaßnahmen an den hölzernen Gesichtern durchzuführen. Auf dieser Grundlage werden die hölzernen Gesichter in Zukunft von Besuchern aus aller Welt in ihrer ganzen vielfältigen Faszination weiterhin erlebbar sein.
Abb. 4: Der mit Stuck in Form gebrachte Kopfschmuck dieser ‚Maske’ (vgl. Abb. 2, zweites Bild in dritter Reihe von oben) wurde mit fünf Farben bemalt, wobei vom leuchtenden Blau nur noch schwach anhaftende Reste erkennbar sind. Foto: Isabelle Lange
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Sonderausstellung 11.10.2017 bis 1.2.2018 Ägyptisches Museum Bonn Regina-Pacis-Weg 7 53113 Bonn Öffnungszeiten: Di-Fr 13-17 Uhr Sa, So 13-18 Uhr
re:animation Aegyptiaca im Dialog mit Arbeiten von Ruth Tauchert
Foto: © Thilo Beu
Ringer im Museum Ein sportlicher Rückblick auf eine Sonderausstellung im Ägyptischen Museum Bonn Frank Förster
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Inszenierung mit altägyptischen Exponaten eine Art Dialog zwischen pharaonischer und moderner Kunst in Gang setzen und so den Besuchern neue Sichtweisen und Denkanregungen eröffnen sollte, spielte dabei aber auch viel mit Ästhetik, Irritation und Humor. Als besonderes Stil- und Kontrastmittel gegenüber den bekanntermaßen meist recht starr, aspektivisch und streng achsensymmetrisch aufgebauten ägyptischen Bildwerken kam eine künstlerische Fokussierung zum Tragen, die sich wie ein roter Faden durch das bisherige Werk Taucherts zieht: die Erfassung von Bewegung in Momentaufnahmen, wie sie in früheren Arbeiten beispielsweise
portliche Darbietungen sind in Museen eher ungewöhnlich, jedenfalls in solchen, wo sehr alte, sehr wertvolle und oft sehr fragile Objekte ausgestellt sind. Im Ägyptischen Museum der Universität Bonn kam es – ganz im Sinne seiner Konzeptionierung als ein „Laboratorium der Aneignung” (M. Fitzenreiter) – im Rahmen der Sonderausstellung „re:animation”, die vom 11. Oktober 2017 bis zum 01. Februar 2018 gezeigt wurde, in dieser Hinsicht zu einer interessanten Versuchsanordnung. Die Ausstellung im ehemaligen Fechtsaal (!) der Universität kreiste um Zeichnungen und Skulpturen der Bonner Künstlerin Ruth Tauchert, deren
Abb. 1: Ringer im Ägyptischen Museum der Universität Bonn. — Foto: Ole Lentfer
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anhand „live” gezeichneter Tänzer, Reiter oder Fechter umgesetzt worden war. So lag es nicht nur nahe, ausgewählte Exponate wie etwa Uschebtis und andere Dienerfiguren von Verstorbenen, Darstellungen des Horus in seinen verschiedenen Entwicklungsstufen vom Kind zum König (erst der Lebenden, dann als Osiris auch der Toten) sowie mumifizierte Körper oder Körperteile durch die Zusammenstellung mit modernen, bewegten Variationen aus der Sicht der Künstlerin gleichsam wiederzubeleben und so dem ewigen Thema von Leben, Tod und Wiedergeburt neuen Ausdruck zu verleihen.
In der Schnittmenge zwischen persönlichen Interessen, Erfahrungen und kreativen Ideen von Künstlerin und Kurator fand sich rasch auch das Thema Sport – genauer gesagt: der altägyptische bzw. moderne Ringkampf. Dieser, freilich nicht immer ganz spannungsfreie Prozess, gemeinsam nach und in solchen Schnittmengen zu suchen anstatt dem oder der Kunstschaffenden einfach freie Hand zu lassen beim – böse formuliert – Herrichten einer „altägyptischen Bühne” für die eigenen Werke, erwies sich im Übrigen für beide Seiten als über die Ausstellung hinaus bereichernd.
Abb. 2: Bewegte Gips-Uschebtis der Künstlerin neben eher steifen altägyptischen Arbeitskollegen aus Fayence. Foto: Thilo Beu
Abb. 3: Dreimal Isis mit dem Horuskind: links zwei altägyptische Vor-Bilder, rechts eine moderne Bronze von R. Tauchert. Foto: Thilo Beu
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Der sportliche Ringkampf hatte im pharaonischen Ägypten eine lange Tradition, ist über alle Epochen hinweg gut belegt und kann sogar bis zu den Anfängen der dynastischen Zeit zurückverfolgt werden. Von der hohen Wertschätzung dieser Kampfsportart zeugen zahlreiche flachbildliche Darstellungen in Gräbern und Tempeln, aber auch eine Handvoll kleiner Ringerplastiken, von denen zumindest einige ebenfalls aus
Gräbern stammen. Berühmt sind die Ringkampfmotive auf den Grabwänden mehrerer Gaufürsten in Beni Hasan in Mittelägypten (um 2000 v. Chr.), wo bis zu 220 Ringerpaare detailliert in verschiedenen Griffen dargestellt sind. Angesichts dieser Materialfülle ist es aus ägyptologischer wie sporthistorischer Sicht reizvoll, in Zusammenarbeit mit modernen Ringern die verschiedenen Griffansätze, Techniken und Bewegungsab-
Abb. 4: Mumienportrait mit Selbstportrait der Künstlerin. Mischtechnik auf Papier
Abb. 5: Moderne Bronzeskulptur einer Schwangeren zwischen bandagierten Tiermumien. Foto: Thilo Beu
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Abb. 6: Ausschnitt aus dem sog. „Großen Ringplatz” mit insg. 220 Ringerpaaren, aufgemalt auf einer Wand im Grab des Gaufürsten Bakti III. in Beni Hasan, um 2000 v. Chr. Umzeichnung: P.E. Newberry, Beni Hasan II, London 1894, Taf. V
Kraftsportverein (TKSV) 1906 e.V. Duisdorf in die Bonner Hardtberg-Halle, wo sie mit Stiften und Papier mehrmals dem Training beiwohnen durfte und ihre Ringkampf-Impressionen festhalten konnte. Diese Begegnungen führten nicht nur zu persönlichen Erfahrungen bezüglich der Möglichkeiten und Grenzen, wie sich prägnante Positionen und Bewegungsabläufe während eines Ringkampfes verständlich darstellen lassen, und damit zu einer entsprechenden Wertschätzung der altägyptischen Künstler (O-Ton Tauchert: „Anfangs war ich leicht verzweifelt, denn Ringer sind nicht zuschauerorientiert, wie beispielsweise Tänzer auf der Bühne. Die Athleten bewegen sich nicht nur erstaunlich schnell, sondern auch um ihre eigene Achse, was für mich als Zeichnerin eine besondere Herausforderung bedeutet”; Ausstellungskatalog, S. 21). Die Begegnungen führten auch auf Seiten der Ringer zu Neugier und einer
läufe zu rekonstruieren, die sich aus diesen – teilweise offenbar auch kinematographische Reihungen umfassenden – altägyptischen „Standbildern” ableiten lassen, und damit die pharaonische Ringkampfkunst wiederauferstehen zu lassen. Die Chance hierzu bot sich durch das große Interesse, das Ruth Tauchert diesen faszinierenden alten Darstellungen sofort entgegenbrachte und insbesondere der Frage, wie die Ägypter die Herausforderung der Wiedergabe solcher eng umschlungenen Körper und komplizierten Griffe und Haltungen meisterten (u. a. durch Verwendung verschiedener Farbtöne für die Hautfarbe der Kontrahenten) – vor allem aber, wie sie als moderne Künstlerin einer solchen Herausforderung selbst begegnen würde. So führte sie ihr Weg im Vorfeld der Ausstellung zu den erfahrenen Ringern vom Turn- und 34
Abb. 7: Farbige Wiedergabe eines der Ringerpaare aus Abb. 6. Umzeichnung: H. Wilsdorf, Ringkampf im alten Ägypten, Würzburg-Aumühle 1939, Abb. 1
Abb. 8: Momentaufnahme eines Ringkampfes beim TKSV Duisdorf von R. Tauchert. Mischtechnik auf Papier
Abb. 9: Der „Ringkampf-Bereich” der Ausstellung mit Zeichnungen der Künstlerin sowie der Brüsseler Ringerplastik (vgl. Abb. 10) im Zentrum. — Foto: Frank Förster 35
ersten Auseinandersetzung mit den überlieferten uralten Griffansätzen und Techniken, von denen viele rasch als heute noch praktiziert, einige als nach heutigen Maßstäben nicht regelkonform und gefährlich und
einige als eher rätselhaft oder unmöglich eingestuft wurden (wobei letzteres teilweise der ungewohnten altägyptischen Darstellungsweise ohne perspektivische Verkürzungen etc. geschuldet sein mag).
Abb. 10: Zwei Ansichten einer von den Musées Royaux d’Art et d’Histoire in Brüssel ausgeliehenen, nur knapp 10 cm großen Ringerplastik aus bemaltem Kalkstein, um 2000 v. Chr. (MRAH Inv.-Nr. E.6846). Fotos: Frank Förster
Abb. 11: Zusätzliche Ringer-Vitrine mit Monitor, auf dem – vor dem Hintergrund der 220 Ringerpaare aus Beni Hasan (vgl. Abb. 6) – das Resultat einer photogrammetrischen 3D-Aufnahme der Brüsseler Ringerplastik als Video gezeigt wurde. Foto: Frank Förster
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Damit war klar, dass das Thema „Ringkampf ” ein fester Bestandteil der Ausstellung werden sollte, wofür auch ein eigener Bereich reserviert wurde. Dank des freundlichen Entgegenkommens von Dr. Luc Del-
vaux, dem Kurator der Abteilung Ägyptische Altertümer in den Musées Royaux d’Art et d’Histoire in Brüssel, konnte von dort kurzfristig und unbürokratisch eine der seltenen kleinen Ringerplastiken ausgeliehen werden,
Abb. 12: Iba Mavua- Kazai und Goran Izadi vom Turn- und Kraftsportverein 1906 e. V. Duisdorf stellen am 15. Oktober 2017 bei einer gut besuchten Sonderveranstaltung im Museum anhand ausgewählter flachbildlicher Darstellungen altägyptische Ringergriffe und Wurftechniken nach. Fotos / Standbilder aus Filmaufnahmen: Ole Lentfer
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der Vereinsringer des TKSV Duisdorf, Ibrahim „Iba” Mavua-Kazai und Goran Izadi, hatten sich bereiterklärt, einige von ihnen ausgewählte Ringkampfszenen unter den 220 Darstellungen im Grab des Gaufürsten Bakti III. in Beni Hasan vor Publikum im Museum nachzustellen, die sie zuvor mit ihrem Trainer Hans Willi Hieronymi einstudiert hatten. Die von einem Filmteam von uni-bonn.tv begleitete Veranstaltung (siehe http://bit.ly/2IlAdO7) traf auf großes Interesse, das sich am Ende noch steigerte, als die Zuschauer Gelegenheit bekamen, die beiden Ringer mit der Nachstellung nicht einstudierter anderer Motive aus diesem „Ringkampf-Almanach” herauszufordern – was diese mit Bravour lösten. Unter den Zuschauern befand sich mit Prof. Wolfgang Decker, der bis zu seiner Pensionierung rund 30 Jahre am Institut für Sportgeschichte der Deutschen Sporthochschule Köln gelehrt und geforscht hat, auch der weltweit wohl beste Kenner des altägyptischen Sports, der sich nach der Veranstaltung noch angeregt mit den beiden Protagonisten unterhielt.
die sich aus dem Alten Ägypten erhalten haben – eine sehr wertvolle Bereicherung, da die Sammlung des Ägyptischen Museums über keine eigenen Objekte zum Thema verfügt und die altägyptische Ringkampfkunst nicht nur durch Fotos, Umzeichnungen oder andere Reproduktionen repräsentiert werden sollte. So ergab sich in diesem Bereich eine reizvolle Zusammenstellung von alter und moderner Flachbildkunst und ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Wiedergabe von Ringkampfmotiven, verbunden durch eine originale Kleinplastik, von der David Sabel und Beryl Büma zudem eine photogrammetrische 3D-Aufnahme machten, so dass sie, in Gestalt eines Videos animiert, in überdimensionaler Größe in einer zusätzlichen Vitrine von allen Seiten erlebbar werden und so gebührend zur Geltung kommen konnte. Vorläufiger Höhepunkt dieser ungewöhnlichen Zusammenarbeit war aber eine Sonderveranstaltung, die schon bald nach der Ausstellungseröffnung stattfand: Zwei
re:animation Aegyptiaca im Dialog mit Zeichnungen und Skulpturen von Ruth Tauchert Ägyptisches Museum Bonn
Abb. 13: Cover des Ausstellungskatalogs. Foto: Thilo Beu
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der Grund für eine derart ausführliche und detaillierte Darstellung von Ringenden in den Gräbern der lokalen Elite vor rund 4000 Jahren? Und welche Funktion besaßen die zeitgenössischen kleinen Ringerplastiken, bei denen es sich zumindest teilweise ebenfalls um Grabbeigaben handelt?
Was nun nach Ende der Ausstellung bleibt, ist nicht nur ein reich bebilderter Begleitkatalog, dessen Druck dankenswerterweise von der Bonner Universitätsstiftung und dem Förderverein des Museums finanziert wurde, und von dem noch Restexemplare erhältlich sind (zu bestellen per Mail an aegyptisches-museum@uni-bonn.de). Geplant sind weitere Begegnungen in der Schnittmenge von Atelier, Sporthalle und Museum, um durch das Zusammenspiel von künstlerischer, sportlich-technischer und ägyptologischer Perspektive vielleicht Antworten auf einige noch offene Fragen zu erhalten: Lässt sich eine Systematik hinter der Anordnung der 220 Ringerpaare von Beni Hasan erkennen und was waren die Kriterien? Gibt es Reihungen, die Kampfabläufe wiedergeben und möglicherweise auf spezielle Techniken, ja vielleicht sogar auf Wettkampfregeln schließen lassen? Inwieweit verunklären altägyptische Darstellungskonventionen unseren Blick auf gezeigte Griffansätze, Körperhaltungen und Bewegungen? Gab es Musterbücher? Was war überhaupt
Dass unser kleines Ägyptisches Museum auch weiterhin (dezenten) sportlichen Veranstaltungen offensteht, erwies sich übrigens noch während der Laufzeit der Ausstellung: Für eine großangelegte, an Studierende wie Mitarbeiter gerichtete Gesundheitskampagne der Bonner Universität mit Schwerpunkt auf Sport und gesunder Ernährung wurde auch ihr ehemaliger Fechtsaal als Bühne für ein Fotoshooting ausgewählt. Naheliegenderweise war es diesmal eine andere D isziplin, die hier praktiziert wurde, und wer weiß, was noch alles folgen wird …
Abb. 14: Fechten im ehemaligen Fechtsaal. Foto: Frank Förster
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Holographische Rekonstruktion des Inneren einer ägyptischen Mumie Oliver Gauert
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Im Rahmen des Hildesheimer Mumienforschungsprojektes hat das Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim am 2. Februar 2018 gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern – den Universitäten Aberdeen und Göttingen sowie dem St. Bernward Krankenhaus Hildesheim, dem Heidelberger Radiologen PD Dr. Roman Sokiranski und dem Ulmer Prof. Dr. Wolfgang Pirsig – eine Untersuchung der Mumie der Ta-cheru aus dem 4. Jhdt. v. Chr. mit einem besonders hoch auflösenden Computertomographen vorgenommen. Bei Ta-cheru handelte es sich um eine vornehme Ägypterin, die im vierten vorchristlichen Jahrhundert in der Region von Theben (heute Luxor) in Oberägypten verstarb. Sie war älter als 60 Jahre und führte
umien sind wertvolle historische Quellen, in denen vielfältige Informationen über das Leben der Verstorbenen und ihre Herkunftsepoche verborgen sind. Eine zentrale Rolle bei ihrer Erforschung spielt die Computertomographie, die es erlaubt, die inneren Körperstrukturen schichtweise sichtbar zu machen, ohne die Mumien zu beschädigen. Die reinen CT-Daten sind nicht leicht zu interpretieren. Aus diesen Daten ermittelte digitale Rekonstruktionen bieten hingegen einen plastischen, lebensnahen und zugleich optisch ansprechenden Eindruck von den anatomischen Strukturen und werden daher in Ausstellungen verwendet, um Besuchern einen Einblick in das Innere des menschlichen Körpers zu geben.
Abb. 1: Mumie der Ta-cheru (University Museums, Aberdeen). Gesamtansicht in bandagiertem Zustand
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Abb. 2: 3D-Rekonstruktion. Ansicht von oben. Erkennbar sind das Perlennetz und Balsamierungsharze, die in die Sargwanne gelaufen sind.
Abb. 3: 3D-Rekonstruktion der Wirbelsäule mit anliegender Luftröhre
den Titel einer ‚Herrin des Hauses’. Ihr Körper war auffällig sorgfältig mumifiziert worden. Die inneren Organe und das Gehirn hatten die Balsamierer entfernt, doch waren sie bei der Gehirnentnahme so sorgfältig vorgegangen, dass der Zugangsweg zur Schädelhöhle bei einer ersten CT-Untersuchung in Hildesheim im Januar 2017 nicht mehr auffindbar war. Schon damals war festgestellt worden, dass die Augen durch künstliche Augäpfel ersetzt worden waren. Aus diesen Manipulationen an den Augenhöhlen hatte man auf eine Entnahme des Gehirns über natürliche, sehr enge Durchtrittsstellen zwischen Augen- und Schädelhöhle geschlossen. Die neuerliche Untersuchung in Heidelberg konnte eindrucksvoll den Beleg erbringen, dass im Bereich der Nase – dem im Alten Ägypten üblichen Zugangsweg zur Entfernung des Gehirns – tatsächlich keinerlei Zerstörungen vorliegen. Es wurde hingegen eindeutig nachgewiesen, dass das
Gehirn über einen Nackenschnitt durch das Foramen occipitale magnum (großes Hinterhauptsloch), durch das das Rückenmark in die Schädelhöhle eintritt, entfernt wurde. Diskutiert wird ein möglicher weiterer Zugangsweg über die Fissura orbitalis superior im Bereich der Augen. Der enorme Aufwand, der bei der Balsamierung der Ta-cheru betrieben wurde, beschränkt sich nicht auf die Organentnahme. Der Körper wurde stellenweise mit bis zu fünfzig Lagen Bandagen umwickelt und ist mit einem aufwendig gestalteten Perlennetz bedeckt. Aus dem Zustand der Schädelnähte und dem Zahnstatus lässt sich das Sterbealter der Ta-cheru ableiten, die erst jenseits des sechzigsten Lebensjahres verstorben ist. Der insgesamt gute Zustand des Skeletts, das vergleichsweise geringe Abnutzungserscheinungen erkennen lässt, belegt die Herkunft der Verstorbenen aus der 41
gehobenen Gesellschaftsschicht. Ta-cheru Das Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim wird anlässlich dieser spektamusste sicher keine schweren Arbeiten ver- kulären Untersuchungsergebnisse vom 30. richten Juni bis zum 30. September 2018 in einer Die in Heidelberg gewonnenen extrem Sonderausstellung die Mumie der Ta-cheru hochauflösenden CT-Daten erlaubten es, und das Hologramm zeigen. Dabei haneinen Schritt weiterzugehen und verschie- delt es sich um eine Weltpremiere, da noch dene Perspektiven von Rekonstruktionen, niemals zuvor im musealen Kontext ein die aus den tomographischen Rohdaten frei schwebendes Hologramm einer Mumie ermittelt wurden, in einem Prisma zu einem gezeigt worden ist. Die Sonderausstellung dreidimensionalen Bild zusammenzusetzen. „Ta-cheru – Eine Reise ins Innere der Dieses Hologramm schwebt im Raum und Mumie” wird anhand weiterer menschlicher kann von allen Seiten betrachtet werden. und tierischer Mumien modernste MethoDabei ist es sogar möglich, mittels Ani- den der Mumienforschung und das enorme mationen das Gewebe Schicht für Schicht Erkenntnispotential dieser Untersuchungen abzutragen. So lassen sich alle Strukturen aufzeigen. Zugleich wird die Ausstellung des Körperinneren – von der Haut über die den Besucher mit den faszinierenden TechWeichteile bis zum Skelett – in lebensechten niken der Computertomographie und der Holographie vertraut machen. 3D-Strukturen visualisieren.
Abb. 4: Hologramm in einem kleinen Prisma. Testlauf vom 02.02.2018
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Abb. 5: Semitransparente Ansicht der Mumie
Abb. 6: Ăœbersichtsaufnahmen der Mumie aus verschiedenen Perspektiven
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V E R A N S T A L T U N G E N
BERLIN
03. Juni 2018 – 11:00 Uhr
„Rätselhaftes Wesen“ Gott oder Göttin? Jalina Tschernig M.A.
Sonderausstellungen Alten Museum
02. September 2018 – 11:00 Uhr
01. Juni 2018 – 31. August 2018 Di, Mi, Fr, Sa, So: 10:00 Uhr – 18:00 Uhr Do: 10:00 Uhr – 20:00 Uhr Mo: geschlossen
„Lichte Gestalten“ Stele mit den Erscheinungsformen des Sonnengottes Prof. Dr. Friederike Seyfried
Fleisch Fleisch: Gerade noch bewegliche Grundlage des Lebens, plötzlich verwesende Substanz – für die einen abstoßend, für die anderen Nahrung oder Opfergabe an die Götter. Fleisch offenbart den allgegenwärtigen Konflikt zwischen Leben und Tod in der menschlichen Kultur. Die Position des Fleisches im Spannungsfeld zwischen Entstehen und Vergehen ist dabei paradox. Die Ausstellung fragt, wie dieses Paradoxon die Bereiche Ernährung, Kult und Körper beeinflusst und damit auch unser heutiges Verhältnis zum Fleisch prägt. Im Zuge der thematisch übergreifenden Ausstellung, in der insgesamt zwölf Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin pointiert Objekte aus ihren universellen Beständen einander gegenüberstellen, entleiht auch das Ägyptische Museum und Papyrussammlung 11 Objekte, darunter Amulette und Rundbilder.
Die Veranstaltung ist frei. Der Eintritt in das Museum muss von Nichtmitgliedern entrichtet werden.
Vorträge
Brugsch-Pascha-Saal 17. April 2018 – 19:00 Uhr
Bericht über die Winterkampagne 2017/18 auf der Qubbet el-Hawa (Nord) Prof. Dr. Friederike Seyfried 15. Mai 2018 – 19:00 Uhr
Meroitische Neuigkeiten Josefine Kuckertz M.A. 19. Juni 2018 – 19:00 Uhr
Kunstwerk des Monats 2018
1000+1 Nacht – Ergebnisse einer deutsch-arabischen Kooperation Prof. Dr. Verena Lepper
Neues Museum Pädagogikraum im 3. OG Anschließend Führung am Objekt im Raum 1.09 („Dreißig Jahrhunderte“)
17. Juli 2018 – 19:00 Uhr
KV 11 – Das Grab Ramses‘ III. im Tal der Könige. Zum Zustand und Stand der Aufarbeitung Anke Weber, M.A.
In unserer neuen Veranstaltungsreihe „Kunstwerk des Monats“ werden in diesem Jahr ganz besondere Objekte des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung vorgestellt, die ansonsten nicht in der Dauerausstellung zu sehen sind.
18. September 2018 – 19:00 Uhr
„Harre nur aus, und du wirst [bessere] Zeiten sehen‘‘: Ein Fragment eines koptischen Orakelbüchleins und andere „Entdeckungen‘‘ in der Berliner Papyrussammlung Joost Hagen, M.A.
06. Mai 2018 – 11:00 Uhr
„Machtsymbol“ Fragment einer Königsstatue aus dem Alten Reich Dr. Olivia Zorn
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Vorträge 18. April 2018 – 18:30 Uhr
Sonderausstellungen
Die Bonner Forschungskampagne auf der Qubbet el-Hawa im Dezember 2017 Prof. Dr. Ludwig D. Morenz et al.
Verlängert bis zum 01. Juli 2018 Di – Fr: 13:00 Uhr – 17:00 Uhr Sa + So: 13:00 Uhr – 18:00 Uhr
16. Mai 2018 – 18:30 Uhr
Wadi Ameyra Ein proto- und frühdynastisches Inschriftentableau im Südwest-Sinai – Eine interaktive Sonderausstellung –
Writing Truth in the Mansion of Gold: an enigmatic ‚new‘ nomarchal text from Hatnub quarry P Dr. Roland Enmarch
(Siehe Beitrag im Heft Nr. 55) 21. März – 01. Juli 2018 Di – Fr: 13:00 Uhr – 17:00 Uhr Sa + So: 13:00 Uhr – 18:00 Uhr
20. Juni 2018 – 18:30 Uhr
4. Hans-Bonnet-Gedenkvortrag: Reading the Unwritten: how ancient Egyptian texts invite inferences beyond what is written Prof. Dr. Mark Collier
„Der Weg zum ewigen Leben“ Eine Ausstellung zum Jenseitsglauben der Alten Ägypter Die neue Sonderausstellung widmet sich dem Jenseitsglauben und den Bestattungssitten im Alten Ägypten und entstand in Zusammenarbeit mit Studierenden der Abteilung für Ägyptologie der Universität Bonn. Tod und Jenseits sind Themen, mit denen sich bereits die Alten Ägypter intensiv auseinandergesetzt haben. Die zahlreichen Grabbeigaben, die aufwändige Grabarchitektur und die vielfältige, sich über die Jahrhunderte immer weiter entwickelnde Jenseitsliteratur bis hin zum Totenbuch unterstreichen die Wichtigkeit dieser Themen. Die Studierenden der Arbeitsgemeinschaft beschäftigten sich daher im Laufe des vergangenen Semesters unter anderem mit Themen wie Grabbeigaben, Mumifizierung, Jenseitsliteratur, Glaubensvorstellungen und Grabarchitektur. Die Ergebnisse ihrer Arbeit werden nun in den Vitrinen im Mittelgang des Museums präsentiert.
Dauerausstellung Drei Wege nach Ägypten Die Dauerausstellung ist in drei Bereiche gegliedert, die drei Wege beschreiben, das Alte Ägypten zu erkunden: Reichtum und Vielfalt der pharaonischen Kultur werden in Vitrinen zu den Themen Keramik, Werkzeuge, Leben und Luxus, Schrift, Pharao, Götter, Mythen und Tod sowie Kunst gezeigt, die gemeinsam ein Kulturhistorisches Panorama des Alten Ägypten entwerfen. In der Studiensammlung werden Amulette, Gefäße, Uschebtis und zahlreiche weitere Objekte nach Material, Form und Funktion geordnet präsentiert. Dadurch lassen sich Formen und Gattungen unterschiedlicher Herkunft aus verschiedenen Epochen vergleichen. In der Studiensammlung befinden sich auch die Grabausstattungsobjekte aus den Bonner Ausgrabungen auf der Qubbet el-Hawa bei Assuan. Das Kabinett des Sammelns schließlich stellt einzelne Kollektionen und ihre Sammler vor. Sie stehen beispielhaft für die Auseinandersetzung mit und Aneignung der pharaonischen Kultur im Heute. In der Dauerausstellung finden sich zudem in der neuen „Forschungsvitrine“ Informationen zu Objekten, die Gegenstand von Abschlussarbeiten, von Aufsatzund Buchprojekten oder von laufenden Forschungsarbeiten sind.
Ausstellungseröffnung: Mittwoch, 21. März 2018 um 18:30 Uhr
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V E R A N S T A L T U N G E N
BONN
V E R A N S T A L T U N G E N
HANNOVER
Im Dialog 03. Mai 2018 – 18:00 Uhr–20:00 Uhr
Sonderausstellungen
Von der Erfindung und dem Nutzen der Alphabetschrift – sind einzelne Buchstaben heutzutage eigentlich noch „in“?
Noch bis zum 24. Juni 2018
O Isis und Osiris - Ägyptens Mysterien und die Freimaurerei
Visionen vom Alten Ägypten im 19. Jahrhundert Bilder vom Leben zur Zeit der Pharaonen Dr. Ernst Czerny
Erst neueste Forschung zeigte: Die Alphabetschrift ist ein Resultat von MultiKulti – 2000 v. Chr. auf dem Sinai! Mit Gefühle ausdrückenden Emojis, modernen Hieroglyphen, kehren wir heutzutage zur Bilderschrift zurück. Man darf sich also fragen: Sind Bilder nicht doch den Buchstaben überlegen? Es diskutieren: der Ägyptologe und Autor des Buches „Ägypten und die Geburt der Alphabetschrift“ Prof. Dr. Ludwig D. Morenz (Universität Bonn), der GrafikDesigner und Schrifttypen-Fan Sebastian Moock (IQ Studio Hannover) und Dr. Christian E. Loeben. Eintritt: 5,00 €, erm. 4,00 € (ohne Anmeldung)
20. Juni 2018 – 18:30 Uhr
24. Mai 2018 – 18:00 Uhr–20:00 Uhr
(Siehe Beitrag im Heft Nr. 55) Noch bis zum 19. August 2018
Beziehungskiste. Über Kommunikation.
Vorträge 11. April 2018 – 18:30 Uhr
Freimaurerei „original“ aus Ägypten: Ein Isis-Kult im Paris des frühen 19. Jahrhunderts Prof. Dr. Darius A. Spieth
Variationen von Zauberflöteninszenierungen – ein Blick in die Zukunft Der erst 17-jährige Ruben Michael ist sicher der jüngste Opernregisseur Deutschlands. Seine erste Zauberflöteninszenierung hat er mit 15 Jahren in Playmobil realisiert. Seine Ideen zukünftiger Inszenierungen diskutiert er mit dem Musikjournalisten Dr. Stefan Mauß und dem Ägyptologen Dr. Christian E. Loeben. Zauberflöten-Musik „live“ bietet der Pianist Daniel Rudolph. Eintritt: 5,00 €, erm. 4,00 € (ohne Anmeldung)
Themenführungen Noch bis zum 24. Juni 2018 jeden Freitag um 16:00 Uhr
Führung durch ein Mitglied der hannoverschen Freimaurerlogen Noch bis zum 24. Juni 2018 jeden Sonnabend um 15:00 Uhr (außer am 02. und 23. Juni 2018)
Konzert
ägyptologisch-freimaurerische Tandem-Führungen
17. Juni 2018 – 19:30 Uhr–20:25 Uhr
Der Liederabend — Treue
18. April 2018 – 17:30 Uhr 23. Mai 2018 – 17:30 Uhr 13. Juni 2018 – 17:30 Uhr
Gesang: Jean-Christophe Fillol Flügel: Daniel Rudolph Karten an der Abendkasse im Museum ab 18:15 Uhr (nur Barzahlung möglich) Eintritt: 20,00 €, erm. 15,00 €
Kuratoren-Tandemführung Dr. Siegfried Schildmacher (Freimaurer) und Dr. Christian E. Loeben (Ägyptologe)
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Historischer Kochkurs
Lehrküche der Ada- und-Theodor-LessingVolkshochschule, Burgstraße 14, Hannover
22. April 2018 – 15:00 Uhr–16:30 Uhr
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Der Großteil der Werte der Freimaurer entstammt dem Zeitalter der Aufklärung – so auch die fünf Grundpfeiler der Freimaurerei: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität. Viele berühmte Schriftsteller aus der Zeit des 18. bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts waren selbst Freimaurer, ihre Werke hatten diese Tugenden zum Inhalt. In welchen literarischen Zeugnissen können wir ihrem ethischen Selbstverständnis begegnen und welche Botschaft vermitteln sie uns heute? Eintritt: 5,00 €, erm. 4,00 € (ohne Anmeldung)
11. Juni 2018 – 17:30 Uhr
Pasteten und Ragouts selbst gekocht und genossen: Authentische Gerichte aus der Zeit der Freimaurereigründung vor 300 Jahren Bezeichnenderweise war es in einem Wirtshaus, dem Pub „Goose and Gridiron Ale-House“ neben der St. Paul’s Kathedrale in London, wo die moderne Freimaurerei am 24. Juni 1717 durch die Zusammenlegung von vier Logen zur ersten Großloge begründet wurde. Gemeinsam Essen und Trinken bestimmt seitdem nicht unwesentlich das Logenleben der Freimaurer in aller Welt. Machen Sie mit uns eine kulinarische Zeitreise in das 18. Jahrhundert, die Epoche der Aufklärung. Probieren Sie unter historisch korrekter Anleitung selbst doch einmal originale Rezepte aus dieser Zeit aus! Nach dem gemeinsamen Kochen muss dann natürlich auch gleich probiert werden, welche Köstlichkeiten den Bürgern denn damals so schmeckten …
Marie Dettmer
Sonstige Veranstaltungen 24. Juni 2018 – 18:00 Uhr
Große Finissage-Soirée der Ausstellung „O Isis und Osiris – Ägyptens Mysterien und die Freimaurerei“ Ein literarisch-musikalischer Vortrag mit Buch-Vorstellung: „Zauberflöte - die unbekannte Bekannte. Freimaurerische Symbole, Strukturen und Musik in Mozarts letzter Oper“ mit viel Mozart-Musik „live“
Dipl. Ing. Sven Kappel
Kosten: 18,00 € p/P (inkl. Informationsmaterial und Rezepte; ohne Getränke, die individuell mitzubringen sind); bar und möglichst passend zu zahlen am Veranstaltungsabend (bei Rücktritt nach dem 28. Mai 2018 oder Nicht-Erscheinen wird dieser Betrag in Rechnung gestellt!)
Prof. Ekhart Wycik
Logenhaus, Lemförder Str. 7, 30169 Hannover 14. Juni 2018 – 19.30 Uhr
Wichtig: Eigene Getränke (nach Wunsch) und eine Schürze bitte mitbringen
Kestner im „Außendienst“: Freimaurerei in Hannover heute Dass die heutige Freimaurerei überhaupt nichts mehr mit einer „Mysterienreligion“ zu tun hat, sondern – ganz im Gegenteil – sich den Idealen der Aufklärung verpflichtend den Zielen Toleranz, Humanität, Brüderlichkeit und Wohltätigkeit verschreibt, wird bei einem Besuch des Logenhauses in Hannover erläutert werden. Dabei wird deutlich, dass die Freimaurerei über 270 Jahre lang einen lebendigen Beweis der zeitlosen Attraktivität des Gedankenguts der Freimaurer in Hannover darstellt. (ohne Anmeldung)
Achtung: Teilnehmerbegrenzt!!! Verbindliche Anmeldung bis zum 28. Mai 2018 (falls bestehend, unbedingt unter Nennung von Lebensmittelallergien und Nichtverträglichkeiten) Anmeldung und weitere Informationen: Besucherservice Museum August Kestner (Frau Petra Distler) museumspaedagogik. kestner@hannover-stadt.de
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V E R A N S T A L T U N G E N
Literatur-Führung
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HILDESHEIM
IPHOFEN
Sonderausstellungen
Sonderausstellungen
Noch bis zum 22. April 2018
Noch bis zum 27. Mai 2018
STÄDTE - BURGEN - PYRAMIDEN
Highlights aus dem Schwarzenberg Archiv
Kulturwelten im LEGO® Format Nehmen Sie Ihre ganze Familie mit auf eine Zeitreise der besonderen Art! Neun aufwändig und detailliert gestaltete Kulturwelten laden große und kleine Besucher zum Staunen und Entdecken ein. Auf rund 600 Quadratmetern heißt es dann: Aufgepasst und hingeschaut! Gebaut aus Tausenden von LEGO® Steinen, werden Hunderte kleine Geschichten erzählt.
Sonderausstellung in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Nürnberg anlässlich der Rückkehr des Herrschaftsarchives Schwarzenberg Kabinettausstellung Noch bis zum 04. November 2018
Frauen Alt Amerikas
Noch bis zum 20. Mai 2018
In Kult und Alltag Ergänzung zur Dauerausstellung „Reliefsammlung der großen Kulturepochen“
Werner Koch 100 + 1 = 80 Retrospektive und dada ist dada ist dada 30. Juni 2018 – 30. September 2018
Knauf-Museum Ausstellungsbau und evtl. Marktplatz Iphofen
Ta-Cheru – Eine Reise ins Innere der Mumie Sonderausstellung zu modernen Methoden der Mumienforschung, die erstmals das Hologramm einer Mumie zeigt
15. Juni 2018 – 04. November 2018
Heinrich Schliemann Troja Große Sonderausstellung anlässlich 35 Jahre Knauf-Museum Iphofen In Zusammenarbeit mit den Staatlichen Museum Berlin – Museum für Vor- und Frühgeschichte
Themenführungen Noch bis zum 22. April 2018 jeden Sonntag um 15:30 Uhr
STÄDTE - BURGEN - PYRAMIDEN Jeden Sonntag um 14:00 Uhr
Dauerausstellungen
Dauerausstellung „ÄGYPTEN“
Die Reliefsammlung – Kultur lebendig erleben
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, wir weisen jedoch darauf hin, dass die Teilnehmerzahl bei großer Nachfrage ggf. begrenzt werden muss. Führungsgebühr: pro Person 2,00 € zzgl. Museumseintritt
Weitere Infos unter: www.knauf-museum.de
Jeden 1. Sonntag im Monat um 15:30 Uhr
„Museum der Sinne“ Aktiver Gang durch die Ausstellung für Menschen mit und ohne Behinderung! Führungsgebühr: pro Person 2,00 € zzgl. Museumseintritt
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24. Mai 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal 10
Von roten, weisen und gelben Gewändern. Chemische Rezepturen in koptischen Texten. 29. Siegfried-MorenzGedächtnisvorlesung Prof. Dr. Tonio Sebastian Richter, Berlin
Sonderausstellungen Noch bis zum 27. Mai 2018
In Stein gemeißelt – In Gips gegossen. Historische Gipsabgüsse des Altorientalischen Instituts der Universität Leipzig
Nach dem Vortrag findet ein Empfang im Ägyptischen Museum statt
14. Juni bis 18. Oktober 2018
07. Juni 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal 8
Hohe Zeit – Gemäldeausstellung der Leipziger Künstlerin Britta Schulze
Prestige-Ikonographie zwischen großen Königen während der 18. Dynastie? Dr. Andrea Sinclair, Leipzig
Vorträge
05. Juli 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal 8
Campus Augustusplatz
Als die Steine sprechen lernten. Von Menschen und Materialien. PD Dr. Dietrich Raue, Leipzig
05. April 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal 8
Das Gohlis von Amarna Kerstin Seidel M.A., Leipzig
11. Juli 2017, 18:15 Uhr, Hörsaal 12
Das Gold der Nubier. Goldgewinnung im antiken Sudan. Rosemarie Klemm M.A., München
19. April 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal 12
Life and death on the EgyptianNubian frontier. Recent excavations at Hisn al-Bab, Aswan
02. August 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal 8
Dr. Pamela Rose, Wien
„Hergestellt aus kostbarem Gestein und geboren aus Kupfer“ Prunkvolle Gottheiten. Jana Raffel M.A., Leipzig
26. April 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal 8
Heliopolis und das Ende des Sonnentempels. Ägyptischdeutsche Ausgrabungen in Heliopolis im Frühjahr 2018. C. Breninek B.A. / K. Dietze M.A. / PD Dr. Dietrich Raue
06. September 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal 8
„Thronende Herrscher – hockende Völker“ Karl Heinrich von Stülpnagel, Leipzig
03. Mai 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal 8
Führungen
Prunk am Bau. Die Priester und ihre Tempel. Dr. Peter Dils, Leipzig
08. April 2018, 11:00 Uhr
Führung durch die Sonderausstellung „In Stein gemeißelt – In Gips gegossen“ Melanie Mohr
17. Mai 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal 16
The Founding of New Hermopolis. A quest to retrieve the lost soul of Egypt. Dr. Mervat Abdel Nasser
14. April 2018, 14:00 Uhr
Führung durch die Dauerausstellung Kerstin Seidel M.A.
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LEIPZIG
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LEIPZIG
24. Juni 2018, 14:00 Uhr
Zeitreise ins Alte Ägypten
(Fortsetzung)
Führung speziell für Kinder von 7-13 Jahren.
29. April 2018, 11:00 Uhr
Lara Galow B.A.
Führung durch die Sonderausstellung „In Stein gemeißelt – In Gips gegossen“ Tommaso Scarpelli
14. Juli 2018, 14:00 Uhr
Best of the Rest – Objekte, die sonst nicht im Rampenlicht stehen Dr. Marc Brose
29. April 2018, 14:00 Uhr
Fest und Alltag im Alten Ägypten PD Dr. Dietrich Raue
29. Juli 2018, 14:00 Uhr
Fashion im Land am Nil – Ägyptische Mode vor 4000 Jahren Dr. Franziska Naether
12. Mai 2018, 14:00 Uhr
4000 Jahre später: Was bleibt von einer alten Kultur? PD Dr. Dietrich Raue
11. August 2018, 14:00 Uhr
Führung durch die Dauerausstellung PD Dr. Dietrich Raue
19. Mai 2018, 14:00 Uhr
Leben im Dies- und Jenseits im Alten Ägypten PD Dr. Dietrich Raue / Erik Reske M.A.
26. August 2018, 14:00 Uhr
Meine Glieder bestehen ewig. nicht geeignet für Kinder unter 14 Jahren
19. Mai 2018, 15:30 Uhr
Kerstin Seidel M.A.
Life and Death in Ancient Egypt. Prof. Dr. Hans-W. Fischer-Elfert
08. September 2018, 14:00 Uhr
Nichts, außer Topfscherben & Mörteltöpfen. Ausgrabungsalltag vor 100 Jahren Anna Grünberg B.A.
20. Mai 2018, 11:00 Uhr
Führung durch die Sonderausstellung „In Stein gemeißelt – In Gips gegossen“ Sophia Ziannis
23. September 2018, 14:00 Uhr
Führung durch die Dauerausstellung Erik Reske M.A.
20. Mai 2018, 14:00 Uhr
Leben im Dies- und Jenseits im Alten Ägypten PD Dr. Dietrich Raue / Lara Galow B.A.
Sonstige Veranstaltungen Goethestr. 2
27. Mai 2018, 14:00 Uhr
05. Mai 2018, ab 18:00 Uhr
Leih dir Geld auf Zinsen und feiere Deinen Geburtstag!
Museumsnacht Halle + Leipzig Thema: Kult
Feste im Alten Ägypten.
Dr. Franziska Naether
22. Juni 2018
Lange Nacht der Wissenschaften Thema: Digital total? – Die Universität Leipzig und die Vorbereitung auf die digitale Arbeitswelt von morgen
09. Juni 2018, 14:00 Uhr
Führung durch die Dauerausstellung Dr. Franziska Naether
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Münzkabinett 2. Stock, Raum III
Sonderausstellungen
Noch bis zum 28. April 2019
Kunsthistorisches Museum Wien
Zuhanden Ihrer Majestät Medaillen Maria Theresias
08. Mai 2018 – 16. September 2018
„Der vergessene Papyrus“
Theseustempel
Thematisiert wird in dieser kleinen Sonderausstellung der Fund eines Papyrus im Kellerdepot der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung (Siehe Beitrag „Der Ibis und sein Papyrus“ im Heft Nr. 52)
Noch bis zum 07. Oktober 2018
Felix Gonzalez-Torres
Kuratorenführungen 09. Mai 2018 – 16:00 Uhr 23. Mai 2018 – 16:00 Uhr 12. September 2018 – 16:00 Uhr
Noch bis zum 08. April 2018
Fokus Denkmal: Das Haus der Medusa Römische Wandmalerei aus Enns
„Der vergessene Papyrus“ Dr. Regina Hölzl und Mag. Michael Neumann
Eine Ausstellung in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt Stiegenaufgang – 1. Stock
Symposium
Noch bis zum 02. September 2018
KHM Vortragsraum
Stairway to Klimt Mit Klimt auf Augenhöhe
13. Juni 2018 – 14:00 Uhr–18:00 Uhr
„Der vergessene Papyrus“
Gemäldegalerie – 1. Stock
Keynote lecture: Prof. Dr. Robert Demarée (Universität Leiden) über den neu entdeckten Papyrus ÄS 10321 Dr. Regina Hölzl und Mag. Michael Neumann (beide Wien) über den Fund und seine Provenienz Mag. Vanessa Novak (Restauratorin der ÄOS) über das Ausrollen und die Restaurierung des Papyrus Anmeldung zum Symposium erforderlich unter info.aeos@khm.at
Noch bis zum 08. Juli 2018
The Shape of Time Bassano Saal – 2. Stock Noch bis zum 31. Dezember 2018
The Last Day Fotoausstellung von Helmut Wimmer Kunstkammer Wien Hochparterre – Raum XXXIV Noch bis zum 30. Juni 2018
Flandern zu Gast - Madonna mit Kind Dieric Bouts (um 1415–1475), Nachfolge aus dem M – Museum Leuven, Inv.-Nr. S/47/B
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WIEN
. T G E I R BEK ZT. T E S . BE T R E H C I E BER IT E Z T Ä P EN S ISCH W Z N E ÄGYPT TANTIKE PÄ UND S
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Bekriegt. Besetzt. Bereichert. Ägypten zwischen Spätzeit und Spätantike
I
Caroline Böhme / Franziska Naether
m September 2017 kamen die Demotisten nach Leipzig – die Erforscher der demotischen Sprache und Schrift – laut spitzzüngigen Journalisten (Bild) auch die „schlechteste Schrift der Welt“. Es stimmt, die Entzifferung des Demotischen ist nicht nur Freud’, sondern auch ein hartes Brot: man hat es nicht immer mit Schönschrift, sondern manchmal mit einer „Sauklaue“ zu tun. Dieser Arbeitsschritt ist oft Teamwork. Über Ländergrenzen hinweg tüfteln Novizen und erfahrene Wissenschaftler an den Übersetzungen und
Interpretationen der Papyri, Inschriften und Graffiti. Aus Anlass der 13. Internationalen Konferenz für demotische Studien (ICDS) kuratierten Caroline Böhme von der Leipziger Sammlungsinitiative (LSI) und Franziska Naether vom Ägyptischen Museum Leipzig die Sonderausstellung „Bekriegt, Besetzt, Bereichert. Ägypten zwischen Spätzeit und Spätantike”. Die Schau thematisierte die Epochen der altägyptischen Geschichte, in denen Demotisch verwendet wurde, also vom 7. Jh. v. Chr. bis zum 5. Jh. n. Chr. Es
Abb. 1: Blick in die Sonderausstellung im Vestibül des Ägyptischen Museums Foto: M. Wenzel
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ist die Zeit der Fremdherrscher in Ägypten, die Zeit der Perser, der griechisch-stämmigen Ptolemäer und der Römer. Sie alle führten Krieg um Ägypten, besetzten das Land und bereicherten Ägypten bzw. bereicherten sich an ihm (Abb. 1).
Vorbereitung und Realisierung waren neben erfahrenen Fachwissenschaftlern aus nah und fern vor allem Studierende der Ägyptologie und anderer Fachbereiche maßgeblich beteiligt. Sie lernten in einem Seminar Theorien und Praxis des Museumsmanagements und Kulturmarketing kennen und gestalteten das Ausstellungsprojekt von der Idee bis zur Vernissage mit. Exponatauswahl, Titel, Logo, Objekttexte im Begleitheft und Werbemittel wurden teilweise eigenständig oder in studentischer Gruppenarbeit bzw. mit den Dozierenden erarbeitet. Einige der Studierenden haben nach den Prüfungen selbst Museumsbesucher durch „Bekriegt. Besetzt. Bereichert.“ geführt oder mit unseren kleinen Gästen Terrakotten geformt und Papyri auf Demotisch beschriftet – in Schönschrift!
Aus diesem zeitlichen Rahmen wurden die Objekte für die Ausstellung ausgesucht. Es handelte sich um eine „Ausstellung in der Ausstellung“, bei der ein Großteil der Objekte in ihren angestammten Vitrinen blieb und durch ein spezielles Logo hervorgehoben wurde. Die Besucher konnten so in einem eigens konstruierten Rundgang durch die Dauerausstellung und mit Hilfe eines Begleitheftes Altbekanntes neu entdecken und teilweise Neues bestaunen. An der
Abb. 2: Bildnis Alexanders des Großen Foto: M. Wenzel
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Neben Objekten des Ägyptischen Museums wurden in der Ausstellung auch Leihgaben aus dem Antikenmuseum der Universität Leipzig und dessen Gipsabgusssammlung gezeigt. So konnten beispielsweise großformatige Gipsabgüsse antiker Herrscher- und Götterbildnisse präsentiert werden. Eine von diesen Persönlichkeiten war Alexander der Große (332-323 v. Chr. Herrscher über Ägypten) (Abb. 2). Ungewöhnlich viele seiner Bildnisse wurden in Ägypten gefunden. Eine dieser Darstellungen – als maßstabsgetreue Kopie in Gips (Original im British Museum London) zeigt den jugendlichen Herrscher bartlos mit wallender Löwenmähne und verwegener Anastole-Locke, den
Kopf energisch nach links gewandt und die weit geöffneten Augen nach oben gerichtet. Viele Herrscher nach ihm orientierten sich in ihren offiziellen Bildnissen an diesen Darstellungskonventionen. Wir wissen, dass Alexander schon zu Lebzeiten durch seine Krönung als ägyptischer Pharao göttliche Ehren zuteil wurden. Kurz nach seinem Tod mit gerade einmal 32 Jahren fand er Eingang in Legenden und Erzählungen. Einen weiteren Publikumsmagnet der Ausstellung stellten sicherlich die ptolemäerbzw. römerzeitlichen Mumien und Mumienmasken aus dem Bestand des Ägyptischen Museum dar. Eine von ihnen zierte als
Abb. 3: Stelenfragment Foto: M. Wenzel
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„Covergirl“ das Plakat der Ausstellung. Die kastenartige Maske einer jungen Frau veranschaulicht eindrucksvoll die Vermischung von Kunststilen und Darstellungskonventionen. Sie kombiniert hellenistisch-römische Motive (Ohrringe, Tunika) mit pharaonisch-ägyptischen Elementen (Korkenzieherlocken, Perlenkette). Mumienmasken wie diese, die für die Ewigkeit auf den Gesichtern der Mumien verbleiben sollten, dienten durch ihre magische Kraft dem Schutz der Verstorbenen.
Neben diesen auffälligeren Exponaten wurden jedoch auch bewusst solche Artefakte thematisiert, die für den Besucher meist eher unscheinbar sind. So fanden z.B. römisch-kaiserzeitliche Münzen und griechisch-ptolemäische Gebrauchskeramik ihren Platz in der Sonderausstellung und konnten dem Besucher einen Eindruck von der Bandbreite der materiellen Kultur dieser Zeit vermitteln. Einige Objekte wurden im Rahmen der vorbereitenden studentischen Recherchen für das Ausstellungsbegleitheft
Abb. 4: Kindgott mit Gans Foto: M. Wenzel
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zum ersten Mal intensiver wissenschaftlich untersucht, so z. B. das Fragment einer bemalten Stele (Abb. 3). Es zeigt einen Verstorbenen, der Opfergaben vor einem falkenköpfigen Gott (Harachte oder Sokar?) und der Göttin Isis mit ihren beeindruckenden Flügeln darbringt. Der mit dem Fragment betraute Student konnte durch den Vergleich des heutigen Erhaltungszustandes mit alten Inventareinträgen Vorschläge zur Ergänzung der Darstellung und des Textes auf der Stele machen.
Ein deutlicher inhaltlicher Schwerpunkt lag auf den aus Ton gefertigten Öllämpchen und figürlichen Darstellungen der Kleinkunst, die für den thematisierten Zeitraum eine wichtige Objektgattung darstellen. Obwohl die Ägypter natürlich auch schon vorher ähnliche tönerne Objekte meist als Unikate per Hand herstellten, kam es erst in ptolemäischer Zeit mit dem zunehmenden Einsatz von Abdruckformen (Matrizen) bei der Terrakottenherstellung zu einem regelrechten ‚Boom‘ dieser Gattung. Der Bestand
Abb. 5: Blick in den Schriftenraum Foto: M. Wenzel
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der griechisch-römischen Terrakotten im Ägyptischen Museum Leipzig wird derzeit wissenschaftlich aufgearbeitet und für eine Publikation vorbereitet. Erste Ergebnisse dieser Arbeit konnten in die Ausstellung und das Begleitheft mit einbezogen werden.
dieser Artefakte sind Ostraka, beschriftete Scherben aus Ton und Kalkstein. Darunter befinden sich Quittungen, eine Personenliste mit griechischen Namen in ägyptischer Schreibung, eine Liste von Schuldnern, aber auch religiöse Texte wie ein Fluch auf einer Holztafel und ein Tempeleid. Diese Textsorte ist gut bekannt, da davon mittlerweile über 800 Belege existieren: dabei schworen Personen im Tempel vor den Göttern, bestimmte Taten nicht begangen oder sich an bestimmte Richtlinien gehalten zu haben. In unserem Fall handelt es sich dabei um eine Frau namens Apollonia. Was ihr genau vor Gericht zur Last gelegt worden ist, wissen wir leider nicht, denn – wie immer im spannendsten Moment – ist die Scherbe an dieser Stelle abgebrochen.
Das Leipziger Repertoire an figürlichen Terrakotten reicht von Götter- und Tierdarstellungen, Kult- und Festteilnehmern hin zu teilweise grotesken Darstellungen von Dienern, Schauspielern und Menschen mit körperlichen Missbildungen. Sie wurden mit ins Grab gegeben, aber auch in Tempeln den Göttern geweiht oder zu Hause in kleinen Altären aufgestellt, um die Liebsten vor Gefahren zu schützen. Weit verbreitet war der Typus der Kindgötter, deren Verehrung im griechisch-römischen Ägypten einen Höhepunkt fand. Sie galten als Heilsbringer, die Nahrung, Fruchtbarkeit und Schutz für Familie und Land sichern sollten. Diese Funktion wird bei der hier gezeigten Terrakotte (Abb. 4) durch den ägyptischen Speisetopf und das überlange Glied des Kindgottes symbolisiert. Auch das eher aus hellenistischen Kinderdarstellungen bekannte Motiv der Gans kann in diesem Zusammenhang gedeutet werden.
Sie möchten gerne mehr über die Objekte, die historischen Hintergründe und das Zustandekommen von „Bekriegt. Besetzt. Bereichert.“ erfahren? Nichts leichter als das! Zum Vertiefen der Ausstellung und für alle, die es nicht bis Mitte Dezember nach Leipzig geschafft haben, gibt es das Begleitheft hier kostenlos zum Download: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:15-qucosa2-161898. Dort sind alle Objekte kurz erklärt und abgebildet und zu einigen ausgewählten Exponaten finden Sie Links zu einfachen 3D-Modellen und Audioguides zum Nachlesen, Nachhören und Ausprobieren.
Natürlich wurden auch Textträger mit demotischer Schrift in der Ausstellung thematisiert. Das Ägyptischen Museum der Universität Leipzig besitzt davon nicht allzu viele (im Gegensatz zur Universitätsbibliothek Leipzig), da einiges im Zweiten Weltkrieg verloren ging. Von manchen der insgesamt 20 Objekte existieren zum Teil nur noch Inventareinträge, die belegen, dass es sie einmal gegeben hat. So beschränken sich die Studien auf das, was physisch noch vorhanden ist. (Abb. 5) Die Mehrzahl 58
Hohe Zeit
Ausstellung Malerei von Britta Schulze
vom 13. 06. - 18. 10. 18 Vernissage 13. 06., 18 Uhr Ägyptisches Museum "Georg Steindorff" der Universität Leipzig Goethestraße 2, 04109 Leipzig +49(0)341-9737008 www.aegyptisches-museum.uni-leipzig.de
KUNST KONZIL
verlängert bis 24. Juni 2018 Di, Do bis So 11 – 18 Uhr, Mi 11 – 20 Uhr
geschlossen: montags sowie 30. März; 01. und 10. Mai 2018 www.freimaurerei-und-aegypten.de Museum August Kestner Trammplatz 3, 30159 Hannover Telefon 0511 – 168 42730 museum-august-kestner.de
getragen von:
Kunst- und Kulturstiftung Hannover
In Kooperation mit den 12 hannoverschen Freimaurerlogen
O Isis und Osiris die Mysterien in Hannover gehen in die nächste Runde … und „online“ Christian E. Loeben
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it diesem Erfolg hatte niemand gerechnet: Die aktuelle Ägypten-Ausstellung in Hannover ist ein solcher Besuchermagnet, dass man sich zu einer langen Verlängerung und damit zu einem weiteren attraktiven Begleitprogramm entschlossen hat. Verlängert wird jetzt bis zum Johannistag, also dem 24. Juni 2018, an dem die institutionalisierte Freimaurerei ihren 301. Geburtstag feiern wird! Obwohl mit zweimal in der Woche ungewöhnlich viele öffentliche Führungen
angeboten werden – freitags durch Mitglieder der hannoverschen Freimaurerlogen und samstags als „Tandem“ zusammen mit Ägyptologie-Studierenden – sind diese stets sehr gut besucht. Mit diesen sowie aus allen Teilen Deutschlands und sogar aus dem europäischen Ausland gebuchten individuellen Führungen bekommt diese Sonderausstellung überregionale Beachtung, wie sie das Museum August Kestner bisher selten erleben konnte. An diesem Erfolg haben ganz
Abb. 1: Blick in die Ausstellung Foto: Christian Rose (MusAK)
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Abb. 2: Thronende Isis, Bronze, frühe Spätzeit, um 600 Abb. 3: Osiris, Bronze, Spätzeit, um 500 v. Chr., v. Chr., Museum August Kestner, Inv.-Nr. 1935.200.724 Museum August Kestner, Inv.-Nr. 2493 Foto: Christian Tepper (MusAK) Foto: Christian Tepper (MusAK)
Regionalsenders „radio leinehertz 106.5“. Viele Informationen, so auch der aktuelle Ausstellungsflyer und das Plakat zur Verlängerung sowie ein Presse-Kit sind direkt herunterladbar. In diversen Organen erschienene Rezensionen der Ausstellung und des Begleitbandes sind ebenso nachlesbar wie die in der Ausstellung zu findenden Texte. Mit diesem Service soll der Besucher die Möglichkeit bekommen, bequem und in Ruhe nochmals zuhause nachlesen zu können. Aus diesem Grund findet sich auch der Film über die hannoverschen Freimaurer auf der neuen Webseite, der in der Ausstellung zu sehen ist.
besonders die hannoverschen Freimaurer Anteil, denn durch Artikel in bundesweiten und internationalen Freimaurerzeitschriften wurde in außergewöhnlicher Form und Verbreitung auf die Ausstellung in Hannover aufmerksam gemacht. Mit der Verlängerung ist das erste Mal auch eine Ausstellung im Museum August Kestner mit einem attraktiven Internet-Auftritt „online“ gegangen. Unter www.freimaurerei-und-aegypten.de bietet er das aktuelle Begleitprogramm und Impressionen aus der Ausstellung in Bild, Film sowie Wort und Ton, letzteres durch Beiträge des beliebten 62
Abb. 4: Blick in die Ausstellung Foto: Christian Rose (MusAK)
Abb. 5: Blick in die Ausstellung Foto: Christian Rose (MusAK)
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Abb. 6: Blick in die Ausstellung Foto: Christian Rose (MusAK)
Abb. 7: Blick in die Ausstellung Foto: Christian Rose (MusAK)
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Abb. 8: Blick in die Ausstellung Foto: Christian Rose (MusAK)
loge zusammengeschlossen haben wohl dabei gegessen haben? Dieser Frage wird Sven Kappel in der Lehrküche der hannoverschen Volkshochschule mit seinem historischen Koch- und natürlich auch Genießer-Kurs nachgehen.
Aus dem neuen Begleitprogramm sind besonders die „Im Dialog“-Veranstaltung am 24. Mai und der historische Kochkurs am 11. Juni hervorzuheben. Am erstgenannten Abend stellen wir den wohl jüngsten Opernregisseur, den erst 17jährigen Ruben Michael vor, der seine erste „Zauberflöten“-Inszenierung in Playmobil dargeboten, inzwischen aber auch „richtige“ Inszenierungen realisiert hat. Was mögen die Freimaurer als sie sich am 24. Juni 1717 im Londoner Pub „Goose and Gridiron Ale-House“ zur ersten Groß-
Und zu guter Letzt: Trotz seines stolzen Preises von € 34,80 ist der 517-seitige Begleitband sowohl im Museum als auch beim Verlag Marie Leidorf fast vergriffen. Bei Interesse nicht zu lange warten … 65
Abb. 9: Blick in die Ausstellung Foto: Christian Rose (MusAK)
Abb. 10: Blick in die Ausstellung Foto: Christian Rose (MusAK)
Abb. 11: Blick in die Ausstellung Foto: Christian Rose (MusAK)
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Nachruf auf Prof. Dr. Nicole Riedl-Siedow * 11.03.1971 † 31.08.2017 Regine Schulz
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Minia (Ägypten) und der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen (HAWK) in Zusammenarbeit mit dem Landesmuseum Hannover und dem RPM. Dazu gehörten z. B. die Field School in der PetosirisNekropole von Tuna el-Gebel sowie die Summer Schools in Hildesheim und Hannover.
ie Mitglieder des Vereins Echnaton Museum Minia e. V. und die Kolleginnen und Kollegen des Roemer- und Pelizaeus-Museums Hildesheim (RPM) sind über den viel zu frühen Tod von Prof. Dr. Nicole Riedl-Siedow mit nur 46 Jahren tieftraurig. Nicole Riedl war nicht nur Vorsitzende des Hildesheimer Echnaton Vereins, sondern eine immer verlässliche, innovative Partnerin bei vielen gemeinsamen Projekten, wie z. B. der Ausbildung von ägyptischen und deutschen Restauratoren der Universität
Nicole Riedl studierte an der Fachhochschule Köln, wo sie 1998 ihr Diplom in der Studienrichtung Restaurierung und Konservierung von Wandmalerei und Objekten aus Stein erhielt. Ein Aufbaustudium für
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Denkmalpflege an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg schloss sie 2001 ab und erstellte dann noch eine Dissertation, für die sie die Bestnote summa cum laude erhielt. Seit 2009 war sie Professorin für Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei und Architekturoberfläche an der Fakultät Erhaltung von Kulturgut der HAWK in Hildesheim. Nicole Riedl war außerdem in zahlreiche nationale sowie internationale Forschungs- und Konservierungs-/Restaurierungsprojekte eingebunden, z. B. in Mexiko-City, Pompeij und Rom. Darüber hinaus engagierte sie sich in zahlreichen Gremien vom International Council on Monuments and Sites (ICOMOS) und im Internationalen Museumsrat (ICOM).
Für das Roemer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim, war sie stets eine kompetente Partnerin, die eng mit uns zusammengearbeitet hat. Als Vorsitzende des Vereins Echnaton Museum Minia e.V. sowie Vorstandsmitglied im Kuratorium der Schafhausen Stiftung Hildesheim ging es ihr stets um die Unterstützung der kulturellen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ägypten. Wir werden sie sehr vermissen. Im Namen des Vereins Echnaton Museum Minia e. V. und des Roemer- und PelizaeusMuseums Hildesheim Prof. Dr. Regine Schulz (Direktorin des RPM)
Foto: Heike Pfund
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Ist Gustav Seyffarth wirklich gescheitert? Peter Uhrbach
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Guil. Spohn et G. Seyffarth. Scripsit G. Seyffarth. Leipzig, bey Barth. 1827. 21 S. Quart, die am 04.09.1827 in der „Leipziger Literaturzeitung“ (Nr. 225, Spalten 1795–1798) erschienen ist.
uf einer Italienreise gelang es dem Ägyptologen Gustav Seyffarth, den Königspapyrus Turin zu rekonstruieren. Ist aber sein Versuch, in Leipzig die Ergebnisse s einer Studienreise zu veröffentlichen, wirklich gescheitert? Als Versuch einer eigenständigen Veröffentlichung vielleicht – aber keinesfalls im populärwissenschaftlichen Sinne!
Das zweite Fundstück findet man im „Intelligenz-Blatt“ der „Leipziger Literaturzeitung“ vom 05.01.1928 (Nr. 5, Spalten 33–39) als „Correspondenz-Nachricht aus Turin“. Dort steht ein von Seyffarth sehr ausführlich geschriebener Bericht, dessen kürzere Fassung, hier als drittes Fundstück bezeichnet, für das allgemein interessierte Publikum im Leipziger Tageblatt vom 05.02.1828 (Nr. 36, S. 185/186) veröffentlicht worden ist mit folgendem Wortlaut:
Dazu drei Literaturstellen. Die erste berichtet davon, wie Seyffarth das von Friedrich August Wilhelm Spohn zuerst aufgefundene und von ihm selbst weiter ausgeführte System der Hieroglyphik gegen die Einwürfe, welche von einem anderen seines Faches, Jean-François Champollion kamen, verteidigen musste. Darüber wird berichtet in einer Besprechung der Schrift: Brevis defensio Hieroglyphices inventae a Fr. Aug.
„Egyptische Carikaturen. Unser Hr. Prof. Seyffarth aus Leipzig, Spohns vertrauter Schüler in der Hieroglyphenschrift, hat aus Turin einen weitläufigen Bericht in Nr. 5 der diesjähr. Leipz. Litzt. mitgetheilt, der seine neuen Entdeckungen in den Papyrusrollen enthält, welche im dortigen Museum von ihm untersucht worden sind. Unter andern macht er uns darin mit einer Menge Bilder bekannt, die sich durch Umrisse. Färbung, Bewegung der Figuren, Inschriften, und ächt komische Darstellung auszeichnen, und wahrscheinlich aus dem Zeitalter der Ptolomäer sind,
Abb. 1: Bildnis Gustav Seyffarths, 1837 © Gustav Adolph Hennig - Renate Krauspe (Ed.) Ägyptische Museum der Universität Leipzig. 69
(wo dies Volk nun freilich einen großen Theil seines ursprünglichen Charakters mag verloren gehabt haben.) Es finden sich diese Bilder auf einem Papyrus von 16–20 Fuß Länge, (warum er ihn nicht gemessen hat, finden wir nicht bemerkt) und einen Fuß Höhe (Ist hier kein Druckfehler: Höhe statt Breite, so muß man sich das Ganze wie eine in der Quere hinlaufende Tapete denken). Rechter Hand ist zunächst die Abbildung der Wirthschaft eines Affen. Der Hausherr trägt Wein und andere Gefäße in den Keller. Oben im Speicher lauern zwei Katzen den Mäusen auf, welche nach der Kornkammer mit possirlichen Sprüngen laufen. Vor der Thüre stehen vier reisende Musiker, von denen der Esel die Harfe, der Löwe die Lyra singend, spielen, während das Krokodill andächtig auf seinem Schwanze sitzend, mit der Janitscharenmusik, und die Meerkatze mit der Sackpfeife beschäftigt sind. Weiter links bringt jemand als Esel mit Rock und Schürze ein kleines Opfer dar, als: ein paar Schinkenbeine, eine gebratene Ente, einen Stierkopf, Brode, Zwiebeln u. d. m. Der gegenüberstehende Götze oder Priester, als Katze in heiliger Tracht, mit Rock und Schürze, läßt sich dies gefallen, und langt von der – Oblation mit Vergnügen zu. Man sieht, daß der Papyrus von einem egyptischen Atheisten herrührt. Dann wird die Weinbereitung dargestellt, wobei Gazellen, Katzen und ein Hase beschäftigt sind. Das folgende ist wahrscheinlich eine egyptische Apotheke, oder ein chemisches Laboratorium. Da wird im Mörser gestoßen, filtrirt, gekocht, wobei eine Menge Personen, welche Retorten,
Filtrirsäcke, Tuten, Probirgläschen herbeitragen, beschäftigt sind, als Katzen, Schweine, der Adler, der geschwänzte Affe. In der unteren Abtheilung von diesem Papyrus rechts, ist vorzüglich komisch zu sehen, wie sich ein junges Nilpferd mit dickem Bauche auf einen Opferaltar geschlichen hat und daselbst die Feigen wegfrißt. Die diebische Elster, welche von der Gelegenheit profitiren will, aber nicht gut fliegen kann, holt sich eine Leiter, und steigt ebenfalls auf den Altar, welchen das gemästete Nilpferd jedoch mit grimmigem Blicke bewacht. Daneben ist der Krieg zwischen den Affen und Katzen. Die Affen liefern den Katzen eine Schlacht. Alle sind bewaffnet. Den linken Flügel bilden die Bogenschützen, den rechten das schwere Fußvolk mit Schilden und Lanzen. Hinten fährt der Feldherr der Affen auf einem Streitwagen, mit zwei keuchenden Hunden bespannt, auf das Schlachtfeld, welches natürlich die Katzen mit Hinterlassung vieler Todten und Verwundeten räumen müssen. Indessen retriren die Katzen in die Festung, auf deren Mauern sie sich tapfer mit den Krallen verteidigen, bis die Affen Leitern nehmen und Sturm laufen. Diese Kühnheit versetzt die Katzen in große Schrecken. – Viele von diesen Bildern hat Seyffarth nicht mittheilen oder nur kurz berühren können, weil sie gegen unsere Sitten zu sehr verstoßen. Auch schon aus dem Mitgetheilten aber geht hervor, daß wenigstens zu der Zeit, wo dieser Papyrus gemalt wurde, die Egypter zum Theil doch ein lustiges und witziges Völkchen waren.” 70
Die Archivbestände des Berliner Ägyptischen Museums
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Christina Hanus / Anne Schorneck / Klaus Finneiser
as Ägyptische Museum und Papyrussammlung sammelt, bewahrt und betreut Kulturgut von unschätzbarem Wert. Neben den archäologischen Objekten und Schriftträgern gehört dazu auch eine große Anzahl z.T. bedeutender dokumentarischer und fotografischer Archivalien. Historisch bedingt erfuhren die Archivbestände während ihrer wechselvollen Geschichte wenig Aufmerksamkeit. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde der größte Teil der Dokumente hauptsächlich als Verwaltungsdokumenta-
tion eingestuft. Lediglich die alten Grabungsunterlagen fanden für Forschungszwecke Beachtung. Das stetig erweiterte Fotoarchiv hingegen nutzte man u.a. für Lehrzwecke oder Publikationsvorhaben. Nach der Teilung Deutschlands – in diesem Zuge auch des Ägyptischen Museums – lag der Arbeitsschwerpunkt an den Standorten Museumsinsel und Charlottenburg zwangsläufig auf der Bergung, Neuordnung, Revision, Restaurierung (vornehmlich von
Abb. 1: Originalzeichnung (um 1827) von Joseph Passalacqua: Funde aus dem Grab des Mentuhotep: Die drei Särge des Mentuhotep (Inv.Nr. 9,10, 11). © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Dokumentenarchiv 71
kriegsbeschädigten Objekten) sowie der Was bewahren die Archive? öffentlichen Neupräsentation der archäologischen Objekte und Schriftzeugnisse Die Archivalien zur Geschichte des Museums sind derzeit auf zwei Hauptstandorte verteilt. Altägyptens. Etwa 50 laufende Meter Archivgut lagern im Dokumentenarchiv. Trotz der administrativen Wiedervereini- sammlungseigenen gung des Ägyptischen Museums und Papy- Darunter finden sich Grabungstagebücher russammlung 1991 konnten die Depots, der Kampagnen der Berliner Königlichen Restaurierungs- und Fotowerkstätten, Fach- Museen der Jahre 1898 bis 1914, historibibliotheken, Archive und Mitarbeiterbüros sche Inventarverzeichnisse der Jahre 1828 erst 17 Jahre später auf der Museumsinsel bis 1900 sowie Expeditionstagebücher der zusammengeführt werden. So war auch die Preußischen Expedition (1842–1845) unter Konzipierung eines separaten Dokumen- Carl Richard Lepsius (diese befinden sich als ten- und Fotoarchivs für das an beiden Dauerleihgabe und zur wissenschaftlichen Standorten lagernde Archivmaterial erst mit Bearbeitung in der Berlin-BrandenburgiPlanungsbeginn für einen gemeinsamen Ver- schen Akademie der Wissenschaften). Zu dem Bestand gehören ferner Korresponwaltungsstandort möglich. denzen, Pläne, Landkarten und Nachlässe
Abb. 2: Grabungs-Tagebuch der D.O.G.-Kampagne in Tell el-Amarna 1913/14, S. 28: Grundriss und Erläuterung des Hauses P 47. © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Dokumentenarchiv 72
bzw. Teilnachlässe ehemaliger Ägyptologen Die Archivalien beider Archivstandam Berliner Museum wie z. B. Heinrich orte bilden ein einzigartiges Zeugnis zur Brugsch oder Rudolf Anthes. Einen weiteren Geschichte des Museums, seiner Sammlung wichtigen Bereich bilden die Inventarbücher sowie der deutschen Ägyptologie. aufgrund ihrer Bedeutung für die tägliche In einem vollklimatisierten Fotoarchiv Museumsarbeit. sind die Bildträger überwiegend adäquat Das Zentralarchiv als zweiter Hauptstand- untergebracht. In dem sogenannten Papierort bewahrt insgesamt 733 Akteneinheiten archiv lagern Positive (Papierabzüge) bei 15 über das Ägyptische Museum und Papy- bis 18° Celsius, während in der sogenannten russammlung, verteilt auf den sogenannten Kühlzelle Negative, Farbfilmmaterial (Farb„historischen Bestand, Altakten“ mit einer negative und Ektachrome) sowie CT- und Laufzeit von 1826 bis 1945 und den Bestand Röntgenaufnahmen bei 5 bis 8° Celsius im „Verwaltungsarchiv“ mit einer Laufzeit ab Hinblick auf fotochemische Aspekte (z. B. Schwarz-Weiß/Farbe) aufbewahrt werden. 1945. Insgesamt umfasst der Bestand circa 117 000 Bildträger.
Abb. 3: „Topfkatalog Krönig-Bothmer 1932–34“ mit Zeichnung des Gefäßes ÄM 17819 (im Zweiten Weltkrieg nach Schloss Sophienhof ausgelagert, gilt als vermisst). © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Dokumentenarchiv
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Die ersten großformatigen Fotografien wurden 1886 in Kairo erworben und als Anschauungsmaterial für Forschung und Lehre genutzt. Es handelt sich bei den zwischen 1852 und 1900 aufgenommenen künstlerischen Fotografien (sog. Reise- und Studiofotografie) überwiegend um Albuminpapiere, die meist auf Karton aufgezogen sind. Sie zeigen altägyptische Monumente, einige wenige islamische Bauwerke, Landschaftsansichten und arrangierte Alltagsszenen. Ein zweiter Bereich umfasst frühe wissenschaftliche Fotografien, die Grabungen und Expeditionen zwischen 1886 und 1914 dokumentieren. Sie gelten heute historisch und künstlerisch als überaus wertvoll.
Ein großer, für den Museumsalltag wichtiger Teil des Positivbestandes bildet die Objektfotografie, die Aufnahmen der Berliner Sammlung, des Vereins zur Förderung des Ägyptischen Museums Berlin e.V., aber auch von anderen Museen und Privatsammlungen beinhaltet. Letztere wurden für vergleichende Studien zusammengetragen. Fotografien zur Geschichte des Berliner Museums, die hauptsächlich Raumansichten früherer Ausstellungen zeigen, sind gleichermaßen vorhanden. Der Negativbestand umfasst ebenfalls Aufnahmen von Objekten des Museums, von Stücken, die durch den Förderverein
Abb. 4: Auszug aus dem Inventarverzeichnis mit Objekten aus der Berliner Grabung in Theben/West von 1911 (ÄM 20196 bis ÄM 20202). © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Dokumentenarchiv 74
erworben wurden, CT- und Röntgenaufnah- moderne Kleinbilddiathek circa 10 000 men, einige wenige Dokumentarfilme, aber Diapositive. auch Aufnahmen von wissenschaftlichen Foto-Expeditionen, durchgeführt zwischen Wie ist der Erschließungsstand? 1900 und 1926. Der Bestand des Dokumentenarchivs Bedeutend sind außerdem sechs Inventar- besitzt derzeit eine grobe Gliederung und bücher (1886‒1914), in denen die frühen ist nur oberflächlich erschlossen. Inhaltlich künstlerischen und wissenschaftlichen Foto- wurden bislang lediglich einzelne Bereiche grafien, aber auch Reprofotografien und die des Archivs wissenschaftlich bearbeitet. ersten Objektfotografien verzeichnet sind. Im Zuge vergangener Projekte konnten Das Ägyptische Museum besitzt ferner ausgewählte Konvolute der Archive gesichtet eine Großbild- und Kleinbilddiathek, die und aufgearbeitet werden. Hier zu nennen für die Lehre sowie öffentliche Vorträge wären: die Gemeinschaftspublikation des genutzt wurden. Die Großbilddiathek aus Zentralarchivs, welche die Themenbereiche dem frühen 20. Jahrhundert umfasst schät- Objekt-Auslagerungen während des Zweiten zungsweise 7 200 Glasplattendias und die Weltkrieges sowie das Ägyptische Museum
Abb. 5: Mustertafel für Amulette, ÄM 20600; Holz, Blattgold, verschiedene Halbedelsteine (im Zweiten Weltkrieg nach Schloss Sophienhof ausgelagert, gilt als vermisst). © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Fotoarchiv 75
Objektfotografie nutzungsgerecht nach Inventarnummern geordnet ist, folgt der historische Bestand bislang nur einer groben Systematisierung. Für die Großbilddiathek existiert ein „Dia-Positiv-Katalog“ genanntes Verzeichnis, das auf eine ursprüngliche Gliederung der Bestände der Vorkriegszeit schließen lässt. Bislang sind etwa ein Drittel der Fotografien in der museumseigenen Datenbank erfasst. Durch Ausstellungen, wissenschaftliche Publikationen, studentische Arbeiten konnten bisher Teilbereiche bearbeitet werden.
zur Zeit des Dritten Reiches berühren; die Kooperation mit dem Giza Archive Project in Boston/USA zur Erfassung aller Informationen über den Grabungsort Giza in Ägypten; das Projekt „Wissenschaftliche Aufarbeitung der Amarna-Grabungen Ludwig Borchardts (1911–1914)”, das Projekt „Otto Rubensohn in Ägypten. Vergessene Grabungen: Funde und Archivalien aus den Grabungen der Königlichen Museen zu Berlin (1901–1907/8)“, eine Publikation über den jüdischen Mäzen Rudolf Mosse sowie ein aktuelles Museumsprojekt, welches die wissenschaftliche Erschließung der Berliner Grabung auf der Westseite von Theben zum Inhalt hat.
Wie sieht die Zukunft der Archive aus? Nach der Zusammenführung und räumlichen Unterbringung eines Dokumentenund Fotoarchivs erfolgten bereits 2013 erste Überlegungen und Vorarbeiten für ein künftiges Projektvorhaben, um diese außer-
Hinsichtlich der strukturellen Erschließung wird der Bestand des Fotoarchivs fachgerecht nach Positiven und Negativen getrennt aufbewahrt. Während die
Abb. 6: Historische Fotografie von Pascal Sébah (um 1875): Portikus des Hathor-Tempels in Dendera. Albuminpapier, aufgezogen auf Karton (nicht abgebildet), Inv.-Nr. Ph.P.77. © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Fotoarchiv 76
gewöhnlich umfangreichen Wissens- und 19. Jahrhunderts, eine fachliche UnterBildressourcen durchgängig nach aktuellen stützung seitens der Sammlung Fotografie Archivstandards fachgerecht zu archivieren, der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu digitalisieren, wissenschaftlich zu bear- zu Berlin gewünscht. beiten, öffentlich zugänglich zu machen und Im Zuge der Projektvorarbeiten gilt unser verstärkt nach außen zu präsentieren. besonderer Dank den Kolleginnen ClauDa das Zentralarchiv der Staatlichen dia Saczecki, Jana Helmbold-Doyé und Museen zu Berlin nicht nur wertvolle Hin- Caris-Beatrice Arnst für ihre fachkundige weise zur archivgerechten Lagerung sondern und umfangreiche Unterstützung. auch zur wissenschaftlichen Erschließung von Archivbeständen geben kann, soll das Wie sollen die Ergebnisse veröffentlicht Projekt in Kooperation mit dem Zentralar- werden? chiv verwirklicht werden. In Ergänzung dazu ist für das Fotoarchiv, insbesondere für die Es ist geplant alle relevanten Daten in eine Bestände der künstlerischen Fotografie des bereits vorliegende Datenbankstruktur – dem Museumsdokumentationssystem MuseumPlus – einzupflegen. Aus dieser können bei Bedarf die Daten in der O nline-Datenbank der Staatlichen Museen zu Berlin SMB-digital freigeschaltet werden. Die umfangreiche Sammlungs- und Museumsgeschichte vom 17. bis ins späte 20. Jahrhundert soll in einer Publikationsreihe veröffentlicht werden. Vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Entwicklungen betrachtet, lassen sich zeitliche Zäsuren entlang dieser Entwicklungen setzen: Beginnend im 17. Jahrhundert (als die ersten Aegyptiaca nach Berlin gelangten), über das 18. und 19. Jahrhundert, die Zeit des Kaiserreichs, die Weimarer Republik bis zum Nationalsozialismus sowie zu der Teilung des Museums in Berlin-Ost und Berlin-West. Das Ägyptische Museum versucht auf diese Weise sowohl den Anforderungen eines stetig wachsenden öffentlichen Interesses an den Dokumenten zur Sammlungsgeschichte und Provenienzforschung Rechnung zu tragen, als auch den Anschluss zu finden an die wissenschaftshistorische Auseinanderset-
Abb. 7: Historische Fotografie von Edition Schroeder & Cie Zürich (um 1890): Esna, Säulensaal des Chnum-Tempels. Albuminpapier, aufgezogen auf Karton, Inv.-Nr. Ph.P.3167. © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Fotoarchiv
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zung mit der eigenen Vergangenheit, wie sie Abschließend kann festgehalten werden, von anderen wissenschaftlichen Institutionen dass die Einmaligkeit der Bestände des im Bereich der Ägyptologie längst geleistet Dokumenten- und Fotoarchivs das Projektwurde. vorhaben zwingend notwendig macht, um die Fülle der Archivalien als Zeitzeugnisse Im Hinblick auf die Vermittlungs- und der Museums- und Sammlungsgeschichte Öffentlichkeitsarbeit kann im Zuge des einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu Projektes eine Sonderausstellung zur Samm- machen sowie weiterführende Forschungen lungs- und Museumsgeschichte im Neuen anzustoßen und zu ermöglichen. Museum konzipiert werden, die auch als Ergänzung zu der bisherigen Gestaltung in die Dauerausstellung integriert werden kann.
Abb. 8: Historische Fotografie von C. u. G. Zangaki (um 1880): Die Pyramiden als Dreiergruppe von Süden. Albuminpapier, aufgezogen auf Karton (nicht abgebildet), Inv.-Nr. Ph.P.8002. © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Fotoarchiv 78
Restaurierungstheorie und Restaurierungspraxis Thomas Staemmler „Ich habe das Gestern gesehen, ich kenne das Morgen.”
sind unterschiedlich, die Frage stellt sich jedoch immer neu und muss immer wieder neu beantwortet werden. Individuum und Gesellschaft der Neuzeit haben die Antwort auf diese Frage in ihrer Geschichte gefunden und die Zeugnisse der Geschichte als identitätsstiftend erkannt. Darin liegt die Bedeutung des historischen Kunst- und Kulturgutes. Daher werden die Gegen stände, in denen Geschichte materialisiert ist, betrachtet, bewahrt und erforscht.
Inschrift auf dem inneren Schrein des Tutanchamun
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enschen stellen als Individuen oder als Gruppen die Frage nach einem Halt in Raum und Zeit. Sie suchen Antwort auf diese Frage in den Religionen, in den verschiedenen Ideologien oder in den Naturwissenschaften. Die Antworten
Abb. 1: Scheintür des Senschemnofer II.; Bestand vor der Zerstörung infolge des 2. Weltkrieges © Ägyptisches Museum Leipzig
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mit Erscheinung und Ästhetik des Gegenstandes. Die Archäologie beschäftigt sich also Das archäologische Kunst- und Kulturgut mit allem, was am historischen Kunst- und kann als Teilmenge des historischen Kunst- Kulturgut kognitiv erkannt werden kann. und Kulturgutes verstanden werden. Es wird Beim Bewahren und Erforschen des von der Wissenschaft der Archäologie als materieller Beleg für historische Ereignisse, archäologischen Kunst- und Kulturgutes Prozesse und Entwicklungen gesehen und bedient sich die Archäologie der Restaurieevtl. auch als Bestätigung der schriftlichen rung. Diese ist dafür zuständig, die materiQuellen betrachtet. Dazu wird es nach geis- elle Substanz der historischen Gegenstände tes- und naturwissenschaftlichen Methoden zu erhalten und evtl. die eine oder andere interpretiert. Die interessierenden Informa- Erkenntnis zu werktechnischen Details zu tionen werden aus der Gestalt und aus den liefern. Doch ist die Restaurierung heute Materialien des einzelnen Gegenstandes mehr als eine Hilfsdisziplin der Archäologie. gewonnen. Die Gestalt ist hier gleichzusetzen Sie ist inzwischen eine eigenständige WissenArchäologisches Kunst- und Kulturgut
Abb. 2: Scheintür des Senschemnofer II.; Analyse des fragmentarischen Bestandes hinsichtlich des erhaltenen Volumens © FH Erfurt Foto: Pierre Zwetkow
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schaft, die man als praktische Geisteswissenschaft bezeichnen kann, deren Aufgabe darin besteht, die identitätsstiftenden Bedeutungen der historischen Kunst- und Kulturgüter in die Zukunft zu überliefern.
sche Kunst- und Kulturgut wird als Zeugnis der Vergangenheit betrachtet. Es bleibt damit Teil der Vergangenheit von der es Zeugnis ablegt. Es ist Gegenstand des Wissens um Geschichte im Allgemeinen und um Archäologie im Besonderen.
Authentizität
Im Zusammenhang mit seiner identitätsstiftenden Bedeutung kommt beim historischen Kunst- und Kulturgut insgesamt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Durch seine unmittelbare Gegenwart wird Geschichte über alles kognitive Erfassen hinaus sinnlich-sensuell erlebbar. Das historische Kunstund Kulturgut zeigt diesen Aspekt seiner
Beide, Archäologie und Restaurierung fordern die Authentizität des historischen Kunst- und Kulturgutes. Dessen Authentizität ist allerdings eine zweifache, nämlich eine historische und eine ästhetische. In der Archäologie liegt der Schwerpunkt auf der historischen Authentizität: Das archäologi-
Abb. 3: Scheintür des Senschemnofer II.; Analyse des fragmentarischen Bestandes hinsichtlich der erhaltenen steinmetztechnisch bearbeiteten Oberfläche © FH Erfurt Foto: Pierre Zwetkow
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historischen Authentizität in einer Ästhetik des Vergehens und der Vergänglichkeit – in einer gewordenen Ästhetik. Der gewordenen Ästhetik steht die Ästhetik des ursprünglichen Gegenstandes gegenüber – die gewollte Ästhetik. Der historische Prozess, in dessen Ergebnis die gewordene Ästhetik entsteht, lässt diese regelmäßig in einen Widerspruch zur gewollten Ästhetik geraten. Die Bedeutungen des historischen Kunst- und Kulturgutes werden im Spannungsfeld von gewollter und gewordener Ästhetik sinnlich-sensuell wahrnehmbar und zwar unabhängig von den kognitiv zu erfassenden Aspekten.
Das schon erwähnte sinnlich-sensuelle Erleben von Vergangenheit setzt allerdings voraus, dass der Betrachter den Gegenstand als einen historischen Gegenstand erkennt. Dies gelingt nur, wenn der historische Gegenstand im Spannungsfeld von gewollter und gewordener Ästhetik präsentiert wird. Die Präsentation des archäologischen Kunstund Kulturgutes findet üblicherweise im Museum statt. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Der Gegenstand kann als Dokument präsentiert werden, das Geschichte belegt, womit der kognitive Aspekt hervorgehoben würde, oder der Gegenstand wird wegen der ihm eigenen Ästhetik präsentiert. Letzteres
Abb. 4: Scheintür des Senschemnofer II.; Integration der Fehlstellen durch Einbindung der Fragmente in die der ursprünglichen Form der Werksteine angenäherten Kuben bei gleichzeitiger Reduktion der Binnenformen und vom erhaltenen Bestand unterscheidbarer Farbigkeit. Durch die Integration der Fehlstellen bleibt die Spannung zwischen gewollter und gewordener Ästhetik erhalten und der Betrachter kann die Scheintür als historischen Gegenstand wahrnehmen. © Ägyptisches Museum Leipzig Foto: Karl-Heinrich von Stülpnagel
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wird wohl am ehesten bei Kunstwerken erfolgen, darf jedoch auch dem einfachen handwerklichen Gebrauchsgegenstand zugestanden werden. Damit würde der sinnlich-sensuelle Aspekt betont. Man wird sich wohl über diese beiden Aspekte nicht immer Rechenschaft ablegen, doch sind sie im Zusammenhang mit der Präsentation durchaus von Bedeutung, nämlich wenn die Frage nach der Restaurierung des Gegenstandes gestellt wird.
seiner materiellen Beschaffenheit und in seiner ästhetischen und historischen Bipolarität, in Hinsicht auf seine Vermittlung an die Zukunft dar”. Entscheidend ist hier zunächst die Vermittlung des historischen Kunstwerkes bzw. des einzelnen historischen Gegenstandes an die Zukunft: Die Restaurierungstheorie geht davon aus, dass das historische Kunst- und Kulturgut nicht nur einfach aufbewahrt wird, sondern quasi in die Zeit gestellt bleibt. Der Gegenstand ist damit nicht nur Dokument sondern Teil eines lebendigen kulturellen Erbes. RestauriRestaurierungstheorie erung befasst sich daher mit der dialektischen Nach Cesare Brandi stellt die Restaurie- Aufhebung des Widerspruchs von gewollter rung „… den methodischen Moment des und gewordener Ästhetik, um den BetrachErkennens eines Kunstwerkes […], in ter in genau dieses Spannungsfeld zu stellen.
Abb. 5: Keramikschale, Scherben des fragmentarischen Bestandes © FH Erfurt Foto: Lisa Thomet 83
Dialektik der Restaurierung deutlich: Die störenden Wirkungen der Fehlstellen auf die Wahrnehmbarkeit der potentiellen Einheit des fragmentarischen Bestandes wird aufgehoben, die Fehlstelle bleibt jedoch gleichzeitig, wenn auch sekundär erkennbar. Dies wird durch die gestalterische Verfremdung von Form, Oberfläche oder Farbigkeit der Ergänzung erreicht. Durch diese Art und Weise der dialektischen Aufhebung des Widerspruches von gewollter und gewordener Ästhetik kann der Betrachter den historischen Prozess in der verbliebenen ästhetischen Spannung zwischen integrierter Fehlstelle und fragmentarischem Bestand sinnlich-sensuell wahrnehmen und den historischen Gegenstand als solchen erleben.
Indem die sinnlich-sensuelle Wahrnehmung des Betrachters angesprochen wird, kann die gewünschte intellektuelle Neugierde für die historische Dimension des Gegenstandes geweckt werden. Restaurierung im engeren Sinne ist die dialektische Aufhebung der störenden Wirkungen der Schäden auf die Wahrnehmbarkeit der potentiellen Einheit des fragmentarischen Bestandes. Restaurierung ist daher eine Interpretation des historischen Gegenstandes durch Behandlung seiner gewordenen Ästhetik. Diese Behandlung erfolgt durch die Reinigung und durch die Integration von Fehlstellen. Insbesondere bei der Integration von Fehlstellen wird die
Abb. 6: Keramikschale, Bestand nach der Festigung und Klebung der Fragmente sowie Integration der Fehlstellen mit einem Ergänzungsmaterial, das sich vom Bestandsmaterial durch eine homogene Struktur unterscheidet, die allerdings die Rauigkeit der Oberfläche des Bestandsmaterials aufnimmt © FH Erfurt Foto: Lisa Thomet 84
Darüber hinaus werden Oberfläche und Form der integrierten Fehlstelle zu einer Fläche, auf die der Betrachter das sich bei ihm unter seinen individuellen Voraussetzungen einstellende Bild der potentiellen Einheit und evtl. sogar der ursprünglichen Ganzheit des Kunstwerkes projizieren kann.
Scheintür aus der Mastaba des Senschemnofer II.
Die hier behandelte Scheintür stammt aus der Mastaba des Senschemnofer II. auf dem Westfriedhof neben der Cheops-Pyramide in Giza. Sie wurde im Ergebnis der 1910 von Georg Steindorf durchgeführten Grabung Restaurierungspraxis nach Leipzig gebracht und wurde Bestandteil der Sammlung des Ägyptischen MuseDie Ausführungen zur Restaurierungstheorie ums (Abb. 1). Infolge der Zerstörung des sollen im Folgenden anhand zweier Beispiele Leipziger Museums im Zweiten Weltkrieg wurde auch die Scheintür stark beschädigt. konkretisiert werden: Von den ursprünglich vier Werksteinen
Abb. 7: Keramikschale, Bestand nach der Farbretusche der Ergänzungen. Durch die angewendete Punktretusche wird die Farbigkeit der Ergänzungen an die des Bestandsmaterials angenähert, die Ergänzungen bleiben für den Betrachter als Ergänzungen wahrnehmbar. Durch die Integration der Fehlstellen bleibt die Spannung zwischen gewollter und gewordener Ästhetik erhalten und der Betrachter kann die Schale als historischen Gegenstand wahrnehmen. © FH Erfurt Foto: Lisa Thomet 85
blieben nur drei fragmentarisch erhalten. Nach einer Analyse des Schädigungsgrades (Abb. 2 und Abb. 3) wurden die erhaltenen F ragmente in einen gegenüber seiner ursprünglichen Form leicht reduzierten Kubus eingefügt, dessen Binnenformen lediglich angedeutet wurden (Abb. 4). Die Farbigkeit der ergänzten Flächen wurde gegenüber dem Bestandsmaterial etwas heller gewählt. Durch die Integration der Fehlstellen bleibt die Spannung zwischen gewollter und gewordener Ästhetik erhalten. Der Betrachter kann auf diese Weise die ursprüngliche Form der Scheintür wahrnehmen und gleichzeitig die Zerstörung sehen. Dies könnte ihn dazu veranlassen, sich nicht nur an der Ästhetik eines ägyptischen Architekturelements zu erfreuen, sondern auch die Frage nach dem Grund der Zerstörung zu stellen.
wenn auch ihre störende Wirkung aufgehoben wurde. Im Moment der Betrachtung wird die Schale als historischer Gegenstand in seinem Widerspruch von gewollter und gewordener Ästhetik sinnlich-sensuell wahrnehmbar. Von dieser Wahrnehmung ausgehend kann sich auch die Frage nach den sachlichen Informationen einstellen. Die Restaurierung wird inzwischen auch von den anderen an der Bewahrung und Überlieferung des historischen Kunst- und Kulturgutes beteiligten Wissenschaften als eigenständige Disziplin wahrgenommen, so dass der interdisziplinäre Dialog gelingen kann. Literaturverzeichnis Brandi, Cesare: Theorie der Restaurierung. In: ICOMOS Hefte des Deutschen Nationalkomitees XLI, München 2006
Keramikschale aus dem Fundkomplex des Friedhof N von Aniba Choay, Francoise: Das architektonische Erbe, eine Allegorie; Braunschweig, WiesbaDie Keramikschale zeigt neben den Her- den, 1997 stellungspuren auch Spuren, die sie als Gebrauchsgegenstand kennzeichnen. Insbe- Lipp, W. (Hrsg.): Denkmal – Werte – Gesellsondere die Verschwärzungen auf der Innen- schaft: Zur Pluralität des Denkmalbegriffs, wand und die Störungen an der Gefäßlippe Frankfurt, M., New York 1993 legen diese Interpretation nahe. Die Schale wurde möglicherweise schon im Ergebnis Paul Philippot, Paolo und Laura Mora: Die des Gebrauchs beschädigt oder auch erst Behandlung von Fehlstellen in der Wandin Folge der Bodenlagerung zerstört. Von malerei, in: Beiträge zur Kunstgeschichte dem Gefäß sind vier größere und mehrere und Denkmalpflege, Walter Frodl zum 65. kleinere Fragmente erhalten (Abb. 5). Nach Geburtstag gewidmet, Wien 1975, S. 204einer Festigung des Scherbens und der Kle- 217 bung der Fragmente wurden die verbliebenden Fehlstellen in Form und Farbe in den Philippot, Paul: Die Restaurierung im Lichte erhaltenen Bestand integriert (Abb. 6 und der Geschichtlichkeit des Kunstwerkes; in: 7). Im Ergebnis der Restaurierung bleiben Beiträge zur Erhaltung von Kunstwerken, die Fehlstellen für den Betrachter erkennbar, Heft 7; Berlin 1997, S. 7–9
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Magazin für die Freunde Ägyptischer Museen und Sammlungen
Ausgabe April 2018 Heft-Nr. 56 / 20. Jahrgang ISSN: 2196-8942 (Print) ISSN: 2513-0161 (eBook)
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