DER TRAUNSEHER (1978 – ‘81) und die Bildmanufaktur Traunsee

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DER TRAUNSEHER 1978 – ‘81 und die

Bildmanufaktur Traunsee Kienesberger · Pilar · Putz



KUNST IM SALZKAMMERGUT III

DER TRAUNSEHER (1978 – ‘81) und die Bildmanufaktur Traunsee Hans Kienesberger · Walter Pilar · Peter Putz

Herausgegeben zur Ausstellung in der Kammerhofgalerie Gmunden vom 14. September bis 12. Oktober 2008 anlässlich des 80jährigen Bestehens der Künstlergilde Salzkammergut im Rahmen der OÖ. Landesausstellung SALZKAMMERGUT

KÜNSTLERGILDE SALZKAMMERGUT

publication PN°1 Bibliothek der Provinz Verlag für Literatur, Kunst und Musikalien

1928 – 2008


Inhalt Josef Linschinger, Vor-Ort-Wort 5 Timm Starl, TRAUNSEHER revisited 6 Walter Pilar, Zum TRAUNSEHER

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Robert Gratzer, Drei Männer am Traunsee 16 werner herbst, Der TRAUNSEHER, eine Produktion der Bildmanufaktur Traunsee 18 Der TRAUNSEHER Nr. 1 20 Der TRAUNSEHER Nr. 2

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Der TRAUNSEHER Nr. 3

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Der TRAUNSEHER Nr. 4

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Der TRAUNSEHER Nr. 5

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Der TRAUNSEHER Nr. 6

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Der TRAUNSEHER Nr. 7

62

Der TRAUNSEHER Nr. 8

68

Der TRAUNSEHER Nr. 9

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Reaktionen auf den TRAUNSEHER

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Das Licht des Lebens

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Paraphernalia 94 Biographien H. Kienesberger, W. Pilar, P. Putz, 2008

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Impressum 98


Vor-Ort-Wort Die OÖ. Landesausstellung SALZKAMMERGUT 2008 ermöglicht es, die 1928 gegründete Künstlergilde Salzkammergut in einem größeren Umfang darzustellen. Zwei Ausstellungen, ALTE MEISTER und WIR, sind der Entwicklung der ersten vierzig Jahre und dem momentanen Stand unseres Vereines gewidmet, drei Ausstellungen weisen je einen thematischen Schwerpunkt auf: DIE KERAMIK, DER TRAUNSEHER – BILDMANU­ FAKTUR TRAUNSEE 1978 – 81 und GEOMETRIE UND KONZEPT.

Die drei Künstler der BILDMANUFAKTUR, Hans Kienesberger, Walter Pilar und Peter Putz, die seit ihrer Jugend befreundet waren, traten – wie Bernhard Barta ausführt – in ihrer gemeinsamen Arbeit gegen die damaligen Konventionen im Ausstellungswesen an und schufen für sich ein Modell zur Vermittlung und Vermarktung, das auch heute noch von Aktualität ist. Die Einstel­ lung der „postalischen Galerie“ 1981 habe ich – wie viele andere Abonnentinnen und Abonnen­ ten sicher auch – sehr bedauert.

30 Jahre nach ihrer Gründung wird die BILDMANU­ FAKTUR TRAUNSEE in der Kammerhofgalerie der Stadt Gmunden präsentiert und von renommier­ ten Theoretikern bearbeitet und interpretiert. Die „postalische Galerie“ hatte in der Zeit ihres nur vierjährigen Bestehens große Auf­ merksamkeit erlangt und ein sehr positives Echo hervorgerufen. In seinem Text „Land­ schaft mit Eigenschaften“ im Katalogbuch „Landschaftsbilder – Bildlandschaften“ zur Mitgliederausstellung WIR vergleicht der Kunsthistoriker Dr. Bernhard Barta die „Bild­ manufaktur Traunsee“ mit Andy Warhols Time Capsules. Er schreibt auch: „ . . . So ist DER TRAUNSEHER als subtile Kritik an Kunstver­ mittlung und Kunstmarkt zu verstehen, die in Gmunden und Umgebung weiterhin die Honora­ tioren klassischer Landschaftsmalerei fördern.“

Meine Zusammenarbeit mit dem TRAUNSEHER Hans Kienesberger reicht an den Anfang der 1960er Jahre zurück, als wir in einer Band musizierten. Seit 1982 selbst Mitglied der KGS, arbeitete ich mit ihm nach 1986 im Vorstand zusammen. 1982 hatte Hans Kienesberger eine Einzel­ausstellung in der Werkstattgalerie und 1987 eine große Personale in der Kam­ merhofgalerie. Er war an vielen Gruppenaus­ stellungen der KGS beteiligt. Erst viel später lernte ich Walter Pilar, den OÖ. Landeskultur­ preisträger 1990 für Literatur, kennen. Er hielt Lesungen bei Veranstaltungen der KGS (z.B. „Kunst am Schiff“, 1988). Seine Bücher „Lebenssee I und Lebenssee II“, sowie „Krumau und anderswo – Achsen des Augenblicks“ und einige meiner Publikationen fanden sich im sel­ ben Verlag.

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P­ eter Putz trat mit seiner ersten großen Einzel­ ausstellung in der Kammerhofgalerie 1984 an die Öffentlichkeit und beteiligte sich an verschie­ denen Mitgliederausstellungen. Sein work in progress „Das Ewige Archiv“, www.ewigesarchiv.at, dessen Kassetten­edition bereits 1988 im Muse­ um moderner Kunst in Wien präsentiert wurde, hat nach wie vor eine starke Wirkung. Die Ausstellung DER TRAUNSEHER – BILDMANU­ FAKTUR TRAUNSEE 1978 – 81 und diese Doku­ mentation stellen die frühen Leistungen der engagierten Künstler dar, die aus dem Salzkam­ mergut „heraus“ einen wichtigen Impuls in der Kunstszene setzten und sich in der Folge bedeu­ tende Positionen mit ihrer Kunst schufen. Wir danken den TRAUNSEHERN sowie ihren Text- und Bild-Autoren für die gute Zusammen­ arbeit wie auch den Sponsoren, die durch ihre Mithilfe die Realisierung dieses für uns sehr wichtigen Projektes ermöglichten.

Josef Linschinger Präsident der KGS


TRAUNSEHER revisited (2008) Timm Starl Links. Die Fahrt ging mehrmals im Jahr von Frankfurt am Main nach Altaussee und wieder zurück, den Traunsee entlang, der jedoch immer links lag, wenn wir, von Regau kommend, die Autobahn verlassen haben, ersichtlich der Anfang des Salzkammerguts, für mich der Beginn des Urlaubs (bei der Heimkehr schaute ich nicht auf den See, sondern zurück auf die verlebten Tage). Rechts. Wenn ich in der Stube auf der Eckbank sitze, lese oder Patiencen lege, ein Fenster im Rücken, der Herd schräg vor mir, so hängt rechts an der Wand vor dem Geschirrschrank eine Arbeit von Hans Kienesberger, in der eine Viel­ zahl gemalter Monitore auf den Betrachter kommt, als blicke man auf eine Wand voller Fern­ sehgeräte mit einer Vielzahl flüchtiger Erschei­ nungen. Dazwischen. Zwischen diesem Links und Rechts, zwischen einem konkreten Raum und einem medialen, zwischen früher und jetzt bewegen sich die Erinnerungen an den Traunseher und die „Traunseher“, eigentlich geheissen Bild-Manu­faktur-Traunsee, etwas zwischen Bil­ dern und Vorstellungen, zwischen Lektüre und Leben, manches unscharf, vieles sehr deutlich. 1981. Ein Prospekt fällt mir in die Hände zu einer 28seitigen Fotodokumentation im Format A4 mit 29 Abbildungen, erschienen in der Reihe Der Traunseher, die 4 mal im Jahr vorliegen soll, doch die 4 ist durchgestrichen und durch eine 2 ersetzt. Angekündigt werden die fotografischen Hervorbringungen des Johann Promberger, eines Werkmeisters der Saline Ebensee, und weil in der Zeitschrift, die ich herausgebe, eine Sammel­

rezension zum Thema „Menschen am Land“ geplant ist, erwacht meine Neugierde und ich bestelle ein Besprechungsexemplar des Traunsehers Nr. 6 von 1980. (Vielleicht ist mir das Heft unverlangt zugeschickt worden und der Prospekt hat beigelegen – heute weiß ich es nicht mehr so genau.) Schon das Umschlagbild verblüfft mich, die Wieder­gabe eines Porträts von einem schlecht fixierten Negativ, das zahlreiche Flecken aufweist – ­wer ist schon so kühn, mit einer halb zerstör­ ten Fotografie an die Öffentlichkeit zu treten, gerade jetzt, am Beginn der 80er Jahre, zu Zei­ ten eines zunehmend florierenden Fotobooms, des Handels mit berühmten Namen und so makel­ losen wie teuren Stücken bei Sotheby’s und Christie’s, noch dazu mit einer Person vorstellig zu werden, die keiner kennt, und mit dessen flec­ kigem ­Konterfei. Das habe ich gedacht, aber nicht geschrieben, sondern zunächst brav, wie es sich gehört, angeführt, was zu sehen und zu lesen ist, ohne zu erkennen, was ich heute weiß, dass die Herausgeber eine Entdeckung gemacht haben, die weit über die regionale Bedeutung hinaus geht, dass sie nämlich auf einen „Dorffotografen“ avant la lettre gestoßen sind, eine ländliche Erscheinung, halb Amateur, halb Profi, mit der sich bald dar­ auf Volkskundler und Fotohistoriker eingehend beschäftigen sollten. Was mich jedoch damals begeistert und amüsiert hat – und es heute noch tut –, ist die Notiz zu zwei seltsamen fotografischen Stilleben Prombergers, zusammengestellt aus Tierfiguren, Hirsch­geweih, Rahmen, Besteck und anderen kunstgewerblichen Gegenständen, ein unge-wöhnliches Arrangement mit eigenartigen Dingen, und – wen wundert’s – nach Fotografien in schlechten Zustand, voller Kratzer – die Bild­unterschrift also lautet: „Stilleben (?) Oder: Die Schwierigkeit, historische Fotografien bis zum Ende interpretieren zu wollen.“ Man

bedenke, 1980, als die Kunsthistoriker in Scharen das Medium ­Fotografie entdeckten und für sich reklamierten, die Vergangenheit nach den Werde­ gang der Protagonisten und deren Bildschaffen durchforsteten und allem analytisch zu Leibe rück­ ten mit ihren überkommenen Kriterien – nun also stellt jemand lakonisch fest, nicht alles zu wissen und auch nicht alles kommentieren zu müssen. Jetzt. Ich bin umgeben von den „Traunsehern“, drei kleine Tuschzeichnungen (2000) von Hans Kienesberger nebeneinander gestellt, bei der Arbeit am Computer in Wien halblinks vor Augen; andere Arbeiten in unserem Weinviertler Häusl; dort auch der wunderbare Lebenssee (1996) von Walter Pilar, eines meiner liebsten Bücher, in dessen Fülle an Wirklichkeit im Surrealen (und umgekehrt) man zu ertrinken droht; links ums Eck, zwischen Plafond und oberstem Regalbrett eine Holzkiste, recte Das Ewige Archiv (1987) des Peter Putz, eine Bilderflut voller Neu­ igkeiten und Stereotypen, fotografischen und anderen, auch etwas, von dem man überwältigt werden kann. Dann findet sich noch, in einen Karton gepackt und darüber liegend, eine Anleitung zum Spiel „Das Licht des Lebens“ (1984), von der BildManufaktur-Traunsee fabriziert, alles wie ehe­ dem in Plastikhüllen und auf ein Blatt montiert, unbenutzt, unter anderem enthaltend eine gol­ dene Nuss, einen weißen Würfel, Spritzkerzen, Streichhölzer, Kracher, eine Rakete „Sky Rocket Size 4“ – ich sollte sie aufsteigen lassen, heute oder dieser Tage: ein Freudenfeuerwerk für die Drei, ein Hurra­licht für die Künste, ein Funkenmeer zum Jubiläum. Dr. h.c. Timm Starl, geb. 1939 in Wien, freier Kulturwissen­ schaftler, Fotopublizist und Ausstellungskurator, Gründer (1981) und Herausgeber (bis 2000) der Zeitschrift Fotoge­ schichte, Entwurf (1995) und Fortschreibung einer Datenbank zur Fotografie in Österreich von 1839 bis 1945 (http://alt.alber­ tina.at/d/fotobibl/­einstieg.html), arbeitet an einer Phänomeno­ logie der Fotografie, lebt in Wien und im Weinviertel.

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Umschlag Der TRAUNSEHER Nr. 6 Johann Promberger, Fotografien 1905 – 1925 21 x 29,7 cm, Offsetdruck 7


HeiĂ&#x;-DIONYSEN, Panoramakarte, 1949, Offsetdruck, 20,5 x 40 cm, Archiv H. Kienesberger 8


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Zum TRAUNSEHER (2008) Walter Pilar 1. Begegnungen beim Wiederbegehn Der See gluckst, gluckert, plätschert bis unter die brandigen Blattblätschn am Ufer. Oder es klät­ schert grün von den kalfatierten Plätten herauf. . . . so ein malerisches Gefährt, eine Malerzille bzw. -plätte war einmal eines der Traunseherziele. & eine hölzerne Schiffhütte zum Einstellen, möglichst dem Traunstein gegenüber . . . Hans hätte vielleicht aus bestimmten Schwemmfun­ den irritierende Objekte der Wandlung geformt, Peter hier noch so manchen Kunstfisch an Land gezogen, ich hätte mit haderndem Kuli erzeich­ nete Landschaftsdetails verfremdet, skurrealisiert . . . aber letztlich bleiben nur die Seeflächen - ob smaragdgrün-unergründlich oder in blauweiß wellenden Schlieren den Himmel &/oder Berg­ formen bizarr spiegelnd – bestehn. Sie reflektie­ ren tausendfach die sie umgebende Kleinwelt an einem alpinen See. Wird deswegen dieses Linien­ geschlängle gern als romantische Landschaft bezeichnet? Die Fischer stehen heute wie gestern am Ufer. Sie be-zeichnen nichts, sondern schau­ en nur. Schauen aus nach ihrer Beute, sehen oft nur mehr die Flosse von so einem Wascher & wie er nach jähem Wendeschlag in der dunkelgrü­ nen Tiefe verschwindet. Oder jene fernen Berufs­ fischer, die weit draußen aus samtigem Seegrün ihre Netze hervorziehn. Die Spiegelungen der Seefläche gehen natürlich weiter. Sie wellen hin­ aus-herzu (räumlich) oder hinein (in die Memora­ bilien des Zeitgefühls), werden für viele ein Super­ foto od. ein traumhafter Videofilm auf Knopf­ druck. & je nachdem: ob viel od. nichts daraus geworden ist. Wie/was/wo/warum & auf welche Weise wohinkommt & worauf es ankommt? Der sogen. Kunstmarkt scheint in seiner Willkür uner­ gründlich: einmal mehr grün oder blau, dann

wieder mehr rot, ein anderes Jahr (od. gar Jahr­ zehnt?) mehr schwarz: ich weiß, viele Schatten . . . art is only a question of date and signature. Aber die(jenigen), die es bis Aberdeen hinauf (aba die’s and dee around loch ness, zweng de Ungeheuer & Schimären) zieht bzw. die gerne zögen, brauchen neben Fahr- auch Landkarten. & hier seis gleich vorweggenommen: Der Manu­ faktor Peter Putz bedruckte lange vor diversen Atlas-mapping-Ausstellungen groß- wie klein­ räumige Atlasblätter sowohl mit seinen subjek­ tiven Zeichnungen, als auch mit skurril-eroti­ schen Fotosequenzen. Für die Nr. 3 besiebdruck­ ten alle 3 gemeinsam jenen Stoß Marshall-PlanKarten, den Hans Kienesberger beim Stöbern auf einem Schuldachboden entdeckt hatte. & da sich im BMT-Archiv auch einige Landkartenroll­ stempel befanden, überlegte W. P. um 10 Ecken wegen der schon verfaßten Texte: jene Römer aus Bad Iscula, die einst {so um Chr. Geb.} zu Attersehern wurden, müssen einfache Orientie­ rungshilfen benötigt haben (vgl. dazu Mondseho-Truna-Atterseho-Trunseho S. 28ff in Der Traunseher Nr. 8). Bei Pfeffer- & Salzkammergut konnte ich’s endlich einbringen (Nr. 8 S. 8ff. & in dieser Publikation): Um den Leser bei der detail­ reich beschriebenen Anfahrtsroute ins Skg. visu­ ell zu unterstützen, versuchte ich es schließlich mit verkleinertem Gummistempel. Rezente Fak­ tibilitäten wie historische Fiktionen sind ja auch groteske Wanderungen unter der Hirnschale. Viele reisen daher lieber äußerlich, weil es real andere Kulturen, Sprachen & Landschaften zu entdecken gilt. Sicher sind Landkarten darunter. Nur gibt es auf ihnen weder Tageswitterung noch Subjektivität, während es alle seit Kindertagen wissen dürften: jeder See rinnt auch aus. Ein solches Gerinne, was dort Ager & da Alm heißen mag, jenseits wasserloser Bach, Ache oder Acheron-ins-Jenseits heißen kann, heißt hier (im Bezirkshauptort „Gmaonl“) Traun (Was­ serstand an der Traunbrücke 422 m). & es/sie

„draonlt“ wie magisch, schon wenn sie als 2armiges Delta in den südlichen Traunsee mündet [1. durch den fischladen Geruch & ­2 . durch kreiselnde Bewegungen]. & traunlt ab­geschwächt, wenn sie nach flächigem Verlauf ihr letztes natürliches Seebecken (vor der endgül­ tigen Mündung in die Donau) auch wieder ver­ läßt: wie seit eh unterschiedlich jäh & natürlich geschmeidig. Auch 2schneidig & nur mit einer?, nein!, mit lauter Geraden. & gerade an diesem Gemünde zog es/sie einmal so sierig durch (durch Seeklausen & „Törl“)! & irgendwann werden sie (Traun)+ er (-see, Fluß)+ es (H2O) Strom. Also Wasserstrom & eine Donau, die meist blau über grün verschiedene Gesteins­ schichten befließt, bis sie ins Schwarze tritt/ins schwarze trifft . . . Meeresdriften: So könnten damals auch der Grabner-Toni & die Jäger-Fanni das Meer gesucht & entdeckt haben (damals = im Lesebuch Frohes Kinderland S. 15), wie in Siebenmeilen-scheanken durch alle Donau­ staaten. „. . . Weißt du, die Leute möchten uns alle vom Meer abhalten, weil sie nicht wissen, wie schön es ist. Die denken nur an Rübenfelder, Erd­ äpfelfelder, Kukuruzfelder. So etwas sehen wir alle Tage. Aber das Meer, das . . .“ (das für mich mehr wie der vor unseren Augen liegende See mit Dampfern & Haifischen aussah).

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2. Anfänge Frühjahr 1978: . . . mein Langwieser Nachbar & jüngerer Freund Peter, mit dem ich viel über diverse Kunstrichtungen (von abstrakt, aktioni­ stisch, expressiv, surreal bis realistisch) diskutieren konnte, zeichnete seine bizarren Bildfindungen mittels linearer Konturen. Konturierend strichelte es auch aus mir, aber in dichten, „nevrosen“ Strich­ büscheln. Ganz anderes hat er mir von seinem Malerfreund erzählt, der mit Lötlampe & Feuer verschiedene Materialien, z.B. Plastik verforme. Er selber studierte inzwischen in Wien Kunster­ ziehung (& war Sohn meines verehrten Englisch­ lehrers Abel Putz, der mir wiederum von einem Schwager 2. Grades erzählt hatte, der Bilder mit Schuhpasta male). Jeder von uns suchte nach einem anderen Weg aus der provinziellen Vor­ stellungsenge, sei es durch avantgardistische Kunstübungen, sei es durch politisches Engage­ ment. Denn noch virulierten die Visionen von 1968. Eines Tages rückte er damit heraus, daß er mit jenem (Maler & Lehrer) Johann/Hans? Kienes­ berger eine neue Kunstzeitschrift herausgeben wolle & ob ich nicht bei ihnen . . . sie möchten es vorläufig BildManufaktur Traunsee / BMT nen­ nen (letzteres klang allerdings für mich, den kon­ sumkritischen Jungdichter & Kulizeichner, zu stark nach der elitären Automarke) . . . Ob ich da nicht mitmachen wolle? & ich kannte damals außer dem pensum litterarum vor Ort weder Verlag (ja Residenz, aber ohne Namen?) noch Galerie, noch getraute ich mich allein (aus sogen. falscher Bescheidenheit) vor die „Arena der Öffentlichkeit“, sondern studierte in Linz neben­ beruflich Kunsterziehung an der „Kunsthoch­ schui“. Dort verstand ich mich mit einigen „fort­ schrittlichen“ Studienkollegen (Franz Blaas, Tho­ mas Steiner, Markus Treml, Richard Wall), dem Lehrbeauftragten Wolf Sator & dem offenen Kunstwerker & Lehrerbildner Georg Stifter ganz gut. Sie suchten ja den Kontakt mit jenem „fer­ 11

tigen“ Lehrer, der zeichnete, dichtete & dessen Frau Gerti als unkonventionelle Lehrbeauftragte für Kindermalen eine starke Anziehung für junge Bildkünstler hatte. & außerdem gab es noch einen literarischen Freundeskreis von früher (Erik & Ursula Adam, Irmgard Perfahl, Erich W. Skwa­ ra, Georg Unterberger, Hannes & Martin Sturm & a.) . . . Die Abkürzung BMT aber gab mir keine Ruh’. Bild-Manufaktur-Traunsee klang nach praktischem Tun & gemeinsamem Bildgenerieren an einem bestimmten Ort. So etwas wie die Rixdorfer Drucke in Berlin (Merlin Vlg.) oder der Sterz in Graz , der Thurntaler in Außervillgraten/ Osttirol, oder als frühere Traditionslinie der, in Themen & bildnerischen Techniken erfindungs­ reiche, eher locker konturierende & unkompli­ ziert auf verschiedenen Gründen dahinmalende Franz von Zülow . . . Nur diese sperrige Abkürzung BMT störte mich insgeheim. Wo doch damals die Gruppe Hausrucker & Co schon in den USA reüssierte, dann gab es die Kulturzeitschrift Das Eselsohr (später Eselsmilch) in Perg/ Mühlviertel, die Kehrseite in Neuhofen/Krems & der Künstlernarziß C. L. Attersee zelebrierte seine ersten erfolgreichen Ausstellungen via TV & Printmedien . . . Spät in der Nacht noch rief ich Peter – erregt ob meiner Namensfindung - an: „Was sagst du zu: „Der Traun-Seher!“ P. sofort: „Ja!, großartig: Traunse­ her, sich sehen traun!“ schrie er begeistert in den Hörer & meinte, daß ich jetzt unbedingt bei ihrem Projekt mitmachen müsse. Kein schlechter Einstieg durch meine griffige Namensfindung (eine Kontamination aus gemeinsamen Lebens­ raum = oö. Landschaftspartikel [hydronymes Substantiv] & dem substantivisch gebrauchten „sehen“ [= jegliche Bildkultur begründendes Wahrnehmungsverb], indem es sowohl als geschriebenes, als auch gesprochenes Wort einen je anderen Sinn erzeugt als den allseits vertrauten im geographischen Rahmen. & damit verflüssigte dieser Neologismus auch die fixen

Alltagsmuster, Eindeutigkeiten & Bedeutungszu­ schreibungen), die schon bei Peter wie ein elek­ trischer Funken gezündet hatte . . . Wenn ich mich recht erinnere, gab etwas später die Hoch­ schülerschaft an der Linzer Kunsthochschule eine kritische Informationspostille mit dem Titel Das Narrenschiff heraus . . . Nachträgliche Erinnerung an geplante bzw. angedachte Traunseherbeiträge: Durch obige Namensnennungen evoziert, fällt mir ein, daß F. Blaas etwas über Traunseeschwäne bringen wollte (eine überzeichenbare Fotomon­ tage), M. Treml beschäftigte der Oberbau des Dampfers (ev. Skizze über unverkennbar regio­ nales Design) für die Architekturnummer. & dazu wollte auch Othmar Zechyr (+) eine Radierung beisteuern. Hubert Scheibl hatte unverbindlich von einem für ihn denkbaren Farbbeitrag, in Pla­ stik eingeschweißte Grundfarben, gesprochen. Habe weiters auch Therese Eisenmann, Branko Andric (+), u.a. wegen Beiträgen angesprochen . . . Th. Steiner & R. Wall haben ihre Holzschnitte – trotz grimmiger Muskelschmerzen – der jeweils angegebenen Auflagenhöhe entsprechend ja erbracht, während die handgetippten Kurztext­ originale von W. Sator nur einem Teil der 5er Ausgabe (Auflage 300) beigelegt werden konn­ ten. Er sei hier wenigstens lettristisch & in seiner absurden Grundintention dargestellt: „lass dich nicht entmutigen . . . . . . es ist schwer, 300 mal den gleichen text mit der hand zu tip­ pen . . . fertig machen was man begonnen hat . . . m a c h e n was man will . . . 6/1/1980 blatt 034 von 300 . . . wolf sator tipsit (mit persönl. Unterschrift & dem Stempel *edition stadtwerkstatt auf einem sonst weißen DIN-A-4-Blatt).“


Thomas Steiner, Metamorphose der Linzer Nike (von Urfahr aus gesehen), Linoldruck, nummeriert, gestempelt, 29,7 x 21 cm. Wolf Sator, lass dich nicht entmutigen, Typoskript, 29,7 x 21 cm. 12


3. Damaliges . . . & E. Adam schickte uns zur Erstveröffent­ lichung in Nr. 4 (Kind+Schule+Bildung) seinen „essayistoiden assoziationsversuch im umfeld des bildungsbegriffs; ein fertigs fragment“ (s. Beitrag), desgleichen taten für die Nr. 5 G. Unterberger mit 3en seiner metrisch wohlgewogenen Gedichte (Stichwort: ostwärts im orientexpreß), ebenso H. Sturm, Heinz Steinbacher, Christian Peter Loidl (+) (s. Beiträge), . . . „das kulturreferat der kleinstadt gibt das nächste umpdata-fest bekannt . . .“ (franziska scherz in Der Traunseher Nr. 5) Sozusagen im Kontrast zu obigem Zitat hatte Revierförster Herbert Unterberger (+) als Bildungs­ referent der SPÖ Bad Ischl den Traunseher zur anderen Gestaltung des „Sommer ‘79“ eingela­ den. Ein Monat Kunstausstellungen, Malaktio­ nen, Lesungen (teils gesungen), Jazzkonzert, . . . Man müßte ja alles . . ., also über alles nach-denken &/od. immer allem vorausdenken – nur sichtlich erreicht man wenig. Die TV-Aufnahmen für die Jugendsendung okay scheinen aufgrund der zahlreichen Rückmeldungen viele erreicht zu haben, sodaß man von flagranter Vorbildfunktion sprechen kann. Da es aber als regionalen Phäno­ men abgetan wurde, konnte mans schnell ver­ drängen. Doch in den Archiven lagern ja noch die Fotos (s. Abb.). Alles wie vom Ur-sprung her wieder- & wider­ denken, dabei auch die Klischees in den sprach­ lichen Mustern erkennen, das verborgene Trach­ ten im verbogenen Tratsch, die öffentliche Tracht als 2. Haut. „Sauhaeute“ diese steir. Politiker als Kulturhäuptlinge, die einst meinten: Kunst sei eh nur das Sträußerl am Hut! Der Traunseher rea­ gierte ironisch (Siebdruck aus Nr. 1). & kam für­ derhin wie zu Feiertagen: Weihnachts-, Oster-, Pfingstböcke, ganz & gar mail-artig. Schön, daß es das Traunkirchner Jugendstil-Postamt noch gibt. Hans fuhr hier gerne mit vollem Ford13

Koffer­raum vor, um unsere orange eingesackten Multi­ples, Literatur an der Öse & Loseblattdrucke in Mail-art verwandeln zu lassen, eben abge­ stempelt zu einem postalischen Artefakt. & sowohl das Fraktur-T auf dem Traunseher-Button der Nr. 2 von Hans K., als auch die historisierend kalligrafierten Siebdruckoriginale von P. Putz aus unseren ersten beiden Nummern hatten eben­ falls von hier (& von der Titelvignette Salzkam­ mergut-Zeitung her) ihre Anregung erfahren. So wurde das Traunkirchner Post- & Telegraphen­ amt zum Inspirationsquell für Kunst im Abonne­ ment. Kommt ein Vogel geflogen . . . : Für das jährlich zuerst 4malig, später nur mehr 2mals erschei­ nende Produkt der BMT hoben z. B. Auto- & Flugverkehr derart geräuschvoll & auspuffreich ab, daß es die Illusionen der Herausgeber zernu­ delte & verwuzelte, sowie ihre nackte Realität zum Heimatl veränderte. Sie verstanden sich nun darauf, sowohl mittels handgemachter, verviel­ fältigter & faltbarer Bilder von eigener Qualität zu reagieren, als auch anderer Druckwerke & poetische Stimmen zu Wort kommen zu lassen (hier könnten noch weitere atmosphärische Geschichten folgen). Der BMT-Manufakturgedanke war durch den Gebrauch der verschiedenen technischen Druck­ verfahren handfest. & politisch eingebettet in ein umweltkritisches & basissozialistisches Grund­ verständnis ( lag deshalb oft quer, suchte gesell­ schaftliche Konfliktlinien, war überfordert, ver­ suchte Taboobrüche & stellte natürlich die kapi­ talistische Konkurrenzwirtschaft infrage). Er entstammte zwar nicht der naheliegenden Viechtauer Holzschnitzertradition, die einst aus wirtschaftlicher Not gemeinsame Arbeits- & Ver­ triebsformen entwickelt hatten. Unser Produktions­­ort war eine aufgelassene Elektro­ bäckerei in einem herrschaftlich bewalmten Haus, dessen Vorbild allerdings ein neobarockes

Gebäude aus der Viechtau war: die Dampfbäc­ kerei Rumplmayr hinter der „Neikieringa Kiera“. Aber hier, im sonst neuverbauten Mitterndorf 3 lebten im 1. Stock da Hans & die Greti mit ihrem Sohn Klaus. Im traunseeseitigen Zimmer der geräumigen Wohnung war der Sitz unseres Zen­ tral-kommit-tees. Hitzige wie gemütliche Sitzun­ gen, dann wieder äußerst intensive Arbeitsphasen mit der Gewißheit, daß es danach ein gusterliges Essen von der Greti geben würde . . . Nachtspazie­ rer. Oft auch Weiterarbeit bis tief in die Nacht. & dabei immer der Traunstein & die mit dem jewei­ ligen Wetter & Tageslicht changierenden Seefar­ ben als flächige Naturbilder im Fenster . . . manch­ mal trügerisch wie das Idyll eines bodenständigfleißigen Handwerkerbetriebs (Einmal haben sich Hans & Peter derart hineingesteigert, daß dies der BMT beinah eine ersteigerte Offset­druckmaschine beschert hätte. Hätten wir sie aufs Fensterbankerl stellen od. zwischen Innen- & Außenfenstern positionieren sollen?).

4. Dazwischen I Noch zu Zeiten od. auch nach Ende des Traunse­ herprojekts bin ich manchmal in Wohnungen, Theaterräume, Bibliotheken od. Redaktionsstuben gekommen & war zuerst baff. & dann erfreut, weil Drucke aus unserer postalischen Galerie sozusagen die vertikalen, meist weißen Wände erklommen hatten: sie waren dahin gelangt, weil sie ihren Wandbenutzern aus unterschiedlichen Gründen gefielen, eine erschwingliche Kunst darstellten oder aus irgendwel­ chen anderen Gründen bewegt hatten. Konkret waren das : - O wunderbares tiefes Schweigen & Melker-MickyMaus von H. Kienesberger - Putz Peters Kleines Brevier für Verliebte & seine Polnischen Schaufenster sind . . . (besiebdruckte polnische Atlasblätter)


- W. Pilars Fiachtaua-druck & sein HyperglöcklerDrachen (Ausschneidebogen) sowie - R. Walls Holzschnitt Die neue Zentralsaline in Steinkogl & - irgendwo lag od. hing immer Literatur an der Öse im Raum. Der Bastelbogen von Ernst Peters über Lederhosen­ architektur brachte es 1995 sogar zum Exponat in der O.K.-Ausstellung HausGeburt. Jaja, einiges war wohl aufs Podest gestellt od. hinter Glas bzw. in Rahmen gegeben worden. Mag sein, daß es in dem einen oder anderen Fall auch als Paraphernalie eines Traunseherkults angesehen worden ist, sozusagen als dankbare Ästimation für ein nicht entfremdetes regionales Medium gegen metropolare Arroganz & Vormachtsan­ sprüche. Die Herausgeber selbst waren ja allzeit bereit dafür ihren Bauchladen umzuhängen. Bei der Verleihung der oö. Landeskulturpreise ´90 pflasterte sogar einer der Preisträger das Holz­ parkett im Verleihungssaal glatt mit einer Colla­ ge aus Traunseherbögen. - Mai 2006 beim Ebenseerwirt: während eines Ge­sprächs nach seiner Lesung aus Morbus Kitahara meinte Christoph Ransmayer sinngemäß zu mir, daß ihn u.a. damals der Überdruck des Marshall-Plans im Traunseher Nr. 5 beeindruckt habe. - herbstpresse (1972 – 2008): dass werner herbst (+) dann von seiner literatur für wandbenützer (= plakatgroß gestaltete gedichte od. visuelle poeme) auch zur buchproduktion über­ ging, hat natürlich mit seiner „öffentlichen entdec­ kung des traunsehers“ zu tun. nämlich damit, daß in der auslage der gmundner landesverlags-buch­ handlung die jeweils aktuellen traunseherdrucke affichiert worden sind, wodurch er den kontakt zur bildmanufaktur suchen konnte . . . so ist es zu mei­ ner ersten publikation außerhalb des traunsehers gekommen. denn er publizierte mit klupperln & düsenjaeger das erste buch der hp, wien 1982.

werner verfaßte auch die erste überregionale rezension des traunsehers in der wiener literatur& kunstzeitschrift freibord (s. beitrag), gab die siebdruckmappe tagesblätter anläßlich der gleichnamigen ausstellung von j. kienesberger in der wr. secession heraus (mit begleitenden tex­ ten von oskar pastior). später ist auch noch eine druckmappe 18 liebesgrüsze für 18 gelegenheiten erschienen, worin neben 15 bekannten auto­ rInnen auch alle 3 traunseher vertreten waren . . .

5. Dazwischen II Auf der Autobahn im Alpenvorland fällt mir zuerst diese wappenartige Emblematik des Traunsteins auf einer Eggenberger-Werbefläche auf. & danach erscheinen mir Schloß & Berghintergrund nahezu spiegelgleich=verdoppelt durch den Umstand, daß mit realistischen Darstellungsmitteln die Wirklichkeit verändert wurde zugunsten einer emblematischen Reduktion. War das wie meine Vorstellung vom Traunseher aus anderer Perspektive? Also Realitätsbe­ züge so lange wegzublenden (sozusagen das eh Unbedeutende weglassen) bis ein Objekt zwar noch als realistisch erkannt wird, aber unterschwellig schon eine neue Realität darstellt. & dadurch neue Sichtwei­ sen bzw. Erkenntnisse ergibt. Hier verengt auf die banale Botschaft: ein salzkammergutes Landschafts­ bier, das mit dem Traunstein (sozusagen stellvertre­ tend fürs Skgt. inmitten der nördlichen Kalkalpen) neben der Fernstraße nüchtern geradesteht. & ich/wir berauschte(n) uns/mich vor 3 Jahrzehnten an jenem Medium, wofür er damals auch schon als Symbol herhalten mußte: Jener berg zum salzkammergut = Hoch Traunstein! Der see zum skg. = Traunsee tief! Unsere blickdrucke über seen & berge = Hoch Traun­ seher! & zum bier im skg. die aufschrift vom einstigen Kernstüberl: „Gebt mir den Krug, ich trink ihn leer, und wenn er so tief wie der Traunsee wär.“ (geschrieben am Glöcklertag ‘08)

6. . . . nach 30 Jahren gegenwarten Wenns gegen 60 geht, sind schon einige Stim­ men bzw. Meinigungen von ZeitgenossenInnen mit mehr oder weniger ausgebauten od. umge­ modelten Kunstkonzepten verstummt. Das je generationsspezifische Potential für Spontaneität, Nichtwissen, Übernasern, Radikalität, naives Über­raschen, Blamage, Erstaunen, Erlebnisfrische hat sich durch beschwichtigende Alltagshandlun­ gen & Partnerprobleme verästelt/verringert/ver­ flüssigt. & die Kunstmarktmächte? Damit ver­ dünnt sich für den verbleibenden Rest ihrer Gene­ ration auch der Bezug zu jenen Erlebnisgrundla­ gen, die sie sich einst in der regionalen Enge der 50er & 60erjahre = ihrem einstigen Lebensumfeld geholt haben: endgültiges Stillentium!? Hat sich die Reihe früherer (realer oder potentieller) Mitar­ beiter & SympathisantInnen aus kauziger Norma­ litätssucht gelichtet? Im Ohr bläht sich schon wieder dieser Leimgeschmack aus der metapho­ risch-salbungsvollen Bastelkiste der Journalistik: Einige haben sich selbst ums Leben gebracht, bei anderen ist der Lebensfaden gerissen, wieder andere sind existentielle Willenskrüppel geworden oder die breite Palette an Krebsen hat sie wie im Rückwärtsgang zu Tode gefressen (Klänge darauf eine dadaisti­ sche Antwort wie: Prostatagurglnedvarost datta!, nicht hämisch?). Mythen bilden sich oft kurzschlüssig durch die Projektionsfreude von Nichtwissenden ebenso wie von überlegt (od. unüberlegt) Überlebthabenden. Jedem/r von uns wird dies – trotz bester Absicht - nicht erspart bleiben.

(Geschrieben unterm Dach, tw. im Regen ca. März/April sowie in der Hitze des Juni ´08. Im Gedenken an Marc Adrian, Otmar Agnes, Branko Andric, Stavros Balaouros, heimrad bäcker, Thomas Bernhard, Karl Eder sen., Franz Kain, Robert Gratzer, werner herbst, August Humer, Franz Innerhofer, Josef Ippisch (da Blaschke), Rudolf Ippisch sen., Karl Kienesberger, Christian (Peter) Loidl, Franz Loidl (d´ Nådan), Peter Nesweda, heidi pataki, reinhard priessnitz, Erwin Steininger, Helene Tenbruck, Herbert Unterberger, Hedwig Walter, Othmar Zechyr.

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Die TRAUNSEHER inmitten der Giselabesatzung (von links): Karl Eder sen.(+), Kapitän Walter Schiffbänker (+), Franz Vogl, Willi Zauner, Peter Putz, Hans Kienesberger, Steuermann Franz Loidl (d’ Nådan, +), Walter Pilar, Josef Derfler (da Maschinfuaß). Nicht auf dem Bild: Sepp Ippisch (da Blaschke, +), Schiffsführer vom „Rudoif“, worauf die Kameras des ORF-Teams postiert waren. Aufnahmeort & -datum: Werft Rindbach am 27. 10. 1979, Foto: A. Buschenreiter. 15


Drei Männer am Traunsee (1988) Robert Gratzer Johann Kienesberger, Walter Pilar und Peter Putz, kurz KPP, haben dem kulturellen Leben Österreichs mit ihrer Bildmanufaktur Traunsee ein flackerndes Irrlicht aufgesetzt – zur Empö­ rung der Hofräte und zur Verwirrung der Kultur­ ämter. Ein gewisser Ingrimm wächst im Schreiber, weil sie sich nur schwer begreifen und noch viel weni­ ger leicht beschreiben lassen. Sie, die Traunseher: Johann Kienesberger, Walter Pilar und Peter Putz, Lehrer und Graphiker und Schriftsteller jeder für sich, erstes Silber in den Bärten, Schalk in den Augen und wahrscheinlich irreparable Flausen im Kopf. Ein paar Jahr lang haben sie dem kulturellen Leben in Österreich wie in Obe­ rösterreich ein flackerndes Irrlicht aufgesetzt und sind genüsslich auf freiliegenden Schmerznerven herumspaziert. Sind Hechte gewesen im bil­ dungsbürgerlich-beschaulichen Getue, kleine Anarchos in den Bettenzählergemeinden und haben das Weltrad im Land ob der Enns in der Tat einen Zahn weiter­gedreht. KPP gründeten die BMT – Kienesberger, Pilar und Putz gründeten Ende der siebziger Jahre die Bildmanufaktur Traunsee. Eine „postalische Galerie“, eine in ihrer Konsequenz schwer ver­ gleichbare vieteljährlich erscheinende „galeristi­ sche Unternehmung", eine neue Form der Dis­ tribution von Kunst, die eine neue Form von Kunstrezeption ermöglichte. Sie gründeten die BMT „aus Unbehangen am herkömmlichen Kunstvermittlungsbetrieb mit seinem elitären Dünkel, den ,Vernissasch’-Saufereien und apoli­ tischen Träumereien", sie gründeten sie als „Ide­ enpaket zur Aufforstung des kulturellen Brach­ landes“ und schließlich, „um ihre in den Kosmos explodierenden Energien zu konzentrieren“.

Bis hierher bringen es auch die Ankündigungs­ künstler. Was folgte, irritierte: graphische und literarische Kunst von besonderer Güte und mit außergewöhnlich viel Herz, Feierabendbastelar­ beit in intellektuellen Dimensionen, bissige Stel­ lungnahmen zu Tagespolitik. Und es folgten österreichweite Sympathiekundgebungen, das Maulaffen-Feilhalten in Kulturämtern und Empö­ rungen der Hofräte – (wer hat gesagt, daß es das Herzmanovskysche Österreich nicht mehr gäbe?). Kennzeichen der Traunseher, die böse taten und gut meinten: Sie spraderten. Das meinte, dass sowohl die Urheberköpfe als auch die Traun­seher-Nummern sprühten wie eine Kiste Wunderkerzen, wenn Feuer an sie gelegt wird; meint weiter, dass sie ihre Taten scheinbar blindwütig und ungezielt, jedenfalls aber kon­ zeptlos und wirksam ins Volk streuten, auf dass dort Diskussion sei und Entrüstung bei den Behavioristen. Die Nr. 1 der galeristischen Unternehmung spießte im Oktober 1978 ein Politikerwort auf. Kunst, so sagte der brave Mann, sei das Sträu­ ßerl am Hut; sicher freute er sich über die gelun­ gene Metapher. Nein, erscholl es vom Traunsee. Kunst sei mehr als eine Oberflächlichkeit, Kunst sei elementar und greife in den Alltag ein. Die Traunseher stellten Originalfotos mit eingedruck­ ten Sträußerlhüten her, verspraderten sie unter einem wachsenden Abonnentenkreis und ver­ kauften das gesamte Paket Nr. 1 zum Preis von einer Packung Zigaretten. Denn niemand von ihnen hatte etwas Kaufmännisches gelernt. „Kunst ist nicht das Sträußerl am Hut", titelte ein Journal, und die Ernte der Traunseher begann. Das Für und Wider in der Öffentlichkeit trug der BMT Sympathisanten zu. Die Nr. 2 „griff den Alltag aus“. Neben einer plakat­großen „Ehrentafel der Erstabonnenten“, worauf ein über Österreich verstreutes Häuflein aufschien, als ideelle und materielle Parteigän­ ger, spraderte die Nr. 2 Kunststoffanhänger, in

Plastik eingeschweißten Mauerkalk, Fundstücke aus dem Schulbereich und andere kuriose Beila­ gen unter die Ober- und Österreicher. Ein Vehikel der Kommunikation sollte die Nr. 2 sein; die Skepsis bei den Hofräten wuchs. Mit Kunst, so schwollen die Stirnfalten, habe das wohl kaum zu tun. Am 1.Mai 1979 erschien als Nr. 3 „Hoch die Arbeit“. Offsetdrucke, Zwei-Phasen-Linoldrucke und Schablonendrucke, Stempel und wieder kuriose Beigaben (wie: „mehrere geöste Texte“) wechselten österreichweit die Besitzer – diesmal für den Preis von drei Krügeln Bier. Unter den Kunstobjekten fand sich eine wahre Rarität: eine Originallandkarte des Marshallplanes von 1945. Sie zeigt auf, wo in den Alpenländern Sägewerke, Industriebetriebe, Bergwerke und andere Wirt­ schaftseinheiten ansässig waren. Nach Bearbei­ tung durch die Bildmanufaktur im Siebdruckver­ fahren zeigte sie außerdem auf, wo in Österreich Traunseher-Abonnenten wohnten, und der Titel des Druckwerkes war von „Die österreichische Wirtschaftspolitik und das ERP, Marshallplan“ abgeändert in „Die österreichische Kulturpolitik und die BMT, Traunseher-Plan“. Nun hatte sich die BMT auch des Vorwurfs der Blasphemie zu erwehren. Und dem Traunseher Ideen- und Arbeitskonzern fiel erstmals eine neue Dimension auf. Eine postalische Galerie bedeute Schriftverkehr, merkten sie in der Aussendung an, bedeute „anfragen, antworten, mahnen, adressieren, stempeln, frankieren“; bedeutet Karteiführung, „eintragen, austragen, abhaften, anlegen“, bedeutet Kontoführung und Lagerhaltung, also „stapeln, umschichten und ordnen“, bedeute also das Falten, Einsackeln und so weiter von bis zu zweitausend Drucken pro Nummer – mit einem Wort: künstlerische Vielfalt komme von viel falten. Unterm Strich blieb die Erkenntnis, dass die BMT ein „Lust- und Luftgeschäft“ war.

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Just zu jener Zeit, als die dritte Traunseher-Nummer bereits mehr Papier einsackte als Geld einnahm, forderte eine um Vermehrung der Bürgernähe bemühte Aktion der oberösterreichischen Arbei­ terkammer eine verwegene Aktion am Traunsee heraus. Die Funktionäre in Linz hatten hinauspo­ saunt, dass eine Regionalisierung der Kultur zu den erstrebenswerten Planzielen zähle, denn, so weit, so richtig, die zentralisierte und „Hoch“kultur sei ein Unding. Kienesberger, Pilar und Putz richteten also ein Schreiben nach Linz zur Arbeiterkammer, des Inhalts, dass sie seit geraumer Zeit dem Aufruf gerecht würden. Dass sie, so seien ihre Intentionen sinngemäß beschrie­ ben, geographisch und künstlerisch aufbre­ chend, dennoch aber traditionell-heimatkundlich arbeiten würden, dass sie selbst und ihre Rezipi­ enten Gewohntes neu zu sehen anstoßen wür­ den, dass sie Kunst aus der Basis für die Basis machen würden und solcherart wahre Demokra­ ten und Emanzipatoren seien. Eine Tiefe freilich müsse man ihnen zugestehen, denn auch in den Traunsee falle das Lot nicht weniger als 191 Meter tief. Die Antwort klingt wie ein Prawda-Witz. Das Ansuchen um einen Druckkostenbeitrag sei, so die Arbeitnehmervertreter aus Linz, „in Hinblick auf die vielen möglichen Beispielfolgen in Ober­ österreich abzulehnen“. Die Nr. 4 vom Oktober 1079 bezog sich auf das Thema „Kind, Schule und Bildung“. Daneben mehrten sich bereits Randveranstaltungen wie Ausstellungen und Lesungen („teils gesungen“) und Projektankündigungen, denen ein Unterhal­ tungswert auch ohne allfällige Realisierung nicht abgesprochen werden kann: Sie träumen von „flackernden blauen Neonlettern über dem Traunsee“, bereiteten „Still-, Schall- und Ultra­ schallplatten“ vor, eine „Illustrierte Clobuchrei­ he“, einen „roten Sterndrachenflug vom Sonn­ stein aus“ etc. Im Februar 1980 versandte die 17

BMT weitere Fundsachen und Fotodrucke über den Globus des österreichischen Kulturlebens. „Wust und Frust“ war das Thema. Die Ironie schwappte vom Traunsee aus über das Land, und ein Herr A. E. (Berufsbezeichnung: Wirklicher Hofrat) verweigerte die Annahme der Sendung mit der Begründung „Der Traunseher ist ein Pamphlet“. Die Zuschriften aus dem Lager der Gegner, aber auch aus jenem der Freunde mehrten sich. Im Mai 1980 erschien die Ausgabe „Johann Promberger, Fotografie 1905 bis 1925“. In einem Nachlass fanden sich etwas 150 Fotoplat­ ten der Zeit, in der die Fotografie noch keines­ wegs von Japan aus mit Material beliefert wurde, und auf ihnen befand sich erstklassiges Dokumentations­material über die Regionalge­ schichte, über Lebensumstände und beginnen­ den Technik-Enthusiasmus. Spätestens mit die­ sen beiden letzten Nummern begannen die Traunseher, auch Museen und Institute zu inter­ essieren. Der TRAUNSEHER Nr. 7 peitschte wieder alle jene, welche glaubten, die Initiative hätte einen braven Weg gefunden. Er mischte sich in die Architektur-Diskussion ein, „bevor überall der Beton hart wird“. Ein Siebdruck auf Hadernpa­ pier spiegelt unter dem Titel „Salzkammergut­ achten: Tut’s auf dös Salzkammer gut achten, sonst wird’s Salzkammer schlecht“ den Weg „Von der Almhütte zum Hochhaus“ wider, ein Farboffsetdruck das „Melker Micky-Maus“Objekt. Dieses vereinte Barock- und rustikale Elemente mit einem plastikgewordenen Ausfluß des Amerikanismus und hätte auf den ersten Blick tatsächlich irgendwo in Österreich stehen können. Ein anderer Beitrag zu der Nr. 7 lieferte einen Ausschneidebogen „Verhütteln Sie mit“, das Modell eines „Lederhosenhauses“ und ein „Klei­ nes Architekturbrevier für Verliebte“. Und wie­ der arbeitsaufwendige Beigaben: „in Plastikfolie

eingeschweißten Mauerkalk“, Linoldrucke, Foto­ kopien und Fotos. Schwerpunkt der Nr. 8 war die Literatur. Der außergewöhnlich sprachinnovatorische Dichter Walter Pilar legte seine „Einbilder und Aussätze zur geistigen Umtagung“ vor, die lokale Anspiel­ ungen und Wortverfremdungen sammelten und verdichteten. Eine Tageszeitung regte danach die Einrichtung eines Dechiffriersyndikates an, damit man die BMT endlich einmal verstehen könne, eine andere fand ein neues Synonym für die Cha­ oten: „die Traunwandler“. Nun aber wurden die Traunseher von der Arbeitssint­ flut endgültig hinweggeschwappt und, weil sie nichts Kaufmännisches gelernt hatten, vom Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag aufgefressen. Zwar waren es nicht eigentlich finanzielle Gründe, die die BMT-Aktivitäten steif­frieren ließen, aber im Titel der Nr. 9 von Oktober 1981 brachten sie den Stand der Arbei­ ten und den Stand der Kasse in drei Worten unter: „Es ist vollbraucht.“ Die Kassen des galeristischen Unter­ nehmens waren leer, die Initiatoren hauchten ihre kulturpolitische Seele aus. Seitdem nahmen die Artefakte der Störenfriede vom Traunsee mehr spielerischen Charakter an (ohne jedoch an Inhalt zu verlieren), und das Spradern geht sozusagen in Zeitlupe vor sich. Bemerkenswerterwei­ se erwuchs das erste „private“ Kienesberger-Pilar-Putz Projekt, also die erste Aktion nach dem Ende der Bild­ manufaktur, zum ersten kommerziellen Erfolg: Die preislich hoch angesetzte Auflage des „Playment pyrotechnique“ war im Handumdrehen verkauft. Die Männer vom Traunsee erfanden ein neues Gesell­ schaftsspiel „Licht des Lebens, Playment pyrotechni­ que“, das dem Spieler „möglicherweise die Nacht raubt und das Lebenslicht kostet“. Einige der Requisi­ ten: Schnittlauch, Uhren, Königsfeder, Fernseher, Löschteich, Zeichnungen. Einige der Spielstationen: „11. Tut Buße! Zweimalige, gellende Geißelung der Mitspieler (Flagellation mit der (beigelegten) Zuchtrute Gottes)“, „19. 3 min 3 sec Straffernsehen“; „16. Klei­


Der TRAUNSEHER, eine Produktion der Bildmanufaktur Traunsee. (1980)

ner Ebenseer Bergmannsabend: rieselfreudiges Salz in die Spielflamme der Mitspieler streuen. Das Stan­ dardstück der Salinenmusikkapelle Ebensee imaginie­ ren“. Und so weiter die amüsant-gescheiten Statio­ nen bis zum Ziel, wo man mittels einer beigelegten und im Spielfeld steckenden Feuerwerksrakete „sein Lebenslicht aus der irdischen Endlosschleife in kosmi­ sche Bahnen transzendieren kann“. Nach etlichen anderen „privaten“ Unternehmungen, die sich von der Bildmanufaktur-Zeit lediglich durch die geringere Verbreitung abhoben, laufen derzeit mit einem Kärntner Verlag Kooperationen an, die die Ideen des Traunseher-Dreigestirns vertreiben und administrativ betreuen sollen. Denn die Traunseher wollen Künstler bleiben und nicht in den Verkaufsbe­ mühungen ersticken. Der Ingrimm des Schreibens ist geblieben. Wie soll ein Architektur-Ausschneidebogen schreibend gewürdigt werden? Wie „Fliegende Projekte“ einer Nr. 9, bedruckte Bögen, die ausgeschnitten einen Flugdra­ chen ergeben und tatsächlich flugfähig sind? Wie die Folkloreper­si­flage und die Ritte wider den gamsbärti­ gen Bier­ernst? Wie die vielen Dutzenden Einzelobjek­ te wie „Rauh(nacht)präservative“ und der spradernde Zustand der Unvollkommenheit, der das Gegenteil dessen ausmacht, was man als Kunst und Kultur anzusehen übereingekommen ist? Vielleicht so: Die Traunseher haben wie Kinder unge­ filtert politisch gearbeitet und wie Künstler ausge­ führt, sind trotz des Silbers in den Bärten bastelnd und denkend Buben geblieben im senilen Alltag.

Werner Herbst

aus: Merian 2/41, Februar 1988 Robert Gratzer, * 1948 Mariahof, Steiermark, † 2004 Istanbul, österreichischer Schriftsteller, Journalist, Dramaturg und Verle­ ger. Seit den 1980er Jahren war er Dramaturg am Klagenfurter Stadttheater, später am ORF-Landesstudio Kärnten. 1992 schrieb Gratzer das Libretto für die Oper Esther von Ulf-Dieter Soyka. Daneben verfasste Gratzer eine Reihe von Drehbüchern. In den 1990er Jahren arbeitete Gratzer als Pressereferent der Industriellenvereinigung Kärnten. Daneben war er Geschäfts­ führer des von ihm gegründeten Alekto-Verlags. Letzte Publika­ tion: Lorbeerreiser, Bibliothek der Provinz 2001. Seit 1994 lebte Gratzer in Istanbul und war Chefredakteur der Türkischen All­ gemeinen.

Dampfer am Traunsee, Aufnahme und Verlag O. Reichl, Ebensee Archiv H. Kienesberger

Der Traunseher schaut über den Traunsee. Was sieht er an dessen Ufern? Blasmusikkapellen, die den Touristen immerfort Gemütvolles ins Bier dudeln, Häuser im Lederhosenstil. „Schweine­ braten mit Pommes frites“ und die Seegrund­ stücke der Reichen: Baden verboten, Privatbe­ sitz! Dem Ortsansässigen gelingt kaum, die Ent­ fremdung vom eigenen Gehirn fernzuhalten. Aus den anatomischen Spannungsfeldern zwi­ schen Kultur zerstörendem Fremdenverkehrs­ kommerz und den Bedürfnissen einer Bevölke­ rung, die mit ihm leben muss, resultiert auch eine quantitative Vielfalt künstlerischer Produk­ tion. Vom Traunstein mit Alpenglühen bis zur Flucht in resignativ epigonale Abstraktionen rei­ chen die Angebote in Galerien und Ausstellun­ gen. Wer nicht abwandern will und eigenständi­ ge Ausdrucksmittel für die Auseinandersetzung mit seiner Umwelt entwickelt hat, kann der Nichtbeachtung gewiss sein. An diesem kunst­ feindlichen Zustand ändern auch die zahlreichen Alibiausstellungen nichts. Die Publikation Der TRAUNSEHER ist ein Versuch, das lähmende Ghetto zu verlassen. Der Schrift­ steller und ihr Mitarbeiter Walter Pilar schreibt in einem programmatischen Aufsatz: Im Laufe 10 bis 15jähriger Tätigkeit waren drei Zimmer von drei Männern immer angeräumter geworden mit Bildern, Texten, Entwürfen, Objekten etc. So ver­ einigten sich Hans Kienesberger, Walter Pilar & Peter Putz mit ihren bildnerischen und literari­ schen Produkten zur Bildmanufaktur Traunsee, um u. a. das Druckwerk DER TRAUNSEHER her­ auszugeben, mittels dem sie veröffentlichungs­ werte Ergebnisse preisgünstig an die Frau bzw. den Mann bringen wollen. (v. d. Red. gek.) Das „Druckwerk“ dürfte formal und inhaltlich 18


eine der geglücktesten Arbeiten von österreichi­ schen Kleinverlagen darstellen. Weder haftet dem TRAUNSEHER der üble Geruch einer Hobby­ bastelei an, noch gibt er vor, aus einem Groß­ unternehmen zu kommen. In einem Kuvert fin­ det der Käufer Drucke in den verschiedensten Techniken, Materialien und Texte zu einem bestimmten Thema. Als Umschlag für die geplante Architekturnummer etwa soll Papier, wie es für Zementsäcke verwendet wird, dienen. Die sechste Ausgabe, ausnahmsweise in Katalogform, stellt den Werkmeister und Photographen Johann Promberger aus Ebensee vor. Seine Aufnahmen aus den Jahren zwischen 1905 und 1925 sind wertvolle Zeitdokumente aus dem Salzkammer­ gut. Oft beschäftigte er sich mit dem selben Motiv. So photographiert J. Promberger immer wieder sein Geburtshaus. Das Leben eines Ge­bäudes wird sichtbar. Die Mitarbeiter der Publikation schöpfen ihre Stärke bewusst aus der sogenannten Provinz. Das heißt, sie setzen sich mit jener Umwelt aus­ einander, in der sie leben. Eine Vorgangsweise, die zwar das Ausbleiben von Subventionen auf­ grund von „bloß regionaler Bedeutung“ garan­ tiert, aber ein Modell schafft, dessen Authentizi­ tät den vorgegebenen engen Rahmen sprengt. aus: Freibord, Wien 1980, Nr. 21, S. 42.

werner werbst, *1943, † 2008 Wien. Verleger der herbstpresse: seit 1970 unübersehbare unikate mit konkretem eigentext . unik und konsequent der politische und poetische wille zum dialog: mit bildenden künstlern - zb. Hans Kienesberger. theater. hörspiel. musik ( feat. Andreas Leikauf et. al .). verleger von u.a. Walter Pilars „klupperln & duesen­jaeger“ (1982). Legendär die literarischen duett- duelle mit Gerhard Jaschke (Freibord): „schöne stunden“, „vom häk­ chen zum haken”, „es ist, um den verstand zu verlieren”, „über den betrieb” , „albert ehrenstein - eine collage”, „unser nestroy“.

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Hans Kienesberger, Offsetdruck nach Fotocollage, ca. 39 x 39 cm


Der TRAUNSEHER Nr. 1 11.Oktober 1978: Die Erstausgabe

„Der TRAUNSEHER ist ein Versuch, die herkömmlichen, sattsam bekannten Formen des Kunstbetriebes zu unterlaufen bzw. zu umgehen.“ So lautete die erste öffentliche Charakterisierung dieses Druck­ werks in der ersten Nummer. Mit dem Erscheinen weiterer Nummern kamen andere Definitionen und Einordnungsversuche dazu.

Die Ausgabe Nr. 1 – angeschlagen auf einer öffentlichen Plakatwand der Gemeinde Traun­ kirchen. Mitarbeiter: Hans und Greti Kienesberger, Walter Pilar, Peter Putz; Auflage 90, vergriffen.

Der traditionelle Kulturvermittlungsbetrieb in seiner Wettbewerbsfunktion und deren Folgen (Verklärung einzelner, Protektionismus, Wucherprovisionen, Vernisaschsaufereien, apolitische Träumereien usw.) widerte Hans Kienesberger, Walter Pilar und Peter Putz an. So vereinigten sie sich, durch den Wind verschiedener Zufälle begünstigt, zur BILDMANUFAKTUR TRAUNSEE; um u.a. das Druckwerk Der TRAUNSEHER herauszugeben. „Keinesfalls ein Exclusivpreis: für 4 Ausgaben im Abonnement incl. Zustellung nur S 140.-. Einzelpreis S 35.-! Und das für Originalgrafik, Plakate und Erstveröffentlichun­ gen!!“ ­ „Die Traun rinnt in den Traunsee und der Traunseher wird zum Zündstoff unserer Ideale.“

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Peter Putz, Umschlag der ersten Ausgabe, Siebdruck auf Pack­ papier, 62 x 42 cm Hans Kienesberger, Peter Putz, Begleitschreiben zur ersten Ausgabe, vervielfältigt mit Spiritusmatritze, 29,7 x 21 cm H. Kienesberger, P. Putz, Kunst ist das Sträußerl am Hut, 2-färbi­ ger Siebdruck, 35 x 42 cm 22


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li.: Walter Pilar, Schupfer unterm Himmelsrand; Streckengeher, vervielfältigt mit Spiritusmatritze, geöst, 29,7 x 21 cm H. Kienesberger, Foto von Walter Pilar im Traunsee H. Kienesberger, Von der Umkehrung des Negativen, Original­ fotos auf Offsetdruck, 29,7 x 21 cm

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Der TRAUNSEHER Nr. 2 Jänner 1979: 2. Spradernummer *

Siebdruck, Stempel, Linoldruck, Fotokopien, Offset, Fotografien, Schablonendruck, Wachsmatrizen – verschiedene Drucktechniken wurden gebraucht, um Bilder bzw. Texte in jeweils adäquater Weise ver­ vielfältigen zu können. „Die Beiträge des TRAUNSEHERs werden durch künstlerische bzw. kunstpädago­ gische Vielseitigkeit in Verbindung mit einer kritischen, oft von lokalen Symptomen ausgehenden Grund­ haltung gekennzeichnet.“ (Peter Baum, Neue Galerie Linz). Sehen, finden, verbinden, falten („ . . . greifen wir den Alltag aus!“): Materialien wurden beigelegt (Kunststoffanhänger, in Plastik eingeschweißter Mauerkalk, Fundstücke aus dem Schulbereich), Drucke wurden überdruckt (Landkartenplakate aus Nr. 3: „Polnische Schaufenster…“, „TRAUNSEHER-Plan“ „Besonders wichtig für uns ist die kooperative Arbeitsform, die unsere Haltung zur Kunst stark verändert hat.“ Zur Arbeitsweise: Der TRAUNSEHER erschien im Selbstverlag. Produktionsort waren zwei adaptierte Räume im Wohnhaus von Hans Kienesberger in Traunkirchen, O.Ö. Abgesehen von den Beiträgen der Herausgeber, die den Grundstock jeder Nummer bildeten, hatten Interessierte bzw. Abonnenten die Möglichkeit, mitzuarbeiten, d.h. eigene Beiträge zu veröffentlichen bzw. beizulegen. Der TRAUN­ SEHER war somit auch Vehikel der Kommunikation – nicht nur im einwegigen Sinn wie Radio, TV, Illustriert, Galerien, sondern auch im Sinne von Mitbeteiligung an der Entstehung. spradern = o.ö. Mundartausdruck, welcher zufälliges oder gezieltes Umherspritzen mit Flüssigkeiten (z. B. Farben) ausdrücken soll.

Ausgabe Nr. 2 – Siebdrucktisch, garniert mit den Beiträgen von: H. Kienesberger, W. Pilar, P. Putz, Richard Wall; Auflage 150, vergriffen

Versandkuvert bestempelt, C 4 26


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Richard Wall, Die Saline in Steinkogl, Linoldruck, Auflage 150, nummeriert und signiert, 21 x 30,5 cm 28


P. Putz, Ehrentafel der 1.-Abonnenten, Umschlag der zweiten Ausgabe, Siebdruck auf Packpapier, 62 x 42 cm 29


H. Kienesberger, Kommt ein Vogel . ., 2-färbiger Linoldruck, signiert, 10,5 x 14,8 cm

W. Pilar, Heimatl, Fotokopie, 29,7 x 21 cm Zur Publikationsgeschichte: Heimatl wurde weiters veröffentlicht in: Kehrseite Nr. 3/ Okt.’80; klupperln & düsenjäger ‘82; Jederland ‘84; korosko mladje 62/oktobra ‘86: heimatovina (ins Slowenische übersetzt von Jani Oswald), celovec/klagenfurt ‘86; Literatur im Stifter­ haus 2/’92; Das Dorner Lesebuch OÖ 4/’94 (Hrsg. Karl Schu­ ber); Landvermessung – Gedichte (Bnd. 20, Hrsg. Günther Nenning u.a.), Residenz Salzburg ‘05 . . . 30


P. Putz, Plakat Johann Promberger, Offsetdruck, 62 x 35 cm 31


Der TRAUNSEHER Nr. 3 1.Mai 1979: Hoch die Arbeit!

Nebenerwerbskünstler müssen selbst an Staatsfeiertagen arbeiten. Eine postalische Galerie (Kunst frei Haus) bedeutet Schriftverkehr (anfragen, antworten, mahnen, adressieren, stempeln, frankieren), Kartei­ führung (eintragen, antworten, anlegen), Kontoführung, Lagerhaltung (stapeln, umschichten, ordnen) Botengänge. Der TRAUNSEHER konnte erst ins Haus kommen, nachdem jeweils an die 1000 bis 2.000 Drucke gefaltet und eingesackt waren. Vielfalt heißt also auch viel falten. Durch die postalische Galerie wurde der Briefträger zum Kunstvermittler, Kunst kam per Abonnement in Haus. Galerien und Kunsthand­ lungen blieben nicht die ausschließliche Vermittlungsinstanz für Kunst. Der TRAUNSEHER sollte nicht nur durch den regionalen Akzent Kunst greifbarer machen auch für Menschen, die nicht an den Umgang mit Kunst gewöhnt sind. Der Aufbau einer Produktionsgenossenschaft mit angeschlossenem Vertrieb erschien als Alternative zu den konventionellen Formen von Kunstproduktion und Kunstvermittlung. Der TRAUNSEHER, ein Kunstdiskonter? Preissituation z.B. bei Nummer 3: Auflage 180 Stück, Inhalt: 4 (!) Siebdrucke (z. T. auf Landkartenraritäten), 1 Schablonendruck, 1 Fotokopie, mehrere geöste Texte, handge­ stempelt und signiert. Preis: 60.– Schilling! (4,36 Euro) Die Finanzierung der Aktivitäten der BMT erfolgte bis zur Nr. 6 des TRAUNSEHERs ausschließlich durch Abonnements und Spenden von AbonnentInnen. (Zur Förderung durch die öffentliche Hand s. Siebdruck: „Die österreichische Kulturpolitik und die BMT – DER TRAUNSEHER-PLAN“) DER TRAUNSEHER; ein Lust- und Luftgeschäft! „Für die Abonnenten war uns nichts zu teuer.“

Ausgabe Nr. 3 – ausgebreitet im Zentralsekre­ tariat der BMT. Beiträge von H. Kienesberger, Christian Loidl, W. Pilar, P. Putz, Georg Stifter, Richard Wall; Auflage 180 – vergriffen

H. Kienesberger, P. Putz, Flugblatt zum TRAUNSEHER P. Putz, TRAUNSEHER-Schriftzug und Zeichnung, vervielfältigt mit Wachsmatritze, 29,7 x 21 cm 32


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Ein ausgewähltes Textbeispiel aus den bisher vor­ liegenden Zusendungen (in den folgenden Num­ mern des TRAUNSEHERs werden weitere ab­ge­ druckt sein):

2 Beiträge zur Zoologie Christian Loidl ein HUHN, das seine Schönheit pflegte Wollte wissen, was es sei Und es blähte sich & legte An die Wand ein S p i e g e l e i. Auf dem Buch die MILBE saß Und die längste Silbe maß. Seither können leise Wesen Auf vererbte Weise lesen.

x Mich hat die Bärin, die Wölfin gesäugt Mit Kaulquappen bin ich geschwommen Erich hat mich mit Hilde gezeugt Ein Blitz mich vom Baum genommen. Frau Holle hat mich aus Mondlicht gesponnen Ein Saurier mein Ei gebrütet Ich bin einer Kuh aus dem Euter geronnen Ein Fischbauch hat mich umhütet. Ein Rabe hat mich im Schnabel gebracht Die Sonne hat mich geschienen Ein Zauberer hat mich aus Erde gemacht Ein Schneesturm aus weißen Lawinen. Ihr fragt mich, ob ich das sicher weiß? - ich kann nur die Achseln zucken Und heute ein Kleinkind & morgen ein Greis Verwundert Töne spucken.

Christian Loidl, * 1957 Linz, † 2001 Wien. Österreichischer Schriftsteller und Performer. Der gebürtige Linzer studierte zunächst Germanistik und Psy­ chologie an der Universität Wien und publizierte erstmals im Traunseher; 1984 promovierte er mit einer Arbeit über Doris Mühringer zum Doktor der Philosophie. Danach freiberuflicher Schriftsteller, Beiträge für Radiosendungen und Feuilletonsei­ ten. (u. a. in Diagonal, im Spectrum der Presse und in Ö1. Nachhaltigen Einfluss auf sein Werk übte die Literatur der Beat-Generation aus. Während eines Aufenthalts an der Jack Kerouac School for Disembodied Poetics im US-amerikani­ schen Boulder in den späten 80ern und frühen 90ern lernte Loidl einige dieser Schriftsteller kennen. Von Erfahrungen mit der Vermittelbarkeit der Dichtkunst angeregt, hob er 1992 gemeinsam mit anderen Autoren, darunter Christian Ide Hint­ ze, die „Schule für Dichtung“ aus der Taufe. In den nächsten Jahren war Loidl ein gerngesehener Gast auf Lyrikveranstaltun­ gen, beispielsweise 1992 im makedonischen Struga und auf dem Poetischen Frühling Litauens in Vilnius, auf dem Milano Poesia 1993, dem New Rage Festival Amsterdam 1995, dem Festival de Poesía Medellín 1999, den Austrian Psycho Nites in Berlin 2000, dem Herbstfestival Litauens im selben Jahr und dem Internationalen Poesiefestival in Rosario 2001. Zusammenarbeit u.a. mit dem Komponisten Bernhard Lang. 34


H. Kienesberger, W. Pilar, P. Putz, Die รถsterreichische Kulturpolitik und die BMT, Siebdruck auf original Marshallplan-Plakat (1950), 46 x 64 cm 35


H. Kienesberger, Das größte Kreuz der Welt, Der größte Stern der Welt, Siebdruck, signiert, je 42 x 30 cm P. Putz, Polnische Schaufenster sind die Schönsten von Europa, Siebdruck auf polnischer Landkarte, 44 x 56,5 cm 36



Ironismus in Beispielen Walter Pilar „Der TRAUNSEHER ist ein Versuch, die herkömm­ lichen sattsam bekannten Formen des Kunstbe­ triebs zu unterlaufen bzw. zu umgehen.“ So lau­ tete die erste öffentliche Charakterisierung unse­ res Druckwerks in der ersten Nummer. Mit dem Erscheinen weiterer Nummern kamen andere Definitionen und Einordnungsversuche dazu. Wieweit sie und die bisher vorliegenden 3 Num­ mern des TRAUNSEHERs dazu beitrugen, ein brauch­bares Organ unserer Seher&Leser zu wer­ den, ist so oder anders gesehen fraglich (obwohl uns diese mäeutische Situation gleichzeitig gün­ stig erscheint, da sie Gedanken und kritische Wer­ tungen zu provozieren vermag). Trotzdem wollen wir auf dieser „Papierstraße“, vor allem zur Klä­ rung aufgetretener Missverständnisse, versuchen, Geschichte(n) unserer An- & Absichten zu erschreiben: a) Im Lauf 10 bis 15jähriger (teils bewußt-un­ bewußt, teils bewußt) künstlerischer Tätigkeit waren 3 Zimmer von 3 Männern immer ange­ räumter geworden mit Bildern, Texten, Entwürfen, Objekten etc. b) Der traditionelle Kulturvermittlungsbetrieb in sei­ ner Wettbewerbsfunktion und deren Folgen (Aura­ tisierung Einzelner, Wucherpreise, Protekionismus, elitäre Dünkel, Vernisaschsaufereien, apolitische Träumereien, usw.) widert uns an. c) so vereinigten sich Hans Kienesberger, Walter Pilar & Peter Putz, durch den Wind verschiedener Zufälle begünstigt (z.B.: lokale Nachbarschaft, ähn­ liche Intentionen durch ähnliche Lebensformen) mit ihren bildnerischen & literarischen Produkten zur Bildmanufaktur Traunsee (BMT), um u.a. das Druck­ werk „Der TRAUNSEHER“ herauszugeben+), mit­ tels dem sie veröffentlichungs­werte Ergebnisse ihrer künstlerischen Arbeit preisgünstig an die Frau bzw. an den Mann bringen wollten.

Bisher liegen 2 sogenannte Spradernummern ++) vor, d.h. Partikel unserer in den Kosmos explodie­ renden bzw. exportierbaren Konzentrations­ energien wurden sicht- bzw. lesbar. Ab der Num­ mer 4 (der Schulnummer) werden wir unsere kreativen Energien thematischen Schwerpunkten unterordnen: Nr. 4 – Schule (mit Fortsetzungsab­ sichten), Nr. 5 – Sport ( bzw. Schule-Fortsetzung), dann Faschismus in der Vergangenheit (z.B. KZ Ebensee) & Alltagsfaschismen, Architektur, öffent­ liches & privates Leben (z.B. Recht, Gerichtsbar­ keit, Verwaltung, ärarische Besitzverhältnisse in ihrer Wechselwirkung mit dem individuellen bzw. sozialen Leben), Wirklichkeitstheater & Puppen­ spiel (z.B. Theater um der Erotik Willen), eine Traumsehernummer, usw. . . . Aber („Nur nicht in Ruhe, Ordnung & Sicherheit verblöden!“) auch in Zukunft wird es „Sprader­ nummern“ geben, Überraschungen (z.B. sicher immer ein anderes Erscheinungsbild als in den vergangenen Nummern) & Spezialitäten (z.B. Auf­ arbeitungsergebnisse von aufgefundenen Nach­ lässen; siehe „Nigala“-Nachlass oder Schulbuch­ funde seit 1900). Hoffentlich erweitern wir noch unsere (bisher größtmögliche) Breite bzw. unser Spectrum zu einem ansehnlichen Specktrumm, unsere Vielfalt zu Vielfalten & Verunsicherung­ schancen zu Schanzensaltos. Vorsicht! Grundsatz­ erklärungen: Wir wollen die verschiedenen Druck­ techniken unserer Gegenwart gebrauchen, um Bilder bzw. Texte in jeweils adäquater Weise ver­ vielfältigen zu können; so schilderten wir bisher in folgenden Druckverfahren: Stempel-, Linol-, Sieb-, Offset-, Schablonendruck, Vervielfältigung mittels Wachsmatritzen (Abzieh­ apparat), Fotokopien, Überdruck vorliegender Drucke (siehe Marshallplan-Ö-karte, polnische Atlasblätter), Fotografien, Spritzschablonen (auf Druckträger Plastik-T-anhänger). Keinesfalls wollen wir sein ein Druckwerk, wel­ ches Großkünstlertum bzw. dessen schweigende,

staunende oder dumme Bewunderer erzeugt bzw. Künstlerdenkmäler errichten will, sondern wir möchten gerne medial verschwiegene Aktivi­ täten bzw. deren Resultate präsentieren. So durchsieben wir lokale, überregionale, interna­ tionale & kosmische Innen- & Außenrealität, filtern sie mittels unseres Unbewußt- oder Bewußtseins & reproduzieren die solcherart entstandenen oder entstehenden Imaginationen, Gedanken, Empfin­ dungen etc. mittels angeführter (s.o.) bzw. noch zu erweiternder Druckverfahren (in ironischer Grundtendenz bzw. teilbewußter Fehlerhaftig­ keit). Dadurch wollen wir unseren Konsumenten, Kritikern, Bei- & Zuträgern & uns selbst die Mög­ lichkeit einräumen, sodass sie ihr durch die Medi­ en verrücktes Bewußtsein zurechtrücken können, hin auf ihre wirkliche Existenz, die meistens in den Medien nicht oder verzerrt vorkommen. Dass es so sei wie beschrieben bzw. dass es noch mehr sein könnte als beschrieben werden konnte (zeigt sich hier eine Kumulierungstendenz nach mehr, mehr . . nimmermehr?) hoffen Die Herausgeber & Mitarbeiter

Anmerkungen: +) Weitere Pläne der BMT: Edition illustrierter Märchen, ev. einer Clobuchreihe (siehe erste Ansätze dazu in den Ösen in den Beiträgen W. Pilars zum Sammeln & Aufhängen der Traun­ sehertexte ev. an Clowänden), von Still-, Schall- & Ultraschall­ platten, von Filmen, Dias etc. ++) spradern = Verbum der o.ö. Mundart, welches zufälliges oder gezieltes Umherspritzen mit Flüssigkeiten (z.B. Farben) ausdrücken soll.

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H. Kienesberger, Kennen wir uns nicht? Schablonendruck und Stempel auf Papiersack, 24 x 22 cm 39


Der TRAUNSEHER Nr. 4 26. Oktober 1979: K + S + BA

Nach drei Spradernummern die erste themenbezogene Nummer: Kind + Schule + Bildung anno 1979. didaktische Absicht: „TRAUNSEHER ist einer, der sich sehen traut.“ Der Name Traunseher wollte einen Bezug zu „Sehen“ herstellen, sehen im Sinne von „Wahrnehmen“; „Traun“ (Traunsee) wies auf den Lebensbereich der Herausgeber hin, war aber nicht unbedingt Hin­ weis auf Inhalt und Thematik. „Es handelte sich also nicht um sogenannte Brauchtumspflege, sondern eher ums Ironisieren von Heimatverkitschung. Wer nicht abwandern will und eigenständige Aus­ drucksmittel für die Auseinandersetzung mit seiner Umwelt entwickelt hat, kann der Nichtbeachtung gewiß sein.“ (Werner Herbst – FREIBORD) Aktivitäten in Verbindung mit dem TRAUNSEHER: Ausstellungen und Lesungen (teils gesungen) – z. B. „Sommer 79 – Kunst ist das Sträußerl am Hut.“ (Veranstaltungsreihe in Bad Ischl); „TRAUNSEHER am Traunsee“ – Fernsehfilm, gedreht auf einer der letzten Ausfahrten des Dampfers „Gisela“ sowie weitere Rundfunk- und Fernsehbeiträge. Hiermit zeigte der TRAUNSEHER neben seiner privaten erstmals auch seine öffentliche Seite: Alle Ausgaben sind zu einer Ausstellung zusammengefasst und durch Arbeiten der Herausgeber erwei­ terbar. Diese Ausstellung ist jederzeit präsentierbar. Projekte: Flackernde blaue Neonlettern über dem Traunsee, Still-, Schall- & Ultraschallplatten, illustrierte Clobuchreihe, roter Sterndrachenflug vom Sonn­ stein aus, etc.

Ausgabe Nr. 4 – Der TRAUNSEHER im Freien. Beiträge von: Erik Adam, Horst Basting, H. Kienesberger, Gerhard Carl, Go-Al Nowak, W. Pilar, P. Putz, Hubert Sielecki, Georg Stifter, Richard Wall. Auflage 200, vergriffen

Hubert Sielecki, Plakat zum Jahr des Kindes, Foto: P. Putz Offsetdruck, 62 x 42 cm 40


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„O holde Jugendzeit, Walter Pilar wie oft gedenk’ ich dein, denn meine Jugend war für mich nur Sonnenschein . . .“ (zit. aus dem „Ebensealiad’ von A. Fink / H. Steininger)

. . . ein Mutterherz so lieb und rein, kann viel verstehn und verzeihn . . . (Wunschkonzert)

VERBOTE als VORBOTEN

Ein neuerliches Stück verdichteter Wirklichkeit: Gewissenserforschung?

1) Då bleibst! (Kindheit)

Was würden Sie sagen, wenn Sie eine Mutter hätten? Was “ “ “ , “ diese Mutter eine schwarze Pelzmantelimitation trüge? Was “ “ “ , “ Ihre Mutter diesen „schwarzen Pelzmantel“ während der kalten Jahreszeit täglich trüge? Was “ “ “ , “ dieser „Pelzmantel“ penetrant nach Rauch & kaltem Fett röche? Was “ “ “ , “ diese Ihrige Mutter Halbschuhe zu diesem „Pelzmantel“ anhätte? Was “ “ “ , “ diese „Halbschuhe“ ungeputzt wären? Was “ “ “ , “ Ihre Mutter täglich diese ungeputzten, offensichtlich dreckigen „Halbschuhe“ anhätte? Was “ “ “ , “ Ihre Mutter bei jedem zweiten Schritt mit ihren Fersen aus diesen „Halbschuhen“ schlüpfte, weil diese „Halbschuhe“ für ihre Füße zu groß sind. Was “ “ “ , “ Ihre Mutter einen Mund hätte? Was “ “ “ , “ Ihre Mutter beim Öffnen ihrer Lippen jedes Mal unwillkürlich ein verfaultes Gebiß zeigen müsste? Was “ “ “ , “ Ihrer Mutter bzw. Ihnen der jahrelang fast völlig gelähmte Mann bzw. Vater gestorben wäre? Was “ “ “ , “ Ihre Mutter von einer kleinen Rente leben müsste, weil sie aus verschiedenen Gründen nirgends eine Arbeit finden kann? Was “ “ “ , “ Ihre Mutter trotz ihres 60-jährigen Gesichts (den „Papieren“ nach ist sie viel jünger) einen Habara hätte? Was “ “ “ , “ Sie in einem Zimmer & einer Küche mit Ihrer Mutter, deren „Freund“ & 2 Geschwistern leben müssten? Was “ “ “ , “ in diesem einen Zimmer ein Ofen stünde, der schon bei geringstem Niederdruck raucht, sodaß man, um nicht zu ersticken, sofort lüften muß? Was “ “ “ , “ wenn Ihre Mutter mit ihrem „Freund“ fallweise besoffen heimkäme? Was “ “ “ , “ der „Freund“ Ihrer Mutter mit Ihrer Mutter in Ihrem Halbschlaf einen besoffenen Geschlechtsverkehr hätte? Was “ “ “ , “ der „Freund“ Ihrer Mutter „in alkoholisiertem Zustand“ auf Ihre Mutter wiederholt eingeschlagen hätte. Was “ “ “ , “ Ihre Mutter aufgrund dieser „häuslichen“ Streitigkeiten eine „Gehirn­­ erschütterung, blaue Flecken, ein blaues Aug & blutende Wunden“ hätte? Was “ “ “ , “ sich Ihre Mutter, um den „Freund“ nicht durch eine Anzeige zu verlieren, nicht zum Arzt getraute? Was “ “ “ , “ sich Ihre Mutter – wimmernd vor Kopfschmerzen – niederlegen müsste & Sie den Haushalt führen müssten, obwohl Sie schulpflichtig sind? Was “ “ “ , “ der „Freund“ Ihrer Mutter in eine Schlägerei verwickelt gewesen wäre, die die Polizei „schlichtete“ & daran anschließend den „Freund“ ihrer Mutter mitnahm?

Wås tuast denn då scho wieda? Wås måchst denn duat scho wieda? Wås håst denn zeascht scho wieda? Wås håst denn jetzt scho wieda? Wås håst denn duat scho wieda? Wås treibst denn då vuan scho wieda? Då hea kimmst! So geh endligh hea!! Då kumm hea! Då deafst des åwa a ned! Des duat låsst schee in Ruah!! Då vuan muaß eujs so bleim!! Jå bleibst jetzt amoij då!?!? Vå då steigst åwa sofuat åwa! Vo duat a!! Jetzt geh endligh weg und bleib då!!! Paß liawa auf und schau drauf! Daun bist brav. 2) Bleib då oda vaschwindt! (Jugend) Wo gehst denn hie? Wohin gehst denn jetzt? Lauf ma ned davao! Geh bleib do då! Des kaunst ma do jetzt ned aotoa! Geh weida, drah um! Wås håst denn leicht z’weis?! A so?! So ist des eujso! Asso!?! Daun reiß å und vaschwindt, du deppats Kindt!!!

Walter Pilar

Was würden Sie denken, wenn Sie Lehrer (-in) wären & eine Entschuldigung in zittriger Schrift bekämen: „M. konnte am 4. November und 5. November nicht zur Schule, weil sie beim Augenarzt und Zahnarzt war.“ 42


Zur Publikationsgeschichte der beiden Gedichte links: Verbote als Vorboten in Kehrseite 3/’80; Welt der Frau, Sept. ‘82; Österreichische Literatur des 20. Jahrhunderts: S. P. Scheichl über Ohrenzeugen und Stimmenimitatoren, Innsbruck ‘86; Lebenssee ~, Ritter Klagenfurt ‘96; . . . Ein neuerliches Stück verdichteter Wirklichkeit: Gewissens­ erforschung in Facetten ‘77; Poezijos Pavasaris ‘93: Naujos sutirstintos realybes gabalas: Sazines nagrinejimas (ins Litau­ ische von Kestutis Navakas) = Jahrbuch des poetischen Früh­ lings, Vaga Vilnius ‘93; . . . 43

H. Kienesberger, Schularbeit, Siebdruck, 39 x 60 cm; Buchstaben aus Schul-Setzkasten, 12 x 9 cm; Schönschreib-Vignette, Aquarell, 18 x 12 cm


entwicklungsroman und verwick­ lungs­fragment – ein essayistoider assoziationsversuch im umfeld des bildungsbegriffs+) (1979) erik adam zu klagenfurt im altweibersommer (1979) „Groß müssen zwei Herzen sein, die dem leisen nagenden Zahn der Alltäglichkeit nicht unterthan, sich in ein reiches Leben schauen lassen . . Ein närrischer Gedanke heckt den andern aus. Ein solches Ehepaar – nein zwei, drei, vier solche Ehepaare möchte ich an einem schönen See haben, zB. dem TRAUNSEE, der so reizend aus schönem Hügellande ins Hochgebirge zieht. Dort baue ich zwei, drei Landhäuser, fast altgrie­ chisch einfach, mit Säulenreihen gegen den See, nur durch einen schönen Blumengarten von ihm getrennt. Aus dem Garten führen zehn breite Marmorstufen zu ihm hinunter, wo unter Hallen die Kähne angebunden sind, die zu Lustfahrten bereit stehen . . . In diesem Tusculum nun wird gelebt und eine Schönheitswelt gebaut . . .einer der Männer ist an ein sogenanntes Geschäft gebunden, das ihm die allerschönsten Lebens­ jahre wegfrißt und das Herz ertödtet, sondern jeder weiht seine Thätigkeit nur dem Allerschön­ sten und sucht, so viel an ihm ist, das Reich der Vernunft auf Erden zu gründen, Wissenschaft und Kunst werden gepflegt und jede rohe Lei­ denschaft, die sich äußert, hat die Verbannung aus dem Tusculum zur Folge. Kurz, ein wahres Götterleben beginnt in dieser großartigen Natur unter lauter großen, sanften Menschen. Auch für ihre etwa kommenden Kinder ist mir nicht bange; sie werden schon recht e r z o g e n werden.“ so zu lesen in adalbert stifters „wiesenbocks­ bart“ aus den „feldblumen“, geschrieben in einem finsteren zinshaus in einer engen gasse der großen stadt wien, in der beatrixgasse 18,

eine tafel am haus erinnert daran, ein wunsch­ traum, die fantasie eines armen hauslehrers, der sich dichtend und malend am leben erhielt, übrigens nächst der ungargasse, dem ungar­ gassenland der ingeborg bachmann, die dort auch träumte: von der prinzessin von kagran, vom glück mit ivan, von einem tag, an dem die menschen rotgoldene augen und siderische stimmen haben und hände, begabt für die liebe; von einem tag, an dem es keinen grausamen mördervater geben wird, keine unmenschenge­ sellschaft, hortend und mordend; ein tag wird sein, ein tusculum wird sein, schöne träume schöner seelen, gebildeter, sehnsüchtig nach humanität, vergebliche suche und daher imagi­ nieren, träumen, fantasieren, beispielsweise in einem 3bändigen werk wie der nachsommer des k. k. hofrates, ein roman, den die germanisten der gattung des entwicklungs- oder bildungsro­ mans zuschlagen, das thema b i l d u n g , über das meist oder ausschließlich bildungsbürger gebildet reden, die germanisten germanisteln bis sie nicht mehr germanisteln, ich selbst mit einer bildung, die ich mir verpasst habe bzw. die mir verpasst worden ist . . . orientierung an peter handke, na und, der sich die schriftsteller als eine gruppe bestimmter staatsbürger vorstellt, an deren arbeit man das eigene leben ablesen, auslegen und anders sehen könnte, das gibt’s aber nicht im öster­ reichischen bewußtsein, weiter denkt aber der handke hier nicht; nicht über literatur reden als zeitvertreib, sondern aus literatur heraus, aus der kunst heraus zu mir, zu dir; suchen, klären, sich entwickeln, sich formen, sich bilden, SICH bil­ den, das wär schon was . . . dichter mit vorliebe für sommerfrischenidyllen oder antiidyllen, wenns um die bildung geht vom ahnherrn rousseau über goethes pädagogi­ sche provinz, stifters aspermeierhof, den eine große rosenhecke von der schnöden umwelt des flachen landes abschirmt, bis zum glasperlen­

spiel hesses, dem zauberberg thomas manns, bildung also in einem abgesonderten bezirk, fern von handel und krieg, unmöglichkeit der bildung in einer welt, in der merkur und mars und ihre agenten herrschen, die aber leben müs­ sen in den verwicklungen von handeln und krieg, weil nicht das vermögen vorhanden ist, keine meierhöf’ voll vieh, aus denen ich zins und renten zieh, kein geld, um sich ein schloß tosca­ na am taunseeufer erbauen zu lassen, immerhin machte ein sohn des steinreichen paul wittgen­ stein eine franziskanische wendung, seine brü­ der haben sich umgebracht . . . die masse, der pöbel, von dem sich die bilden­ den und gebildeten absondern, volk, genießbar höchstens als märchengestalt, geschnitzt nach dem modell des alpenbauern des salzkammer­ gutes, wie der edle von hoffmannsthal sich das so vorstellte und, wie broch meint, von den grauen, undefinierbaren massen nur wusste, dass man ihnen „b i l d u n g“ übermitteln müsse; ja herr lehrer, östrreich ist eine monarchistische republik und wir sind die brave sache des volkes, gut geölte mägde und knechte, die lautlos funktio­ nieren, untergebene, allem unsittlichen klassen­ kampf von natur aus abhold, wir sind der nachsommerstaat und gebildete müssen versorgt werden, um dem edlen genuß leben zu können, dem naturgenuß in der som­ merfrische und dem kunstgenuß bei den salz­ burger festspielen . . . in diesem bildungsbürgertum mit seinen bil­ dungsgütern, in dieser sonderklasse webt ver­ mutlich der humanistische bildunsbegriff a la wilhelm von humboldt, idealisiertes griechen­ tum, edle einfalt und stille größe, vorbild, an dem sich der bildungssinnige emporbildet, vor allem natürlich im gymnasium als der brutstätte des humanismus, als mißverständnis in der ver­ wechslung von h u m a n i s m u s und h u m a n i t ä t, produktion sanfter unmenschen, wie 44


sie schon stifters nachsommergut einschließt, tatsächlich aber geistesvernichtungsanstalten, verrottungszentren der menschlichen natur; tho­ mas bernhard, der SICH bilden will und daher nicht in das altehrwürdige schulgebäude am uni­ versitätsplatz geht, sondern in die entgegenge­ setzte richtung: zum arbeitsamt und in die lehre zum gemischtwarenhändler podlaha und dann die musik, das geigenspiel wie der arme spiel­ mann, die zauberflöte, nicht als festspielbesu­ cher . . . die semantische verwirrung heute ist groß, inhal­ te beliebig austauschbar, jedem ehemals wohl­ definierten wort jeder inhalt unterschiebbar: bildung, erziehung, sozialisation, verhaltensmodifi­k ation, bildungswesen, bil­ dungsanstalt, bildung als abrichtung fürs getrie­ be, wirklich, möglich aber auch die schärfung der begriffe, den quijote als sprachkritiker ange­ sichts der macht des faktischen, der fakten der mächtigen, also sprachinseln, bildungsinseln, ein diskurs über entwicklung und bildung im zusam­ menhang von macht und ohnmacht , entwick­ lungs- und bildungsbedürfnis und entwicklungund bildungsverhinderung , entwicklung und verwicklung : wilhelm meisters lehrjahre, der bourgeoise ent­ wicklungsroman, ein wohlhabender kaufmanns­ sohn mit wahlfreiheit zwischen zwei frauenge­ stalten, der personifizierung der muse der dicht­ kunst, einer tochter der freiheit und die andere des gewerbes, zustand dessen, der sich unter ihrer rute bücken und sein knechtisches tagwerk im schweiße seines angesichts verdienen soll; w. m. wendet sich natürlich vom tagwerk ab und hin zum bildungsabenteuer, reichlich mit geld versorgt; was aber geschieht mit dem entwick­ lungs- und bildungsbedürfnis all derer, und das sind fast alle, die nicht diese entscheidungsfrei­ heit haben, ohne vermögen im hintergrund oder ohne begabung für einen sonderausweg wie die kunst; verwicklungen, die oft ein böses ende neh­ 45

men wie in den romanen wolfgrubers oder in eher beklemmende emanzipationsversuche mün­ den wie bei schwaiger und frischmuth“. . . so was spielt für einen wie mich keine Rolle mehr. Weil eigentlich, sagt er, spiel ich ja selber keine Rolle mehr.“ (Wolfgruber: Herrenjahre) „Als ich ein Kind war, Rolf, habe ich mich gefreut auf das Erwachsensein . . . Und jetzt möchte ich wieder zurück, bis in den Bauch der Mutter möchte ich, wenn ich uns so ansehe.“ (Schwai­ ger; Wie . . .) „Es an mich herankommen lassen. Es einfach an mich herankommen lassen. Nicht angreifen, höchstens zurückschlagen. Ungefähr wissen, in welche Richtung man will, es genau zu wissen ist schon vermessen. Auf alles achten. Am Leben bleiben mit Hilfe all der kleinen nicht unterdrückten und nicht überspielten Empfin­ dungen . . . Nicht immer widerstehen wollen, langsam pfeife ich auf all die heroischen Verhal­ tensweise.“ (Frischmuth: Kai und die Liebe zu den Modellen) klärung der eigenen entwick­ lungsversuche durch erinnerung der lebensge­ schichte und widerspiegelung in anderen lebens­ geschichten in möglichkeiten, in gedanken, die für die herrschenden vorstellungen möglichst unbequem sind . . . der betrug einer gesellschaft, die vorgibt bildung zu fördern, die aber tatsächlich gebildete gar nicht brauchen kann, die gefährlich werden kön­ nen, weil die gesellschaft nur gut funktionionie­ rende arbeitskräfte, handarbeitskräfte und kopf­ arbeitskräfte in vorbestimmten arbeitsprozessen verwerten kann, aber keine gebildeten men­ schen, keine sich selbst bestimmenden men­ schen, bilden ist SICH bilden, entwicklungsfrei­ heit, aber die bildungsanstalten sind bildungs­ verhinderungsanstalten, die ähnlich wie neuro­ti­ sche symptome funktionieren, die nach der auffassung freuds einerseits ihre energien aus einem bedüfnis erhalten, andererseits aber gera­ de dazu dienen, die befriedigung dieses bedürf­ nisses, die verpönt ist, zu verhindern; die staatli­

chen bildungsanstalten erhalten einen teil ihrer energie vermutlich aus dem lebensnotwendigen bildungsbedürfnis; die ideologen und sonntags­ prediger stützen sich auch darauf, tatsächlich dienen die staatlichen bildungsanstalten der ver­ hinderung der befriedigung des bildungsbedürf­ nisses, der umbiegung und verwicklung dieses bedürfnisses; die arbeitskraft als output . . . der verwicklungsroman als darstellung des bedürfnisses und seines schicksals, der störung, verzerrung, zerstörung, eine artikulation versteh­ bar in zusammenhängen. symptomanalyse, auch des bildungsbegriffs des bildungsbürgertums als perversion des bildungsbedürfnisses, dekorati­ on-, anpassungs-, unterdrückungs-, ablenkungsund absonderungsfunktion; trennung in gebil­ dete und ungebildete, in oben und unten, die kunst wird immer nach oben gezogen, ent­ schärft, gekauft, bildungsgut, die kunst fürs volk ist der kitsch mit seiner verneblungsfunktion, der künstler als bildungsspezialist, als stellvertreter, die anderen konsumieren, was er produziert hat, ihre eigenen produktionsmöglichkeiten hat der künstler besetzt, enteignet, überwindung der künstlerkunst, damit sich die volks-kunst ent­ wicklen kann . . . SICH bilden, kaum erfüllbare sehnsucht unter den gegebenen unständen, sehnsucht des zer­ störten individuums nach ganzheit, nach sinnge­ stalt dieses zufälligen und bedeutungslosen lebens, weltfremde sehnsucht, die zur todesssehnsucht werden kann; ich kann nicht werden der ich bin, also wirklich nicht sein; leben im rückzug, nichts soll mehr geschehen, die handlungslosigkeit und entrücktheit im nach­ sommer, die selbstmörder in bernhards wahn­ sinnswelt, sehnsucht nach beendigung desses irrsinns, dieser zerbrochenheit, durch die eine unendliche leere dringt, annäherung an den tod als lockerung der lebenslogik; es ist alles lächer­ lich, wenn man an den tod denkt, alles ist egal,


jede sackgasse so gut oder so schlecht wie die ande­ re, warum dann nicht auch die sackgasse der kunst, die insel, das TRAUNSEEtusculum, eine absurde moral jenseits der tugutmoral, der scherbenhaufen, der etwas aus sich macht, irgenwie geht das, egal was, selbst etwas mit seinen scherben machen, bizarre frag­ mente, rekonstruktionsversuche mit bildung­s­ bruchstücken, damit das essen noch schmeckt, damit nach sympathie zu anderen menschen ent­ steht, damit das leben wieder näher kommt; schwe­ ster erde, die uns versorgt und nährt, allerlei früchte zeitigt, farbige blumen und gras, bruder feuer, der das dunkel erleuchtet, damit durch diesen scherben­ haufen ein glückstrahl dringt, der vielleicht aus den organen kommt, denen es gut geht, weil manchmal ein fragment gelingt, das ein teil vom MIR SELBST ist, weil ich mir nichts vormachen lasse, mich nicht einlasse mit dem, was mich umbringen will; schrei­ ben als leben, kunst als leben, die existenzweise von bildung als künstlerische existenz, die bildungsuto­ pie als gegenwart in der schöpferischen anstren­ gung, meinetwegen auch im bildungsabenteuer wilhelm meisters (goethe), im eskapismus des nach­ sommers (mühl) oder in der TRAUNSEEbezogenen bild(ungs)manufaktur (kienesberger/pilar/putz), im fragmentarischen, aus angst vor dem weg­sein, das doppeldeutig schillernde verwicklungsfragment, kultur und subkultur, verwicklung und befreiung, bildung und bildung. Subkünstler aller länder vereingt euch . . . +) diesen assoziationsversuch verdanke ich mir selbst in ausein­ andersetzung mit gebildeten wie u. adam, i. bachmann, t. bern­ hard, h. broch, j. dolch, e. fischer, m. foucault, f. v. assisi, s. freud, l. wittgenstein, j. w. goethe, h. v. hentig, i. illich, p. handke. w. v. humboldt, k. köberl, k.-h. mayrobnig, w. rainer, a. schmidt, e. w. skwara, a. stifter, w. pilar, b. frischmuth, g. wolfgruber, b. schwai­ ger, o. wiener, u. v. a. Erik Adam, geb. 1948 in Hollabrunn, Studium in Linz; 1975 Assi­ stent Univ. Klagenfurt, 1987 Habilitation für das Fach Erzie­ hungswissenschaft. 1997 a.o. Universitätsprofessor; 2000 – 2004 Institutsvorstand Inst. f. Erziehungswissenschaft und Bil­ dungsforschung Univ. Klagenfurt; Gründung und Leitung des Instituts für Operettenforschung (bis 2004); Kulturpublizist.

Zeichnungen eines 30jährigen Die Bilder stammen von einem geistig Behinderten. Dieser benutzt nahezu seine gesamte Freizeit, um ohne Unterlass zu zeichnen, meist mit Kugelschreiber. Er zeichnet fast ausschließlich Architekturmotive. Den Kugelschreiber führt er dabei mit der linken Hand zwischen Mittel- und Ringfinger und ange­ legtem Daumen. Er bewältigt jedes Format und zeichnet ohne zu korrigieren, also mit einer Ent­ schiedenheit, die langjährige Praxis deutlich macht. Wie die Beispiele zeigen, zeichnet er perspektivisch richtig und fügt mit großer Ausdauer viele Details bei. Das obere Bild wurde aus dem Ge­dächt­nis gezeichnet, die andere Arbeit direkt im abgebilde­ ten Saal. Als ich auf seine Fähigkeit aufmerksam wurde – ich verbrachte mit einer Gruppe von Behinderten einen zweiwöchigen Urlaubsturnus – fragte ich mich, ob er mit anderen Motiven genauso zurecht­ kommen würde. Die Betreuer sagten mir, dass er Menschen nicht so gut darstellen könne und nur „Strichmanderln“ zustande kämen. Ich versuchte dennoch, ihn zum Zeichen von Per­ sonen zu animieren. Ich schlug ihm vor, in der Nähe sitzende Behinderte zu zeichnen, er wählte aber eine vor dem Fernseher sitzende Gruppe von hinten samt einem Ausschnitt des Innenraumes. Die Personen machten nur einen kleinen Teil der Zeichnung aus. Der Grad der Abstraktion war bei den Personen größer als beim Architekturaus­ schnitt. Das mag einerseits daran liegen, dass sich Architektur leichter auf Linien abstrahieren läßt, andererseits ist er auf diese Motive so eingeübt, daß er auch aus dem Gedächtnis eindrucksvolle Architekturlandschaften darstellen kann. Es zeigt sich aber, dass Architekturmotive genauer und „richtiger“ ausgeführt sind als Wiesen und Wälder, die eher schematisch gezeichnet sind und einen höheren Abstraktions­grad besitzen. Da ich mit 46


dem Behinderten wegen seines Sprachfehlers Ver­ ständigungsschwierigkeiten hatte, kam ich auf die Idee, ihm Aktzeichnungen von mir und anderen Künstlern zum Kopieren vorzulegen. Auffallend war beim Zeichnen der Drang zur Vollständigkeit und zur Prägnanz. Fehlen bei der Vorlage Teile, z.B. Augen, Nase oder sonstige Körperteile, so fügt er diese bei seiner Zeichnung hinzu. Außerdem gab es stellenweise Unterschiede in der Übereinstimmung zwischen Vorlage und Zeich­ nung. Manche Arbeiten sind ausdrucksstärker als die Vorlage, andere von einer Ähnlichkeit, die auf eine eidetische Veranlagung schließen lassen. Eine Erklärung wäre, dass das Wissen um bestimm­ te Motive (wie Augen, Nase usf.) bzw. das Erken­ nen dieser Motive in der Vorlage die eidetische Wiedergabe verhindert, weil er etwas empfindet und zum Ausdruck bringen will. Manche Vorlagen wurden mit einer verblüffenden Übereinstimmung kopiert. Ich ging auch daran, ihm technische Hilfestellungen zu geben (Stärke des Auftrages u.a.). Es war erstaunlich, wie schnell er dabei lernte. Vor kurzem hörte ich, dass er nun auch Personen, die sich direkt vor ihm befinden, zeichnet und dass diese Zeichnungen von einer ähnlichen Qualität sein sollen. Horst Basting, geb. 1952 in Linz, arbeitet dort als Kunsterzieher, derzeit leistet er seinen Zivildienst bei der Lebenshilfe O.Ö., einem Verein für Behin­ derte.

Anmerkung 2008 Der mittlerweile verstorbene „geistig Behinderte“ hiess Otmar Agnes. Er war nicht nur ein excellen­ ter Zeichner mit eidetischer Begabung, sondern gleichermaßen äußerst origineller Maler und Skulp­ teur. RIP. H. K., Juli ‘08 H. B. ist seit 2000 o.Univ.Prof. an Kunstuni Linz Otmar Agnes, Fotokopie nach Zeichnung, 29,7 x 21 cm

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Der TRAUNSEHER Nr. 5 31. Februar 1980: Wust und Frust

„ . . . die ihr mühselig und beladen seid, o kommet all!“ Der Aufforderung zur Mitarbeit folgte eine Papierlawine, welche die Herausgeber verlegte(n). Da folgte Bescheidung in innere® Einkehr. Danach fanden sie sich selbst und es stellte sich heraus. Johann Kienesberger, geb. 1948 in Gmunden, Lehrer (beurlaubt), Maler und Grafiker; lebt in Traunkirchen. Künstlerische Arbeit seit 1962, ab 1971 Einbeziehung der Fotografie. Ausstellungen seit 1974 – u. a. in Wien, Maria Schutz, Linz, Klagenfurt, Wels, Gmunden. Preise: 1976 Geist und Form, 1979 Talentförde­ rungsprämie des Landes O.Ö., 1980 Arbeitsstipendium des BMfUK, 1981 Th. Körner Förderungspreis. Walter Pilar, geb. 1948 in Ebensee. Aushilfsmatrose (Traunseeschiffahrt), Lehrer, Schriftsteller und Grafiker. Studium der Sozialwissenschaft bzw. Kunst und Werkerziehung; lebt in Ebensee und Linz. Grafische und literarische Tätigkeit seit 1963, Lesungen in den div. Landeshauptstädten und in ver­ schiedenen o.ö. Gemeinden. Th. Körner Förderungspreis 1981. Peter Putz, geb. 1954 in Ebensee, Maler, Grafiker & Kunsterzieher, lebt in Ledenitzen/Ledenice und Langwies. Verschiedene Studien u. a. Architektur, Sozialarbeit, Grafik und Kunsterziehung (Wien). 1977/78 Auslandsstipendium für Grafik in Poznan/Polen. Arbeitsbereiche: Malerei, Grafik, Fotografie und Film. Zahlreiche Ausstellungen und Preise für Animationsfilme. Künstlerische Zusammenarbeit zwischen ­Kienesberger und Putz seit 1972, 1978 gründeten sie mit Pilar die BILDMANUFAKTUR TRAUNSEE.

Ausgabe Nr. 5 Pilar, Kienesberger, Putz in vollem Ornat. Beiträge: Gerhard Carl, H. Kienesberger, Christa Neumann, Go-Al Nowak, Johannes Obenholzer, W. Pilar, Barbara Putz-Plecko, P. Putz, Wolf Sator, Franziska Scherz, Michael Sperlhofer, Heinz Steinbacher, Thomas Steiner, Georg Stifter, Han­ nes Sturm, Georg Unterberger, Richard Wall, Adrian Zeller. Auflage 300, vergriffen.

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Der Gipfelstürmer Heinz Steinbacher In Ebensee geboren, mit westwärtigem Blick auf den Feuerkogel, lockte doch der im Genick dro­ hende Traunstein. Die Mahnung des Berges ver­ fehlte die Wiege des Kindes nicht. Alois Kogler war seit Generationen bergsteige­ risch belastet. Schon als Kind bestieg er wöchent­ lich mit seinem Vater, Hubert Kogler, den Traun­ stein. Die Muskeln an seinem Kinderkörper bil­ deten sich dementsprechend steigfreudig aus. Sonst auf dem Wasser zu Hause, mit fischkundi­ gem Auge die Großen von den Kleinen aus dem Netz trennend, war erletztlich doch ein Alm­ rausch-Kind. Das Training war hart, doch der Erfolg liess nicht lange auf sich warten. Mit sechzehn, drei Pickel auf der Stirn, brach Alois den rekord seines Großvaters in der Schnellstbesteigung des Traun­ steins, welcher sogar die Nachkriegsjahre über­ dauert hatte. Urlauber wollten ihn sehen, den Helden, den Bergfexen. Bekniestrumpft in Leder­ hosen, kariertem Hemd, bewunderte man Alois. Deutsche Touristinnen betasteten seine Muskeln und klopftem ihm bei Tisch nach erzählten Schwänken auf die Schenkel. Der Bürgermeister hielt eine Rede; lobte den Ehr­ geiz, den Eifer des Jungen, und überreichte ihm einen Aschenbecher aus böhmischem Bleikri­ stall. Mutter und Vater waren stolz auf ihren Alois. Vollgepumpt mit Bier und Obstler traf Alois Maria, die Kellnerin, am Pissretourweg, drängte sie im Freudentaumel mit seinen Hüften gegen die Toilettenhauswand, berührte ihr Becken mit seinem ledernen Bauch und drückte seine gerö­ teten Lippenauf die ihren. Zu Sinnen kommend, in den Rauverputz hinter Maria blickend, benom­ men von seiner Frivolität, taumelte er zwei Schritte zurück und liess die Kellnerin, welche

laut auflachte, davoneilen. Bergfex Alois Kogler schämte sich bis tief, tief auf den Grund seiner Seele. Plötzlich hasste er den Rekord, die Feier, das Getue, und es kehrte sich in Alois etwas nach innen, verkapselte sich, und konnte nur oben am Gipfel wieder frei wer­ den. Böse Zungen behaupteten schon damals, mit dem Alois stimme etwas nicht. Man tuschelte, er sei mit dem Berg verheiratet. Scham brannte in ihm, als er Schritt um Schritt nach oben tat, jeden Stein, jede Wurzel ken­ nend. Er zerrte seine Sehnen aus bis zur äußer­ sten Belastbarkeit. Der Puls schnellte übergangs­ los auf hundertachtzig. Doch Alois Kogler kon­ trollierte seinen Körper, er hatte es gelernt. Er biss die Zähne aufeinander und schnaufte mit glasigem Blick dem Gipfel entgegen. Rekordver­ dächtig umfasste er das Gipfelkreuz, sank neben dem Pfosten nieder und erwartete den Tag. Er war benommen von der Kraft dieses Morgens. Intuitiv klappte er das lederne Hosentor auf, hielt sein Glied zwischen den Fingern und holte sich mit stumpfer Hand einen herunter. Als der Samen lautlos vor ihm auf den Stein tropfte, der Moment zur Ewigkeit wurde, hörte er mit silber­ nem Klang den Berg rufen: „In die Berg bist du gern!“ Und es tat sich auf der Berg. Alois stürzte in die klaffende Spalte und ward seitdem nicht mehr gesehen.

P. Putz, Mann mit Medaillen, Plakat unter Verwendung eines gefundenen Fotos, Offsetdruck, 62 x 42 cm H. Kienesberger, O wunderbares, tiefes Schweigen . . . , Offsetdruck nach Rötelzeichnung, 42 x 54 cm 50


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selbstbefragung hannes sturm

Hubert Sielecki, Haben Sie schon . . .?, Plakat, Offsetdruck, 62 x 42 cm Barbara Putz-Plecko, Machen Kleider Leute?, Offsetdruck nach Zeichnung, 43 x 32 cm

nach hirnverrenk und lang verschlaf ein kurzverhĂśr. eindenk des ritt schriritt des ritt schriritt im zeit muss muss. des ritt schriritt des ritt schriritt im zeit muss muss. des ritt schriritt des ritt schriritt im zeit muss muss. und lang der sprache hinkebein und dunkelhang um ich um ich. am angesproch der zeitensprung beim ritt nach schririritt nur hink allein. nur hink allein. nur hink allein. fĂźhr lang der sprache dunkelhang um ich um ich. 52


ostwärts im orientexpress georg unterberger als der morgen tagte nach dem mond über ungarn begann draußen das tagwerk mit nebelkrähen zigeunern und ziegen schafen herden und hunden wagen pferden und peitschen. wie durch die kindheit fuhr ich da unterm morgenstern in die sonne hinein östlich geborgen westlich verbürgt.

Georg Unterberger, *1942 in Strobl/Wolfgangsee, lebt nach einem Werdegang durch die Welt wieder in Strobl. Gerhard Carl, Laufende, Holzschnitt, 43 x 62 cm Richard Wall, BMT-Express, Offsetdruck n. Zeichnung, 29,7 x 42 cm

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Der TRAUNSEHER Nr. 6 20. Mai 1980 – Johann Promberger, Fotografien 1905 – 1925

Johann Promberger, zu Lebzeiten Werkmeister in der Saline Ebensee, hinterließ mehr als 150 Platten­ negative aus der Zeit 1905 – 1925. Diese Negative wurden erst 1977, ziemlich genau 15 Jahre nach seinem Tode, wiedergefunden. Aus dem Inhalt: Arbeitswelt, Einzel- und Gruppenporträts, Aufbah­ rungsfotos, Technisierung der Umwelt. Die BILDMANUFAKTUR TRAUNSEE hat sich mit der Herausgabe des TRAUNSEHERs u. a. zum Ziel gesetzt, bisher unbeachtetes Bildmaterial zu veröffentlichen. „Bilder aus der Arbeitwelt, Porträts und Dokumentationen der beginnenden Technisierung: in bildneri­ scher Aussagekraft und Qualität vergleichbar den Aufnahmen des deutschen Fotografen August Sander, dessen Porträts . . als fotokünstlerische Kostbarkeiten angesehen werden.“ (P. Möseneder – OÖN). Weitere Reaktionen auf den TRAUNSEHER: „Grafik, Texte, Polemik, Information – unterwandert von Poesie. Und von Ironie.“ (o. Prof. Günter Feuer­stein – TRANSPARENT). „Die Sammelbögen … vermitteln eine Atmosphäre, die in dieser Form augenblicklich einmalig dasteht.“ (o. Prof. Manfred Wagner, Universität für angewandte Kunst, Wien). „. . . inhaltsleere Grafiken im luftleeren Raum. Peng! Ein Schlag ins Gesicht!“ (Zuschrift) „Gefühlhaftmachung mit Schelmerei“ (Josef Aigner, SKGZ). „Würze im Kultureintopf“ (OÖN) „Der TRAUNSEHER ist ein Pamphlet!“ (Annahme verweigert – wirkl. Hofrat A., E.)

Ausgabe Nr. 6 Johann Promberger vor der Auslieferung. Kataloggestaltung: H. Kienesberger und P. Putz. Auflage 600 Stück.

Johann Promberger, Selbstporträt mit Rad, Foto, 15 x 9,5 cm Kontaktkopie vom Glasnegativ, Print: P. Putz 54


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Johann Promberger Fotografien 1995-1925 Ein Amateur sieht die Wirklichkeit Peter Putz Was ausschlaggebend war für Johann Promber­ ger, sich ab etwa 1905 intensiv mit Fotografie zu beschäftigen, kann heute nicht mehr festgestellt werden - vermutlich war einfach sein Interesse erwacht an dieser Möglichkeit, eine in raschem Wandel befindliche Zeit und ihre Menschen bild­ lich festzuhalten. Promberger war insofern Amateur, als er nicht zu Erwerbszwecken fotografierte und auch nicht von dieser Beschäftigung leben konnte - die Fotografie war keinesfalls seine alleinige Lebens­ grundlage. Er gab die von ihm ausgeführten Aufnahmen zu minimalen Preisen, vermutlich den Gestehungskosten, an Bekannte und Freun­ de aus der Nachbarschaft. Es war in der näheren Umgebung bekannt, dass er gut mit einer Kamera umzugehen verstand, so wurde er auch zu bestimmten Anlässen wie Familientreffen oder Hochzeiten geholt. Schwer abzuschätzen und abzugrenzen ist, wel­ chen der erhalten gebliebenen Fotografien „Aufträge“ waren und welche völlig aus eige­ nem Antrieb entstanden sind. Es sind durchaus Parallelen zu ziehen zwischen seiner Beziehung zur Fotografie und der ersten Zeit der Porträtfotografie. Wie der französische Künstler-Fotograf Nadar gut 50 Jahre vorher, fotografierte auch Promberger fast ausschließlich Menschen, zu denen er eine persönliche Bezie­ hung hatte – die Dargestellten waren Freunde oder Bekannte und keine Kunden.

Im Gegensatz zum Atelierfotografen war für ihn Fotografie kein Beruf, sondern Leidenschaft, Freizeitbeschäftigung, sicherlich auch ein Mittel, soziale Anerkennung zu erlangen, jedenfalls Ausdruck seiner technische extrem geschickten und vielseitig begabten Persönlichkeit. Nicht zuletzt also Fotografie als Selbstdarstellung, als Aufzeichnung der Welt, als Bilderchronik einer im Umbruch befindlichen Zeit. Bei den Fotografien handelt es sich fast aus­ schließlich um Außenaufnahmen, das heißt, dass im Gegensatz zu Atelieraufnahmen der Fotograf zu seinen „Objekten“ kam und sie in ihrer Umgebung abbildete. Den Personen wurde kein neuer Hinter- bzw. Untergrund verordnet, sie wurden akzeptiert, dort, wo sie waren. Nicht nur akzeptiert, mehr noch: ihre Umgebung wurde sensibel in das Bild eingepasst. Bei der Katalogisierung der hinterlassenen Auf­ nahmen kam zum Vorschein, dass Promberger überwiegend Menschen fotografiert hatte. Aus­ nahmen bilden hierbei Aufnahmen, bei denen das Hauptaugenmerk nicht auf den Menschen, sondern auf Dingen oder besonderen Ereignis­ sen lag, die es festzuhalten galt. So fotografierte Promberger etwa technische Geräte – Automo­ bile, Fahrräder, Installationen in der Saline – aber auch Überschwemmungskatastrophen, Autoun­ fälle und Einweihungszeremonien. Der Stand der Fototechnik bzw. die verwendete Ausrüstung erforderte überlegtes, langsames Arbeiten. Aufgrund der notwendigen langen Belichtungszeiten war es notwendig, mit Stativ zu arbeiten. Unter den Aufnahmen sind fast keine Momentaufnahmen, d.h. spontane Auf­ nahmen ohne längere Vorbereitungszeit zu fin­ den. Durchaus charakteristisch für die Zeit, in der Promberger lebte und im Einklang mit der zeit­

genössischen Fotografie der Gegend, war die Verwendung der Zentralkomposition, die fast durchgehend in allen Aufnahmen zu finden ist. Die Person, die Gruppe, der jeweilige Gegen­ stand des Interesses wurde zentral im Bild pla­ ciert, ihn galt es herauszustellen. Aus den Auf­ nahmen spricht ein starkes Gefühl für formale Zusammenhänge, die Gruppen sind oft in gera­ dezu rhythmischer Gliederung aufgestellt, legen Beziehungen und Sachverhalte unmittelbar klar, geben den Fotografien einen hohen Grad von Selbstverständlichkeit. Den Menschen auf diesen Fotografien ist teilwei­ se ihr Platz zugeteilt worden vom Fotografen, aber sie bleiben in ihrer vertrauten Umgebung, sie standen also nicht in der künstlichen Welt des Ateliers. Wir haben es hier zwar mit „aufgestellter“, aber immer noch authentischer Wirklichkeit in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit zu tun. Was Atelierfotografen zu stellen und zu konstru­ ieren trachteten und gerade deshalb niemals einfangen konnten, floss hier wie selbstverständ­ lich in die Aufnahme ein: die Persönlichkeit und das Wesen der Abgebildeten ohne Verfälschung und Pomp. Ganz ohne Zweifel drang in die Foto­ grafie von Promberger mehr von der damaligen Wirklichkeit ein als in die Arbeiten zeitgenössi­ scher Berufsfotografen. Der Amateur Johann Promberger wollte sicher­ lich nicht ein katalogisierbares Bild seiner Zeit, seiner Zeitgenossen, der Lebensumstände anfer­ tigen – dass uns seine Arbeit trotzdem tiefe Ein­ drücke gerade davon vermittelt, ist sein Ver­ dienst.

Johann Promberger war der Großvater von Peter Putz.

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Johann Promberger, Familie Grabner, Foto, 12 x 15 cm Kontaktkopie vom Glasnegativ, Print: P. Putz 57


Johann Promberger, Arbeiter in der Saline Ebensee; Generator­raum Saline Ebensee, Fotos, je 10 x 15 cm Aufgebahrtes totes Kind, Foto, 10 x 15 cm Kontaktkopien vom Glasnegativ, Prints: P. Putz 58



Menschen am Land (1981) Timm Starl Die Frühzeit der Fotografie kannte den Bauern nicht als Objekt eines fotografischen Interesses. Es galt zunächst, die Menschen und die Ansicht der Städte, in denen die Fotografen beheimatet waren, für das neue Medium zu entdecken. Als in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahr­ hunderts zahlreiche Ateliers entstanden und durch technische Neuerungen im Verkehrswesen die Reiselust der Bürger zunahm, wurden erst­ mals fotografische Porträts von Bauern geschaf­ fen. Es warem Sammelfotos für Touristen, die damit ihre folkloristische Neugierde befriedigen konnten und den Daheimgebliebenen Bilder von der Reise zeigen wollten. Neben der Landschafts­ aufnahme war der Einheimische in Tracht das beliebteste Sammelfoto der Reisenden. Dies änderte sich bis in die Jahre nach dem ersten Weltkrieg nicht. Denn für die Arbeit der Kunst­ fotografen waren Bauer und Knecht, Magd und Hirt bloß Staffage, die den um die Jahrhundert­ wende beliebten Stimmungsbildern in der Natur entsprechende Atmosphäre verleihen sollten. Das Interesse an den Menschen und ihrem Leben war in diesen Aufnahmen nicht präsent. Die in den 90er Jahren aufkommende Amateur­ fotografie suchte jedoch nach neuen Motiven, die meist in der näheren örtlichen und persönli­ chen Umgebung lagen: Freizeit, Familie, Ausflü­ ge in die Umgebung. Der Bildinhalt stand im Vorder­g rund, der Amateur war engagierter Chronist, die Objekte ja Gegenstände seines pri­

vaten Interesses. Die fotografischen Arbeiten eines „neugierigen“ und ambitionierten Ama­ teurfotografen, der im österreichischen Ebensee tätig war, haben die Mitglieder der Bild-Manufak­ tur-Traunsee entdeckt, bearbeitet, ausgestellt und in einem Katalog publiziert: Johann Promberger arbeitete nach einer Schlosserlehre als Werkmei­ ster in der Saline Ebensee und war ein „Neuhei­ tenfanatiker“, den alle technischen Neuerungen interessierten. So erwarb er um 1905 eine Kamera, fotografierte in seiner Freizeit und hinterließ mehr als 150 Glasnegative, die bis 1925 entstan­ den und erst nach seinem Tod gefunden wurden. Es handelt sich „fast ausschließlich um Außen­ aufnahmen, das heißt, dass im Gegensatz zu Atelier­ a ufnahmen der Fotograf zu seinen „Objekten“ kam und sie in ihrer Umgebung abbildete. Es waren meist Menschen, die er kannte, Arbeitskollegen, Familienmitglieder, Nachbarn. Er fotografierte sie am Arbeitsplatz, vor dem Bauernhaus und – nachdem er in der näheren Umgebung bekannt war und zu man­ chen Anlässen geholt wurde – bei Hochzeiten und auf dem Totenbett. So übermittelt er ein Bild der ländlichen Bevölkerung fernab der bekann­ ten Atelierposen, erzählt von ihrer Arbeit ebenso wie von den Wohnverhältnissen, zeigt sie in der je nach Anlass gemäßen Alltagskleidung. Prom­ berger hielt aber auch Ereignisse fest, die ihm begegneten, so den Zusammenstoß einer Kut­ sche mit einem Automobil und eine Überschwem­ mung, von der sein Geburtshaus betroffen war.

Der gut gedruckte Katalog ordnet die 27 wieder­ gegebenen Fotografien thematisch, erläutert in unprätentiösen Texten Anlässe, Bildinhalte und das Leben des Fotografen und scheut sich nicht, zwei Aufnahmen kunstgewerblicher Gegenstän­ de mit der Bildunterschrift zu versehen:„Stilleben (?). Oder: die Schwierigkeit, historische Fotogra­ fien bis zum Ende interpretieren zu wollen.“ Nachlese: Auf die Frage nach der Reaktion des einheimischen Publikums auf die ausgestellten Fotografien Prombergers, den manche noch per­ sönlich kannten, berichtet Johann Kienesberger, einer der Herausgeber, von einer eher gleichgül­ tig-ablehnenden Haltung der älteren Besucher, die ihre Vergangenheit in den Bildern nicht wieder­finden wollten, sondern bloß über die teil­ weise schwierigen Lebensumstände dieser Jahre räsonierten. Dagegen fanden jüngere Gesprächs­ partner Ansätze zu einer Beschäftigung mit der Zeit ihrer Großväter und Väter; eine Gruppe aus einem nahe gelegenen Tal wurde sogar ange­ regt, die dort vorhandenen historischen Fotogra­ fien zur Arbeiterbewegung in ihrem Heimatort aufzuarbeiten.

Aus: Fotogeschichte, Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Frankfurt/Main 1981, Jahr­ gang 1, Heft 2, S. 74 – 75.

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J. Promberger, Zusammenstoss Auto und Kutsche, Foto, 12 x 15 cm, Kontaktkopie vom Glasnegativ, Prints: P. Putz

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Der TRAUNSEHER Nr. 7 1. November 1980: Architektur

Diese Ausgabe wurde anlässlich des Architektur-Symposions 1980 in Bad Ischl präsentiert. „Bevor überall der Beton hart wird, schieben wir noch rasch einen TRAUNSEHER zum Thema heraus. Er ist nicht als Kathedrale, sonder eher als Schrebergartenhaus für Architekturgeschädigte gedacht.“ Die Bandbreite des Unternehmens spiegelt Walter Pilar in seinem Siebdruck auf Hadernpapier „Von der Almhütte zum Hochhaus“ (Umschlag, Format A3). Hans Kienesberger zeigt im Projekt „Melker Micky Maus“ (Farboffsetdruck nach Collage, A4) ein österreichisches Architektur-Konzentrat mit amerikanischer Note. Das Atelier für grafische Feinkost (Go-Al Nowak) lieferte „Bau-Realisten“ und „Schuh-Architektur“ (Offsetdrucke nach Zeichnung, zweimal A5), Ernst Peters gab mit seinem Farb­ offsetdruck (A2) Praktisches in die Hand: „Greifen Sie zu Schere und Bunttsift und verhütteln Sie mit!“ Zum Innenausbau gestaltete Peter Putz die Zeichnung „Kleines Architekturbrevier für Verliebte“ ­(Offsetdruck A2). Für die Materialbeschaffung zeichnete Georg Stifter verantwortlich: In Plastikfolie eingeschweißter Mauerkalk + Fotokopie + Linoldruck. Richard Wall suchte und fotografierte Archi­ tektureste von Almkulturen (Offsetdruck). Diese Nummer ist exemplarisch beschrieben, um die mit jeder Ausgabe angestrebte Vielfalt in der Erscheinungsform aufzuzeigen. „Es handelt sich beim TRAUNSEHER um ein unkonventionelles, auf vielseitige Aktivierung des Lesers gerichtetes Konvolut, das unter Einbezug von Originalgraphiken erscheint.“ (Peter Baum).

Ausgabe Nr. 7 Architekturkripperl im Sand. Beiträge von: H. Kienesberger, Go-Al Nowak, Ernst Peters, W. Pilar, P. Putz, Georg Stifter, Richard Wall. Auflage 300, vergriffen

Richard Wall, Reste von Almhütten im Gebiet der Hohen Schrott, Postkartenserie (4 Motive), Offsetdruck, je 10,5 x 14,8 cm 62


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W. Pilar, Umschlag der Architekturnummer, Siebdruck auf Hadernpapier, 30 x 43 cm P. Putz, Begleitbrief, Offsetdruck nach Zeichnung, 29,7 x 42 cm Georg Stifter, Weg damit! Plastiksack mit eingeschweissten Mauerresten sowie bestempelter und signierter Fotokopie, ca. 30 x 20 cm 64


H. Kienesberger, Melker Micky Maus, Offsetdruck nach Collage, 29,7 x 21 cm 65


Ernst Peters, OÖ. Heimat-Häuser-Puzzle, 2-färbiger Offset­ druck nach Zeichnung, 42 x 59,5 cm P. Putz, Kleines Brevier für Verliebte, Offsetdruck nach Zeichnung, 42 x 54 cm 66


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Der TRAUNSEHER Nr. 8 17. April 1981: Walter Pilars Einbilder und Aussätze zur geistigen Umtagung

„Die Einrichtung eines Dechiffrier-Syndikats, wie es sie Freunde des Werkes von Arno Schmidt bereits haben, wird wohl nach dem Erscheinen der jüngsten Ausgabe der postalischen Galerie Der TRAUNSEHER notwendig sein. Das Heft . . . enthält nämlich Texte und „Kulizeichnungen“ des Lin­ zer Lehrers Walter Pilar, die von lokalen Anspielungen und Wortverfremdungen gerade so strotzen. Wenn Der TRAUNSEHER den Anspruch erhebt, fadenscheinig gewordenen Traditionen, die den Heimatbegriff nur mehr für den Fremdenverkehr vermarktbar machen, die grünspanige Gloriole herunterzureißen, dann ist das mit Pilars Texten sicher gelungen.“ (Manfred Steinhuber, Tagblatt).

Ausgabe Nr. 8 Walter Pilar vor dem Abflug. Texte, Grafiken, Gestaltung und Kalligraphie am Umschlag: W. Pilar; Umschlagbild vorne: P. Putz; Umschlagbild hinten: H. Kienesberger und W. Pilar. Lektorat: Martin Sturm, Umfang: 44 Seiten DIN-A 4, Auflage 600.

Geistig umtagter Traunwandler „. . . Gegenstände seiner Betrachtung sind die architektonische Vergewaltigung der Umwelt, . . . der Gefühlsbetrug durch Werbung, Wunschkonzert und verkitschte Heimatrührseligkeit („Traunstoahoam­ weh“), gutgeheißene Rohheiten in der Kindererziehung („Verbote als Vorboten“), die pathetische Beschönigung der Wirklichkeit („Sandlerhymne“) und die Verschrobenheit vergangener Epochen. . . Vorderste Absicht ist es – und damit formuliert er eigentlich die Idee und Intention des gesamten TRAUNSEHER-Projektes – den Menschen gefühlhaft bewußt zu machen, was sich in ihrer nächsten Umgebung zum Schlechten verändert und sie von ihr entfremdet. . .“ (Josef Aigner)

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W. Pilar, Da Fiachtaua, ein am Traunsee gefürchteter Fallwind, der vom Westen her (aus der Viechtau) „den Traunsee zum Erblühen bringt“. Offsetdruck nach Kulizeichnung, 41 x 58 cm 70


Korrekturen 2008 3. Zeile nach 1.Absatz soll heißen: Landstraßenbahnlinie ­(gondola di emorroidi, im Dialekt „Hämoridnschauggö“) 21. Zeile soll heißen: . . . bzw. in der Folge der Altersheim­ platzvermittler mit dem ihm zustehenden, respektgebietenden ­Heiligenschein in die Austragswohnung . . . 71


Korrekturen 2008 46. Zeile muss heißen: „So a Brodla!, Oaschloh deppats!, zah ao.“

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Korrekturen 2008 1. Zeile: „Hatschek-Zementwerke“statt „Hatschek-Eternitwerke“ 24. Zeile soll heißen: . . . Villa Daheim´ incl. Erziehungsleitung, div. Supermarktbuffets, eines Trumm Kongresszentrums, einer . . . 38. Zeile müsste heißen: . . . einer Kommunistischen Partei Bezirksleitung 48. Zeile müsste heißen: . . ., die einschließen in den pulsieren­ den Verkehrsverlauf Richtung Kara-Fiat, vorbei am bourboni­ schen Gamaschenumweltschutzschloß Ebenzweier, . . . – a­ ber der Fremdenverkehr, dem werd’ i Hea-, heabringa! 73


Korrekturen 2008 17. Zeile muss heißen: . . . & ihr Hahnenschwanz balzt . . . 21. Zeile folglich: . . . die die Welt durch Alpendollarmonokel sehen möchten, . . .

Schlussvignette am Rückum­ schlag: H. Kienesberger (Fotos) und W. Pilar (Montagen) 74


W. Pilar, Karbach-HerzbeschieĂ&#x;ung, 1975, Kugelschreiber auf Papier, 21 x 29,7 cm 75


Der TRAUNSEHER Nr. 9 11. Oktober 1981: Letzte Ausgabe

H. Kienesberger, W. Pilar, P. Putz, Umschlag und Begleittext zur Nummer 9, Offsetdruck, 29,7 x 42 cm 76


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H. Kienesberger, W. Pilar, P. Putz, Ăœbersichtsplakat, Offsetdruck, 85 x 60 cm H. Kienesberger, W. Pilar, P. Putz, Ausstellungsplakat, Offsetdruck, 62 x 42 cm 78


W. Pilar, Hyperglöckler (fliegende Projekte), Strichzeichnung (schwarz) und Bauplan eines Kastendrachens (rot), 2färbiger Offsetdruck auf flugtauglichem Druckträger (gelblades Leicht­ papier), 43 x 62 cm 79


Reaktionen auf den TRAUNSEHER

Briefe an Leser (1981) Manfred Steinhuber

Der Pleitegeier kreist ideologisch über der SPÖ Liebes Arbeiter-Präsidium „Lesen macht dumm und gewalttätig.“ Dieses wahre Wort ist zwar in Deutschland erfunden worden, aber Ihr, wohlgeborenen Arbeiter-Präsi­ denten und Arbeiter-Direktoren, seid Männer der Praxis, wisst aus verleumderischen Andeu­ tungen flugs den richtigen Schluss zu ziehen und ihn auch konsequent zu exekutieren. Mit Amts­ siegel verstehen sich. „Das Präsidium der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich hat sich mit Ihrem Ansuchen, die Publikation „Der Traunseher“ die von Ihrer Bild-Manufaktur.Traunsee herausge­ bracht wird, finanziell zu unterstützen bzw. zu abonnieren, beschäftigt und im Hinblick auf die vielen Beispielsfolgen in Oberösterreich abge­ lehnt.“ Unterschrieben hat diesen Beschäftigungsnach­ weis der Arbeiter-Direktor und der Arbeiter-Prä­ sident persönlich. Das zeigt, wie ernst die Lage ist. Fürwahr. Was wäre gefährlicher als „die vie­ len Beispielsfolgen“, die das Experiment „Traun­ seher“ haben könnte? Noch ein paar Dutzend Experimente auch in anderen kulturellen Berei­ chen und die ganze Kulturpolitik der ArbeiterDirektoren und Arbeiter-Präsidenten müsste auf die Suche nach einem Beschäftigungsnachweise gehen. Nun, diesmal ist es gelungen, den hinterlistigen Einschleichversuch in abgezäunte Reservate der amtlich beglaubigten Arbeiter-Kultur abzuweh­ ren. Für die Zukunft aber, liebe Arbeiter-Präsi­ denten und Arbeiter-Direktoren, müsst Ihr Euch schon noch ein bissl mehr einfallen lassen. 80


„Wehret den Anfängen,“ heißt es. Modern: Wehret den Anfängern, was immer sie auch anfangen. Folgend ein paar wehrhafte Vorschläge: * Einführung einer Aufnahmeprüfung für Bewer­ ber um Karten für die Arbeiter-Bildungsveran­ staltung „Bundestheater in die Bundesländer“. Zum Einsatz protektionistischer Mittel, die auf die Anwartschaft für einen Listenplatz für den Erwerb einer Eintrittskarte zielen, ist die ein­ wandfreie Beherrschung der Handgriffe, die nötig sind, einen Krawattenknoten zu binden, nachzuweisen. Als Nachweis gilt ausnahmslos die Kursbestätigung des Berufsförderungsinsti­ tutes. * Der Jägermayrhof wird in eine von bewährten Arbeiter-Architekten repräsentativ zu adaptie­ rende Schutzhütte auf dem Sternstein verlegt. Die beengten Raumverhältnisse lassen es zu, den Saal zur Gänze mit auserwählten Arbeiter-Arbei­ tern zu füllen. Der Verkauf von Eintrittskarten ist damit hinfällig und das bisher noch zuweilen auf­ tretende Problem des Massenandranges zu „Litera­ tur am Donnerstag“ ist auch beseitigt. Bekannt­lich ist für den Sternstein ein Geländefahrzeug nötig. Das wiederum sichert die Konspirativität, die nötig ist, um bei der Adaptierung nicht auf beischeiden-marmornen Arbeiter-Prunk verzich­ ten zu müssen. Ihr wisst ja, dass man heutzutage den Neidkomplex berücksichtigen muß. * Der Kongresssaal der Arbeiter-Kammer wird noch einmal renoviert. Es hat sich nämlich gezeigt, dass mit der letzten Umgestaltung zwar gewisse Arten von Konzerten verhindert werden konnten, die Subversiven sich aber inzwischen bisher als harmlos geltender Veranstaltungsty­ pen zu bedienen gelernt haben. Da fand doch glatt vor kurzem in den geheilig­ ten Hallen des Arbeiter-Präsidenten ein Vortrag statt, bei dem auch über seine liebsten Arbeit­ 81

platzsicherer, die Steyr-Panzer, geredet wurde. Und wie. Sowas kann verhindert werden. Nach bewährten Arbeiter-Architekten-Rezepten brauchts dazu nur viel Mahagoni, Polstermöbel und indirek­ te Beleuchtung. Da redet keiner mehr über Panzer. Da traut sich so einer gar nicht mehr hinein. Soweit, liebe Arbeiter-Präsidenten und ArbeiterDirektoren, meine bescheidenen Vorschläge zur Vermeidung künftiger „Beispielsfolgen“. Sollte ich in Unkenntnis der Realität einen Bereich Eurer Arbeiter-Kultur-Aktivitäten nicht berücksichtigt haben, könnt Ihr Euch vertrauensvoll an mich wenden. Mir wird schon was einfallen. Sollte es

aber dringend sein, sollte die Zeit nicht für ein paar Überlegungen ausreichen, dann macht es einfach so wie bei der einstigen Buchhandlung des ÖGB im Arbeiter-Haus: Zusperren hilft immer. Ein paar Arbeiter-Arbeitslose sind leichter zu verkraften als ein paar Arbeiter-Leser, die wer­ den höchstens „dumm und gewalttätig“ mit „Beispiels­folgen“. f. d. R. d. A: Wirkl. Arbeiter-Kamerad und Stattblatt-Kulturverhinderungsredakteur Gez. Gerbenz Hofböck e.h.

aus: Stattblatt Nr.6, Linz 1981


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Das ist ein Brief von Jürgen Brestan aus Salz­­burg sowie eine Antwort von mir. Ich ersuche Euch um schriftliche Stellungnahme. (bitte an mich senden) Kopien an E. Peters, Stifter G., Ritchie, Walter u. Peter. Grüße Hans (1980) Sbg., 11-11-80 Liebe Traunseher! Ihr habt mir nun also einige Nummern eurer postalischen Edition zukommen lassen, woduch ich einen Einblick in eure Intentionen und Mög­ lichkeiten gewinnen konnte. Naturgemäß sind meine Eindrücke subjektiv, doch sicherlich inter­ essiert es euch, wie ein Abonnent eure Beiträge aufnimmt. Deshalb einige Bermerkungen dazu: Nr. 5: brachte für mich nach großen Anfangser­ wartungen eine mindestens ebenso große Enttäu­ schung. Was mir in Erinnerung blieb, sind inhalts­ leere Xeroxkopien, Graphiken im luftleeren Raum, flüchtig hingesetzt (was ja nicht negativ sein müsste, wenn eine tiefere Überlegung oder Witz zugrunde liegen würde) und Texte, von denen nur Steinbacher’s „Gipfelstürmer“ durch Originalität herausstach. Ich habe mich ziemlich geärgert, doch wollte ich nicht vorschnell urteilen und euch nicht gleich aus der ersten Emotion heraus schreiben. Nr. 6: gab einen interessanten Ausschnitt der frü­ heren Amateurphotographie an exemplarischen Beispielen, tlw. dokumentarischer Anspruch. Hat mir sehr gut gefallen und liess meine Erwart­ungen an Nr. 7 (Architektur – mein Steckenpferd) hoch­ schnellen. Nr. 7: Peng! Ein Schlag ins Gesicht. • ein einfallsloses Häuserpuzzle (warum bringt ihr nicht konkrete Beispiele für Hundehüttenarchite­ kur, Bausünden in einem Nahbereich – als Postkar­ ten oder Photographik) • eine indiskutable Salzkammergutkopie • Postkarten, welche als solche, da wenig auszu­ 83

nehmen, denkbar ungeeignet • Verblüfft und zugleich fassungslos drehe und wende ich einen Folienbeutel, der in seinem Inneren eine nicht identifizierbare Kopie und Mauerreste birgt, endlich ein Geistesblitz und ich folge der handschriftlichen Anweisung „weg damit“ leichten Herzens und das Ganze wandert in meinen Papierkorb. Allein die Beiträge von NOWAK, PUTZ und KIE­ NESBERGER Montage scheinen mir akzeptabel. Liebe Freunde, seid mir nicht böse, aber so geht’s nicht. Was ihr da bietet ist einfach zu wenig, wes­ halb ich auf ein weiteres Abonnemnt verzichten werde. Der Großteil der Beiträge scheint kon­ zeptlos und allzu flüchtig, isoliert und bar tiefer Aussage, ohne geistigen Hintergrund im Raum zu stehen und deutet auf eine Entstehung unter

argem Zeitdruck hin. Auch die Einschränkung auf 2 Nummern pro Jahr erhärtet diesen Eindruck. Ehrlich gesagt, zweifle ich jedoch daran, dass diese den Preis rechtfertigen können. Nichts wünsche ich mir mehr, als dass sich meine Zwei­ fel als unbegründet herausstellen. Ich weiß, dass meine Kritik sehr hart ausgefallen ist, was mir beim Durchlesen jetzt besonders auf­ fällt, doch möchte ich damit dazu beitragen, euch am Riemen zu reißen und die Qualität zu steigern. Vielleicht kann ich einmal mit euch persönlich reden, auf jeden Fall werde ich mich wieder mel­ den. Herzliche Grüße Jürgen Brestan


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H. Kienesberger, W. Pilar, P. Putz in der ORF-Sendung OKAY mit Peter Hofbauer und Vera Russwurm 86


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Das Licht des Lebens. Eine BMT-Produktion aus dem Jahr 1984

H. Kienesberger, W. Pilar, P. Putz, Das Licht des Lebens. Ein Kunstspiel als Multiple. Kartonschachtel 37 x 37 x 4 cm; Spielanwei­ sung, Offsetdruck 29,7 x 42 cm; Spielplan, Off­ setdruck nach Collage, 70 x 100 cm; div. Materi­ alien. Auflage 99, vergriffen.

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H. Kienesberger, W. Pilar, P. Putz, Das Licht des Lebens, Spielplan, Offsetdruck nach Collage, 70 x 100 cm


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Paraphernalia

Richard Wall als TRAUNSEHER-Handverkäufer in der Sowjetu­ nion am Ufer der Newa (in der Nähe der im Packeis geparkten AURORA), im Februar 1979, bei rund – 20° C. Foto: R. Wall


Versand der letzten Ausgabe des TRAUNSEHERs.

Ein herzliches „Dankeschön“ an Greti Kienesberger für die tatkräftige Mitarbeit bei der Entstehung des TRAUNSEHERS auf allen Ebenen! Hans, Greti und Klaus Kienesberger, P. Putz, W. Pilar 95



Hans Kienesberger, * 1948 in Gmunden. Preise und Stipendien (Auswahl): u.a. 1976 Geist und Form VII, 1979 Talentförderungsprämie OÖ., 1981 Theodor-Körner-Förderpreis, Stipendium des BMfUK, 1982 Staatsstipendium des BMfUK, 2. Römerquelle-Kunstwettbewerb (Ankauf), 1983 Con­queror-­Kunstwettbewerb (Ankauf), 1984 Österr. Grafikwettbewerb: Preis d.Land. Salzburg, 1987 Trakl Ankaufspreis, 1995 KrakauStipendium des BMfUK, 2000 Krumau-Stipendi­ um des Landes Oberösterreich. Einzelausstellungen (Auswahl):   1982 Galerie Stubenbastei, Wien, 1983 Galerie Freund, Klagenfurt, Galerie im Fotohof, Salz­ burg, Galerie der Wiener Secession, 1986 Gale­ rie MAERZ, Linz, 1989 Galerie Lindner, Wien, Galerie Freund, Klagenfurt, Künstlerhaus Ring­ galerie, Salzburg, 1991 Galerie Weidan, Schär­ ding, 2000 Atelier d. Landes Oberösterreich in Krumau, Tschechien, 2003 Galerie artefakt im Palais Ferstel/Wien, 2004 Galerie vor.ort, Gmun­ den, 2006 Kleine Galerie, Millstatt, 2007 Galerie Schloß Puchheim.

www.hanskienesberger.com hans.kienesberger@gmx.net 97

Walter Pilar, * 1948 in Ebensee. Lebt als Schriftsteller, Grafiker, KunstWandwerker & „Rauminstallatör“ in Linz bei Langwies. Seit ‘68 zahlreiche inszenierte Lesungen (1978 – 1984 zumeist im TRAUN­SEHERkontext), gesamtkünst­ ler. Aktionen und Ausstellungen. Einträge in Gip­ felbüchern, Beiträge in Anthologien, Kunst- und Kulturzeitschriften des In- u. Auslands (zuletzt in Höllgang, Linz ‘08 und Tiefenrausch, Linz ‘09, sowie in Der Literaturbote, Frankfurt ‘05). Einzelpublikationen u.a.: klupperln & düsenjäger; Jederland; An sanften Samstagen; Eingelegte Kalk­ eier; Lebenssee ~ eine skurreale Entwicklungsroma­ nesque, Ritter Wien-Klagenfurt ´96; Lebenssee ~~ Gerade Regenbögen; K’furt ‘02 sowie W. P. in Krumau & anderswo: Achsen des Augenblicks; Ritter K’furt ‘07. Herausgeber von Lyrik aus Litau­ en; Dichter über Dichter (24 literarische Porträts). Ausstellungen u.a. in der Galerie im StifterHaus, Linz (z.B. Nachkommenschaften, 1992; W. Pilar in Krumau & anderswo, 2005), im O.K.-Centrum für Gegenwartskunst (Die paradiesischen Ecken mei­ nes Lebens, Rauminstallation ‘92; der KarbachHochaltar, Rauminstallation für LKW ‘99), Kunst­ haus Bregenz (der Karbach-Hochaltar innerhalb von LebensKunstWerke 2000) und Literaturhaus Wien (W. P. in Krumau & anderswo, 2006). Verschiedene Stipendien u. Preise, darunter der oö. Landeskulturpreis für Literatur ‘90. walter.pilar@gmx.net

Peter Putz, * 1954 in Ebensee. Universität für angewandte Kunst Wien. Studi­ en- und Arbeitsaufenthalte in Poznan/­ PL (1977/78); Montréal/CAN, Concordia University, artist in residence (1988/89); Paris/F, Cité inter­ national des arts (1990); New York/USA (1995). 1978 Gründung der Bild-Manufaktur-Traunsee gemeinsam mit Hans Kienesberger und Walter Pilar und Herausgabe der Bild-Text-Edition Der Traunseher (1978 – 1981). 1978 erste Animati­ onsfilme; Lektor für Film und Neue Medien an mehreren Universitäten. Seit 1980 Arbeit am Projekt Das Ewige Archiv, 1988 Ausstellung im Museum moderner Kunst Wien, 1994 Veröffentlichung des Buches Das Ewige Archiv · Virtual Triviality. 2012 Das Ewige Archiv · Heavy Duty XS, Buchpräsentation und Ausstellung im Wien Museum. 2014 Das Ewige Archiv · New Stuff, Buchpräsentation und Aus­ stellung in der Kunsthalle Wien. 2015 Les Archives éternelles, Paris, Maison Heinrich Heine; Das Ewige Archiv, Robert-Musil-Literaturhaus, Kla­ genfurt; The Eternal Archives & Mont Real Remix, Topological Media Lab, Concordia Uni­ versity, Montreal, CA Zahlreiche Ausstellungen und Auszeichnungen, Vorträge und Publikationen. www.ewigesarchiv.at · putz@ewigesarchiv.at


KUNST IM SALZKAMMERGUT III Herausgeber: Künstlergilde Salzkammergut Konzeption der Ausstellungsreihe: Josef Linschinger Alle Rechte: bei den KünstlerInnen und AutorInnen Redaktion: Hans Kienesberger, Walter Pilar, Peter Putz Fotos und Arrangements der TRAUNSEHER-Ausgaben: Stefan Liewehr Repros der Beiträge: Studio Liewehr Scans: Michael Rosenkranz Gestaltung: Peter Putz, Studio Putz+, Wien, www.ewigesarchiv.at Druck: Holzhausen, Wien Verlag: Bibliothek der Provinz, A-3970 Weitra ISBN: 978-3-852552-888-5 Die Herausgabe dieser Publikation förderten das Bundesministerium für ­ Unterricht, Kunst und Kultur, das Land Oberösterreich und die Stadt Gmunden. Wir danken herzlich!

Hans Kienesberger, Walter Pilar und Peter Putz danken allen Mitwirkenden beim Projekt „Der TRAUNSEHER“ sehr herzlich.

STADT GMUNDEN

publication PN°1 Bibliothek der Provinz Verlag für Literatur, Kunst und Musikalien



Die TRAUNSEHER inmitten der Besatzung des Traunsee-Dampfers Gisela,1979.

Ein gewisser Ingrimm wächst im Schreiber, weil sie sich nur schwer begreifen und noch viel weniger leicht beschreiben lassen. Sie, die TRAUNSEHER: Johann Kienesberger, Walter Pilar und Peter Putz, erstes Silber in den Bärten, Schalk in den Augen und wahrscheinlich irreparable Flausen im Kopf. Ein paar Jahr lang haben sie dem kulturellen Leben in Österreich wie in Oberösterreich ein flackerndes Irrlicht aufgesetzt und sind genüsslich auf freiliegenden Schmerznerven herumspaziert. Sind Hechte gewesen im bildungs­bürgerlichbeschaulichen Getue, kleine Anarchos in den Bettenzählergemeinden und haben das Weltrad im Land ob der Enns in der Tat einen Zahn weiter­gedreht. Robert Gratzer (1988)


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