100 JAHRE BIENENZUCHTVEREIN VIERQUARTIEREN
Wolfgang Lietzow
100 Jahre Naturpflege Erntehelfer Bienenhaltung Honig aus Kamp-Lintfort BIENENZUCHTVEREIN VIERQUARTIEREN 5
HERAUSGEGEBEN VOM BIENENZUCHTVEREIN VIERQUARTIEREN E. V., KAMP-LINTFORT, 2011 WWW.BIENENZUCHTVEREIN-VIERQUARTIEREN.DE GESTALTUNG: ULRIKE ANHAMM, HOERSTGEN; WWW.ANHAMM.DE DRUCK: DRUCKEREI ELTER, KAMP-LINTFORT
Vereinsmitglieder 2011 Gerhard Anhamm Viktor Belicenko Christoph Bentgens Ralf Berger Volker Bibow Friedhelm Böckmann Roswitha Borchardt Gertrud Brähmig Heinrich Brand Mathis Brockmeier Jan-Paul Buyken Kersten Diering Herbert Ehrlichmann Heinrich Engels Nils Fechner Ingeborg Fritsch Sabine Fritsch-Kobs Karl Gatz Jonas Gelen Michael Goldmann Otto Grönke Gisela Hoffmann Almut Jans Armin Joos Jürgen Kobs Christian Kollmann Christel Lietzow Wolfgang Lietzow Nicolai Malachinski
Gerhard Merkes Marion Mohanty Heinz Olyschläger Maria Papen Wilhelm Peters Helena Prantl Prof. Udo Roth Otto Sartorius Marvin Sauels Holger Schliesske Wilhelm Schnapp Uwe Schuch Karl-Heinz Stegemann Franz Josef Stoppa Franziska Stoppa Simon Stoppa Sabine Thiel-Hendrichs Karl-Heinz Tittmann Ken van Voorn Tom van Voorn Peter Wehland Ellen Doller-Wehland Stefan Weißbacher Ramazan Yazici Zeki Yazici Uwe Zimmermann
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Inhalt 8 VORWORT 10 GRUßWORT DES 1. VORSITZENDEN 12 GRUßWORT DES IMKERVERBANDES 14 GRUßWORT DES BÜRGERMEISTERS 16 GRUßWORT DES LANDRATS 18 VIERQUARTIEREN 26 ERLEBNISBERICHT 28 IMKER MIT RUHIGER HAND 36 DER BIENENFLÜSTERER 42 DIE BIENENFREUNDE 63 DAS BIENENHAUS 89 AKTIVITÄTEN DES VEREINS
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Vorwort SELTEN HAT MAN MICH OHNE KAMERA GESEHEN, immer wurde spaßhaft angemerkt, „die Fotos bekommen wir ja nie zu sehen“! Wie wahr, aber jetzt ist es soweit, ich nutze diese Festschrift, um zu zeigen, „dass doch ein Film oder Chip in der Kamera war“. Ich bedanke mich für die fleißige Vorarbeit in der Dokumentation zum Neunzigjährigen, auf die ich zurückgreifen konnte, bei Peter Heinemann und Christoph Bentgens sowie Wilhelm Schnapp. Dank auch für die besonderen, freundlichen Grußworte unserer kommunalen Vertretungen und des Landesverbandes sowie die Anzeigenförderung der Stadtwerke Kamp-Lintfort. Für die hoch interessanten Erläuterungen aus dem Stadtarchiv durch Dr. Spitzner -Jahn besonderen Dank. Ein herzlicher Dank gilt unserem 1. Vorsitzenden, Heinrich Brand und seiner Gattin, die akribisch Bilder und Zeitungsnotizen gesammelt haben und immer ein „Offenes Ohr“ und Rat gebenden Mund haben. Ich bedanke mich ganz besonders bei Ulrike Anhamm, die meine ca. 4000 Fotos, die innerhalb der letzten zehn Jahre entstanden sind, kritisch sortiert hat. Ich danke ihr auch für manch gute Idee und für das Layout dieser Festschrift. Ohne sie hätte ich den Schritt zu dieser Arbeit nicht begonnen. Ganz herzlichen Dank auch der Presse, die immer wieder großzügig über das Vereinsgeschehen und das Bienenwesen informiert hat. Im Zusammenhang mit dem Vereinsgeschehen geht ein herzliches Dankeschön an die Imkergattinnen und Imkerinnen. Ihre Kuchenkreationen und ihre Gastfreundschaft haben unsere Zusammenkünfte und Tage der Offenen Tür immer „versüßt“ und belebend bereichert! WOLFGANG LIETZOW IM SEPTEMBER 2011
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summ, summ, summ
Grußwort WIR FEIERN IN DIESEM JAHR DAS 100JÄHRIGE BESTEHEN des Bienenzuchtvereins Vierquartieren e. V. In der Gründungsurkunde vom 24.11.1911 steht: Der Verein hat den Zweck zur Hebung und Förderung der Bienenzucht in der hiesigen Gegend unter Anschluss an den Haupt-Bienenzuchtverein der Rheinprovinz. Die Bereiche und Zuständigkeiten haben sich geändert. Jetzt ist der Bienenzuchtverein Vierquartieren e.V. über den Kreisimkerverband Wesel dem Imkerverband Rheinland e.V. angeschlossen. Die 19 Landesverbände sind im Deutschen Imkerbund e.V. zusammengeschlossen. Die Interessen der in den Vereinen organisierten Hobbyimker werden jeweils den Aufgabenbereichen entsprechend von den Verbänden und dem Imkerbund vertreten. Sie überwachen und kontrollieren die festgelegten Anforderungen an artgerechte Haltung der Bienen und Qualität des zum Verzehr angebotenen Honigs. Die vom DIB geforderte Honigqualität wird ständig kontrolliert. Der Honig im DIB-Honigglas mit dem Gewährstreifen ist eine Garantie für besondere Qualität und ist “Echter Deutscher Honig”. Durch verdichtete Besiedlung unserer Stadte und Dörfer und großflächige landwirtschaftliche Nutzung der Felder und Wiesen verändern sich die Anforderungen an Bienen und Imker. Ohne die Pflege durch Imker würden nicht genügend Bienen vorhanden sein, um die Bestäubung und Befruchtung vieler Nutzpflanzen, Ostbäume und Kräuter sicher zu stellen. Bienen tragen wesentlich zur Erhaltung der Artenvielfalt der Pflanzen,
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Kleintiere und Vögel bei. Darum ist es notwendig, Bienen zu schützen und ihnen eine ausreichende Futtergrundlage zu schaffen. Jeder kann einen Beitrag zum Umweltschutz leisten z.B. indem er in seinem Garten möglichst Sträucher und Blumen pflanzt, die auch den Insekten Nahrung bieten. Übrigens sind Bienen nach Rinder und Schweine die drittwichtigsten Nutztiere in Deutschland. Der Wert der Bestäubung durch Bienen ist gar nicht hoch genug zu bewerten. Wir Imker des Bienenzuchtverein Vierquartieren lieben, bewundern die Natur und investieren sehr viel Energie in unser Hobby. Imkern ist ein sinnvolles Hobby, besonders wenn man bedenkt, welchen Wert die Bienen für den Erhalt unserer Umwelt haben. Gerne möchten wir das Interesse fürs Imkern fördern. Die Angst vor Hornissen, Wespen, Hummeln und Bienen ist bei fachgerechter Handhabung unbegründet. Gerne zeigen und erklären wir in unserem Bienenhaus an der Schulstrasse in Kamp-Lintfort den Umgang mit Bienen. Wir bieten praxisbezogene Schnupperkurse für Interessierte und Anfänger an. Auf Anfrage bieten wir Führungen für Gruppen, Schulklassen, Kindergärten . Somit hat der Leitfaden der Gründungsurkunde auch jetzt noch seine Bedeutung.
HEINRICH BRAND, 1. VORSITZENDER DES BIENENZUCHTVEREINS VIERQUARTIEREN E. V.
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Grußwort DER IMKERVERBAND RHEINLAND E.V. mit Sitz in Mayen, betreut im Gebiet der ehemaligen preußischen Rheinprovinz (heute Nordrhein- Westfalen und Rheinland-Pfalz) zurzeit 242 Bienenzucht-/lmkervereine, in denen 5.900 Mitglieder organisiert sind. Der Bienenzuchtverein Vierquartieren feiert im Jahre 20II sein IOO-jähriges Bestehen. Anlass zur Ehrerbietung gegenüber den damaligen Gründern und Dank an diejenigen, die dazu beigetragen haben, dass der Bienenzuchtverein Vierquartieren mit dem Vorsitzenden Heinrich Brand auch bis zum heutigen Tage ein aktives Vereinsleben fortführt. Die Imkerei in Deutschland musste im Jahre 2010 - nach der Auswinterung überdurchschnittlich hohe Bienenvölkerverluste auch in einigen Bereichen unseres Verbandsgebietes durch die Varroamilbe hinnehmen - Die Sorgen des Vorstandes des Imkerverbandes Rheinland e.V., dass besonders ältere Freizeitimker die Imkerei aufgeben werden, trafen in den Vorjahren bisher nicht zu. Wir können auch 2011 hoffnungsvoll in die Zukunft schauen, die Mitgliederzahlen in unserem Landesverband haben sich in den letzten 4 Jahren stetig erhöht. Wir stellen aber fest, dass sich die Bienenvölkerzahlen -Deutschlandweit- reduzieren. Wir müssen die Behandlungen gegen die Varroamilbe mit den zugelassenen Mitteln nach der Tracht und im Winter fest einplanen, um die Bienenvölkerverluste in Grenzen zu halten. Dank der vielen angebotenen Schnupperkurse Imkerei und Neuimkerschulungen durch unsere Vereine und Kreise vor Ort sind wir beim Mitgliederzuwachs weiterhin auf einem sehr guten Weg. Das kleinste landwirtschaftliche Nutztier - die Honigbiene - hat, auch dank der Arbeit
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unserer Imker und Imkerinnen in den Vereinen eine beachtenswerte Bedeutung erlangt. Die Produktion von Honig und Wachs ist für den Freizeitimker ein wichtiges Ziel seiner Arbeit. Für die Gesellschaft weit bedeutender ist der Beitrag, den die Bienen für die Bestäubung des Ökosystems leisten. Im Frühjahr bestäuben die Honigbienen bis zu 80 % die blühenden Obstbäume und Sträucher. Die Freizeitimker und Landwirte schützen und erhalten unser empfindliches Ökosystem durch die Anpflanzung und Betreuung von Streuobstwiesen und Blühstreifen auf landwirtschaftlichen Flächen. Lehrbienenstände sorgen dafür, dass die Bevölkerung den näheren Kontakt zu den Honigbienen hautnah erleben und sich davon überzeugen kann, dass die sanftmütigen Carnica- oder Buckfastbienen auch in dicht besiedelten Gebieten gehalten werden können. Seit 162 Jahren ist es das Ziel des Imkerverbandes Rheinland e.V. die Bienenzucht und Imkerei in unserem Verbandsgebiet zu fordern und mit Hilfe der angeschlossenen Vereine und unseren Imkern und Imkerinnen zu erhalten. Schauen wir gemeinsam zum Jubiläum des Bienenzuchtvereins Vierquartieren voll Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft. UDO SCHMELZ, VORSITZENDER DES IMKERVERBANDES RHEINLAND E. V.
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Grußwort VOR NUNMEHR 100 JAHREN, am 29. Oktober 1911, gründeten 14 interessierte Imker den „Bienenzuchtverein Vierquartieren zu Kamperbruch“. Er gehört damit zu den ältesten weltlichen Vereinen auf dem Gebiet der Stadt Kamp-Lintfort. Als Vereinszweck wurde seinerzeit die „Hebung und Förderung der Bienenzucht in der hiesigen Gegend“ protokolliert. An dieser Zielsetzung der Vereinsgründer von 1911 hat sich bis heute nichts geändert, denn mit der Honigbiene steht auch nach Ablauf von 100 Jahren das kleinste landwirtschaftliche Nutztier weiterhin im Mittelpunkt des gemeinsamen Interesses. Im Jahre 2009 konnte der Bienenzuchtverein der Öffentlichkeit sein durch viel Eigenleistung und mit finanzieller Unterstützung der Sparkasse Duisburg errichtetes neues Vereinsheim unterhalb des Kamper Berges vorstellen. Hier können sich Schulklassen, Vereine, Gruppen und Einzelpersonen anschaulich über Grundfragen der Bienenhaltung informieren und so vorhandene Wissenslücken schließen. Namens des Rates und der Verwaltung der Stadt KampLintfort gratuliere ich dem Bienenzuchtverein Vierquartieren sehr herzlich zu seinem 100-jährigen Bestehen und wünsche den Jubiläumsveranstaltungen einen erfolgreichen Verlauf.
DR. CHRISTOPH LANDSCHEIDT, BÜRGERMEISTER DER STADT KAMP-LINTFORT 14
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Die Gründungsurkunde
Kamperbruch, den 24.November 1911. Die unterzeichnenden Bienenzüchter der Gemeinden Lintfort, Camperbruch, Roßenrey und Saalhoff gründeten heute, den 29. October im Jahr 1911 einen Bienenzuchtverein welcher den Namen führt "BienenzuchtVerein Vierquartieren" zu Kamperbruch. Der Verein hat den Zweck zur Hebung und Förderung der Bienenzucht in der hiesigen Gegend unter Anschluß an den Haupt-BienenZucht-Verein der Rheinprovinz. Als Vorsitzender wurde Herr Jakob Langen Lintfort, als Schriftführer Herr Heinr. von Bernum Kamperbruch (Als Stellvertreter: Wilhelm Langen), als Kassierer Herr Heinr. Hendricks Kamperbruch gewählt. Als Vereinslokal wurde Gasth. Gardemann zu Kamperbruch gewählt.
Gründer des Vereins sind folgende Züchter: Jakob Langen Lintfort Heinrich van Bemum Kamperbruch Heinrich Hendricks Kamperbruch Hermann Niepmann Roßenray Heirich Reiners Camperbruch Wilhelm Reiners Camperbruch Hein Gies Rossenray Josef Noebels Lintfort Heinrich Dirk Lintfort Franz Vennhoff Lintfort Gerhart Haaver Lintfort Th. Rosendahl Camperbruch Herm. Langen Lintfort
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Grußwort IM NAMEN DES KREISES WESEL gratuliere ich Ihnen sehr herzlich zu Ihrem 100 jährigen Bestehen. Seit Jahrhunderten schwärmen also nicht nur die Bienen, nein, der Bienenzuchtverein Vierquartieren schwärmt seit einhundert Jahren auch für die Bienen. Und Sie tun das mit anhaltender Begeisterung. Nicht nur Eingeweihte wissen um die Vielfältigkeit der Imkerei. Neben leckerem und gesundem Honig stellen Sie viele weitere Produkte her, ich denke hier zum Beispiel an Bienenwachskerzen oder leckeren Honigwein. Der Bienenfleiß ist also nicht nur eine Tugend der Bienen, auch die Imkerinnen und Imker sind dankenswerter Weise von ihm erfasst. Und das ist auch gut so! Wir Alle brauchen die Honigbienen als unverzichtbare Bestäuber von Nutzund Wildpflanzen. Sie tragen entscheidend zur Erhaltung von Wildpflanzen und der darauf angewiesenen Tierarten bei und erhalten so die Biodiversität in unserer Kulturlandschaft. Wir Alle erfreuen uns gerne daran, wenn wir all die blütenreichen Wiesen und Weiden betrachten und erleben. Ich darf Ihnen daher auch sehr herzlich danken für Ihr Wirken zum Wohle der Menschen und zum Wohle der Natur. Alles Gute für die nächsten 100 Jahre! DR. ANSGAR MÜLLER, LANDRAT DES KREISES WESEL
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Historisches HERKUNFT UND BEDEUTUNG DER LOKALBEZEICHNUNG „VIERQUARTIEREN“ DIE HEUTE KAUM NOCH GEBRÄUCHLICHE BEZEICHNUNG „Vierquartieren“ führt zurück in das 17. Jahrhundert und damit in die Zeit des Alten Reiches, als unser heutiges KampLintforter Stadtgebiet weitgehend zum kurkölnischen Amt Rheinberg gehörte. Einer 1636 – also während des 30-jährigen Krieges – verfassten Beschreibung des Amtes Rheinberg können wir entnehmen, dass die vier dünn besiedelten Bauerschaften Kamperbruch, Lintfort mit den adeligen Häusern Dieprahm und Eyll, Rossenray und Saalhoff mit dem adeligen Haus Heideck zu dieser Zeit „die vier viertels quartiren“ genannt wurden und einen eigenen Gerichtsbezirk bildeten. Die Höfe und Katstellen in den Streusiedlungen Vierquartierens waren „am meisten Theil des Ertz Stiffts Leibgewins gütern“, aber auch „theils Leibgewins hörig ans graffliche Hauß Mörß und herrschafft Alpen und Lehnrührig". Nach dem Ende des Alten Reiches, Herrschaft am Niederrhein, sprach man anfänglich interessanterweise auch von „Dreiquartieren“ bzw. von „les communes de trois quartiers et Lindforth“ (die Gemeinden von Dreiquartieren und Lintfort), wodurch – aus welchen Gründen auch immer– Lintfort in besonderer Weise eine Hervorhebung erfuhr. Im Laufe des Jahres 1800 wurden die genannten Bauerschaften im Zuge einer umfasAUSSCHNITT AUS EINEM ADRESSBUCH VON 1897 senden territorialen Neugliederung zu 18
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einer neuen Verwaltungseinheit unter dem Namen „quatre quartiers“ (Vierquartieren) zusammengeschlossen. Als ersten Bürgermeister (maire) „von den vier Quartieren“ setzte man Laurenz Hoogen aus Saalhoff ein. Auch die Einrichtung eines Standesamtes für die Bürgermeisterei (mairie) Vierquartieren, das bis 1930 neben den Standesämtern Kamp und Hoerstgen bestand, fällt in die Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts. 1828 zählte man in den „Spezialgemeinden“ Vierquartierens, die zusammen eine Fläche von immerhin 3.679 ha bedeckten, insgesamt 216 Wohnhäuser und 1.560 Einwohner, die meisten davon in der waldreichen Gemeinde Saalhoff. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Bürgermeistereien Kamp, Hoerstgen und Vierquartieren dann in Personalunion durch einen Bürgermeister gemeinsam verwaltet, der seinen Dienstsitz im Rathaus auf dem Kamper Berg hatte. Im Jahre 1906, als 1.928 Menschen in Vierquartieren lebten, setzte mit der Gründung der Steinkohlenbergwerk Friedrich Heinrich AG die systematische Industrialisierung des Kamp-Lintforter Gebietes durch die Schwerindustrie ein. Von den
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Gemeinden Vierquartierens konnten Rossenray und Saalhoff ihren ländlichen bzw. vorindustriellen Charakter weitgehend bewahren, während Lintfort, das einen enormen industrialisierungsbedingten Bevölkerungsanstieg erlebte, und teilweise auch Kamperbruch einen grundlegenden und bis heute wirksamen Wandel erfuhren. Die Gemeinde Lintfort wurde neuer Siedlungsschwerpunkt. Sie galt in amtlichen Statistiken fortan als „Industrie- und Arbeiterwohngemeinde“ und die Nachbargemeinde Kamperbruch als „Mischgemeinde“, während Rossenray und Saalhoff weiterhin als „Agrargemeinden“ charakterisiert wurden. In diese Zeit des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbruchs fällt die Gründung des Bienenzuchtvereins Vierquartieren „zu Kamperbruch“ durch weiterhin landwirtschaftlich tätige Einwohner. Bereits zu Beginn des Jahres 1930 erfolgte die Zusammenlegung des Standesamtes Vierquartieren mit den Standesämtern Kamp und Hoerstgen. Zum 1. April 1934 wurden dann die bisherigen Ämter Kamp, Hoerstgen und Vierquartieren nach jahrzehntelanger und teilweise sehr engstirnig geführter Diskussion zu einer Gemeinde mit dem neuen Ortsnamen „Kamp-Lintfort“ vereinigt. Hauptamtlicher Bürgermeister blieb bis zu seiner Entlassung 1945 Hubert Lesaar. Mit Urkunde des Innenministers vom 7. Januar 1950 wurde der Gemeinde Kamp-Lintfort der Status einer Stadt verliehen. Die Gebiete der Gemeinden Kamperbruch, Lintfort, Rossenray und Saalhoff existieren zwar im lokalen Kataster- und Vermessungswesen als Gemarkungen bis heute weiter. Die
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Bezeichnung „Vierquartieren“ lebt demgegenüber, nachdem die „Molkerei Vierquartieren“ erloschen ist, nur noch in dem Straßennamen „In den Vierquartieren“ in der Gemarkung Kamperbruch sowie in den Namen zweier örtlicher Vereine: Bürgerschützenverein Eintracht Bönninghardt-Vierquartieren von 1885 und Bienenzuchtverein Vierquartieren von 1911. DR. ALBERT SPITZNER-JAHN
Wer hat die oben beworbenen Pillen wohl nötiger, die Bienen oder die Imker?
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Literaturhinweise zum Beitrag: Richard Pick: Zur Geschichte der Stadt und des ehemaligen Amtes Rheinberg, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 39 (1883), S. 1 ff. Mathias Dicks: Die Abtei Camp am Niederrhein, Kempen 1913, S. 36 ff. E. Günter Piecha: Kamp-Lintfort im Spiegel der Geschichte. Vom Entstehen und Werden einer jungen Stadt, 2. Aufl., Köln 1983, S. 120 ff. Günter Voelz: 20 Jahre unter französischer Herrschaft. Camp und Lindforth von 1794 bis 1814, in: Heimatkalender Kreis Wesel 1986, S. 185 ff. Albert Spitzner-Jahn: Kamp-Lintfort im 20. Jahrhundert. Von den Anfängen der Industrialisierung bis zur Gegenwart, 2. Aufl., Köln 1994, S. 14 ff.
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EINER DER VORFAHREN UNSERES AUTORS Dr. Spitzner Jahn war interessanterweise auch - zudem gar kein so unbekannter -Imker: Johann Ernst Spitzner (1731 - 1805) gilt als "namhafter Bienenzüchter" und hat ab 1770 viele Aufsätze über Bienen, Hornissen, Maikäfer und Wespen im Wittenberger Wochenblatt sowie in den “Oekonomischen Heften” verfasst. Die Imkerei in Deutschland "hat ihm ihren Aufschwung und ihre bessere Pflege ganz wesentlich zu verdanken". Die Hauptsätze seiner Bienenpflege ergeben sich insbesondere aus seinen 1775/76 erschienenen Schriften “Practische Anweisung zur natürlichen und glücklichen Bienenzucht in Körben nebst Bestimmung des wahren Werths der Kunst Ableger zu machen und Ausführlicher Unterricht, vorliegende Bienenschwärmer zur rechten Zeit ohne den geringsten Nachtheil der alten abzutreiben.” Bei seinen anerkannten Verdiensten war Spitzner aber auch nicht frei von Einseitigkeit und oft blind gegen die Erfahrungen anderer, weil sie mit seinem für ihn einmal feststehenden System im Widerspruch standen. Unter den Gegnern der Magazinbienenpflege führte er das große Wort, und er verwickelte sich dabei in bittere Streitigkeiten, wobei die Wahrheit wenig gewann. Auch als Schriftsteller auf landwirtschaftlichem Gebiete war Johann Ernst Spitzner tätig. So äußerte er sich u.a. über die Zucht von Hyazinthen. Als Ortsgeistlicher zeichnete sich der gerne als "Bienenpfarrer" bezeichnete Spitzner "durch eine rechtschaffene Verwaltung seines Amtes" aus, ferner "durch nicht gemeine Kenntnisse, (...), und durch thätigen Eifer, zum Unterricht der Jugend so viel als möglich beyzutragen". Für seine Kirchengemeinde in Trebitz veranlasste er 1780 den Einbau einer neuen Turmuhr; in Schnellin ließ er 1784/85 eine Schule errichten. QUELLE WIKIPEDIA
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Noch ein kurzer Blick zurück
Gastgeberin für gern gesehene Bienenvölker in der Leucht, Frau Hansen
Per Ponton zu Schmidt
Hermann Anhamm führt seine Enkel in die Imkerei ein
Der langjährige Vorsitzende Werner Schmidt (links)
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Erlebnisbericht IM FEBRUAR 1943 KAM DER STELLUNGSBEFEHL an meinen Mann, Hermann Anhamm. Er wurde Soldat. Wie sollte ich nur mit den 33 Bienenvölkern fertig werden? Zuerst dachte ich daran, die Imkerschule in Mayen zu besuchen, doch wegen der drei kleinen Kinder, der Haus- und Gartenarbeit war das unmöglich. Da ich gerne Honig aß, habe ich mich schon immer für die Arbeit des Imkers interessiert; aber vorerst gab es ja noch nichts bei den Bienen zu tun. So hatte ich genügend Zeit, mich mit den Monatsanweisungen für Bienenarbeit zu beschäftigen.Im ersten Jahr gelang es mir sogar, einige Königinnen zu ziehen, aber diese Arbeit wurde mir dann doch zuviel. Wider Erwarten gelang mir die Arbeit mit den Bienen sehr gut. Beim Schleudern hatte ich stets nicht nur unsere Kinder, sondern auch die Nachbarschaftskinder dabei, die beim Abdeckeln halfen und natürlich aus Mangel an Süßigkeiten verrückt auf das abgedeckelte Wachs waren und es auskauten. Mit dem Honig konnten wir uns gut über Wasser halten und manch andere Lebensmittel bei Bauern dagegen eintauschen. Auch machten wir Honigbonbons und zogen zu Weihnachten Kerzen. Nur einmal erwarb ich auf dem Schwarzmarkt für wenige Pfund Honig einen kostbaren Kleiderstoff, hatte aber ein sehr schlechtes Gewissen.
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Als die Front näher rückte, wurden auch drei Bienenkästen von Granaten getroffen. Gegen Ende des Krieges hatte ich keine Hilfe mehr im Haus. Aber ein junger Russe, von Zechenbeamten gebracht, arbeitete im Garten. Er hieß Gavriel Boboschka, war geschickt und sehr sympathisch. So hatte ich mehr Zeit für die Arbeit an den Bienen. Im Jahre 1945 schleuderte ich sogar 11 Zentner! Und der Honig war von hoher Qualität, da nicht gespritzt wurde. Nach dem Frontübergang besetzten einige Wochen lang die Amerikaner unser Haus, und wir mussten mit vielen Familien eng in der Nachbarschaft wohnen. Jedoch wurde mir erlaubt, im Garten und im Bienenhaus zu arbeiten. Aus Sicherheitsgründen nahm ich jedoch immer einen Imker oder viele Kinder mit. Da mir oft auch amerikanische Soldaten zusahen, bekam ich manchmal für meine Pfeife Tabak, der sonst bei uns ja nicht zu haben war. Meist musste ich jedoch ohne Tabak arbeiten, und nach etwa 20 - 30 Stichen bekam ich Nesselfieber. Dagegen half nur ein Bad in kaltem Wasser! Oft wurde ich auch geholt, wenn sich ein Bienenschwarm beim Nachbarn im Garten niedergelassen hatte. Als dann mein Mann im Juni 1947 aus französischer Gefangenschaft heimkehrte, war ich froh, die Bienen wieder in seine Hände übergeben zu können, und er war froh, dass seine Bienen über Jahre hinweg überlebt hatten. KÄTHE ANHAMM, IM MÄRZ 1971
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Imker mit ruhiger Hand RAMAZAN YAZICI HEIßT DER IMKER mit der ruhigen Hand für Bienen. Nicht nur in Moers am Niederrhein ist er unter den lmkern ein fester Begriff für Qualität. Und das nicht nur, wenn es um Honig geht, denn seine große Leidenschaft ist die Bienenzucht. Während die künstliche Besamung (KB) in der Rinder- und Schweinezucht Standard ist, fällt sie bei den Bienen unter die Rubrik ,,Höheres Zuchtgeschehen". Genau auf diesen sensiblen Arbeitsbereich hat sich der 1964 in Türkei geborenen lmker, der hauptberuflich als Schreiner arbeitet, spezialisiert. Bereits der Großvater war an der türkischen Schwarzmeerküste mit Leib und Seele lmker. 1988 begann er mit der Bienenhaltung und nannte einen Stock sein eigen. Heute besitzt er 19 Wirtschaftsvölker und ist somit bei durchschnitttich 80 000 bis 100 000 Bienen je Volk Herr über fast 2 Mio. Arbeiter. Mittlerweite züchtet er jedes Jahr rund 100 Königinnen, die teils selbst genutzt und teils verkauft werden. ,,lch bin mir sicher, dass mir mein Großvater das Geschick zur lmkerei vererbt hat", begründet er seinen Erfolg. Die Bienen hält Yazici im direkt am Haus gelegenen Garten, wobei ihm die komplette Familie samt Frau, drei Kindern sowie seinen Eltern und auch die Nachbarschaft hilfreich zur Hand gehen. Das ist gut so, denn die Bienenzucht ist ein recht zeitaufwändiges Hobby, wenn man zu den Besten gehört. Viele Wochenenden sind mit dem Besuch von Veranstaltungen belegt.
Der Staat, das bin ich
Diese Aussage von Frankreichs Sonne Ludwig XIV trift auch auf Bienenvölker zu. Der Staat, das ist die Königin, die auf Grund ihrer Größe schon optisch gut von den Arbeiterinnen und Drohnen zu unterscheiden ist. Während die Arbeiterinnen und Drohnen keinen Sommer lang leben, kann die Königin vier bis fünf Jahre alt werden und ist der Natur somit stets von einem sich verjüngendem Volk umgeben. Nachdem sie auf ihrem Hochzeitsflug von mehreren Drohnen befruchtet wurde, ist sie ihr
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Leben lang mit Samen versorgt, den sie in einer Samentasche im Hinterleib aufbewahrt, und legt Sommer für Sommer Eier. Die Drohnen, die übrigens keinen Stachel zum Stechen besitzen, sterben nach der Befruchtung des Weibchens. Für die Eiablage der Königin bauen die Arbeiterinnen für die Königinnen, Drohnen und neue Arbeiterinnen jeweils eigene Zellen, denn die Zellengröße bestimmt, ob Drohnen oder Arbeitsbienen schlüpfen. Drohnenzellen sind größer, was anatomisch dazu führt, dass die Eier bei der Ablage nicht an der Samentasche vorbeigleiten und so unbefruchtet bteiben. Aus unbefruchteten Eiern entwickeln sich stets Drohnen. Werden die Eier dagegen bei der Ablage in kleinere Zellen und der Passage der Samentasche befruchtet, wachsen neue Arbeiterinnen heran. Die Königinnenzellen, auch Weiselnäpfchen genannt, sind wiederum deutlich größer als die
Drohnenzellen. Hier entwickelt sich aus einem befruchteten Ei eine Made, die ein spezieltes Königinnenfutter, das Gelee Royal, von den Arbeiterinnen erhält. Schlüpft diese neue Königin, so sucht sie nach weiteren Königinnenlarven, um deren Zellen zu öffnen und ihre Konkurentinnen zu erstechen. ln der Natur ist die alte Königin zu diesem Zeitpunkt bereits mit einem Teil des Volkes ausgeschwärmt, um sich an einer anderen Stelle niederzulassen.
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Zuchtkriterien
Der lmker greift in den natürlichen Kreislauf ein, denn er ist nicht daran interessiert, dass sich ein Bienenvolk teitt und zu schwärmen beginnt. Königinnen, die zum Schwärmen neigen, werden von der Zucht ausgeschlossen. Ähnlich wie auch in anderen Bereichen der Tierzucht werden die Tiere einer Leistungsprüfung unterzogen und die besten unter ihnen gekört. Hierfür arbeitet Ramazan Yazici mit dem Bieneninstitut in Mayen zusammen. Geprüft werden neben der Honigleistung auch Charaktereigenschaften wie Sanftmut und Schwarmneigung. ,,lch lege sehr großen Wert darauf, dass meine Bienen sanftmütig sind", erklärt der junge lmker und öffnet zum Beweis einen Stock, aus dem er verschiedene mit Bienen übersäte Waben herausnimmt, ohne einen einzigen Stich einzukassieren - das überzeugt! Um die Honigleistung zu erfassen, wird unter dem Stock eine Waage installiert, die die täglich hinzukommende Nektarmenge erfasst. Mit den gekörten Königinnen züchtet Yazici weiter.
Mikroskop und FingerspitzengefühI
Die künstliche Besamung ermöglicht gezielte Paarungen von Königinnen und Drohnen; sie erfordert aber sehr vieI Feingefühl und gute Nerven, wenn das Vorgehen Erfolg haben soll. Letztes Jahr hat Yazici bei sechs Königinnen die KB durchgeführt, dieses Jahr sollen es noch mehr sein. Sein 100 JAHRE BIENENZUCHTVEREIN VIERQUARTIEREN
wichtigstes Hilfsmittel ist ein Mikroskop mit einer speziellen Halterung für die Königin. Die Königin wird vor der KB mit Kohlendioxid betäubt. Danach wird sie mittels Kanüle mit dem Samen von bis zu 18 ausgewählten Drohnen begattet, der ihr Leben lang reicht. Auch auf dem Hochzeitsflug paart sich die Königin mit mehreren Drohnen. Bei beziehungsweise nach der Begattung sterben die Drohnen, egal ob KB oder Hochzeitsflug. Um eine zu rasche Eiablage nach erfotgreicher KB zu verhindern, wird die Königin einen Tag später ein zweites Mal in Narkose gelegt, denn auch in der Natur beginnt die Eiablage erst nach drei bis fünf Tagen. Jetzt ist das Auge des Herrn gefragt, denn 12 bis 14 Stunden nach der Eiablage müssen die Maden umgelarvt werden. Anhand von Größe und Farbe der Zellen können die Königinnenlarven gut von Arbeiter- und Drohnenlarven unterschieden werden. Beim Umlarven erhält jede Königinnenlarve eine besonders große Zelle auf einer für die Königinnenanzucht vorbereiteten Wabe, so dass sie von den Arbeiterinnen optimal versorgt werden kann. Nach rund 16 Tagen beginnen die Königinnen zu schlüpfen. ,,Wenn ich diesen Zeitpunkt verpasse, muss ich damit rechnen, dass die zuerst geschlüpfte Königin die Zellen ihrer Geschwister öffnet und die Konkurrenz ersticht. Die Bienenzucht hat nur dann Erfolg, wenn man den Stock ständig beobachtet", beschreibt Ramazan Yazici eine seiner wichtigsten Tätigkeiten. 32
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Reif für die lnsel
lm wahrsten Sinne des Wortes reif für die lnsel sind die Königinnen, die weder künstlich noch standbegattet werden. Bei der Standbegattung, für die Yazici eigene Kästen im Garten aufgestellt hat, weiß man nicht, welche Drohnen die Königin befruchten, denn auch Drohnen anderer Völker lauern auf fremde Königinnen im Hochzeitsflug, erktärt der lmker. Urlaub auf der lnseI Wangerooge machen nur züchterisch sehr vielversprechende Königinnen, denn dort leben nur Drohnen aus vom Bieneninstitut Celle leistungsgeprüften Völkern. So reisen eine Königin und 350 g - die Menge der Arbeiterinnen wird in Gramm angegeben - mit Bahn und Schiff von Moers auf die lnsel Wangerooge. Um zu verhindem, dass fremde Drohnen eingeschleust werden, sieben die lmker die Arbeiterinnen; im Sieb bleiben die Drohnen zurück. Weitere Voraussetzung für einen solchen lnselurlaub ist ein Gesundheitszeugnis.
35 000 Flüge für 500 g Honig
Pünktlich zur Obstblüte im März und April sind genügend Arbeiterinnen geschlüpft, um mit dem Nektarsammeln zu beginnen. Ab Februar legt die Königin Eier, wobei sie von den Winterbienen, die mit ihrer Körperwärme den Stock heizen, versorgt wird. Den ersten Nektar liefert die sogenannte Frühtracht, zu der neben den Obstbäumen auch 100 JAHRE BIENENZUCHTVEREIN VIERQUARTIEREN
Raps, Löwenzahn und Ahorn gehören. Die Sommertracht liefert den beliebten Waldhonig. Mit einer Waage am Bienenstock wird für die Leistungsprüfung die tägtich gesammelte Nektarmenge erfasst. Dieses Jahr sind Yazicis Bienen mit einer Tagesleistung von bis zu 4900 g besonders fleißig gewesen. Und auch die Qualität stimmt. Ein Blick durch den Refraktometer zeigt, dass der Wassergehalt des Honigs zwischen 14 und 16 % liegt. Für seinen hochwertigen Honig ist Ramazan Yazici bereits mehrfach mit der Gold- und Silberplakette für rheinischen Honig belohnt worden. ln einer Vitrine reihen sich die Auszeichnungen, die der emsige lmker auf zahlreichen bienenwirtschaftlichen Ausstellungen errungen hat. Eine Auszeichnung besonderer Art erhielt er am 13. April dieses Jahres in Form einer Ehrenurkunde für hervorragende Leistungen bei der Qualitätsprüfung für Honig von Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast. Aber nicht nur in der Bienenzucht zeigt sich das Erbe des Großvaters. Ebenso wie er, züchtet Ramazan Yazici mit großem Erfolg sogenannte Denizli-Kräher, die auf Ausstellungen wetteifern, welcher Hahn den längsten Schrei von sich gibt. ln den letzten Jahren stammte der Meisterkräher mehrmats aus der Yazicischen Zucht. Der Garten der Familie Yazici ist nicht nur Treffpunkt für Bienen- und Denizli-Freunde. Oft besuchen Schul- und Kindergartengruppen den kleinen Zoo am Stadtrand von Moers. Für sie wird der Ausflug zu den nicht stechenden Bienen und den stolzen Hähnen zum unvergesslichen Erlebnis. MARIA MASSFELDER
(aus LZ 22, 2002, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion LZ Rheinland)
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Der Bienenflüsterer ER HAT VIEL ZU ERZÄHLEN und kann das auch richtig gut: Prof. Udo Roth hält ganze Schulklassen in Atem, unterrichtet NeuimkerInnen und unterhält die Freitagstreffs des Vereins bestens mit seinem Fachwissen und all den Geschichten drumherum. Der 1930 in Schlesien geborene und dort aufgewachsene Roth ist seit 65 Jahren aktiver Imker. Sein Vater, ein Sägewerksbesitzer, betrieb bereits eine Schwarmbienenzucht, so dass seine Kinder im Umgang mit Bienen kaum Probleme hatten. Sie fingen nebenbei Bienenschwärme für ein paar Pfennige und waren von klein auf an Bienenstiche gewohnt: So wurde die zweijährige Schwester beim Zubringen eines Restschwarms zum Stock von den bereits schwärmenden Bienen über einhundertmal in den Kopf gestochen. Die Legende, dass man ab sieben (oder elf oder 13 oder 47) Bienenstichen stirbt, war und ist also nachweislich falsch. Aber die Kinder hatten auch schnell gelernt, dass man mit den Tieren richtig umgehen muss. Denn Bienen sind Wildtiere, die seit 300 Millionen Jahren in unveränderter Form existieren. Vor rund 200 Millionen Jahren richteten sich dann im Laufe der Evolution die Pflanzen auf die Bienen ein (nicht umgekehrt!) und entwickelten attraktive Blüten, die die im Wald lebenden Bienen anlocken. “Bienen blieben Wildtiere und sind nie Haustiere geworden. Wer mit ihnen umgehen will, muss sich auf sie einrichten.”, so Roth. Dazu gehört auch das Wissen, dass Bienen eigentlich nur einen natürlichen Feind haben: den Bären, der mit seiner Lust auf Honig grobmotorisch solange auf einen Bienenstock schlägt, bis dieser komplett in die Brüche geht. Eine Katastrophe für das Bienenvolk, das deshalb schnell und effektiv reagieren muss. Durch dichtes Bärenfell lässt es sich als Biene schlecht stechen, aber Augen, Mund und Nase sind prima Angriffszonen - darum stechen Bienen auch unsereins vorzugsweise in die entsprechenden Kopfzonen, und darum gibt es diesen lustigen Imkerhut. Udo Roth sieht man so gut wie nie mit solch einem Hut, überhaupt kaum mit irgendwelcher Imkerkleidung, allenfalls mit einem Sonnenhut.
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"Meine Bienen stechen nicht" sagt er leicht dahin und öffnet wie zum Beweis einen der am Bienenhaus installierten Bienenstöcke - natürlich ohne gestochen zu werden. "Aber wir bemühen uns auch darum, friedfertige Bienen zu züchten", erläutert er. Denn immer mal wieder tauchen aggressive Völker auf, deren Königin man am besten austauscht und hofft, dass sich die nächste Generation sanftmütiger verhält. Als vor einiger Zeit in den Medien über "innovative" Imker berichtet wurde, die Bienenvölker auf urbanen Dächern halten, musste Roth schon ein wenig lächeln: "Ich habe das als Junge bereits in der Nachkriegszeit recht erfolgreich praktiziert. Wer weiß, wahrscheinlich war ich der erste in Deutschland."
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1948 kam nämlich Roth mit seiner Familie, die aus sechs Kindern, der Mutter und der Oma bestand, in die Massenunterkunft im Hotel Dreesen in Bad Godesberg. "Weil wir so viele waren, wurden wir oben im ehemaligen Adolf-Hitler-Trakt untergebracht, und der hatte eine wunderbar große Terrasse." Seine Mutter begegnete zufällig einem Imker im umliegenden Kurpark, bei dem sie ein Bienenvolk gegen mitgebrachte zwei Sack Kartoffeln, dazu Zucker und Mehl eintauschen konnte (Alte Bienenwährung: 1 kg Bienen (=10000 Bienen) = 1kg Honig = 1 kg Butter). Und so bekam der junge Udo Roth sein erstes Bienenvolk - am Rhein, auf der schicksten und höchsten Terasse des Hotels Dreesen. Trotz seiner guten Grundkenntnisse fiel der Jungimker Udo Roth einmal auch richtig rein: er bestellte aufgrund einer Anzeige in der Imkerzeitschrift den (natürlich kostenpflichtigen) Prospekt "Wie mache ich meinen Honig selber" - und bekam die Antwortpostkarte "Werden Sie eine Biene". Das war reichlich Lehrgeld, hielt ihn aber von der Imkerei nicht ab: "Wenn man einmal damit angefangen hat, dann lässt man es nicht mehr!" ULRIKE ANHAMM
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summ, summ, summ
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Die Bienenchefs
Heinrich Brand, 1. Vorsitzender
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Udo Roth, 2.Vorsitzender
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Die Bienenchefs
Ramazan Yazici, Obmann f端r Bienenkrankheiten
Armin Joost, Beisitzer
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Michael Gold Kassierer
dmann,
Heinz Engels, Beisitzer
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Wolfgang Lietzow, Schriftf端hrer
Bienenfreunde
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