Maria Treml
Textiles
Immer schon ist meine Arbeit verbunden mit Farbe, Textil, Linie und Raum. Sowohl in der Zeichnung als auch im dreidimensionalen Gestalten blieb es mir wesentlich, mit geringen Mitteln viel Raum erfahrbar zu machen, unter anderem auch mit Materialien zu arbeiten, die geradezu wertlos erscheinen und selten derart Verwendung finden. Die Verschiebung von scheinbar festgef端gten Wertigkeiten ist f端r mich permanente wie reizvolle Herausforderung. Maria Treml
Maria Treml
Textiles
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Verbunden, verknüpft, vernetzt – die Körper-Raum-Kunst von Maria Treml Mag. Dr. Peter Assmann Immer ausgreifender entwirft und organisiert Maria Treml ihre Verspannungsinterventionen in den letzten Jahren, immer größer werden die von ihr bewältigten künstlerischen Projektdimensionen. Ausgehend von einer lebendig strukturierten textilen Verbindung zweier Körper entwickeln sich die von der Künstlerin gestalteten Elemente mehr und mehr zu raumgreifenden Installationen: Sie wachsen gleichsam organisch von einer körperbezogenen Wirkungseinheit zu einer architektonischen. Die Basis für alle diese künstlerischen Interventionen ist das Netz, ist eine Jahrtausende alte Kulturfähigkeit des Menschen, Fäden von durchaus unterschiedlicher Stärke und Materialbeschaffenheit durch die Prinzipien der Verknüpfung, Verschlingung und Verwebung zu einer neuen Volumenseinheit umzuformen. Das Einzelelement wird Bestandteil einer größeren Einheit, die neue Entität überzeugt durch eine sehr viel größere Belastbarkeit und sehr viel weiter ausgedehnte Wirksamkeit als die Summe der Einzelelemente. Daraus entstehen unter anderem eine neue Materialität, eine neue Körperwirkung und eine neue Kraft des Zusammenhalts. Solche Feststellungen sind natürlich auch im übertragenen Sinn lesbar, sie sind im Sinne einer künstlerischen Intervention symbolhaft zu sehen. Maria Treml agiert in diesen Großprojekten fallweise auch im Kollektiv, sie forciert das gemeinsame Verbinden, sie zielt neben der individuellen Geste auch auf Beteiligung und Gemeinsamkeit. Die Vernetzung ist daher oftmals in gleicher Weise sozial wie textilmateriell. Das entstehende Formelement ist folgerichtig auch „soziale Plastik“ und bestimmt einen Gemeinschaftsraum im öffentlichen Raum – in absolut zeichenhafter Formgebung. Diese prägnanten Verbindungselemente stehen auch für die – erfolgreiche – Suche nach Schutz in der Gemeinschaft, für eine Art Auffangnetz als Sicherheitselement. Die von der Künstlerin gestalteten Netzelemente zeigen sich als – im weitesten Sinne – Dachstrukturen, ohne jedoch abzudecken oder eine Aussicht zu behindern. Vielmehr bestimmen sie eine Art Membran, die manches durchlässt und fähig ist, manches abzuwehren. Es sind daher Grenzelemente – markant geöffnete zwar, aber doch einer eigenen Raumeinheit Form gebend, sie modulierend. Zugleich vermittelt ihre Präsenz die Gefahren des zu eng Gesetzten, der beschnittenen Freiheit – das Netz zeigt sich auch als Fangnetz. Friedrich Nietzsche, aber nicht nur er, beschreibt das Denken des Menschen angesichts dieser Betrachtungsweise:
„Alles Gewohnte zieht ein immer fester werdendes Netz von Spinnweben um uns zusammen; und alsbald merken wir, daß die Fäden zu Stricken geworden sind...“ Unsere aktuelle Internet-Gesellschaft ist in manchen ihrer Aspekte mit solchen Worten sehr präzise beschrieben, die grundsätzlichen Qualitäten der Netzstruktur jedoch gehen weit über dieses Denksystem hinaus, insbesondere in ihrer künstlerischen Bearbeitung durch Maria Treml. Durch ihre zentrumsfreie und verbindungsorientierte Gestaltung wie auch dezidiert unregelmäßig erscheinende Gesamtform erweisen sich die von der Künstlerin gewählten Setzungen dieser Netzkörper viel weniger als Möglichkeitsformen, Menschen zu fangen und in sich einzuschließen, sondern vielmehr als Sinnbilder für bewusst geöffnete Fangnetze: für eine Netzstruktur, die nicht aussondert und aussortiert, sondern ein Zeichen für Integration und Zusammenhalt einer Gemeinschaft setzt. Souverän greift die Künstlerin in diesem Zusammenhang auf die Traditionen der Textilkunst zurück, erweitert sie jedoch zunächst um die Dimension des Volumens, um sie auch in weiterer Folge zu raumaktiven Elementen auszubauen. Fläche, Körper, Raum – die Künstlerin agiert mit diesen Zuordnungen mit der ganzen Kraft des flexiblen, textilen „Material(Denken)s“, mit einem gestalterischen Gestus, der sich über solche Festlegungen wie selbstverständlich hinweg setzt. Aber auch fähig ist, neue Bestimmungen anzusprechen: Ihre Installation im Kubinhaus Zwickledt etwa ist als sensible Zeichnung im Raum lesbar, ihre Gestaltung im Landeskrankenhaus Freistadt als Raumkörperabfolge ein massives Skulpturerlebnis. Maria Treml „verknüpft“ daher auch künstlerische Gattungen, sie verknüpft verschiedene Menschen und ihre unterschiedlichen grundsätzlichen Erfahrungsebenen. Und sie agiert hier bewusst leise und zurückhaltend, auch wenn die künstlerischen Ergebnisse monumental wirken und den gemeinsamen öffentlichen Raum deutlich verändern. Immer wieder ist auch auf faszinierende Weise beobachtbar, wie die Netzelemente der Künstlerin die Lichtsituation modulieren, wie sie die stete Differenzierung des Augeneindrucks herausfordern und vielfach gewohnte Situationen „in einem neuen Licht“ erscheinen lassen. Und das nicht nur einmal, sondern immer wieder von neuem – als ein stets erneuertes, zeichenhaft ausgreifendes Verknüpfungsangebot.
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Knoten und Verschlingungen em. o. Univ.-Prof. Mag.a art. Marga Persson Knoten und Verschlingungen, das Zusammenbinden und das Verbindende, sind offensichtliche und wesentliche Merkmale in den Werken von Maria Treml – nicht nur in den jüngsten, großformatigen Netzarbeiten, die den Betrachter buchstäblich gefangen nehmen, sondern bereits in frühen, kleineren Arbeiten, wo sie unterschiedliche Materialien wie Holz und Textil selbstverständlich und frei miteinander verknüpft und verwebt hat. Die Künstlerin arbeitet viel mit textilem Material – mit Fäden, Seilen, Stoffen, mit Bändern und Gurten aus industrieller Produktion – aus dem sie Kunstwerke schafft, die den Eindruck erwecken, eng mit der Natur verbunden zu sein. Meist sind es dreidimensionale Gebilde, die voller Poesie sind und uns an Blumen oder Spinnennetze erinnern. Manchmal sind es aber auch Astwerk, Holzgebilde oder ganze Sträucher, die zum Arbeitsmaterial werden. Maria Tremls Arbeitsform ist ein zusammenfügendes, vernetzendes und kommunikatives Tun. Es ist wohl auch eine Art Lebensform, gemeinsam – mit Kindern in Schulen, mit Erwachsenen in Workshops, mit der eigenen Familie, wenn es um Großprojekte geht – Kunstwerke zu schaffen, die mehr sind als das Produkt, das entsteht. Bei der ersten Phase meiner Lehrtätigkeit an der Kunstuniversität Linz, also Ende der 1970er Jahre, lernte ich auch Maria Treml kennen. Seitdem hat sich vor allem das Wort "grundlegend" als Charakterisierung ihrer Arbeit in mir festgeschrieben. Die Klarheit ihrer Vorstellungen und ihre Sicherheit im Umgang mit Formen und Farben, schon als Studentin, haben mich damals beeindruckt. Diese Eigenschaften lassen sich auch in den darauf folgenden Arbeiten feststellen, die, wie ich meine, etwas Wesenhaftes an sich haben. Kongenial sind aus dieser Sicht die frei im Raum schwebenden Zeichen im Raum, umgeben von fast unsichtbaren Gespinsten, die sie 2010 im KubinHaus in Zwickledt zeigte. Ebenso wesentlich sind experimentelle Arbeiten, bei denen Zweige als Webrahmen dienen und wo der Leerraum zwischen den Ästen mit Fäden in kräftigen Farben "ausgewebt" wird – eine archaische Vorgangsweise, bei der Objekte entstehen, die an Ritual- oder Beschwörungssymbole erinnern und zugleich die Verwobenheit der Künstlerin mit Natur und Gewachsenem dokumentieren. Maria Treml geht aber noch einen Schritt weiter und gestaltet direkt im freien Raum: Die Objekte sind schon vorhanden, sie wachsen zum Teil schon dort und werden von ihr plastisch geformt und mit textilem Material bearbeitet. Sehr behutsam und wie selbstverständlich werden Teile verbunden, verschnürt, umgarnt, verwebt, um dann Wind und Wetter ausgesetzt zu werden. Textil unter freiem Himmel ist keine klassische Disziplin und die Materialbeschaffenheit meist nicht in dem Sinn witterungs-
beständig, wie wir es von härteren Grundstoffen und Materialien gewohnt sind. Diese Art von textiler Kunst kann eine Herausforderung sein nicht nur bei der Realisierung derselben, sondern auch wenn dem Betrachter Veränderung und Zerfall vor Augen geführt werden – eine Integration und Interaktion von Kunst in und mit Natur... In der Arbeit von Maria Treml können sich Netzobjekte in gewaltigem Ausmaß im Außenraum ausbreiten. Sie wirken dann wortwörtlich verbindend und kommunizierend, wenn sich das Netz von Haus zu Haus erstreckt, wie über den Stadtplatz von Grieskirchen, oder wenn das Gespinst, wie am Haslacher Kirchplatz, Kirchturm und Erde verbindet. Die Arbeiten, die so schwebend und leicht daher gehaucht kommen, sind wie Architektur nach genauen Plänen aufgebaut – und doch sind es freie Konstruktionen, die mit den Händen, manchmal mit vielen Händen, als einziges Werkzeug realisiert werden. Zwischen Himmel und Erde gespannte weiße Netze machen staunen und bieten den Betrachtern neue ästhetische Erlebnisse bei Tag und Nacht, bei Sonne und Regen – temporäre Netze zwischen Himmel und Erde... Fäden, Knoten und Hände zum Knüpfen bedarf es also, um ein Netzgebilde herzustellen – eine sehr früh entwickelte Kulturtechnik, die meist an Anwendungen gebunden und in Kulturen wie denen Asiens, Ozeaniens, Süd- und Nordamerikas oder auch Europas zu finden war. Wahrscheinlich entstanden zu allen Zeiten und global Knoten- und Knüpfarbeiten – bei indigenen Völkern als Zählmittel, Schriftzeichen, Schmuckstücke, als Fangnetze bei Fischern usw. In die zeitgenössische Kunst fand die Technik des Knüpfens etwa ab Mitte des vorigen Jahrhunderts Eingang, als im Zuge der Erweiterung des Kunstbegriffs auch die Textilkunst erfasst wurde und verschiedene verschüttete oder vergessene Textiltechniken wieder aufleben konnten. Das Netz hat sich also in Funktion und Inhalt im Laufe der Geschichte wenig verändert, es begegnet uns nur in unterschiedlichen Formen – auf der materiellen Ebene, heute besonders prägend auf der gesellschaftlich-sozialen und auch auf der virtuellen. Es ist Kommunikationsmittel, Mittel zur Nahrungssuche, Mittel zum Schutz, es geht um Sprache und Kommunikation, um fangen, abfangen und gefangen nehmen, um umschließen, abwehren und ausschließen, um Grenzen ziehen und einzäunen. In diesen Tagen kommt man schwer umhin, an die Ambivalenz von Netz und Vernetzung zu denken, wenn vor unseren Augen gesellschaftliche und kulturelle Verknüpfungen zerstört werden und die Herausforderung immer dringender wird neue, tragende Netz-Werke aufzubauen, die Freiheit und Leichtigkeit vermitteln können und sollten – wie die Netze von Maria Treml.
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Grieskirchen, 2010
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Kubin-Haus Zwickledt/Wernstein, 2010
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Krankenhaus Freistadt, 2008
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Haslach an der M端hl, 2007 Workshop
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Waldkirchen/Niederbayern, 2007
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Vรถcklabruck/privat, 2010
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Karlsplatz/Wien, 2014
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Haus Bethanien/Gallneukirchen, 2015
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St. Georgen im Attergau, 2005 in Kooperation mit Markus Treml
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Maria Treml 1954 1969 – 1974 1974 – 1975 1975 – 1976 1976 – 1980 seit 1980
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* Bad Ischl BHS FS für Holzbearbeitung, Hallstatt Universität Wien, Kunstgeschichte Hochschule für Gestaltung Linz, Bildhauerei und Textil freischaffende Künstlerin
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Fotos: soweit nicht anders angegeben: Maria, Markus, Elisa und Simon Treml S. 4, 66: Anna Treml S. 36 – 39: Friedl Grohmann S. 51/Bild 1, S. 53 – 55: Foto Hintermann, Waldkirchen S. 58, 59: Robert Faldner S. 70/Bild 5: Peter Putz S. 78 – 85: Franz Linschinger Lektorat:
Ingrid Moser
Bildauswahl und Redaktion: Elisa und Maria Treml Gestaltung und Bildbearbeitung: Peter Putz · www.ewigesarchiv.at Druck:
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