Leon Thau janick neundorf LOST 1
typographie im raum
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00 “I put my heart and my soul into my work, and have lost my mind in the process.� Vincent Van Gogh
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Inhalt 01
Die idee
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die inspiration
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die konzeption
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Die fertigung
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ZU GAST BEI FREUNDEN
die inszenierung
die VERGÄNGLICHKEIT DES ZEICHENS
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WAS PASSIERT...? STENCILING
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NORDBAHNHOF DIE WAGENHALLEN DIE NACHT FOTOGRAPHISCHE HÜRDEN
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die stadt erleben
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in beziehung mit dem raum
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die marke „lost“
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DIE VERGÄNGLICHKEIT DES ZEICHENS
10 URBANE WERTE
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11 vergessene plätze
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BRINGING ROBERT BACK HOME
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THE CHOSEN ONES
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DAS FINALE PRODUKT
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ANAMORPHIC TYPOGRAPHY
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LOST IN GEOMETRY
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CREDITS
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die idee Als wir uns entschieden haben, mit Typographie im Raum zu arbeiten, war uns klar, dass es der reale, existierende Raum sein sollte, in dem wir uns bewegen wollten. Für jeden zugänglich, urban und öffentlich. Als erste visuelle Inspiration, aus der sich das folgende Projekt ableiten lässt, fungierte eine Arbeit von Aleksi Hautamäki, der in „Recycling Typography“ alte, ausgediente Neonbuchstaben neu inszenierte und damit eine, für uns sehr attraktive, melancholische und starke Stimmung erschaffen hat. Der Gedanke der Melancholie gefiel uns, und wir versuchten, für unser Projekt ein passendes Wort zu finden. Varianten waren u.a. solitude, lonely, sad(ness), time, restless und eben LOST. In dem kurzen und aussagekräftigen LOST sahen wir von Anfang an großes Potential, ohne die Ausmaße des Projekts nur im Entferntesten zu erahnen. Also machten wir uns an die Gestaltung. Genau können wir nicht mehr rekonstruieren, wie die Assoziation zu Indiana‘s LOVE-Skulptur entstand. Plötzlich standen L und O auf S und T. Uns war, als hätte man uns die Lösung und somit das Ende unseres Brainstorming ins Gesicht geschlagen. Die Aussage, die wir erschaffen wollten, und jene, die Indiana in den 70er-Jahren erschuf, standen sehr konträr zueinander, waren sich fast gegensätzlich.
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Mit dieser Erkenntnis war der Rahmen für unser Projekt entstanden: die Inszenierung des Wortes LOST, mit der visuellen Assoziation (Konnotation) zu Indianas Skulptur im menschenleeren, verlassenen Raum festgehalten durch starke Fotographien. Die Bildsprache und letztendliche Stimmung sollte der Semiotik des Wortes LOST gleichen: Melancholie, Traurigkeit, Verlassenheit, Bedrohlichkeit, Verlust etc. im Kontrast zu Indiana, der seine Skulptur an Plätzen inszeniert, wo sich Menschen begegnen und er somit zur Nächstenliebe und Harmonie aufruft.
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die inspiration Diese Seite ist Robert Indiana gewidmet. Als einer der Hauptvertreter der Pop Art entwarf er 1971 die rechts zu sehende LOVE-Skulptur. Sie dient unserem Projekt als Inspiration und popul채rer Gegenpol. Es ist uns ein Anliegen, dass nicht der Eindruck entsteht, wir w체rden seiner Arbeit durch die kontr채re Darstellung auf parodisierender Ebene begegnen. Vielmehr ist dieses Projekt ein Versuch, mit visuell konnotiertem Material zu arbeiten und dieses in neue Kontexte zu setzen. Robert Indiana for president!
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die konzeption Bevor LOST in die Fertigung ging, mussten wir das Projekt zuerst konzeptionell von mehreren Seiten überprüfen. Semantisch und inhaltlich hatten wir schon den essenziellen Rahmen definiert: Das Gefühl der Verlorenheit, der Unzugehörigkeit, der Verlust der Orientierung und der Verlust im Allgemeinen werden durch das Wort transportiert. Auf latenter, subtiler Ebene arbeitet die Assoziation zu Robert Indiana und das konträre Zitat zu seiner Aufforderung zu Liebe und Zusammengehörigkeit. Unsere LOST-Skulptur kann jedoch durchaus auch autonom bestehen und ist nicht auf jene Konnotation angewiesen. Die syntaktische Wirkung der Typographie ist zum Einen vor allem der statischen Realisierung geschuldet, des Weiteren natürlich um die bereits erwähnte Assoziation zur LOVE-Skulptur zu garantieren. Die Anordnung erfolgt gemäß der Leserichtung im mitteleuropäischen Raum von links nach rechts bzw. von oben nach unten. Der lesbare, emotionale Kontext für den Betrachter soll im Bereich der Melancholie, einer gewissen sozialen Kälte und Isolation stattfinden.
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03 Dies soll zusätzlich zur Inszenierungsörtlichkeit mithilfe der Oberfläche, der Materialität der Skulptur erreicht werden, die wiederrum durch stimulierende Zusätze wie z.B. künstliches Licht beeinflusst werden kann. Die Skulptur sollte in sich homogen und harmonisch in ihrer Geometrie wirken. Dies haben wir durch die statische Anordnung zum Quadrat erreicht. Des Weiteren sollte sie eine Prominenz im Raum annehmen - soll sich zwar in den Raum integrieren, jedoch nicht untergehen. Deswegen musste die LOST-Skulptur relativ massiv und groß (60 x 60 cm / 80 x 80 cm) angelegt werden. Die Kontrastierung im Raum findet außerdem dadurch statt, indem wir Szenerien wählten, die eine gewisse in sich geschlossene Einfachheit aufwiesen, in der es der LOST-Skulptur leicht fiel, sich zu desintegrieren. Zusammenfassend kann man sagen, dass wir von Anfang an ein starkes und relativ ausgearbeitetes Bild vom Endprodukt im Kopf hatten. Dies galt es auf seine Realisierbarkeit zu prüfen und zu planen.
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die fertigung
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Dieses Booklet hat die Funktion, den Werdegang des Projekts zu dokumentieren. Neben erstem Brainstorming, der Konzeption und den Ăœberlegungen zur Inszenierung, sowie der letztendlichen Umsetzung, war die Fertigung der beiden Skulpturen ein groĂ&#x;er Teil des Arbeitsprozesses. Im Folgenden haben wir jenen Prozess in exemplarischer Chronologie festgehalten.
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zu gast bei FREUNDEN Designer entwerfen Ideen, denken sich Konzepte aus und gestalten diese. Nachdem wir den Entschluss gefasst hatten, Typographie im Raum in Form von einer Skulptur darzustellen, stellte uns die Umsetzung bzw. Fertigung vor einige Probleme. Diese Probleme konnten wir nicht alleine lösen und holten uns Hilfe von fachkundigen Freunden. Die Erfahrung, dass der Beruf eines Designers einer ist, der viel mit anderen zu interagieren hat, wurde uns erst in jener Zusammenarbeit richtig bewusst. Die Interaktion mit dem Handwerk und auch damit, dass Design eben nicht nur für Designer funktionieren muss, sondern auch für Menschen ohne diese Affinität. Spannend war es außerdem zu sehen, wie das Projekt vom Papier über den Bildschirm hinweg begann, habtische Realität zu werden.
Im Falle der Edelstahlvariante waren wir zu Gast bei H.P. Kaysser in Leutenbach. Der Umgang mit modernster Technik in einer professionellen Werkstatt war anfangs etwas ungewohnt, zumal man sich als Jemand mit einem freien Kunstprojekt als Anliegen in einer Halle voller pragmatisch-denkender Arbeiter etwas fremd fühlen könnte. Könnte! Denn, anders als erwartet, stießen wir auf Interesse, Zustimmung und Lob. Im Speziellen ist an dieser Stelle Matthias Heer zu danken, ohne dessen Engagement das Projekt in seiner Ganzheit nicht realisiert hätte werden können. Des Weiteren wollen wir Herrn Neundorf danken, der uns seine Hilfe, sein Wissen und seine Werkstatt bei der Fertigung der zweiten Skulptur zur Verfügung gestellt hat.
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die inszenierung Wieder beginnt alles mit Robert Indianas‘ LOVE. Dieses Mal jedoch geht es nicht um die Buchstaben, sondern um deren Umgebung. New York und Philadelphia sind stolze Besitzerinnen einer LOVE-Skulptur. In beiden Fällen stehen die großen roten Lettern auf menschenüberfluteten Plätzen. Um das markante Konstrukt herum pulsiert das Leben. Robert Indiana konfrontiert die Gesellschaft dort, wo sie sich treffen, miteinander arbeiten, miteinander reden und leben. Eben so sollte unsere Kernaussage an einem bestimmten Ortskontext stattfinden: menschenleer, melancholisch, verloren sollte er sein. Baustellen, unbewohnte Häuser und verlassenes Brachland zu finden, war unsere Intention. Es war uns wichtig, in jeder noch so verlassenen Szenerie dieses ganz besondere Charisma des Autonomen, des Isolierten aber dennoch Starken zu finden. Wir begaben uns also auf die Suche nach Plätzen im Umfeld Stuttgarts. Wieder einmal war es die erste Idee, zu der wir nach vielem Überlegen wieder zurückkehrten und die Hauptszenerie für unsere Bilder werden sollte: Die „Wagenhallen“ und der Nordbahnhof (siehe Seite 26 ff) : alt, verwittert und mit einer wilden Vegetation, die die einstigen urbanen Konstrukte - von der Gesellschaft aufgegeben und vergessen -wieder annektiert und in sich verschlingt. Bei unserem ersten Shooting an den Wagenhallen wurde uns klar, dass Tageslicht mit seiner totalen Ausleuchtung unserer Aussage und unseren Inszenierungsvorstellungen entgegenwirkte. Der einsame und kühle Charakter, den wir uns vorstellten, war nicht zu erkennen. Die Nacht bzw. die Abenddämmerung, war hier um einiges hilfreicher. Sofort bekamen wir eine Stimmung, die unsere Wunschaussage untermauerte und sogar noch weiter trieb. Bis in die Nacht hinein fotographierten wir an den Wagenhallen. Viele Geheimnisse dieser Örtlichkeit zeigen sich erst durch die Dunkelheit. An einigen Stellen arbeiteten wir mit künstlichem Licht, um das Besondere zu unterstreichen und dem Bild zusätzlich mehr Subtilität zu verleihen. Eines Abends hatten wir endlich das große Glück eines wolkenverhangenen, aber dennoch sehr klaren Abendhimmels (siehe: S. 50 ff). Fast so wichtig wie die Skulptur selbst ist der räumliche Kontext, in dem sie steht, denn nur er besitzt die Fähigkeit, eine Geschichte vollends zu Ende zu erzählen. 22
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nordbahnhof Pragsattel rechts weg, Berg runter, Wagenhallen, weiter: Nordbahnhof. Gar nicht so weit abseits von dem städtischen Treiben und Verkehr liegt sie, die „letzte Bastion der Subkultur“ (PRINZ-Magazin). Ein Ort, der den Stadtadministrativen schon lange ein Dorn im Auge ist, ein Ort, den die Bürger von Stuttgart größtenteils vergessen haben. Es ist jene Vergessenheit, die ein Klima der Autonomie schafft - eine Oase der freien Beweglichkeit, der Uneingeschränktheit. Es scheint, als öffne sich dieser Ort jedem, der ihn nutzen will, und zeigt jedem, der sehen will, seinen unendlichen Charme. Er ist voller Melancholie und doch in sich stark und eigenständig. Ein Ort, an dem sich Traurigkeit und Freundlichkeit nicht ausschließen, sondern einander bedingen.
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die wagenhallen Am Stadtrand gelegen, ein letztes Vakuum der Kreativität, ein kommunales Überbleibsel, sträuben sich die Wagenhallen gegen ökonomische Effizienz, indem sie sich selbst den (Frei)raum geben, den sie brauchen. Riesige brachliegende Innenräume bieten die alten Hallen, die früher für die Logistik und Lagerung der Eisenbahnen genutzt wurden.
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die nacht ... umschliesst den Edelstahl. Konturen verschwinden, Formen werden undefinierbar. LOST entfaltet sein ganzes Potential. Eine Symbiose findet statt, Semiotik und Habtik einigen sich auf einen Nenner: sich in der Dunkelheit vollends zu verlieren. 47
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Staatsgalerie auf Hauptstätterstraße
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Staatsgalerie
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fotographische hürden Als wir das Projekt begannen, hatten wir unabhängig voneinander schon ein Bildsprache in unseren Vorstellungen entwickelt. Wir wollten mit viel Dunkel und wenig, aber prägnanten Lichtquellen arbeiten. Orte, die schon von ihrer Natur aus eine Verlorenheit ausstrahlen, waren unsere Szenerien. Im Laufe des Projekts merkten wir, dass uns eine solche monotone Inszenierung nicht ausreichte. Auf die Gefahr hin, dass wir uns von unserer Kernaussage entfernen würden, wählten wir nun auch Orte von starker gesellschaftlicher Reputation, wie z.B. die Staatsgalerie. Auch die Bilder am Nordbahnhof entwickelten in der Postproduktion einen ganz anderen Charakter als geplant. Wir haben uns davon freigemacht, unbedingt die Relation zur Melancholie und zur Wortsemiotik in jedem Bild zu erreichen, sondern sehen dieses Projekt gegen Ende als Fundus von verschiedenen Inszenierungsmöglichkeiten und Lösungsvarianten. Letztenendes ist festzustellen, dass die Nacht sich als wichtiger Mitspieler in diesem Projekt erwiesen hat. Sie besitzt jene Eigenschaften, die LOST von seiner Wortbedeutung proklamiert. Sie verhüllt die Informationen des Tages und provoziert Verlieren und Verschwinden. Sie ist also unserer Meinung nach hauptverantwortlich für Homogenität mancher einzelnen Bilder (siehe S. 125). 72
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06 die stadt erleben Wenn man sich ein Projekt dieser Art ausdenkt, wird es einen auf verschiedene Weisen vereinnahmen. Das tägliche Bewegen durch die Stadt wird zur andauernden „Spot-suche“. Hier eine Wand voll von tags, da ein Hofeingang mit verrostetem Tor, dort ein alter, verlassener Taubenschlag. Wo immer man sich befindet, stellt man sich vor, wie „LOST“ in diesem Kontext wirken könnte. Man fotographiert, archiviert und erlebt. Die Stadt wird zum Komplizen - sie offenbart sich der Wahrnehmung, zeigt sich in ihrer ganzen Schönheit. Jene Schönheit, die für viele ihrer Bewohner das Gegenteil bedeutet.
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in beziehung mit raum
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Je nachdem in welcher Umgebung man die Skulptur inszeniert, ändert sich der inhaltliche Kontext immens. Da das Wort „lost“ in jeglicher Richtung eine starke Aussage provoziert, muss man sich dessen während der Wahl des Ortes stets bewusst sein. Wir wollten Bilder schaffen, die nicht aktiv wertend sind, obwohl die Skulptur in ihrer Wortbedeutung eben genau dies unausweichlich tut. Wir haben in der Bildsprache versucht, die Wortmarke LOST zur Bildmarke zu verwandeln, um ihr so Brisanz der Wertung zu nehmen und stattdessen Interpretationen zu provozieren.
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die marke “LOST“
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Mit zunehmender Beschäftigung mit dem Schriftzug LOST und dessen visueller Verfremdung wurden wir seiner Variationskraft bewusst, sodass LOST schon bald einen Markencharakter entwickelte. Ohne dies verfolgen zu wollen, hier einige Überlegungen zur Kommerzialisierung.
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was passiert... einem Zeichen, das man in den Ăśffentlichen Raum integriert? In eine Umgebung, in der eine Flut von Reizen herrscht und eine ständige Ăœberlagerung und Neuordnung von Information stattfindet. Abseits des eigentlichen Projekts: ein Peripherversuch.
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stenciling Hierzu haben wir uns auf die Spuren von Street Art begeben. Wirkungsstätte von Street Art ist der urbane Raum. Ein Ort von städtischem Charme - roh, unsauber, aber dennoch irgendwie einladend und charaktervoll. Im Folgenden sind Plätze abgebildet, die uns beim Bewegen durch die Stadt gefunden haben, ohne dass wir deren Nutzung geplant hätten. Es war unsere Intention zu sehen, wie ein von uns integriertes Zeichen mit seiner neuen Umgebung interagiert. Zu einen fanden wir die Wirkung der Wertung interessant: Wie verhält sich ein Ort vor und nach der Klassifizierung als „verlassener Platz“. Hierbei wurde letztendlich auch die Aussagekraft der Wortmarke LOST sowie deren visuelle Stärke auf die Probe gestellt.
Zum Anderen war natürlich wichtig, wie das Umfeld bzw. die Gesellschaft auf ein solches Zeichen reagiert. Würde das Zeichen verlorengehen, indem es durch andere Zeichen umdeckt wird. Wird es entfernt oder entfernt es sich selbst oder nimmt es einen anderen Platz ein? Diese Beobachtungen haben wir versucht, dokumentarisch festzuhalten, was uns nur in zwei von ca. zwanzig Fällen zufriedenstellend gelungen ist. Es lässt sich jedoch unabhängig davon die Aussage treffen, dass ein Zeichen in einem stark frequentierten Umfeld wie dem öffentlichen Raum, nicht lange überlebt, sondern der Vergänglichkeit und dem ständigen Austausch unterworfen ist.
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sticker In einem dunklen Keller bei sp채rlichem Licht beginnt die Produktion: Mit Schablone, Klebefolie und schwarzem Acryllack entsteht eine limitierte Auflage der LOSTSticker. Die Farbe klebt, das Licht geht aus, die T체re zu. Heute Nacht geht es los... 91
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die vergänglichkeit des zeichens Bei unserem täglichen Bewegen durch den öffentlichen Raum sind wir andauernd Reizen und Zeichen ausgesetzt. Eben dieser unaufhörliche Konsum an Reizen zwingt uns zur Selektion und Differenzierung. Unsere Aufmerksamkeitszuwendung geschieht also ausgewählt. Um uns Rezipienten zu erreichen, erweitert vorallem die Markenkommunikation die Grenzen der Aufmerksamkeitsattraktoren ständig. Größe und signale Mittel werden maximiert, wobei das Maximum durch die parallele Abstumpfung der Gesellschaft ebenso ständig neu definiert wird. Ein beliebtes Mittel der Aufmerksamkeitserlangung ist die omnipräsente Platzierung von einem oder mehreren zueinander-stehenden Zeichen im öffentlichen Raum. Dieses Mittel der quantitativen Verbreitung führt zum immer schnelleren Austausch und Überlagerung von Informationen und Zeichen. Mit dem Unterprojekt des „Stencilings“ wollten wir untersuchen, welches Tempo jene Überlagerungskultur denn wirklch hat. Viele der Sticker intervenierten zweifelsohne auch auf privatem Untergrund. Fast alle wurden auch schnell wieder entfernt. Als prägnantestes Beispiel hierfür fungiert die Telefonzelle. Ungefähr so hatten wir uns die Wirkung des vorhernachher-Vergleichs vorgestellt. Eben diese Gegenüberstellung metaphorisiert die Spur eines im öffentlichen Raum platzierten Zeichens, welches zwar verloren ging, aber dennoch durch unmissverständliche Weise einen Teil seiner Existenz hinterlassen hat. Dieses bildliche Beispiel lässt sich auch gut auf die heutige Informationskultur der Gesellschaft übertragen. Eine immer wiederkehrende Information - und sei es nur ein Teil oder Rest ihrer - hinterlässt eine Spur in unserer Wahrnehmung und unserem Bewusstsein.
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urbane werte Der beschleunigte Schritt. Der hastige Blick. Die ungeduldige Suche nach Navigation. Die eine Minute. Die Lackschuhe. Die glitzernden Schaufenster. Der Stern und das Graffiti. Unser eigenes Diktat.
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vergessene plätze Es sind vergessene Plätze, die in ihrer traurigen Isolation vom Puls der Zeit einen unglaublichen Charme entwickeln. Für dieses Projekt waren wir auf der Suche nach solchen „lost places“. Paradoxerweise sind diese oft nur mit großem Aufwand zu erreichen, da sie mit bürokratischer Eisernheit verriegelt werden. Eine weiterer Punkt für ihre Attraktivität... 105
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Bringing robert back home
Nachdem wir unsere Projektziele größtenteils erreicht hatten, erschien es uns als letzte logische Konsequenz wieder zurück zum Anfang zu gehen. Am Anfang stand Robert Indiana mit seiner Aufforderung, die Menschen sollen sich zusammenfinden, um in Liebe zusammenzuleben. Gestalterisch verwendete er neben der quadratischen Anordnung der Letter L-O-V-E lediglich die beiden Farben rot und blau. Unsere Idee war es nun, durch die Zufuhr der beiden von Indiana ursprünglich verwendeten Farben den Kreis des Projekts zu schließen. Unsere Intention war es, dass „LOST“ dadurch seine Ernsthaftigkeit verlieren sollte, andererseits wollten wir so unsere Art der Hommage an Indiana ausdrücken.
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Die „LOST“-Skulptur sollte auf zwei Wegen „verloren“ gehen. Zum Einen durch das Verschwinden ihrer Edelstahloberfläche - die kalte Materialität wird von der Wärme und Farbigkeit von Rot und Blau überdeckt. Zum Anderen sollte die Skulptur durch die amorphe Form der dickflüssigen Farbe ihre Kontur verlieren. Auf den folgenden Seiten lässt sich unser Vorgehen gut chronologisch verfolgen.
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LEON THAU JANICK NEUNDORF MERZ AKADEMIE 2011
neue Sichtweisen Im Rahmen eines einwöchigen Workshops von Mirjam Thomann aus Berlin hatten wir die Möglichkeit, diesen Projektteil zu unserer Zufriedenheit zu erfüllen. Hier nochmal ein eiliges Dankeschön an Mirjam für ihre Unterstützung. Es war für uns und das Projekt sehr erfrischend, einen neuen Blickwinkel zu bekommen. Weg von penibler Konstruktion und Planung - hin zu leichter und verspielter Aggression.
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LEON THAU JANICK NEUNDORF
LEON THAU JANICK NEUNDORF
MERZ AKADEMIE 2011
MERZ AKADEMIE 2011
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13 the chosen ones Nach 15 Wochen Planung, Organisation von Technik, Zeit und Kreativit채t ist es ein Hochgenuss, am Ende mit etwas Abstand zu selektieren und die Spreu vom Weizen zu trennen. Links ist eine Plakatserie zu sehen, die aus vier der gef체hlten tausend Bilder besteht. Unsere Meinung nach harmonieren sie miteinander und zeigen am Besten, was wir uns von dem Projekt LOST erhofften. Sie sind ein Teil des Gesamtprodukts, welches auf den n채chsten Seiten vorgestellt werden wird. 123
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das finale produkt ...besteht aus einer Box, die das in H채nden haltende Booklet, die Plakate und eine Making-Of CD beinhaltet. Uns war es wichtig zus채tzlich zum Umgehen mit Typografie im realen Raum einen speziellen Raum f체r unser Projekt zu schaffen, das eine kommerziell-anmutenden Umgebung erschafft und die Komplexit채t auf einer habtischen Ebene vereinfacht und sammelt.
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anamorphic typography
„In der heutigen Zeit, in der die Markenkommunikation jeden freien Raum nutzt, um ihn durch ihre Zeichensetzung und Informationsvermittlung zu vereinnahmen, steht „Lost in Geometry“ Mahnwache für die Architektur. Der Betrachter wird gezwungen, sich bewusst und aktiv mit der ihr auseinanderzusetzen, um die Typographie in der richtigen Flucht und Perspektive lesen zu können. Die Typographie geht in der komplexen Statik und Perspektive der Raums verloren und ist nur in einem einzigen Punkt wieder auffindbar. Aus dieser Illusion heraus trägt die Installation ihren Namen. „Lost in Geometry“ ist u.a. die Aufforderung an den Betrachter über die blendende und visuell-schreiende Oberfläche der städtischen Architektur hinwegzusehen und die Zeichenflut im (öffentlichen) Raum kritisch zu sehen.“ Leon Thau - LOST (Projekt: Illusion)
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Dem Projektteil „Lost in Geometry“, der die Wahrnehmung im Raum und die Verlorenheit von Typografie in jenem thematisiert, ist ein eigenes Booklet gewidmet, das im Rahmen von Peter Holls Projekt „Illusion“ realisiert wurde.
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konzeption: Fotographie: Post-produktion: Illustration:
Leon Thau, Janick Neundorf Leon Thau, Janick Neundorf Leon Thau Leon Thau
skulptur I:
Edelstahl | Leon Thau, Matthias Heer
skulptur II:
Styropor | Janick Neundorf, Ulrich Neundorf
Layout & satz:
Leon Thau
Text: box:
Leon Thau Janick Neundorf
film:
Janick Neundorf
installation:
Leon Thau
DANK:
Prof. Michael Dreyer, Peter Holl, Mirjam Thomann Robert Indiana, M atthias Heer, Ulrich Neundorf
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